Nordpolarmeer

Nordpolarmeer (auch: Arktischer Ozean, Nördliches Eismeer, dän. Arktiske Hav, Ishavet, nenz. Ṅėrmʹ Njaṅy jamʹ, norweg. Nordishavet, russ. Severnyj Ledovityj okean, samisch Jiekŋamearra).

Inhaltsverzeichnis

1 Geographie

Nebenmeer des Atlantiks, überwiegend nördlich des Polarkreises auf 90° nördlicher Breite. Insgesamt 16,2 Mio. km² mit einer Küstenlinie von 45.389 km. Umfasst Baffin Bay, Barentssee, Beaufortsee, Tschukschensee, Ostsibirische See, Grönlandsee, Hudsonbai, Hudson-Straße, Karasee, Laptewsee, Nordwestpassage u. a. Nebenmeere. Das N. ist fast vollständig von Landmassen umgeben: Grönland, der Kanadisch-Arktische Archipel, die sibirischen Inseln und den nördlichen Teilen von Europa, Asien und Amerika. Die Wassertiefen der zentralen Regionen des Arktischen Ozeans liegen überwiegend zwischen 2000 m und 4000m, während die arktischen Schelfgebiete und Randmeere mit Wassertiefen z. T. deutlich unter 100 m sehr flach sind. Die tiefste Stelle mit 5527 m unter dem Meeresspiegel liegt nördlich von Spitzbergen. Typisch ist das Polarklima. Im Winter herrscht ständige Dunkelheit mit kaltem (bis unter –50° C), stabilem Wetter und klarem Himmel. Die Sommer sind ständig hell, neblig und bringen schwache Zyklone mit Regen und Schnee und unterschiedlichen Temperaturen (zwischen 0 und 30° C). Das N. wird von einem in ständiger Bewegung befindlichen, im Winter geschlossenen Pack- und Treibeisfeld bedeckt, im Sommer ist es an seinen Rändern eisfrei. Aufgrund der Klimaerwärmung hat die Süßwassermenge im N. nach neueren Messungen um ca. 7 % zugenommen. 2004 war die Oberfläche bis 0,6 °C wärmer im Vergleich zum Vorjahr. Die Erwärmung reichte bis in Tiefen von 2000 Meter.

Die allgemeine Drift des Eises, die auf den Durchlass zwischen Spitzbergen und Grönland gerichtet ist, bestimmt im Wesentlichen die Oberflächenströmungen. Das N. ist über verschiedene Meeresströmungen mit dem Nordatlantik verbunden. Große Wassermassen werden durch die Framstraße, die Barentssee und durch das natürliche Kanalsystem des Kanadischen Archipels transportiert. Über die Beringstraße steht der Arktische Ozean in Verbindung mit dem nördlichen Pazifik. Natürliche Ressourcen, die ausgebeutet werden, sind u. a. Öl und Gas (Alaska, Sibirien), Kohle (Spitzbergen, Pečora-Becken), Zink (Kanada, Grönland), Nickel und Apatit (Halbinsel Kola), Eisen (Nordskandinavien), Silber, Gold und Diamanten (Kanada, Nordostsibirien), Fische, Meeres- und Landsäuger. Außerhalb der Eis- und Felsschuttwüsten bildet artenarme Tundra (Flechten, Moosen, Gräsern, niedrigen Blütenpflanzen, darunter kriechende Birken und Weiden) die Vegetation. Insekten treten in geringer Artenzahl, aber zeitweise in großen Mengen auf (Mücken, Fliegen). Das N. ist ökologisch leicht verletzbar. Wichtige Häfen sind Archangelsk und Murmansk (Russland), Churchill (Kanada), Prudhoe Bay (USA). Luft-, Meeres-, Fluss- und Landwege bilden ein weitmaschiges Verkehrsnetz. Zwischen den Anrainerstaaten existieren kleinere Konflikte um Seerechte. Zwischen Norwegen und Russland besteht ein offener Zwist über Svalbard (Spitzbergen).

Rund um das N. leben etwa 1,2 bis 2 Mio. Menschen, die überwiegend von außerhalb der Arktis stammen. Indigen sind die Inuit (Eskimo), Samen (Lappen), Jakuten u. a. sibirische Völker sowie einige Indianervölker. Viele dieser Polarvölker sind durch Vermischung und Akkulturation assimiliert (z. B. Grönländer), andere sind hingegen ausgestorben. Siedlungen der Jäger und Nomaden, Fischerei- und Bergbauzentren sowie wissenschaftliche Stationen finden sich im Allgemeinen an Küsten und Flüssen der Tundrengebiete. Wichtige Städte sind: Archangelsk, Murmansk, Norilsk, Vorkuta (Russland), Hammerfest (Norwegen), Iqaluit (früher Frobisher Bay), Inuvik (Kanada) und Barrow (USA) und Nuuk (dän. Godthåb, Grönland).

Anfang

2 Kulturgeschichte

Die erste historische Überlieferung aus dem Gebiet des N.es stammt wohl von dem griechischen Geograph, Astronom und Mathematiker Pytheas von Massalia (380-305 v.Chr.), der auf einer Forschungsreise 330 v. Chr. von Massalia (Marseille) nach Spanien, England und Thule (Island?) in die Nord- und Ostsee und wahrscheinlich auch über den Polarkreis segelte, da in seinen Beschreibungen von Fjorden, Eisbergen und 24 Stunden Tageslicht die Rede ist. Weitere wichtige Stationen auf dem Weg zur Entdeckung und Erforschung der Arktis waren die Entdeckung und Besiedlung von Island (wahrscheinlich 8. Jh.) und Grönland (982, nach einigen Quellen 985 bzw. 986) sowie die Suche nach der Nordwestpassage und der Nordostpassage seit Ende des 15. Jh. Der Entdeckung der nordamerikanischen (Labrador um 1000 und 1497, Baffin Island 1576, Hudsonbai 1587), europäischen (Weißmeerküste 1553, Nowaja Semlja, Jamal, Bäreninsel, Spitzbergen 1594−96, Alaska, Aleuten 1734−43) und asiatischen (Kap Dežnëva, Beringstraße 1648, Nordküste Sibiriens 1734−43) Küsten des Polarmeeres im 16. und 17. Jh. folgte die Erforschung der Meeresgebiete im 17. bis 19. Jh. (Hudsonbai 1607−11, Smith Sund 1616, Grönlandsee 1822, Nordwestpassage 1845−48, 1851, 1903−06, Kanadisch-Arktischer Archipel 1848–79, Nordostpassage 1878/79). Im 19. Jh. drangen Forscher immer weiter nach Norden vor – bis sie 1908 (Frederick Cook, umstritten) bzw. 1909 (Robert Peary) den Nordpol erreichten, ihn überflogen (1926) und per U-Boot unterquerten (1958). Im 20. Jh. erfolgten zahlreiche Durchquerungen des Polargebietes zu Lande.

Belov M. I. 1956–1969: Istorija otkrytija i osvoenija severnogo morskogo puti, 4 Bde. Moskau. Horensma P.: The Soviet Arctic. London 1991. Brigham L. (Hg.) 1991: The Soviet Maritime Arctic. London. Graf M. 1992: Arctic Journeys: A History of Exploration for the Northwest Passage. New York. Fischer L., Minchinton W. (Hg.) 1992: People of the Northern Seas. St. John’s. Ylvisaker A. 2003: The Arctic Ocean, Mankato/Minn..

(Ralph Tuchtenhagen)

Anfang
Views
bmu:kk