Luhansʹk

Luhansʹk (ukrain., russ. Lugansk, 1935–58, 1970–90 russ. Vorošilovgrad, ukrain. Vorošylovhrad)

Inhaltsverzeichnis

1 Geographie

Stadt und Gebietszentrum in der Ostukraine mit 446.000 Einwohnern (2006). In dem gleichnamigen Gebiet leben 2.409.100 Einwohner auf 26.700 km². L. liegt im Steppengebiet des Osteuropäischen Tieflands im nördlichen Vorland des Donezrückens. Das Klima der Stadt ist kontinental geprägt: Die mittlere Temperatur im Januar beträgt -5,9 °C, im Juli 21,7 °C. Die durchschnittliche jährliche Niederschlagsmenge beläuft sich auf 473 mm. Durch die Stadt fließt der Fluss Luhanʹ (russ. hist. Luganʹ), welcher am östlichen Rand des Stadtgebiets in den Donez mündet.

Auf dem von der L.er Stadtadministration verwalteten Gebiet leben überwiegend Ukrainer (2001: 50 %) und Russen (47 %), wobei 72,4 % der Ukrainer Russisch als Muttersprache verwenden. L. ist ein wichtiges Industriezentrum des Donezbeckens. Der Schwerpunkt liegt auf dem Maschinenbau (v. a. Eisenbahnbau) und der Metallverarbeitung. Daneben sind Brennstoff-, Chemie-, Schuh- und Möbelindustrie von Bedeutung. Die Stadt ist darüber hinaus ein wichtiges Bildungs- und Forschungszentrum. Sie verfügt über fünf Universitäten (allgemeinwissenschaftlich, ökonomisch, medizinisch, pädagogisch, landwirtschaftlich) und zahlreiche Forschungsinstitute, u. a. im Bereich Bergbau und Industrie. Zum kulturellen Angebot L.s tragen vier Theater, ein Zirkus und mehrere Museen bei. Durch die Industrie ist die Umwelt im Stadtgebiet stark belastet.

2 Kulturgeschichte

Auf Geheiß Katharinas II. wurde 1795 bei dem Dorf Kamʹjanyj Brid (russ. Kamennyj Brod) die erste größere metallverarbeitende Fabrik im Donezbecken gegründet, welche Kanonen und Munition für die russische Schwarzmeerflotte produzierte. Die Lage war günstig, da bei L. große unterirdische Kohlevorkommen zu finden sind. Aus der Werkssiedlung entstand der Ort L., in welchem in der Folge v. a. der Kohlebergbau ausgebaut wurde, um u. a. den Bedarf der Rüstungsfabrik zu decken. Letztgenannte wurde während der napoleonischen Kriege stark erweitert und war auch im Krimkrieg von Bedeutung.

Einen wichtigen Entwicklungsimpuls erhielt L. in den 1870er Jahren mit dem Anschluss an das Eisenbahnnetz. 1882 wurden dem Ort die Stadtrechte verliehen und L. wurde Sitz der Bezirksverwaltung. 1887 konnte die Waffenfabrik mit effizienteren Werken nicht mehr mithalten und wurde geschlossen. 1895 wurde jedoch von der russischen Regierung eine neue Munitionsfabrik eröffnet. Ein weiterer wichtiger Entwicklungsfaktor war die Errichtung eines großen Dampfmaschinenwerkes durch einen belgischen Investor im Jahr 1896. 1897–1914 stieg die Einwohnerzahl von 20.400 auf 68.000 an.

Im 20. Jh. wurden Bevölkerung und Stadt durch den russischen Bürgerkrieg und den Zweiten Weltkrieg stark in Mitleidenschaft gezogen. Vor der Besetzung der Stadt durch die Deutsche Wehrmacht (1942–43) war ein großer Teil der jüdischen Gemeinde aus L. geflohen. Von den in der Stadt verbliebenen Juden überlebte fast niemand die deutsche Okkupationszeit. In der Zwischenkriegszeit und v. a. nach dem Zweiten Weltkrieg trieb die Sowjetmacht die Entwicklung der städtischen Industrie und des Bergbaus voran, wobei der Schwerpunkt der Investitionen auf der Montanindustrie und dem Maschinenbau lag. Hierdurch stieg die Einwohnerzahl bis 1991 auf 505.100 an. Ab den 1970er Jahren verlangsamte sich allerdings das Wachstum, da die sowjetische Regierung den Investitionsfokus zunehmend auf Sibirien legte. Aufgrund dieser Vernachlässigung war Anfang der 1990er Jahre auch unter der überwiegend russischen Stadtbevölkerung die Unterstützung für eine ukrainische Unabhängigkeit relativ groß, da man sich davon wirtschaftliche Vorteile erhoffte.

Die Unabhängigkeit konnte allerdings nicht verhindern, dass viele der oft überalterten Industrie- und Bergwerksbetriebe der Stadt in der Transformationsphase der 1990er Jahre in eine tiefe Krise gerieten. So betrug der Index der industriellen Produktion der Stadt 1999 nur noch 28,7% des Wertes von 1990. Besonders der Bergbau war von der Krise betroffen. In den letzten Jahren hat sich die Wirtschaft aber leicht erholen können, so dass der Index der industriellen Produktion 2003 knapp die Hälfte des Wertes von 1990 erreichte.Bei diesen Zahlen muss allerdings berücksichtigt werden, dass ein gewisser Teil des Rückgangs auch darauf zurückzuführen ist, dass wirtschaftliche Aktivitäten in die Schattenwirtschaft verlegt wurden.

www.info.lg.ua/city/ [Stand 29.6.2005] www.library.lg.ua/region/engl/lug.htm [Stand 29.6.2005].

(Sebastian Klüsener)


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