Ukraine (Land)


Ukraine (ukrain. Ukrajina)

Inhaltsverzeichnis

1 Statistische Angaben


Lage:
Staat im östlichen Europa, grenzt im Osten an Russland (Grenzlänge 2448 km), im Norden an Weißrussland (975 km), im Nordwesten an Polen (529 km), im Westen an die Slowakei (99 km), Ungarn (135 km), Rumänien (618,2 km) und die Moldau (1191 km). Im Süden besteht Zugang zum Schwarzen (1559 km) und Asowschen Meer (400 km). Die Fläche des Staatsterritoriums beträgt 603.695 km².
Einwohner (2005):
46.929.521, davon 46,1 % männlich, 53,9 % weiblich; Altersstruktur 0–14 Jahre: 14,8 %, 15–64 Jahre: 69,3 %, 65 Jahre und älter: 15,9 %; Bevölkerungsdichte: 77,7 Einwohner/km²; 66,4 % im arbeitsfähigen Alter (Männer 15–64, Frauen 15–59); 64,6 % Beschäftigte (von den Personen im erwerbsfähigen Alter); 3,2 % Arbeitslose; Bevölkerungsentwicklung 1950–2005: 0,41 % jährlich, 1990–2005: –0,39 % jährlich; Nationalitäten (nach der Volkszählung 2001): 37.541.693 Ukrainer (77,8 %), 8.334.141 Russen (17,3 %), 275.763 Weißrussen (0,6 %), 258.619 Moldauer (0,5 %), 248.193 Krimtataren (0,5 %), 204.574 Bulgaren (0,4 %), 156.566 Ungarn (0,3 %), 150.989 Rumänen (0,3 %), 144.130 Polen (0,3 %), 103.591 Juden (0,2 %), 99.894 Armenier (0,2 %), 91.548 Griechen (0,2 %), 73.304 Tataren (0,2 %), 47.587 Roma (0,1 %), 45.176 Aserbaidschaner (0,1 %), 34.199 Georgier (0,1 %), 33.302 Deutsche (0,1 %), 31.923 Gaugasen (0,1 %), 365.710 ohne Angabe u. a (0,8 %). Religionszugehörigkeit: Russisch-Orthodox (Moskauer Patriarchat), Ukrainsch-Orthodox (Kiewer Patriarchat), Ukrainisch-Orthodox (autokephal), Griechisch-Katholisch, Römisch-Katholisch, kleinere jüdische, protestantische Gemeinden (v. a. Baptisten) und Islam (v. a. Krimtataren).
Hauptstadt und größere Städte (2005):
Kiew (2.693.200), Charkow (1.463.000), Dnipropetrovsʹk (1.047.000), Odessa (1.002.000), Donecʹk (994.000), Zaporižžja (795.000), Lemberg (735.000), Kryvyj Rih (696.667 [2004]), Mykolajiv (508.000).
Währung: 1 Hryvna (hrn.) = 100 Kopeken (k.).
Wappen:
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Das Staatswappen zeigt einen nach oben weisenden goldenen Dreizack (Tryzub), Symbol des Hl. Vladimir, auf blauem Hintergrund.
Flagge:
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Quergeteilt - oben mittelblau, unten gelb im Verhältnis 2:3 (Breite:Länge). Die Farben wurden dem Wappen der „Rjurikiden“ entnommen.
Hymne:
Šče ne vmerla Ukrajina („Noch ist die U. nicht gestorben“), Text nach dem gleichnamigen Gedicht von Pavlo P. Čubynsʹkyj (1839-84). Die Musik wurde von Mychajlo M. Verbycʹkyj (1815-70) komponiert.
Feiertage:
Staatliche Feiertage: 1. Januar (Neujahr), 1. und 2. Mai (Tage der Arbeit), 9. Mai (Tag der Befreiung vom Faschismus), 28. Juni (Tag der Verfassung), 24. August (Tag der Unabhängigkeit 1991); sonstige Feiertage: 7. Januar (orthodoxes Weihnachtsfest), 8. März (Frauentag), Ostern (beweglich), Pfingsten (beweglich).
Zeit: Osteuropäische Zeit
Staatssprache: Ukrainisch
Staatsform: Präsidialrepublik
Staatsoberhaupt: Präsident (derzeit Viktor Juščenko)
Regierungschef: Ministerpräsident (derzeit Julija Tymošenko)
Politische Parteien:
Blok Juliji Tymošenko (BJuT, „Block Julija Tymošenkos“): Partija „Batʹkivščyna“ (Batʹkivščyna, „Partei «Vaterland»“), Ukrajinsʹka social-demokratyčna partija (USDP, „Ukrainische Sozialdemokratische Partei“); Blok Naša Ukrajina (BNU, „Block «Unsere Ukraine»“): Chrystyjanʹsko-demokratyčnyj sojuz (ChDS, „Christlich-Demokratische Union“), Kongres Ukrajinsʹkych Nacionalistiv (KNU, „Kongress Ukrainischer Nationalisten“), Narodnyj ruch Ukrajiny (NRU, „Ukrainische Volksbewegung“), Narodnyj sojuz „Naša Ukrajina“ (NSNU, „Volksunion «Unsere Ukraine»“), Partija promislovciv i pidpryjemciv Ukrajiny (PPPU, „Partei der Industriellen und Unternehmer der Ukraine“), Ukrajinsʹka respublikansʹka partija „Sobor“ (Sobor, „Ukrainische Republikanische Partei «Versammlung»“); Komunistyčna partija Ukrajiny (KPU, „Kommunistische Partei der Ukraine“), Partija rehioniv (PR, „Partei der Regionen“), Socialistyčna partija Ukrajiny (SPU, „Sozialistische Partei der Ukraine“).
Bruttoinlandsprodukt (2005): 83,655 Mrd. US-Dollar, pro Kopf der Bevölkerung: 1776 US-Dollar
Bruttosozialprodukt (2005): 81,124 Mrd. US-Dollar, pro Kopf der Bevölkerung: 1722 US-Dollar
Auslandsverschuldung (2005): 38,814 Mrd. US-Dollar
Haushaltsdefizit (2005): 2,132 Mrd. US-Dollar (2,5 % des BIP)
Außenhandel (2005):
Import 36,141 Mrd. US-Dollar: 32,0 % Mineralstoffe und Öle, 8,9 % Transportmittel, 8,7 % Maschinen und -teile; Hauptlieferländer (2004): 40,7 % Russland, 9,4 % Deutschland, 6,7 % Turkmenistan, 3,3 % Polen, 2,8 % Italien; Export 34,287 Mrd. US-Dollar: 41,0 % Metallerze und Metallerzeugnisse, 13,7 % Mineralstoffe und Öle, 8,7 % Chemikalien; Hauptabnehmerstaaten (2004): 18,0 % Russland, 5,8 % Deutschland, 5,7 % Türkei, 5,0 % Italien, 4,6 % USA.
Mitgliedschaften:
Black Sea Economic Cooperation (BSEC), Central European Initiative (CEI), Eurasian Economic Community (EURASEC), Europarat, European Bank for Reconstruction and Development (EBRD), GUAM (Georgia Ukraine Azerbaijan Moldova), GUS, International Civil Aviation Organization (ICAO), International Labour Organization (ILO), International Monetary Fund (IMF), International Telecommunication Union (ITU), Internationale Atomenergie-Organisation (IAEO), Interpol, North Atlantic Co-operation Council (NACC), OSZE, UNO, Weltbank, Weltpostverein, WHO.


Anmerkung der Redaktion: Stand der statistischen Angaben ist, wenn nicht anders vermerkt, das Publikationsdatum des Artikels.

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2 Geographie

2.1 Naturraum

Die U. ist zwischen den Flüssen Bug und San im Westen und dem russischen Gebiet Rostow und dem Zentralen Schwarzerdegebiet
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im Osten sowie zwischen Weißrussland im Norden und dem Schwarzen Meer im Süden gelegen. Rd. 5 % der Fläche der U. werden von den mittleren Höhen des Krimgebirges und der Karpaten eingenommen, 95 % werden dem Osteuropäischen Tiefland zugerechnet. Der Eindruck der Weite der überwiegend ebenen bzw. schwachwelligen Landschaft, die in einigen Regionen von tief eingeschnittenen Flusstälern gekennzeichnet ist, ergibt sich geologisch aus der mehr oder weniger lückenhaften Sedimentdecke, die auf dem kristallinen Grundgebirge (Urkontinent Fennosarmatia) aufliegt.


Im sog. Ukrainischen Schild, der sich westlich des Dnjeprs befindet, sind u. a. Eisenlagerstätten (v. a. Kryvyj Rih, Zaporižžja) vorhanden, die in der Nähe von Komsomolʹsʹk eine Magnetanomalie verursachen (vgl. Kursker Magnetanomalie). Nordöstlich des Dnjeprs befindet sich eine grabenartige Struktur von mehr als 1000 km Länge, das Dnjepr-Don-Aulakogen, in der im Donezbecken bis zu 10 km steinkohlehaltige Sedimente des Karbons enthalten sind. Steinkohle wird außerdem um Lemberg und in Wolynien abgebaut. Zu weiteren wichtigen Bodenschätzen gehören Manganerze (v. a. bei Nikopolʹ), Erdöl und -gas (Galizien, Poltava, Transkarpatien, sowie Schwarzes Meer), Braunkohle (Kirovohrad), Schwefel (Novyj Rozdil), Stein- (Donbass und Transkarpatien) und Kaliumsalz (Kaluš).

Die Karpaten gelten als ein alpidisches Faltengebirge. Der höchste Gipfel der U. (Hoverla, 2061 m ü. d. M.) befindet sich in den Waldkarpaten. Davon, dass die Gebirgsbildung bis heute andauert, zeugen jährliche Hebungsraten von rd. 3 mm und Erdbeben, die mit Stärken von 6–7 auf der Richterskala ihr Epizentrum i. d. R. in Transkarpatien haben. Das im Süden der U. gelegene Krimgebirge ist ebenfalls ein alpidisches Faltengebirge, dessen größte Höhe (Roman Koš) 1545 m ü. M. beträgt. Bei der Gebirgsbildung kam es zu einer Absenkung der angrenzenden Gebiete, wodurch die Schwarzmeer-Niederung oder -Depression entstanden ist, die sich die Küste entlang zieht (z. B. bei Cherson, Odessa).

Der Naturraum der U. wurde durch die Eiszeiten wesentlich geprägt. Von Norden her kommend reichte das Inlandeis am Dnjepr entlang bis etwa Dnipropetrovsʹk. Im Nordwesten gab es einen weiteren, kleineren Vorstoß des Inlandeises.
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Der Norden der U. ist somit durch eiszeitliche Ablagerungen, durch Endmoränenwälle, Sander und breite, versumpfte Urstromtäler (z. B. Pripjet) gekennzeichnet. Die Böden sind überwiegend Dernopodsole (Rasenpodsol), die eine mittlere Fruchtbarkeit aufweisen und zur Verdichtung und dadurch zur Staunässe neigen. In den breiten Flusstälern sind Moor- und Torfböden vorhanden. In den südlich anschließenden Regionen kam es zur Ablagerung von Löß und lößähnlichen Materialien mit einer Mächtigkeit von bis zu 5–50 m. Daraus entstanden die fruchtbarsten Böden der U., die bis zu 60 % der landwirtschaftlichen Fläche ausmachen und bei einer Tiefe von 1–1,5 m einen Humusgehalt von 4–9 % haben. Die Erosionsanfälligkeit von Löß ist aber auch ein Grund für die Entstehung von z. T. metertiefen Erosionsgräben, die das Schwarzerdegebiet durchziehen.
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Durch die geringe Reliefierung ist das Klima der U. relativ einheitlich und kontinental geprägt. Spezifischen Einflüssen unterliegen die Karpaten, das Krimgebirge und die Küstenregionen. Die U. liegt im Einflussbereich der Westwinddrift. Der größte Teil des Niederschlags fällt – mit Ausnahme der Südseite der Krim – im Sommer und überwiegend als Starkregen, teilweise auch als Hagel. Im Winter dominieren zyklonale Niederschläge, die Summen bleiben gering. Im Durchschnitt fallen 25–30 % des Niederschlags als Schnee.

Die Niederschlagssumme verringert sich von Westen nach Osten und von Norden nach Süden. In der westlich gelegenen Stadt Lemberg fallen im Jahresdurchschnitt 740 mm, in der östlich gelegenen Stadt Luhansʹk nur 473 mm. In südlicher Richtung verringern sich die Niederschläge weiter und in der Küstenstadt Odessa beträgt die durchschnittliche Niederschlagsmenge nur 374 mm. Charakteristisch ist v. a. in den südlichen und südöstlichen Regionen die starke Variabilität der Niederschläge, alle zwei bis drei Jahre treten hier im Frühjahr und Sommer Dürren auf. In Mykolajiv wurden z. B. innerhalb von zehn Jahren jährliche Niederschlagssummen zwischen 298 mm und 554 mm gemessen, der Durchschnitt beträgt 420 mm.

Die Durchschnittstemperaturen steigen von Norden nach Süden hin an – im Sommer auch von Westen nach Osten, im Winter umgekehrt. Die mittlere Januartemperatur beträgt bspw. in der westlich gelegenen Stadt Lemberg –5°C, im östlichen Luhansʹk –6,6 °C und in Odessa –3,0 °C. Im Juli betragen die Temperaturen in Lemberg 17,4 °C, in Luhansʹk 22 °C und in Odessa 22,5 °C. Dadurch bedingt belaufen sich die Jahresamplituden in Lemberg auf 23,4 °C, in Luhansʹk und Odessa auf 22,5 °C. Diese Tendenz ist auch an der Dauer der frostfreien Tage zu erkennen: In Lemberg beträgt sie 183 Tage, in Luhansʹk nur 153 Tage und in Odessa 213 Tage. Im Winter kommt es durch trockene und stabil geschichtete kontinental-arktische Luftmassen v. a. im Osten der U. zu extremer Kälte. In Luhansʹk wurde eine absolute Minimaltemperatur von –42 °C gemessen, in Lemberg waren es dagegen –34 °C, in Odessa –28 °C.

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Charakteristisch für die Ebenen der U. sind winterliche Schneestürme, die im Süden des Landes mit 20–25 Tagen/Jahr am häufigsten auftreten. Im Frühjahr und Sommer bringt der warme Trockenwind ›Suchovej‹ (russ., ukrain. suchovij) Dürrestress für die Vegetation und Schäden in der Landwirtschaft. V. a. im Südosten treten außerdem schwarze Staubstürme (ukrain. buri) auf, die einige Minuten bis Tage andauern können und eine extreme Winderosion bewirken.

Im Karpatenvorland fallen 650–800 mm Niederschlag pro Jahr, im Gebirge erhöht sich die Summe auf über 1000 mm. Während im Vorland die winterliche Schneedecke kaum beständig ist, ist
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sie in den Karpaten von Ende November bis Mitte März permanent. In Höhen über 1000 m kann sogar bis Anfang Mai Schnee liegen. Zudem formieren sich in der Gebirgsregion lokale Winde: Im Sommer treten Berg-Tal-Winde auf, bei denen tagsüber warme Luftmassen aufsteigen, nachts sinkt kalte Luft ins Tal. Im Winter und Frühjahr tritt Föhn auf.

Auf der Südseite der Krim gibt es trotz Wintertemperaturen unter dem Gefrierpunkt und beständiger Scheedecken subtropische Klimaaspekte: Maritim-tropische Luftmassen bewirken in den Wintermonaten ein Niederschlagsmaximum. Während die Niederschläge der nördlichen Schwarzmeerküste unter 400 mm bleiben, werden im südlichen Bereich des Krimgebirges über 800 mm erreicht. Das Schwarze Meer hat einen ausgleichenden Effekt auf die Temperatur, der 150–300 km ins Landesinnere reicht. Beim Asowschen Meer sind es etwa 100 km.

Die naturräumlichen Voraussetzungen wirken sich auf die Flora und Fauna aus: Im Nordwesten und Norden der U. befindet sich die Waldzone, die sich nach Osten hin keilförmig bis an die mittlere Wolga fortsetzt. Hier sind Nadelbäume verbreitet wie Fichte, Kiefer, Weißtanne und Laubbäume wie Eiche, Linde, Hasel, Ulme, rechts des Dnjeprs außerdem Hainbuche und im Osten Birken. Im nördlichen Bereich der Waldzone sind v. a. Mischwälder, im südlichen Bereich Laubwälder vorhanden. In den ausgedehnten Auen und auf Niederterrassen sind außerdem Auen- und Bruchwälder zu finden, so auch am Pripjet und seinen Zuflüssen, wo das „Waldland“ (Polessje) liegt. Auf den trockenen Standorten der Sanderflächen stehen Kiefernwälder. Insgesamt sind in der Polessje rd. 26 % der Fläche bewaldet, im Landesdurchschnitt dagegen nur 14 %.

Die südöstlich anschließende Waldsteppe ist ein Makromosaik aus Wald und Wiesensteppe. Östlich des Dnjeprs sind Eichenwälder charakteristisch, westlich Eichen-Hainbuchenwälder. V. a. im südlichen Bereich der Waldsteppe wurden viele Waldinseln gerodet und sind heute fast vollständig durch landwirtschaftliche Flächen ersetzt. Wald macht dort etwa 12 % der Fläche aus. Weiter südöstlich beginnt die eigentliche Steppe, in der Waldgebiete einen Anteil von weniger als 4 % haben. Charakteristisch sind das hohe Federgras, Schwingel, Rispengras und Tulpen. Trotz der ungünstigen hygrischen Bedingungen wird die Steppenzone heute landwirtschaftlich stark genutzt. Ursprüngliche oder naturnahe Vegetation befindet sind fast nur noch in Schutzgebieten, von denen ›Askanija-Nova‹ im Gebiet Cherson am bedeutendsten ist.

Im Karpatenvorland befindet sich bis 500 m ü. d. M. die Laubwaldstufe. Daran schließt bis 1200 m ü. d. M. die Mischwaldstufe an, in der submontane Buchenwälder, Tannen- und Fichten-Buchenwälder verbreitet sind. Einen hohen Flächenanteil haben die anthropogenen Fichtenwälder. Die Karpaten sind das am dichtesten bewaldete Gebiet der U., der Waldanteil beträgt 40 %. Im Krimgebirge sind 32 % der Fläche bewaldet, vorherrschend sind Eichenwälder, auch Buchen sind verbreitet. An den südlichen Hängen sind mediterrane Arten der Kiefer und des Wachholders vorhanden.

An den Seen und Sumpfgebieten v. a. im Nordwesten brüten zahlreiche Vogelkolonien. Seltene Vogelarten sind u. a. grauer Kranich, Schwarzstorch und Ziegenmelker. Bei den Amphibien sind u. a. der Karpatenmolch, Bergmolch und gefleckter Salamander bedeutend. In den Wäldern kommen neben Hasen, Igeln, Eichhörnchen auch Elche, Wildschweine, Hirsche, Rehe und Wölfe vor, in den Karpaten auch Bären. Weiterhin sind Bisamratten, Otter, Marder, Iltisse und Füchse verbreitet. In den Steppengebieten sind der Steppeniltis, das graue Feldhuhn, die Wachtel, der Steppenotter und die Lerche zu finden. Baumläufer und Buchfinken sind in Transkarpatien häufig anzutreffen.

Am 26.4.1986 ereignete sich in der U. eine der größten Umweltkatastrophen der Welt: Durch Betriebsfehler kam es im Kernreaktor nahe der Stadt Tschernobyl zur Kernschmelze und Explosion. Etwa 70 % des radioaktiven Fallouts ging über Weißrussland herunter. In der U. gelten etwa 10 % der Fläche als radioaktiv belastet, davon 3,5 Mio. ha landwirtschaftliche Fläche. Die gesundheitlichen Folgen der Katastrophe sind auch heute noch umstritten. Gerade auch durch die Katastrophe von Tschernobyl existiert in der U. ein hohes Bewusstsein für Umwelt- und Naturschutzfragen.

Verschmutzung kommt auch von anderen Quellen: Wasser, Schwermetallorganische Komponenten und Erdöl-Verschmutzung werden ins Schwarze Meer gelassen. In einigen Gegenden beinhaltet das Wasser toxische Chemikalien, die bis zu zehnmal so hoch sind, wie die Sicherheitsbestimmungen es zulassen. Die Wasserverschmutzung hat zur großflächigen Vernichtung von Fischpopulationen v. a. im Asowschen Meer geführt. Auch Luftverschmutzung ist ein ernst zu nehmendes Problem in der U.

Durch den Wirtschaftseinbruch in den ersten Jahren der Unabhängigkeit und verringerte sich der Schadstoffausstoß der Industrie. Heute jedoch sind es gerade die Schadstoffemissionen der oft veralteten Anlagen die diesen wieder haben anwachsen lassen.

2001 waren 1,6 % der Landesfläche Schutzgebiete (darunter 12 Nationalparks), einschließlich 22 Feuchtgebiete von internationaler Bedeutung. 15 Säugetierarten, 10 Vogelarten und 20 Pflanzenarten gelten gegenwärtig als gefährdet, z. B. Wisent, russischer Desman und Krauskopfpelikan.

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2.2 Bevölkerung

Die gravierenden wirtschaftlichen und sozialen Schwierigkeiten der U. wirkten sich in der demographischen Entwicklung aus: 1991, im Jahr der Unabhängigkeit lebten in der U. 52.065.615 Menschen. Bei der Volkszählung am 5. Dezember 2001 waren es 48.457.107 und Ende 2005 nur noch 46.929.521 Einwohner. Gründe für den Bevölkerungsrückgang sind eine gestiegene Sterberate, eine gesunkene Geburtenzahl und Emigration. In den Jahren der Unabhängigkeit stieg die Sterberate von 12,1 (1992) auf 16,6 (2005) an. Die Lebenserwartung bei der Geburt hatte 1991/2 bei Frauen 74,2 Jahre und bei Männern 64,2 Jahre betragen. Für das Jahr 1995/6 wurde die Lebenserwartung von Frauen mit 72,7 Jahre und von Männern mit 61,4 Jahre angegeben. Inzwischen ist sie wieder fast auf das Niveau von 1991/2 und beträgt 74 Jahre bei Männer und 62,2 Jahre bei Frauen. Dabei ist die Lebenserwartung in den Städten etwas höher als auf dem Land. Auch wenn die für europäische Verhältnisse hohe Kindersterblichkeit inzwischen deutlich gesunken ist, von 17,9 pro 1000 Lebendgeborene 1990 auf 10,1 im Jahre 2005, gehört die U. zu den Schlusslichter im europäischen Vergleich. 1990 hatte die Geburtenrate noch 12,7 betragen, 2005 waren es 9,0. Dabei ist die Geburtenrate auf dem Land deutlich höher als in der Stadt.

Deutliche Zeichen für wirtschaftliche und soziale Probleme der Bevölkerung sind z. B. die gestiegene Zahl der an Alkohol Gestorbenen (1985 ca. 5.600, 2001 ca. 9.800), die häufigeren Selbstmorde (1985 ca. 11.300, 2001 ca. 13.000) und die gewachsene Kriminalität, so ist bspw. auch die Zahl der Morde gestiegen (1985 ca. 2.500, 2001 ca. 9.800).

Die Rate der natürlichen Bevölkerungsentwicklung sank von 0,6 im Jahr 1990 auf 7,7 im Jahr 2005 und war auf dem Land sehr viel geringer als in der Stadt. In der Alterspyramide der Bevölkerung ist durch den starken Geburtenrückgang seit Ende der 1980er eine deutliche Tropfenform entstanden. Unter aktuellen Bedingungen wird eine Fertilitätsrate (durchschnittliche Anzahl der Kinder, die eine Frau im geburtsfähigen Alter in ihrem Leben zur Welt bringt) von 1,27 errechnet, was deutlich unter dem Reproduktionsniveau liegt.

Neben dem natürlichen Bevölkerungsrückgang ist die Migration für die Bevölkerungsentwicklung ausschlaggebend: 1990–1993 wuchs die Bevölkerung durch Migration um 571.900 Menschen, da Ukrainer v. a. aus anderen Sowjetrepubliken einwanderten. In den folgenden Jahren kam es zu einer Massenauswanderung: 1994-2004 wanderten in der U. 1.221.400 Menschen mehr aus als dass eingewandert sind. Dabei waren nicht-ukrainische Nationalitäten überproportional am Wanderungsgeschehen beteiligt, da sie sich in ihren Nationalstaaten bessere Lebensbedingungen erhofften. Bereits in der Vergangenheit hat es immer wieder aus sozio-ökonomischen und gesellschaftlichen Gründen Emigrationswellen gegeben. 1989 hatten rund 11,2 Mio. Ukrainer im Ausland gelebt, davon 4,4 Mio. in Russland, 2,4 Mio. in weiteren Sowjetrepubliken und östlichen Staaten, 4,8 Mio. in westlichen Ländern, v. a. in Nord- und Südamerika, aber auch als ethnische Minderheit z. B. in Polen und Rumänien. Die größte Bedeutung für die ukrainische Diaspora hatte die zahlreiche und gut organisierte Minderheit in Kanada.

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2005 wurde in der U. zum ersten Mal seit 1993 ein positives Wanderungssaldo (von 4583 Personen) registriert. Aus dem Ausland sind 39.580 Personen eingewandert, v. a. aus anderen GUS-Staaten. 34.997 Personen sind ins Ausland ausgewandert. In den letzten Jahren wanderten die meisten Personen aus der U. in die anderen GUS-Staaten (v. a. Russland), Deutschland, Israel, Großbritannien, Kanada, die USA und in die ostmitteleuropäischen und südlichen EU-Staaten.

2005 migrierten innerhalb der U. 723.642 Menschen, was bedeutet, dass 1,5 % der Bevölkerung offiziell innerhalb des Landes umgezogen ist. Die Stadtbevölkerung zeigt bei den Emigrationen – und dabei auch bei den Emigrationen ins Ausland – höhere Werte als die Landbevölkerung, bei der die Migrationsraten gering sind. Überproportional ist dagegen in den letzten Jahren die Zahl der Ukrainer, die innerhalb der U. umgezogen sind und sich dabei im ländlichen Raum angesiedelt haben, wodurch sich die lange bestehende Landflucht umgedreht hat. Seit 1994 hat sich der Anteil der Stadtbevölkerung von 67,9 % auf 67,2 %, bis 2005 ist er aber wieder leicht aufgestiegen (auf 67,7 %). Neben den dauerhaften Migrationen sind die periodischen Wanderungsbewegungen von großer Zahl und Bedeutung. Die Zahl der im Ausland arbeitenden Ukrainer dürfte um ein vielfaches höher sein, als die offiziellen Statistiken dies ausweisen, da häufig illegal gearbeitet wird. Um 1900 lebten auf dem Gebiet der heutigen U. etwa 617.000 Deutschsprachige, v. a. an der Schwarzmeerküste und im damals österreichisch-ungarischen Teil. Nach der letzten Volkszählung wurde die Anzahl der Deutschen mit 33.302 angegeben (2001).

Vor dem Zweiten Weltkrieg waren Schtetl mit tlw. über 80 % jüdischer Bevölkerung eine weit verbreitete Siedlungsart v. a. in der Westu. Damals zählte dieses Gebiet zu den größten Verbreitungsgebieten des Jiddischen. Im Zweiten Weltkrieg wurden etwa 600.000 Juden (von 1.532.776 im Jahr 1939) durch deutsche Truppen und ihre ukrainischen Helfer vernichtet. Die Überlebenden wandern seitdem in die USA, nach Israel und seit den 1990er Jahren auch nach Deutschland aus. 2001 wurden in der U. lediglich 103.591 Juden gezählt.

Nach der Unabhängigkeit hat die U. – anders als z. B. Estland und Lettland einen Weg der Integration der verschiedenen Nationalitäten gewählt. 1991 konnte jeder ständiger Einwohner des Landes die ukrainische Staatsbürgerschaft erhalten, unabhängig von der Nationalität. Auch in der Verfassung wird von dem ukrainischen Volk als „Bürger der U. aller Nationen“ gesprochen, was an den sowjetischen Vielvölkerstaat erinnert. Dabei wird der ukrainische Vielvölkerstaat von der ukrainischen Kultur dominiert, jedoch werden andere Sprachen und Kulturen staatlich toleriert und teilweise unterstützt. 1989 lebten in der U. etwa 72,7 % Ukrainer, 22,1 % Russen und 5,2 % andere Nationalitäten. Bis 2001 ist die Zahl der Ukrainer leicht gestiegen und die der meisten anderen Nationalitäten ist z. T. stark geschrumpft (Juden um 78,7 %, Weißrussen um 37,3 %, Polen um 34,2 %, Russen um 26,6 %). Der Anteil der Ukrainer stieg auf 77,8 % und der der Russen sank auf 17,3 %. Mit 0,6 % bilden die Weißrussen die drittstärkste Nationalität, gefolgt von Moldawiern (0,5 %). Zu den wenigen unter den ca. 130 Nationalitäten und ethnischen Gruppen, deren Bevölkerungszahl gestiegen ist gehören Krimtataren (um ca. 430 %), die inzwischen mit 0,5 % die fünftgrößte Bevölkerungsgruppe stellen, Armenier (um ca. 80 %), Georgier (um 45,3 %), Aserbaidschaner (22,2 %) und Rumänen (12,0 %). Dabei ist die Verteilung ungleich: In den westlichen Gebieten der U. sind über 90 % der Bevölkerung Ukrainer, wobei v. a. im Südwesten lokal Moldawier, Polen, Rumänen und Bulgaren einen größeren Bevölkerungsanteil stellen. In den östlich gelegenen Gebieten, v. a. Charkow, Luhansʹk, Donecʹk, wo die Russen 1989 einen Anteil von 30–45 % hatten, betrug ihr Anteil 2001 noch 25-39 %. Auch in der Hauptstadt und an der Schwarzmeerküste stellen Russen einen hohen Bevölkerungsanteil. Auf der Krim bilden leben 64 % Russen und nur 24 % Ukrainer. Die dritte Volksgruppe dort stellen die Krimtataren (10,2 %), die erst nach 1989 in größere Anzahl in ihre Heimatgebiete zurückgekehrt sind. Viele Russen und weitere nationale Minderheiten leben bereits lange in der U. und fühlen sich der Region mehr verbunden als ihrer historischen Heimat.

Anfang der 1990er Jahre wurde in der Westu. v. a. Ukrainisch gesprochen, und es gab eine starke Abneigung gegen die russische Sprache und russisch Sprechende. In den anderen Gebieten der U. wurde in den Städten vorwiegend Russisch gesprochen, Ukrainisch war eher bei der Landbevölkerung verbreitet. Auch im öffentlichen Leben, in Medien, Politik und Verwaltung war Russisch Anfang der 1990er Jahre eine gebräuchliche und oft die dominierende Sprache. Seit 1990 ist Ukrainisch Staatssprache. Der Gebrauch des Ukrainischen wurde durch eine Ukrainisierungskampagne gestärkt, auch viele der ukrainischen Politiker (u. a. auch der ehemalige Präsident Leonid Kučma) haben seither Ukrainisch gelernt und im öffentlichen Leben ist Ukrainisch die wichtigste Sprache geworden. Dabei wird die freie Entwicklung, der Gebrauch und der Schutz des Russischen und anderen Minderheitssprachen durch die ukrainische Verfassung garantiert. Nach dem Gesetz über nationale Minderheiten von 1992 gilt außerdem in Regionen, in denen eine nationale Minderheit die Mehrheit bildet, deren Sprache als dem Ukrainischen gleichgestellt. Faktisch trifft dies allerdings nur auf die Krim und neuerdings auch für die Stadt Charkow zu, denn in vielen Regionen sind zwar auch heute noch v. a. die Russischsprachigen, nicht jedoch die Russen in der Mehrheit. Im kulturellen Bereich und auch in den Medien ist der Gebrauch weiterer Sprachen erlaubt. An staatlichen Schulen ist Russisch ein Pflichtfach, die Wahl der Ausbildungssprache ist frei. Es gibt auch Schulen, in denen der Unterricht in rumänischer, ungarischer, tatarischer oder polnischer Sprache stattfindet.

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Die U. wurde durch die orthodoxe Zivilisation im Süden und Norden, vom Katholischen Westen und dem türkisch-muslimischen Osten beeinflusst. Daher ist die U. traditionell ein multikonfessionelles Land. Heute wird das religiöse Leben durch die orthodoxen Kirchen dominiert, von denen die Ukrainisch-Orthodoxe Kirche und die Ukrainisch-Orthodoxe Kirche Moskauer Patriarchats. Diesen Kirchen gehören ca. 46,5 % der ukrainischen Bevölkerung an. Den orthodoxen Ritus befolgt auch die 1596 entstandene und mit dem Rom unierte Griechisch-katholische Kirche der Ukraine (Unierte Kirche).

Im Zarenreich war die Russische Orthodoxe Kirche die einzige anerkannte Kirche des Landes. 1921 entstand im Zuge der Bestrebungen eines ukrainischen Nationalstaats die Ukrainische Autokephale Orthodoxe Kirche, die 1930 verboten, 1942 wieder anerkannt und 1944 erneut offiziell aufgelöst wurde. Auch die andere ukrainische Nationalkirche, die Unierte Kirche wurde in der Sowjetu. unterdrückt, die Russische Orthodoxe Kirche wurde hingegen geduldet. Dabei hat sich die Russische orthodoxe Kirche an der Zerstörung der ukrainischen religiösen und nationalen Identität beteiligt. Mit der Persetrojka kamen die verbotenen Kirchen langsam wieder an die Öffentlichkeit. Viele Gemeinden haben sich wieder organisiert und fordern von der Russisch Orthodoxen Kirche ihren Besitz wieder. Es kam zu Spaltungen, u. a. entstand die Ukrainische Orthodoxe Kirche mit Kiewer Patriarchat, die ihre Unabhängigkeit von der Russischen Kirche und dem Moskauer Patriarchat bekundet. Die Religion kann als ein Symbol für das ukrainisch-russische Verhältnis gelten, und sie spiegelt politische Haltungen wider. Anhänger der Griechisch-Katholischen Kirche – die v. a. im Westen der U. zu finden sind – unterstützen eine Orientierung nach Westen, Anhänger der orthodoxen Kirche mit Patriarch in Moskau favorisieren eine Annäherung nach Russland.

Von den ca. 6,6 Mio. Katholiken (14% der Gesamtbevölkerung) gehören ca. 5,5 Mio. der Griechisch-Katholischen Kirche an. V. a. im Westen des Landes ist die Römisch-Katholische Kirche verbreitet, der u. a. der Großteil der Polen und Deutschen angehört. Die Zahl der römischen Katholiken wird auf ca. 1,1 Mio. geschätzt. Ein Teil der Deutschen gehört der protestantischen Kirche an. Des Weiteren haben sich v. a. in der jüngsten Vergangenheit Pfingstlerkirchen, Baptisten u. a. verbreitet. Die islamische Minderheit wird v. a. durch die Tataren vertreten. Von 29.699 religiösen Einrichtungen (2004) gehörten 15.780 den Orthodoxen, 7949 der protestantischen und 4541 der Katholischen Kirchen. Weitere 468 gehörten der moslemischen und 274 der jüdischen Gemeinden.

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2.3 Staat und Gesellschaft

Das Land ist verwaltungsmäßig in 24 Gebieten (Oblasty) und zwei Großstädte mit einem Sonderstatus (Kiew und Sewastopol) sowie in die Autonome Republik Krim unterteilt. Die Gebiete sind wiederum in jeweils 10 bis 30 Kreise (Rajons) unterteilt, diese nochmals in Gemeinden.

Die U. ist eine präsidiale Republik. Der Präsident gilt als Staatsoberhaupt sowie als „Garant der staatlichen Souveränität, der territorialen Integrität der U., der Einhaltung der Verfassung, der Rechte und Freiheiten des Menschen und des Bürgers“. Er ist Oberbefehlshaber der Streitkräfte, er kann u. a. auf der Grundlage der Verfassung und bestehender Gesetze Dekrete und Verfügungen erlassen und besitzt auch ein Vetorecht gegenüber vom Parlament verabschiedeten Gesetzen, das jedoch von einer ⅔-Mehrheit verworfen werden kann. Der Präsident nominiert die Außen- und Verteidigungsminister sowie den Leiter des Nationalen Nachrichtendienstes.

Das Staatsoberhaupt muss mindestens 35 Jahre alt sein, die Staatssprache beherrschen und das Wahlrecht besitzen sowie ihren festen Wohnsitz seit mindestens 10 Jahren in der U. nachweisen müssen. Er wird in allgemeinen, direkten und geheimen Wahlen für fünf Jahre gewählt. Dabei ist die Amtszeit auf zwei darauffolgende Amtsperioden beschränkt. Die Präsidentschaftswahlen werden immer am letzten Oktobersonntag des letzten Amtsjahres eines Präsidenten abgehalten. Vorzeitige Wahlen müssen innerhalb von 90 Tagen nach dem Ende der Amtszeit eines Präsidenten stattfinden. Der aktuelle Präsident der U., Viktor Juščenko, ist seit dem 23. Januar 2005 im Amt.

Die Regierung der U. zeichnet sich durch eine geringe Stabilität aus. Seit der Unabhängigkeit 1991 ist bereits der 18. Ministerpräsident im Amt. Bis zu den ersten wirklich freien Wahlen 2004 waren der Bestand und die Zusammensetzung der Regierung wesentlich vom Staatspräsidenten abhängig. Dieser ist auch weiterhin bemächtigt, unter bestimmten Voraussetzungen das Parlament aufzulösen.

Die Regierung bilden der Premierminister, vier Vizepremiers und das Ministerkabinett. Sie ist auch oberstes Organ der Exekutive. Der Premierminister leitet die Arbeit des Kabinetts, die sich am vom Parlament gebilligten Arbeitsprogramm orientiert. Die Regierung trägt Verantwortung sowohl vor dem Parlament als auch dem Präsidenten.

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Das ukrainische Parlament („Verchovna Rada“ = Oberste Rat) ist laut Verfassung „einziges Organ der gesetzgebenden Gewalt“. Darüber hinaus bestätigt es den Haushalt und die gesamtstaatlichen Programme der wirtschaftlichen, wissenschaftlich-technischen, sozialen und nationalkulturellen Entwicklung sowie den Umweltschutz des Landes. Der Oberste Rat bestimmt darüber hinaus die Grundlagen der Innen- und Außenpolitik der U.. Er billigt den Einsatz der ukrainischen Streitkräfte und entscheidet über die Amtsenthebung des Präsidenten und die Annahme des Arbeitsprogramms durch die Regierung. Zu seinen weiteren Zuständigkeiten gehören Entscheidungen über die Bestellung und die Entlassung wichtiger staatlicher Entscheidungsträger wie die des Premierministers, der allerdings durch den Staatspräsidenten ernannt wird. Die 450 Volksdeputierten des Obersten Rates werden alle vier Jahre in allgemeinen, gleichen, direkten und geheimen Wahlen gewählt. Sie werden aus mindestens 21 Jahre alten Kandidaten gewählt, welche das aktive Wahlrecht besitzen und in den letzten fünf Jahren in der U. gelebt haben. Die Abgeordneten dürfen keine Tätigkeit im Staatsdienst ausüben. Die letzten Parlamentswahlen wurden im März 2006 abgehalten. Da keine Partei die absolute Mehrheit der Mandate erreichte, begannen fast viermonatige Verhandlungen über die Koalitionsbildung. Am 4. August 2006 wurde die Koalition der nationalen Einheit zwischen dem Block „Unsere U.“ und der „Partei der Regionen“ gebildet. Die Letztere erlangte in den Wahlen die einfache Mehrheit und stellt mit Viktor Janukovyč den Premierminister.

Die Verfassungsgerichtsbarkeit in der U. wird einzig dem Verfassungsgericht unterstellt. Es besteht aus insgesamt 18 Richtern, die je zum gleichen Anteil vom Staatspräsidenten, dem Parlament und der Obersten Vereinigung der Ukrainischen Richter für eine Amtszeit von neun Jahren (bzw. bis zum Erreichen des 65. Lebensjahrs) bestimmt werden. Voraussetzung für das Richteramt sind die ukrainische Staatsbürgerschaft, die Beherrschung, der ukrainischen Staatssprache, eine juristische Hochschulbildung, ein Mindestalter von 40 Jahren und eine mindestens zehnjährige Berufspraxis. Darüber hinaus muss er mindestens 20 Jahre Einwohner der U. sein. Das Verfassungsgericht überprüft die Verfassungsmäßigkeit von Gesetzen und Rechtsakten des Staatspräsidenten, der Regierung, des Obersten Rates sowie des Parlaments der Autonomen Krim-Republik. Es legt auch die Verfassung und die Gesetze der U. aus. Seine Entscheidungen des Verfassungsgerichts sind verbindlich, endgültig und unanfechtbar.

Das Mehrparteiensystem der U. ist wie in den meisten Nachfolgestaaten der UdSSR jung und die Parteienlandschaft ändert sich von Jahr zu Jahr. Im politischen Leben der U. spielten Parteien lange Zeit eher eine untergeordnete Rolle. Dem Inkrafttreten des Parteiengesetzes im April 2004 sind jahrelange Auseinandersetzungen zwischen Parlament und Staatspräsident vorausgegangen.

Unter dem ehemaligen Staatspräsidenten Kučma wurde den Wirtschaftsclans und Holdings ermöglicht das politische Leben des Landes zu instrumentalisieren. Sie gründeten eigene Parteien als Instrumente legaler Einflussnahme bzw. übernahmen bereits existierende Parteien, die meist jedoch nur lokale Bedeutung hatten.

In der U. existieren drei Gewerkschaftsverbände. Den größten bildet die aus den sowjetischen Strukturen hervorgegangene „Förderation der ukrainischen Gewerkschaften“ (Federacija profesijnych silok Ukrajiny) mit ca. 10 Mio. Mitgliedern in insgesamt 60 Gewerkschaften. Im November 2004 hat sich von ihr die „Nationale Konföderation der Gewerkschaften und Gewerkschaftsverbände der U.“ (Nacionalnaja konfederacija profsojuzov Ukrajiny) abgespaltet. Daneben gibt es die „Konföderation der freien Gewerkschaften der U.“ (Konfederacija vilnych profsilok Ukrajiny).

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2.4 Wirtschaft

Nach dem Zerfall der Sowjetunion 1991 konnte die U. das Produktionsniveau von der Sowjetzeit noch nicht wieder erreichen, was einerseits auf den Wegfall der alten Verflechtungen innerhalb der UdSSR, andererseits aber auf die fehlende Reformbereitschaft der älteren Regierungen zurückzuführen ist. Die ersten Jahre der Unabhängigkeit waren, neben dem allgemeinen Produktionsrückgang, durch Hyperinflation gekennzeichnet. 1992 wurde wegen des Rubel-Mangels (der Rubel galt weiterhin als offizieller Zahlungsmittel) die Übergangswährung (Karbovanecʹ) eingeführt, welche bereits kurz nach ihrer Einführung ihren Wert stark eingebüßt hat. Erst 1996 wurde sie durch Hryvna ersetzt.

Etwa 1998 begann sich die wirtschaftliche Lage zu stabilisieren. Seit dem Krisenjahr 1999 konnte das BIP 617 US-Dollar pro Kopf der Bevölkerung auf 1722 US-Dollar pro Person gesteigert werden (2005). Damit bleibt es jedoch immer noch auf einem Entwicklungslandniveau und bleibt in Europa auf der vorletzten Stelle (vor Moldawien).

Die Wirtschaftskraft der einzelnen Gebiete ist sehr unterschiedlich. Wichtige Industriezentren sind Kiew, Charkow, Dnipropetrovsʹk, das Donezbecken (Donecʹk, Luhansʹk), Odessa, Zaporižžja, Lemberg, Kryvyj Rih, Mariupolʹ und Mykolajiv.

Die Existenz der ländlichen Bevölkerung basierte vor Kurzem zum großen Teil auf Subsistenzwirtschaft, da Löhne und Rente verspätet und unvollständig ausbezahlt wurden und das Lohniveau mit den gestiegenen Lebenshaltungskosten nicht mithalten konnte. Dabei haben noch vor wenigen Jahren Betriebe Naturalien ausgezahlt und den Geldwert in die Bücher eingetragen. Heute liegt der offizielle Durchschnittslohn eines Landarbeiters um etwa 50 % unter dem Landesdurchschnitt (155,7 €im Oktober 2006), so dass trotz niedrigerer Lebenshaltungskosten auf dem Land sind viele Familien auf Unterstützung von Familienmitgliedern angewiesen, die in Städten bzw. im Ausland arbeiten.

Ein existenzielles Problem für die U. bildet die Versorgung mit den Energierohstoffen, da die ukrainische Wirtschaft in hohem Maße von Russland abhängig. Dies wurde – wieder einmal – in dem 2005 ausgetragenem Konflikt zwischen den beiden Ländern verdeutlicht, als Russland den günstigen Gaslieferungsvertrag gekündigt hat und den Preis auf das westeuropäische Niveau erhöhen wollte. Da die Gasimporte mit 4,6 Milliarden US-Dollar fast 11 % aller ukrainischen Importe ausmachen und zum überwiegenden Teil aus Russland kommen, ist die Wirtschaft des Landes an dieser Stelle besonders empfindlich. Trotz der Bestrebung der ukrainischen Regierung nach der „Orangenen Revolution“ zum Ausbau wirtschaftlicher Beziehungen v. a. mit der EU, wird sich die Abhängigkeit von russischen Gas- und anderen Energielieferungen mittelfristig nur zu einem geringen Teil verringern lassen. Im Dezember 2004 wurde im Rahmen der Nachbarschaftspolitik der EU ein „Aktionsplan“ für eine engere Zusammenarbeit mit der U. verabschiedet. Zu seinen Schwerpunkten gehören u. a. die Förderung des Beitritts der U. zur WTO, Abbau von Hemmnissen im bilateralen Handel, Erfüllung der Vereinbarungen zwischen der EU und der U. über die Schließung des Kernkraftwerkes in Tschernobyl, Angleichung der ukrainischen Gesetze und Normen an die Standards der EU, Verbesserung des Investitionsklimas und der Wirtschaftsbedingungen, Beschäftigungsfragen und Vereinfachung des Reiseverkehrs.

Langfristig ist eine Beteiligung der U. am EU-Binnenmarkt und an einigen Gemeinschaftsprogrammen vorgesehen. Der EU-Beitritt wird von der ukrainischen Regierung zum strategischen Ziel erklärt, doch bisher ist die EU diesen Bestrebungen nicht entgegengekommen. Auf dem bilateralen Gipfel in Helsinki am 27. Oktober 2006 wurde vorerst die Intensivierung der Zusammenarbeit in den Bereichen Freihandel, Energie und Visumanforderungen angekündigt.

In der U. werden sechs Agrarregionen unterschieden, in denen entsprechend der naturräumlichen Voraussetzungen unterschiedliche Spezialisierungen vorhanden sind. Anlass für die Spezialisierung war aber auch die Planwirtschaft der Sowjetunion, bei der die Landwirtschaft nach territorialer und branchenmäßiger Aufteilung erfolgte, was auch heute noch prägend ist. In Polessje, im Norden der U. im Einzugsgebiet des Pripjets, werden Rinder zur Milch- und Fleischproduktion sowie Schweine und Schafe auf der Basis von Feldfutteranbau und extensiver Weidenutzung gehalten. Auch die Zucht von Wasservögeln und die Bienenhaltung ist verbreitet. Hier wird auch Flachs, Zuckerrüben und Hopfen angebaut.

In der Waldsteppe hat der Ackerbau eine größere Bedeutung als in der Polessje. Wichtigste Kulturen sind Zuckerrüben, Winterweizen und Roggen sowie der Anbau von Mais, Leguminosen, Kartoffeln. Der Gartenbau ist gut entwickelt. In der nördlichen und zentralen Steppe ist v. a. Getreideproduktion (v. a. Winterweizen und Mais), aber auch der Anbau von Sonnenblumen sowie in der nördlichen Steppe von Zuckerrüben von Bedeutung. Gartenbau, Gemüse- und Melonenanbau sind hoch entwickelt. Gehalten werden Rinder zur Milch- und Fleischerzeugung sowie Schweine und Schafe. Eine ähnliche Spezialisierung findet sich auch in der Steppe, wo durch Bewässerung außerdem der Anbau von Wein, Obst, Gemüse und auch Reis verbreitet ist.

Der nördliche Teil der Krim gehört zu der Strauch- oder Wüstensteppe, in diesem Gebiet liegt die Spezialisierung – ähnlich wie im Gebiet Odessa – auf Wein, Obst, Getreide, Sonnenblumen und Viehzucht. Im Krimgebirge sind dagegen Wein, Gartenbau und Tabak von größter Bedeutung. Von Belang ist auch die Erzeugung von ätherischen Ölen und die Bienenzucht.

In den Vorkarpaten und Karpaten liegt die Spezialisierung auf der Rinderhaltung zur Fleisch- und Milchproduktion. In einigen Gebieten hat außerdem die Schweine- und Schafzucht sowie die Bienenhaltung größere Bedeutung. In den Gebirgsregionen überwiegt Grünland. In Transkarpatien werden Wein, Obst und Tabak angebaut, in den Vorkarpaten Zuckerrüben und Flachs. Die Produktion von Getreide, Gemüse und Kartoffeln dient überwiegend der lokalen Bevölkerung.

Neben den zonalen Gliederungen gab es in der Sowjetunion die stadtnahe Landwirtschaft, die ringförmig um die großen städtischen und industriellen Ballungsgebiete wie Kiew und Dnipropetrovs´k geplant wurde. Bei der stadtnahen Landwirtschaft lag der Schwerpunkt auf leichtverderblichen oder transportempfindlichen Produkten wie Milch, Eiern, Obst und Gemüse. Die Produktion wurde dabei nicht von marktwirtschaftlichen Elementen, also von Angebot und Nachfrage, reguliert, sondern überwiegend durch Bedarfsberechnungen einer zentralen Planungsstelle bestimmt. Erst allmählich entwickelt sich eine marktwirtschaftliche Variante der stadtnahen Landwirtschaft.

Im Süden und Osten des Landes sind die Niederschlagssummen für den Landbau zu gering, so dass Maßnahmen wie Bewässerung, Schwarzbrache oder Einpflügen von Schnee angewandt werden. Durch die hohen Sommertemperaturen kommt es zudem zu einer hohen Verdunstung und dadurch zur Gefahr der sommerlichen Vertrocknung der Vegetation. Besonders problematisch für die Landwirtschaft in diesen Gebieten ist die starke Variabilität der Jahresniederschläge. Durch die starke Bodenerosion hat die U. in den letzten Jahrzehnten über 10 % ihrer landwirtschaftlichen Nutzfläche verloren.

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Während die Getreideernte (v. a. Weizen) von 51.212 Tsd. t (1989) auf 38.015,5 Tsd. t (2005) und die der Zuckerrüben von 51.719 Tsd. t auf 15.467,8 Tsd. t zurückging, wurden im selben Zeitraum die geernteten Mengen an Sonnenblumenkernen von 2748 Tsd. t auf 4706,1 Tsd. t gesteigert. Auch die Kartoffelernte erbrachte mit 19.462,4 Tsd. t etwas mehr als 1989 (19.308 Tsd. t). Die Obsternte 2005 erreichte mit 7250 Tsd. t etwa das Niveau von 1989 (7443 Tsd. t). Die Eierproduktion ging seit 1989 von 17.393,0 auf 13.045,9 Mio. zurück, die Milchproduktion von 24.400 auf 13.714,4 Mio. l und die Produktion von Wolle von 30.100 auf 3195 t. Der Rinderbestand nahm im gleichen Zeitraum von 24.623,4 auf 6514,1 Tsd. ab, die Anzahl der Schweine verringerte sich von 19.946,7 auf 7052,8 Tsd. und die der Schafe und Ziegen fiel von 9003,1 auf 1629,5 Tsd. Auch der Geflügelbestand ging stark zurück (von 255,1 auf 162,0 Mio.). Die Tierhaltung hat in den Klein- und Kleinstunternehmen stark zugenommen.

Ungefähr 16,5 % der Landesfläche ist bewaldet. 2005 wurden 173 Tsd. m³ Sperrholz produziert und 1150 Tsd. m³ Holzspannplatten sowie 396 Tsd. t Papier. Der Anteil der Agrar- und Forstwirtschaft am BIP liegt deutlich über dem europäischen Durchschnitt und beträgt 10,1 %. Im Industriesektor werden 46,3 % des BIP des Landes erwirtschaftet. Im Donezbecken sowie um Dnipropetrovsʹk, Zaporižžja und Kryvyj Rih konzentriert sich die Schwerindustrie um die dortigen Kohlen- und Eisenerzlagerstätten. Viele Bergwerke sind stark sanierungsbedürftig und es kommt dort häufig zu schweren Unfällen. 2005 wurde in der U. 60,4 Mio. t Kohle und 131,5 Mio. t Eisen- und andere Erze gefördert. Darüber hinaus wurden 3,1 Mio. t Erdöl sowie 880 Mio. m³ Erdgas gewonnen. In den ukrainischen Raffinerien wurde insgesamt 16.767 Tsd. t Treibstoff hergestellt. Zu wichtigeren Erzeugnissen der chemischen Industrie gehören v. a. Düngemittel. In den ukrainischen Hüttenwerken werden 30,7 Mio. t Gusseisen sowie 39,4 Mio. t Stahlprodukte erzeugt.

Wichtige Industriezweige sind auch Maschinenbau (Schwermaschinen und Equipment für die Sektoren Bergbau, Stahlindustrie und Chemie) und Elektrotechnik (u. a. 711 Tsd. Kühlgeräte, 651 Tsd. Fernseher, 322 Tsd. Waschmaschinen und 37,5 Tsd. Staubsauger 2005), Pkw-Produktion (196.692), Nahrungsmittelindustrie (u. a. 2139 Tsd. t Zucker, 357,5 Tsd. t Käse und 120 Tsd. t Butter) sowie die Textilindustrie.

Während der Amtszeit vom Präsidenten Kučma wurde das ukrainische Bankwesen stark von Wirtschaftsclans kontrolliert. Ende 2005 gab es in der U. 158 Bank- und Kreditinstitute, darunter zahlreiche ausländische Banken. Die erste Übernahme einer ukrainischen Bank durch ein ausländisches Kreditinstitut fand im Oktober 2005 statt, die zweitgrößte Bank des Landes (Aval) wurde durch die österreichische Raiffeisen International übernommen. Kurz darauf folgten weitere Übernahmen und inzwischen wird der ukrainische Bankensektor zu etwa 25 % von ausländischen Geldinstituten kontrolliert.

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In der Sowjetunion war die Infrastruktur v. a. an Nord-Süd-Verbindungen orientiert (Moskau-Kiew-Odessa, Moskau-Charkow-Krim). Seitdem wird jedoch an dem Ausbau der West-Ost-Verbindungen, v. a. Richtung Polen, Slowakei und Ungarn gearbeitet. Durch die U. verlaufen wichtige Transitstrecken zwischen Mitteleuropa und dem Kaukasus bzw. zwischen Südeuropa und Russland. Der überwiegende Teil der Warentransporte (55,4 %) wird per Eisenbahn befördert. Der Transport von Erdöl und Gas wird zum großen Teil über das Pipelinenetz abgewickelt (insgesamt 26,3 % aller Transportgüter). Auf den Straßenverkehr fallen 15,6 % der Transporte. Allerdings dominiert die Passagierbeförderung (89,3 %). Busse sind der wichtigste Überlandsverkehrsmittel. Mit der Eisenbahn wurden nur 10,3 % aller Personentransporte abgewickelt. Der innerstädtische öffentliche Verkehr ist in der U. gut ausgebaut. In Kiew, Charkow, Dnipropetrovsʹk und Donecʹk wird das Bus-, O-bus- und Straßenbahnnetz durch U-Bahnlinien ergänzt.

Die Bedeutung des Individualverkehrs ist in den letzten Jahren deutlich gestiegen. 1990 betrug die Pkw-Dichte 98 Autos pro 1000 Einwohner, 2005 stieg sie auf 165 Pkw pro 1000 Einwohner.

Die Länge des Eisenbahnnetzes hat sich von 22.798,5 km (1990) auf 21.980,4 km verringert. Die gesamte Straßenlänge in der U. stieg von 167.804 km auf 169.323 km. Davon sind 97,4 % befestigt.

In allen wichtigen großen Städten befinden sich internationale Flughäfen. Das Passagieraufkommen aller ukrainischen Flughäfen (3,8 Mio.) ist jedoch gering. Die wichtigsten ukrainischen Seehäfen befinden sich in Odessa, Cherson, Sewastopol und Kerč.

Eine deutlich geringere Bedeutung als in der UdSSR haben die Binnenwassertransporte, deren Leistungen sich auf ca. ein Fünftel des Fracht- und Passagieraufkommen des Jahres 1991 reduziert haben. Die Länge der Wasserwege verkürzte sich seitdem von 3915,5 km auf 2191,2 km. Die Flüsse sind von existentieller Bedeutung für die Bewässerung in der Landwirtschaft in den Steppenregionen – das Wasser wird z. T. über lange Kanäle transportiert. Sie haben auch große Bedeutung für die energetische Versorgung des Landes. So wurde der Dnjepr auf einer Länge von ca. 850 km in sechs Staustufen aufgestaut. Die beiden größten Stauseen befinden sich bei Kachovka mit 230 km Länge und 2160 km² Fläche und mit 150 km Länge und einer Fläche von 2250 km² bei Kremenčuk. Durch diese Maßnahmen wurde das lokale ökologische Gleichgewicht erheblichen Störungen ausgesetzt.

2005 haben die U. ca. 17,6 Mio. ausländische Gäste besucht. V. a. die Zahl der Besucher aus den EU-Ländern ist im Vergleich zum Vorjahr deutlich gestiegen, da inzwischen die Visumpflicht für Staatsangehörige der EU-Länder, Japan, der Schweiz und der USA abgeschafft wurde. Die meisten Besucher kommen jedoch aus den anderen GUS-Staaten. In der U. gibt es 1232 Hotels mit 51.686 Zimmern. Die wichtigsten touristischen Ziele im Land sind die Halbinsel Krim und die Karpaten sowie die Städte Kiew, Lemberg und Odessa.

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2.5 Bildung und Kultur

Das ukrainische Bildungswesen befindet sich noch in der Reformphase. Seit 1998 beträgt die Schulpflicht neun Jahre. Die Hochschulreife erlangt man i. d. R. nach elf Schuljahren in der Mittelschule bzw. Fachschule oder im Gymnasium. Nach der Schulreform wird man diese voraussichtlich jedoch erst nach der 12. Klasse erlangen können. Die Alphabetisierung liegt bei 99 Prozent und damit leicht über dem europäischen Durchschnitt. Erst nach dem Zerfall der UdSSR wurde Ukrainisch zur dominierenden Unterrichtssprache. In den Universitäten im Osten der U. wird Russisch als parallele Unterrichtssprache angeboten.

Im Schuljahr 2005/6 gab es in der U. 21,6 Tsd. Schulen mit 5399 Tsd. Schülern. Die Anzahl der Lehrer betrug 543 Tsd. In 1023 Berufsschulen gab es 495,6 Tsd. Lernende. Die Anzahl der (z. T. privaten) Hochschulen beträgt 951 mit 2709,1 Tsd. eingeschriebenen Studenten. 606 dieser Hochschulen (mit Akkreditierungsstufe 1 und 2), die in der Sowjetzeit zum post-sekundären Berufsbildungssektor gehörten, wurden erhielten erst nach 1990 den Status einer Hochschule. An diesen Hochschulen sind 505,3 Tsd. Studenten immatrikuliert. Die älteste Universität des Landes ist Lemberg (gegründet 1661). Zu den wichtigsten Universitätsstädten gehören außerdem Kiew (seit 1834), Charkow (1805) und Odessa (1865).

Die Bildungseinrichtungen der U. sind notorisch unterfinanziert und die Gehälter der Lehrkräfte sind sehr niedrig. Besonders schwierig ist die Lage in den ländlichen Gebieten. Auch die staatliche Kulturpolitik verfügt durch den Mangel an Finanzierungsmitteln nur über begrenzte Gestaltungsmöglichkeiten.

In der Kiewer Rus, also auf dem Gebiet der heutigen U. entstanden wichtige Schriftdenkmäler der altostslawischen Literatur wie z.B. das Igorlied und die Nestor-Chronik. Das Igorlied gilt als das Nationalepos sowohl der Russen als auch Ukrainer und Weißrussen. Nach dem Zerfall der Kiewer Rus hatte sich lange Zeit keine eigenständige ukrainische Literatur entwickelt, v. a. aufgrund der ständigen Fremdherrschaft und Zerteilung des Landes. Als Geburtsstunde der ukrainischen Schriftsprache gilt das Erscheinen der Verssatire „Enejida“ („Aeneis“, 1798) von Ivan Kotljarevsʹkyj (1769–1838). Im 19. Jh. hat v. a. der Dichter Taras Ševčenko (1814–1861) die weitere Ausbildung der Schriftsprache vorangetrieben und gilt in der U. als einer der bedeutendsten Personen aus der U. Seine Gedichte prägen bis heute das ukrainische Bewusstsein.

Nachdem 1863 die ukrainische Sprache im russischen Zarenreich verboten worden war und dieses Verbot 1876 im „Emser Erlass“ noch verschärft wurde, fand das kulturelle und literarische Leben vor allem in der zu Österreich-Ungarn gehörenden Westu. statt, wo der Dichter, Übersetzer und Wissenschaftler Ivan Franko (1856–1916) bedeutend wirkte und die Dichterin, Dramaturgin und Übersetzerin Lesja Ukrajinka (1871–1913) tätig war.

Zu den bekanntesten zeitgenössischen Schriftstellern der ukrainischen Literatur gehören Andrij Kurkov und Juryj Andruchovyč. Allerdings sind die ukrainischen Künstler auch auf dem heimischen Markt einer starken russischen Konkurrenz ausgesetzt, was ebenfalls für die Musik gilt. Daher wird die ukrainische Sprache staatlich gefördert. Die größte Buchmesse in der U. findet jährlich in Lemberg statt. 2005 sind 15.720 Buchtitel mit einer Gesamtauflage von 54 Mio. Exemplaren erschienen. Während sich die Zahl der gedruckten Titel seit 1990 mehr als verdoppelt hat, ist die Gesamtauflage um ⅔ geschrumpft. Die Anzahl der Bibliotheken ist ebenfalls von 25,6 Tsd. Auf 19,8 Tsd. (mit 330 Mio. Büchern) gesunken. In den 437 Museen des Landes wurden 18,9 Mio. Besucher gezählt (2005).

In der U. gibt es 135 professionelle Theatertruppen, deren Aufführungen von 6,2 Mio. Zuschauern besucht wurden. Die Anzahl der Kinos ist seit 1990 von 27,2 Tsd. auf 3,3 Tsd. gesunken. Die Zuschauerzahlen haben noch stärker abgenommen (von 552 Mio. auf 10 Mio.). Im Oktober findet in Kiew jährlich das internationale Filmfestival „Molodist“(Jugend) statt.

Während die Medien vor der „Orangenen Revolution“ von fehlender redaktionellen Unabhängigkeit, wirtschaftlicher Abhängigkeit von staatlichen bzw. privaten Geldgebern, indirekter Zensur sowie Schikanen gegen kritische Medien und Journalisten (hier sei an die Ermordung von Georgi Gongadze im Jahr 2000 erinnert) geprägt waren, konnten sie jetzt weitgehend frei und ungehindert berichten.

In der U. gibt es einen staatlichen und mehrere private Fernsehsender mit landesweiter Verbreitung sowie mehrere regionale bzw. lokale Rundfunk- und Fernsehanstalten und es erscheinen 2182 Journalen und Periodika mit einer Gesamtauflage von 132 Mio. sowie 2974 Zeitungen (Gesamtauflage: 80 Mio.). Zu den wichtigsten zählen die russischsprachigen Segonija („Heute“) und Fakty i Kommentarii („Fakten und Kommentare“) sowie Holos Ukrajiny („Stimme der U.“), Urjadovyj Kurier („Amtsbote“), Ukrajina Moloda („Junge U.“), Zerkalo Nedeli („Wochenspiegel“, russischsprachig) und Den („Der Tag“). Die wichtigsten Internet-Zeitungen sind ProUA und Ukrajinsʹka Pravda/Ukraiskaja Pravda (russisch und ukrainisch) sowie Glavred (russischsprachig).

Zu den bekanntesten Sportlern des Landes gehören die Brüder Vitalij und Volodymyr Klyčko (Klitschko), die neben ihrer Profiboxerkarriere, sich politisch in der U. engagieren.

Der Ukrainer Serhij Bubka ist der erfolgreichste Stabhochspringer in der Geschichte dieser Disziplin. Zu seinen herausragenden sportlichen Leistungen gehören neben dem Olympiasieg von1988, sechs Weltmeisterschaftstitel und 35 Weltrekorde (auch der aktuelle von 6,14 m). Jana Kločkova zählt seit den Schwimmweltmeisterschaften von 1998 zu den weltbesten Lagen-Schwimmerinnen.

Die ukrainische Fußballmannschaft hat sich 2006 zum ersten Mal für die Weltmeisterschaft qualifiziert. Die landesweit erfolgreichsten Clubs sind Dynamo Kiew, der 1975 und 1986 den Europapokal sowie 1975 den Supercub gewann, und Schachtar Donecʹk. Im Ersteren spielten u. a. die als Europas Fußballer des Jahres gekürten Fußballstars Oleg Blochin (1975), Igor Belanov (1986) und Andrij Ševčenko (2004). U. soll gemeinsam mit Polen die Europameisterschaften 2012 austragen.

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3 Kulturgeschichte

Auf dem Gebiet der heutigen U. gibt es Hinweise auf zahlreiche, meist indogermanische Völkern (u. a. Kimmerier, Skythen und Sarmaten), die sich hier aufgehalten haben. Darüber hinaus entstanden im 7.–6. Jh. v. Chr. mehrere griechische Kolonien an der Schwarzmeerküste, die im 5. Jh. v. Chr. das Bosporanische Reich gebildet haben.

Im 3. und 4. Jh. ließen sich im Süden zwischen den Flüssen Dnjestr und Dnjepr und auf der Krim Goten nieder. 375 wurden sie von Hunnen unterworfen. Daneben besiedelten zeitweise Awaren und Magyaren den Süden der U.

Die heutige U. hat ihren Ursprung, genau wie Russland und Weißrussland, in der Kiewer Rus. Dieses erste ostslawische Staatsgebilde wurde im 9. Jh. unter dem Einfluss und Führung skandinavischer Waräger (Rjurikoviči) gegründet. 988 nahm die Führungselite das Christentum byzantinischer Prägung an. 1237–40 wurde das in unabhängige Fürstentümer zersplitterte Kiewer Reich von den Mongolen verwüstet und ihrer Herrschaft untergeordnet. Im 14. Jh. wurde die U. verstärkt zum Streitobjekt zwischen den damals mächtigen Nachbarstaaten Großfürstentum Litauen, Polen (bzw. später Polen-Litauen), Russland, dem Osmanischen Reich und Ungarn (bzw. später Österreich-Ungarn). Der größte Teil des Gebietes war anfänglich von Litauen regiert, doch nach der Union von Lublin (1569) wurden die gesamten ukrainischen Gebiete der polnischen Krone unterstellt. 1596 wurden die orthodoxen Bischöfe zu einer Union mit der römisch-katholischen Kirche gezwungen. Die religiösen und wirtschaftlichen Schikanen führten zu einer wachsenden Unmut der Bevölkerung. Die militärisch gut ausgebildeten und organisierten Kosaken erhoben sich bereits im 16. Jh. gegen die polnische Herrschaft (Kosynsʹkyj-Aufstand 1591–93, Nalyvajko-Aufstand 1594–96 und weitere). Ihre Aufstände wurden jedoch niedergeschlagen, erst im Chmelʹnicʹkyj-Aufstand (1648–1655) erlangten die Kosaken die faktische Unabhängigkeit. 1654 schloss Chmelʹnicʹkyj den Vertrag von Perejaslav (1654), in dem er die Kosaken unter den Schutz des russischen Zaren stellte. Dies begründete die russischen Ansprüche auf die Ostu. und führte zum Kriegsausbruch zwischen Polen-Litauen und Russland. Infolgedessen fiel die sog. linksufrige U. an Russland (1667), während der westliche Teil bei Polen blieb. 1672–1699 war dieser vom Osmanischen Reich besetzt, dem bereits zuvor Gebiete an der Schwarzmeerküste mit der Krim unterstellt gewesen waren. Infolge der drei Teilungen Polen-Litauens (1772, 1793 und 1795) fielen weitere Teile der U. an Russland, lediglich Galizien und die Bukowina wurden in Österreich-Ungarn einverleibt.

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Nach der Februarrevolution in Russland rief der Zentralrat des Ukrainischen Nationalkongresses in Kiew eine autonome Republik der U. im Rahmen des russischen Staates aus (22. November 1917). Schließlich wurde am 25. Januar 1918 die Unabhängigkeit der Ukrainischen Volksrepublik proklamiert. Am 22. Januar 1919 wurde eine Union mit der Westukrainischen Volksrepublik, die am 1. November 1918 im österreichisch-ungarischen Teil des Landes gegründet wurde. Die Eigenstaatlichkeit scheiterte angesichts der militärischen Auseinandersetzungen mit den Weiß- und Rotgardisten aus Russland, den Anarchisten in der U. selbst sowie dem polnischen Heer im Westen. In dieser Zeit wurden in der Westukrainischen Volksrepublik unter dem Ataman Symon Petljura zahlreiche Juden in Pogromen umgebracht. Viele Juden wurden allerdings auch von der anrückenden polnischen Armee ermordet, besonders blutig waren die Einheiten vom General Stanisław Haller. Die Opferzahl wird mit 35–100 Tsd. angegeben. Die Ukrainische Volksrepublik wurde schließlich nach dem Frieden von Riga (18. März 1921) aufgelöst und endgültig zur Ukrainischen Sozialistischen Sowjetrepublik (USSR) umgewandelt. Am 30. Dezember 1922 gehörte sie zu den Mitgründern der Sowjetunion. Anfänglich wurden die nationalen Interessen, v. a. auf kulturellem Gebiet weitgehend unterstützt. Doch Ende der 1920er Jahre setzte eine rigorose Verfolgung der nationalen Kräfte ein. Im Zuge der 1932–34 durchgeführten Zwangskollektivierung wurden absichtlich Hungersnöte (Holodomor) hervorgerufen, in denen mehrere Millionen von Ukrainern starben. Während zahlreiche Ukrainer verhungerten, exportierte die UdSSR 3,45 Mio. t Getreide. Die wahrscheinlichste Zahl der direkten Todesopfer betrug 3–3,5 Mio., mindestens weitere 1-1,5 Mio. Menschen starben in Folge der Hungersnöte, wobei die Angaben sehr schwanken. 2006 hat das ukrainische Parlament die Hungersnöte von 1932–34 zum Völkermord erklärt. Im Zuge der stalinistischen Säuberungsaktion (1936–1938) wurden ukrainische Kommunisten und die Reste der ukrainischen Intelligenz verfolgt. Auch der Druck v. a. auf die Kirche nahm stark zu.

Am 17.September 1939 marschierte die Rote Armee in den westukrainischen Gebieten in Polen ein. Am 22. Oktober führten die sowjetischen Behörden scheindemokratische Wahlen durch, deren Ergebnisse zur Eingliederung der südöstlichen polnischen Woiwodschaften in die USSR instrumentalisiert wurden. Ein Teil der polnischen (aber auch ukrainischen) Bevölkerung wurde von dort in das Innere der UdSSR deportiert. Nach dem Beginn der deutschen Besetzung am 22. Juni 1941 wurden Teile der Westukraine dem Generalgouvernement angeschlossen. Die übrigen Gebiete bildeten das Reichskommissariat U. Am 30. Juni 1941 wurde in Lemberg ein eigenständiger ukrainischer Staat ausgerufen, der sich als ein gleichberechtigter Partner im Bündnis mit dem Reich verstand. Dieser wurde jedoch von den Deutschen nicht anerkannt und deren Gründer wurden in Konzentrationslager gebracht. In der U. geschahen zahlreiche Massenmorde an Juden und sowjetischen Kriegsgefangenen, z. B. in Babyn Jar, wo zwischen dem 29. und 30. September 1941 ca. 33.771 Menschen ermordet wurden. Die Nazis initiierten Pogrome gegen die jüdische Bevölkerung, die oft von ukrainischen, aber auch polnischen Bewohnern begangen wurden.

Im Winter 1941/42 begannen die Deutschen mit der Requirierung von Lebensmitteln in der Zivilbevölkerung. Es wurden zahlreiche Massenerschießungen durchgeführt und ca. 250 Ortschaften vollständig zerstört. Insgesamt wurden ca. 700 Städte und 28 Tsd. Dörfer beschädigt. Auf dem Gebiet der U. gab es etwa 180 deutsche Lager, in denen etwa 1,4 Mio. Menschen ermordet wurden. Darüber hinaus wurden über 2 Mio. Ukrainer zur Zwangsarbeit nach Deutschland verschleppt. Insgesamt hat die U. im 2. Weltkrieg 5-7 Millionen Tote sowie eine völlig zerstörte Wirtschaft und zahlreiche ruinierte Städte zu beklagen.

Anfang

Seit 1941 begann sich der militärische Widerstand gegen die deutsche Besatzung zu formieren, der sich spätestens seit der Gründung der UPA (Ukrajinsʹka Povstansʹka Armija = „Ukrainische Aufständische Armee“) auch gegen die Sowjetherrschaft und Polen richtete. Die Vertreibung der Polen begann bereits 1944 mit den Massakern von Wolynien, denen über 50.000 Polen zum Opfer fielen. Diesen folgten weitere gegenseitige Massaker. Der Widerstand wurde erst 1947 weitgehend niedergeschlagen. Infolge der Kämpfe mit den Aufständischen wurden ca. 300.000 Ukrainer nach Sibirien deportiert.

1945–47 wurde gemäß den Vereinbarungen zwischen den kommunistischen Machthabern in Polen und in der USSR die polnische Bevölkerung aus der Westu. umgesiedelt. Im April 1947 wurde im Zuge des Kampfes gegen die UPA in Ostpolen die sog. Aktion Weichsel (poln. Akcja Wisła) durchgeführt, in der schätzungsweise 150.000 Ukrainer aus Südostpolen in die USSR ausgesiedelt wurden.

Seit 1945 wurde Transkarpatien, das nach dem Ersten Weltkrieg ein Teil der Tschechoslowakei gebildet hatte und 1938 von Ungarn annektiert wurde, in die USSR eingegliedert. Neben kleinräumigen Änderungen im Grenzverlauf zu Polen (1951), hat sich 1954 das Gebiet der U. um die Halbinsel Krim vergrößert, die von Russland an die USSR überschrieben wurde. In der Tauwetterperiode zeichnete sich der Beginn einer Ukrainisierung ab, doch nach dem Machtwechsel in Moskau 1964, als Leonid Brežnev (1906–82) zum 1. Sekretär der KPdSU aufstieg, wurde dieser Trend wieder umgekehrt.

Die Perestrojka ist in der USSR erst später als in vielen anderen Sowjetrepubliken zum Ausdruck gekommen, v. a. aufgrund der reformfeindlichen Führung der Kommunistischen Partei in Kiew. Nach dem tragischen Unfall im Tschernobyl formierte sich jedoch eine ukrainische Nationalbewegung, in der die meisten Oppositionskräfte vereinigt waren. Sie forderte die sprachliche Ukrainisierung, die Aufklärung und Aufarbeitung der sowjetischen Verbrechen und die Aufhebung des stalinistischen Verbots der Unierten Kirche. Am 16. Juli 1990 erklärte die U. ihre Souveränität und schließlich wurde sie nach dem Putschversuch in Moskau am 24. August 1991 in die Unabhängigkeit entlassen. Die Weigerung der U. einen neuen Unionsvertrag zu unterschrieben, der zur Schaffung neuer Zentralinstanzen führen würde, kann als einer der Hauptgründe für die Auflösung der UdSSR angesehen werden. Am 5. Dezember 1991 hat die U. den Vertrag über die Bildung der UdSSR aufgekündigt und am 8. Dezember wurde von Russland, Weißrussland und der U. die GUS gegründet.

Nach dem Erlangen der Unabhängigkeit haben sich die inneren Konfliktlinien zwischen dem russischsprachigen und Russlandorientierten Osten und dem ukrainischsprachigen und prowestlichen Westen des Landes verstärkt. Obwohl die U. Mitglied der von Russland dominierten GUS geblieben ist, wurden auch Annäherungsversuche an die NATO und die EU unternommen. 1994 wurde das aus der Sowjetzeit stammende Autowaffenarsenal der U. zur Vernichtung an Russland übergeben. Ein weiteres Erbe der Sowjetarmee war der Stützpunkt der Schwarzmeerflotte, die in Sewastopol auf der Krim stationiert wurde. Der Konflikt um die Nutzungsrechte des Hafens und um die Rechte der russischen Marine konnte erst 1997 durch ein Abkommen über die gemeinsame Nutzung des Hafens weitgehend beigelegt werden.

Anfang

Die innenpolitische Lage des Landes zeichnete sich unter den ersten beiden Präsidenten Leonid Kravčuk (1991-94) und Leonid Kučma (1999–2004) durch schwerwiegende wirtschaftliche Probleme sowie einen Machtkampf, v. a. zwischen dem zweiten Präsidenten und dem Parlament, dessen Position nach der Annahme der neuen Verfassung 1996 deutlich verstärkt wurde. Die Verflechtung von Politik und Wirtschaft sowie die Einschränkung der Demokratie nahmen in dieser Periode deutlich zu. Die offensichtliche Manipulation der Präsidentschaftswahlen im Herbst 2004 und die Fälschung deren Ergebnisse löste eine Protestwelle aus, die als „Orangene Revolution“ bekannt wurden. Nach der Stichwahl am 21. November zwischen dem westlichorientierten Juščenko und dem Favoriten des abtretenden Präsidenten, Viktor Janukovyč wurde der Letztere offiziell als Sieger erklärt. Die andauernden Proteste haben jedoch zur Wahlwiederholung geführt. Das Oberste Gerichts beschloss eine Neuwahl für den 26. Dezember 2004. Juščenko ging als klarer Sieger hervor. Seitdem vollzog sich eine Wende in der ukrainischen Politik, die in der Stärkung der demokratischen Rechte und einer deutlichen Westorientierung des Landes Ausdruck findet.

Böhme B. (1999): Grenzland zwischen Mythos und Realität. Real- und Ideengeschichte des ukrainischen Territoriums. Lʹviv. Grelka F. (2005): Die ukrainische Nationalbewegung unter deutscher Besatzungsherrschaft 1918 und 1941/42. Wiesbaden. Kappeler A. (2000): Kleine Geschichte der Ukraine. München. Kravchuk R. (2002): Ukrainian Political Economy. The First Ten Years. Schneider E. (2005): Das politische System der Ukraine. Wiesbaden. Simon G (2002): Die neue Ukraine. Vulpius R. (2005): Nationalisierung der Religion. Russifizierungspolitik und ukrainische Nationsbildung 1860–1920. Wiesbaden (= Forschungen zur osteuropäischen Geschichte 64). Wilson A. (2002): The Ukrainians. Unexpected Nation. London.

(Barbara Bosch und Dariusz Gierczak)

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