Landschaft (-sformen)

Landschaft (-sformen) im europäischen Osten

Das Gebiet des europäischen Ostens wird aus naturwissenschaftlicher Sicht v. a. durch die großen Ebenen zwischen Karpaten und Ural, Weißem und Schwarzem Meer gebildet, ist l.lich aber ebenso geprägt durch das kleinräumige Nebeneinander von Gebirgen, Hügelländern und Tiefländern.

Inhaltsverzeichnis

1 Osteuropa

Osteuropa entspricht in naturwissenschaftlicher Hinsicht dem Gebiet des Osteuropäischen Tieflandes. Dieses erstreckt sich vom Nordpolarmeer bis zu den Küsten des Schwarzen und des Kaspischen Meeres. Die Luftlinie von der Onegabucht am Weißen Meer zur Schwarzmeerküste bei Odessa ist etwa 2000 km lang, die Entfernung von der Ostseeküste bei Kaliningrad bis zum Vorland des Ural bei Ufa beträgt etwa 2500 km; die Gesamtfläche des Gebietes umfasst mehr als 4 Mio. km². Diese riesige Ebene ist ein alter Bestandteil der Erdkruste. Sie besteht aus Granit und Gneis sowie Sedimentgesteinen, die im Laufe der Erdgeschichte an der Basis von Meeren und Seen, aber auch auf dem trockenen Land deponiert und anschließend verfestigt wurden. Die Ebene wurde nie gefaltet. Im Ganzen liegen der Norden und Osten des Gebietes niedriger. Im Westen und Süden steigt das Gelände insgesamt an. Der Untergrund der Ebene ist weiträumig gewölbt oder eingesenkt. Einige wenig hohe Erhebungen (Waldaihöhen) und Hügelländer (Timanberge, Mittelrussischer Landrücken) zeichnen diese weiträumige Verbiegung der Erdkruste nach. V. a. in den Senken lagerten sich Sedimentgesteine ab, zu ihnen gehören die Kohle führenden Gesteine im Donezbecken (Ukraine). Im Nordwesten reicht das Osteuropäische Tiefland bis an die Ostsee. Dort ist an vielen Stellen eine charakteristische Steilküste, der Glint, ausgebildet.

Im Eiszeitalter wurden große Teile der Ebene mehrfach von Gletschern aus dem Norden bedeckt. Die größte Ausdehnung erreichte das Eis in der Dnjepr-Eiszeit, die der Saale- oder Riss-Eiszeit mitteleuropäischer Terminologie entspricht. Damals war mehr als die Hälfte des Osteuropäischen Tieflandes von Eis bedeckt; die Gletscher reichten bis in die Umgebung von Lemberg, an den Dnjepr und ins Oka-Don-Tiefland. In der letzten Eiszeit, der Waldai-Eiszeit, die mit der Weichsel- oder Würm-Eiszeit mitteleuropäischer Terminologie parallelisiert wird, breiteten sich die Eismassen nur bis in die Umgebung von Wilna und zu den Waldaihöhen aus; von dort lief die äußerste Gletscherfront nach Nordosten, über Vologda zum Unterlauf der Nördlichen Dwina. Der Nordosten des europäischen Russlands blieb weitgehend eisfrei.

Die Gletscher trugen weiträumig Land ab. Im ehemals vergletscherten Gebiet entstanden zahlreiche Seen und Moore, darunter der Peipus-See im Grenzgebiet zwischen Estland und Russland, der Ilmensee, der Ladogasee und der Onegasee. Das größte Moorgebiet ist das Gebiet der Pripjetsümpfe. Dort ist das Gelände nur wenig geneigt, und das Wasser fließt daher sehr langsam ab.

Anfang

Der von den Gletschern ausgeschürfte Schutt wurde nach Süden verlagert und dort zu Moränen aufgeworfen. Die Moränen aus der letzten Eiszeit sind vielerorts im Norden des Gebietes noch deutlich zu erkennen, und ihre Böden sind relativ fruchtbar. Moränen aus früheren Eiszeiten sind nur noch undeutlich auszumachen, weil ihre Oberflächenformen unter dem Einfluss des kalten Klimas der folgenden Eiszeiten eingeebnet wurden. Die Mineralstoffe ihrer Böden sind weitgehend ausgewaschen, so dass sie weniger fruchtbar sind. Das Schmelzwasser spülte Sand und Ton aus den Moränen und lagerte sie vor ihnen ab. Es bildeten sich Sanderflächen und Sandbänke. Bei noch geringerer Strömung wurde auch der feine Ton abgesetzt, v. a. an den Spülsäumen hoher Fluten am Rand von Tälern, in den Seebecken, die von den Flüssen durchflossen werden, und im Bereich der Flussmündungen. Fielen Sand und Ton trocken, konnten sie vom Wind weiter bewegt werden, und es entstanden Dünen. Der feine Ton wurde vom Wind weiter getragen, v. a. nach Süden, in die gletscherfernen Gebiete. In größter Mächtigkeit (bis zu 20 m) wurde er in der Ukraine und an der unteren Wolga als Löß wieder abgelagert. Auf dem Löß entwickelten sich sehr fruchtbare Schwarzerdeböden, die landwirtschaftlich intensiv genutzt werden können.

Weiter im Süden schließt sich das Kaspische Tiefland an, das den Charakter mittelasiatischer Wüstensteppen und Wüsten aufweist; es wurde von den eiszeitlichen Löß-Aufwehungen nicht mehr erreicht. Von seiner Gesamtfläche (über 500.000 km²) liegt etwa ein Drittel unterhalb des Wasserspiegels der Weltmeere (bis –28 m). Aus der eintönigen Ebene ragen nur an wenigen Stellen Erhebungen empor. Dabei handelt es sich um Salzstöcke, die aus dem Untergrund heraus gepresst wurden (Salzdome). Durch Salzauslaugung bildeten sich auch Senken mit Salzseen. Auf den Salzböden ist nur extensive Weidewirtschaft, aber kein Ackerbau möglich.

An das Steppengebiet schließt sich die völlig anders gestaltete Halbinsel Krim an mit dem Krimgebirge und der Halbinsel Kerč. Das vielerorts an den Rändern sehr schroffe Krimgebirge besteht aus gefalteten Tonschiefern und Sandsteinen, auf denen sich Kalksteinschichten des Oberen Jura (Mesozoikum) absetzten; sie bilden den Untergrund der Jajla, charakteristischer Hochflächen, die stark verkarstet sind. An den steilen Rändern des Gebirges kann es immer wieder zu katastrophalen Erdrutschen kommen. An der Südküste liegen einige alte Vulkane. Bis in die Gegenwart hinein kommt es zu Erdbeben. Auf der Halbinsel Kerč, einem Hügelland, sind dunkle Tone weit verbreitet, die sich im Zeitalter des Tertiär bildeten. Sie sind Lagerstätten von Erdgas.

Anfang

2 Ostmittel- und Südosteuropa

2.1 Polen und Tschechien

Westlich des Osteuropäischen Tieflands liegen Teile Europas, die schon im Paläozoikum von der Herzynischen Gebirgsbildung (vor 230–320 Mio. Jahren) oder in erdgeschichtlich jüngerer Zeit von der Bildung von Alpen und Karpaten beeinflusst wurden.

Alle L.en westlich des Osteuropäischen Tieflands unterscheiden sich in einem sehr wesentlichen Punkt von ihm: Zonale Standorte (in denen genau das vom Breitengrad her zu erwartende Klima herrscht und zu einer diesem entsprechenden Ausbildung von Vegetation und Landschaft führt) gibt es nur in Teilbereichen des gesamten Gebietes, am ehesten in den Ebenen zwischen den Gebirgen. (Im Osteuropäischen Tiefland sind dagegen alle Klima- und Vegetationszonen zonal entwickelt, d. h., weitgehend dem Breitengrad entsprechend.) Die extrazonalen Verhältnisse der ostmitteleuropäischen Gebirgslandschaften machen sich dergestalt bemerkbar, dass an den Südhängen Klima und Vegetation lokal südlicher getönt, an den Nordhängen sowie in Gipfellagen nördlicher beeinflusst sind. Die Ebenen zwischen den Gebirgen sind ihren Eigenschaften nach wiederum nicht isoliert von den Bergländern zu betrachten: Trockenes Klima wird im Windschatten von Gebirgen stärker akzentuiert. Die Ebenen erreichende Gebirgsflüsse führen mancherorts zu einer reichlichen Wasserversorgung, die andernorts fehlt. Ostmitteleuropa ist also l.lich sehr stark differenziert.

Von der Herzynischen Gebirgsbildung beeinflusst ist v. a. das Gebiet Polens und Tschechiens. Das größte oberflächlich anstehende Gebiet des Grundgebirges in Ostmitteleuropa ist das weit nach Osten reichende Böhmische Massiv, das aus erdgeschichtlicher Sicht als der älteste Teil Mitteleuropas aufgefasst werden kann. Zum Böhmischen Massiv zählen das Erzgebirge, das Vogtland, die Sudeten und Teile Mittelböhmens mit sehr alten Gesteinen (Gneis, Granit). Zu den alten Gebirgen Mitteleuropas gehören auch das „Kleinpolnische Bergland“ (poln. Wyżyna Małopolska) oder das Polnische Mittelgebirge mit dem Heiligkreuzgebirge. Der größte Teil des „Kleinpolnischen Berglandes“ besteht aus Sedimenten der Perioden Trias, Jura und Kreide.

Im Norden Polens schließt sich an das Bergland das Tiefland des nördlichen Mitteleuropas an, das schon seit erdgeschichtlich sehr langer Zeit immer weiter absinkt. Immer wieder drangen Meere in dieses Gebiet vor, und immer wieder bildeten sich neue Meeresablagerungen auf seinem Grund; dazu gehören z. B. die reichen Salzlagerstätten des Gebietes. Während des Eiszeitalters dehnten sich die Gletscher aus Nordeuropa in dieses Gebiet aus und füllten es mit mächtigen Ablagerungen aus dem Schutt abgetragener nordeuropäischer Gebirge an. Zwischen den Erhebungen der Moränen liegen zahlreiche Seen, bspw. die Masurische Seenplatte. Parallel zu den Endmoränen entstanden breite Urstromtäler. Sie wurden von eiszeitlichem Schmelzwasser geformt. Im Gebiet südwestlich des Osteuropäischen Tieflands wurde Löß abgelagert. Er setzte sich auch zwischen den Bergketten ab, z. B. in Böhmen (und wird dann als intramontaner Löß bezeichnet).

Anfang

2.2 Karpatenraum

An das Osteuropäische Tiefland schließt sich im Südwesten der Karpatenraum an. Dazu gehören nicht nur die Gebirgsketten, sondern auch die Hügelländer im Vorgebirge und ausgedehnte Tiefländer. Das Gebiet ist einer der geologisch jüngsten Teile des europäischen Festlandes. Bis zum Zeitalter des Tertiär befand sich dort ein Meer; aus ihm wurden seitdem die Gebirgsketten emporgehoben. Der Karpatenbogen zwischen Hainburg im österreichischen Burgenland bzw. Bratislava, der Hauptstadt der Slowakei, und Niš in Serbien ist beinahe 1500 km lang. Die Karpaten sind ein Falten- und Deckgebirge, das durch den Druck des von Süden her auf Europa zu driftenden Kontinentes Afrika am Ende des Erdmittelalters und im Tertiär in die Höhe gehoben wurde. Sie haben überwiegend Mittelgebirgscharakter. In verschiedenen Höhen gibt es charakteristische Verebnungsflächen. Die inneren West- und Südkarpaten sind tektonisch in ein Mosaik von Gebirgsrücken und Massiven untergliedert, zwischen denen sich Becken, Kessel und Furchen unterschiedlicher Ausdehnung befinden. Von diesem geomorphologischen Bau hingen die Entwicklung des Flussnetzes und die Entstehung der Verkehrswege ab.

Im Inneren des Karpatenbogens, im Einzugsgebiet der mittleren Donau, liegt das Pannonische Becken (Karpatenbecken). Es reicht im Süden bis zum Fuß der Dinarischen Gebirge und ist überwiegend ein Tiefland. Im Pleistozän lagerten die Winde Lößdecken v. a. in den Randgebieten des Tieflandes, Flugsand nahe den Flüssen ab. Das Siebenbürgische Hochland (rumän. Podişul Transilvaniei), etwa 500–600 m hoch gelegen, wird von den Ost-, den Süd- und den rumänischen Westkarpaten umschlossen. Es handelt sich dabei um eine deutlich abgegrenzte Region (ca. 60.000 km²), ein ausgedehntes innerkarpatisches Becken.

Anfang

2.3 Donauraum

Beiderseits der unteren Donau, wo der Fluss die Grenze zwischen Rumänien und Bulgarien bildet, erstreckt sich das Tiefland der unteren Donau, dessen nördlicher, rumänischer Teil Rumänisches Tiefland (Câmpia Româna) genannt wird. In der trockenen Tiefebene bildeten sich durch die Wirkung des Windes Flugsandflächen und Dünen an den Flüssen, weiter entfernt von den Flüssen Lößablagerungen.

Die fruchtbarsten Böden weit und breit finden sich im Pannonischen Becken und im Rumänischen Tiefland. Im serbischen Teil des Alföld (Podunavska nizina) gibt es Schwarzerden auf Löß, im ungarischen Alföld überwiegen degradierte oder kalkhaltige Schwarzerden. Eine Besonderheit sind die salzhaltigen Böden. Alle Lößgebiete mit Schwarzerde sind Gebiete mit für Landwirtschaft überaus günstigen Bedingungen, denn die Böden sind nicht nur fruchtbar, sondern sie verfügen auch über eine hervorragende Wasserspeicherkapazität und sind arm an Steinen, so dass man sie leicht bearbeiten kann. In den Gebirgen sind dagegen nur stellenweise für die Landwirtschaft günstige Böden zu finden; an vielen steilen Hängen sind die Löß- und Decklehmschichten aus dem Eiszeitalter bereits wieder abgeschwemmt.

Anfang

2.4 Balkanhalbinsel

Das Gebiet der Balkanhalbinsel ist nur undeutlich von den Nachbarregionen abgegrenzt. Die Nordgrenze des Gebietes wird per Konvention an die Flussläufe der Save und der unteren Donau gelegt, richtiger wäre zwischen das Pannonische Tiefland und das Gebirgssystem der Dinariden, zwischen die Karpaten und das Balkangebirge (an den Fluss Timok in der Nähe von Niš) sowie zwischen den bulgarischen Teil der Ebene an der unteren Donau und das Vorland des Balkangebirges. In diesen Grenzen ist die Balkanhalbinsel etwa 445.000 km² groß. Die Luftlinie von der Küste Istriens am Golf von Triest zur Schwarzmeerküste bei Warna ist 1400 km lang, die Entfernung von der Donau bei Belgrad zur Halbinsel Manī auf der Peloponnes beträgt 1000 km. Die Küstenlinie ist stark zergliedert, besonders im Süden, wo auch besonders zahlreiche Inseln liegen. Die größten davon liegen in Griechenland, Kreta (8300 km²) und Euböa (3600 km²). Die größte dalmatinische Insel ist Krk in Kroatien (410 km²).

Die Balkanhalbinsel gehört wie das Gebiet der Alpen und Karpaten zu den jüngsten Teilen des europäischen Festlandes; ihre Gebirge entstanden zur gleichen Zeit wie die Karpaten. Der dinarisch-griechische Ast (Dinariden und Helleniden) verläuft entlang der adriatischen und ionischen Küste; seine Schichtkomplexe wurden seit dem Tertiär in südwestlicher Richtung verschoben. Der balkanische Ast (Balkaniden) entspricht dem Balkangebirge, das nach Nordosten und Norden verschoben wurde. Beide Gebirgskomplexe berühren sich entlang einer wichtigen tektonischen Linie oder Narbe, die Vardar-Zone genannt wird. Diese verläuft vom „Golf von Thessaloniki“ (griech. Thermaīkos kolpos) aus über Makedonien und Serbien bis Belgrad.

Der dinarische Karst ist das klassische Gebiet der europäischen Karstforschung und der Typisierung der Karstformen. Die Inselwelt der Ägäis ist der Rest eines alten zerbrochenen und teilweise abgesunkenen Gebirges. Die meisten Inseln der Ägäis bilden zusammen mit Attika, einem Teil des griechischen Festlandes, das sog. Kykladische Massiv.

Král V. 1999: Fyzická geografie Evropy. Praha.

(Hansjörg Küster)

Anfang
Views
bmu:kk