Balkan (Gebirge)

Balkan (altgriech. Aimon, bulg./serb. Stara planina, latein. Haemus mons, türk. hist. Balkan).

Inhaltsverzeichnis

1 Geographie

Der ca. 550 km lange, ca. 10–40 km breite Gebirgszug der Balkanhalbinsel nimmt eine Fläche von 11.596 km² ein. In seinen nördlichen Ausläufern (bulg. Predbalkan) grenzt er, zahlreiche Täler bildend, an die Donauebene. An die Beckenlandschaft des südlichen B. (Sub-B.) schließt sich das Gebirge Sredna gora an. Im Osten läuft der B. am Schwarzen Meer aus.

Gemeinhin wird der B. in drei Abschnitte unterteilt: Westb. (bulg. Zapadna Stara planina), Mittelb. (bulg. Sredna Stara planina, dt. früher Hoher Balkan) und Ostb. (bulg. Iztočna Stara planina, dt. früher Kleiner Balkan). Der Westb. erstreckt sich zwischen den Pässen Belogradčiški (580 m ü. d. M.) und Zlatiški prochod (1365 m ü. d. M.) Hier befinden sich zahlreiche Höhlen und sehenswerte Felsformationen sowie die 65 km lange Schlucht des Flusses Iskăr, der das Gebirge durchschneidet. Der Mittelb. erstreckt sich anschließend bis zum Pass Vratnik (1097 m ü. d. M.). Er ist der schmalste und zugleich höchstgelegene Teil des B. Unterhalb seines höchsten Gipfels (Botev, 2376 m ü. d. M.) befindet sich der mit ca. 125 m größte Wasserfall (bulg. Rajsko Prăskalo) des B. Der Ostb. reicht anschließend bis zum Kap Emine (bulg. nos Emine), einem 60 m hohen, steil ins Schwarze Meer auslaufenden Felsmassiv. In diesem Abschnitt erreicht der B. seine breiteste Ausdehnung und weist die flachsten Zonen auf. Die Felsformationen Sinite kamăni („Blaue Felsen“) bei Sliven und Čudnite skali („Wunderbare Felsen“) in der Schlucht des Flusses Luda Kamčija zählen zu den bekanntesten Naturdenkmälern.

Der B. ist trotz seines Namen (bulg. Stara Planina, „Altes Gebirge“) ein junges Faltengebirge, das als Teil der Alpen-Himalaja-Gebirgskette im Mesozoikum (Eozän) entstand. Im Quartär wurde das heutige Flussnetz gebildet. Ober- und unterirdische Karstformen sowie zahlreiche Mineralquellen sind typisch für den gesamten B, der die Hauptwasserscheide der südöstlichen Balkanhalbinsel bildet.

Neben Luda Kamčija haben auch die Flüsse Lom, Stara reka, Strjama und Tundža, die heute eine Reihe von Stauseen, wie z. B. Žrebčevo und Koprinka speisen, im B. ihren Ursprung. Dieser hat darüber hinaus die Funktion einer Klimascheide. Der Norden ist von gemäßigtem Klima, der Süden von transitivem Kontinentalklima geprägt. In den höheren Regionen herrscht Gebirgsklima vor. Die Durchschnittstemperatur im Januar liegt bei 0 °C im Ostb. und -9,3 °C am Gipfel des Botev. Die durchschnittliche Juli-Temperatur schwankt zwischen 8 und 20 °C. Die jährlichen Niederschlagsmengen liegen bei 1200–1400 mm und steigen mit zunehmender Höhe an. In den Hochgebirgsregionen bleibt etwa 4–6, im Ostb. 1–2 Monate eine geschlossene Schneedecke erhalten. Föhnwinde prägen die nördlichen Ausläufer des B. Das Gebiet um Sliven wird außerdem von der Bora erreicht (Typ ›slivenski vjatăr‹, „Sliven-Wind“).

Die B.-Region ist reich an Bodenschätzen. Bedeutende Steinkohlenlager befinden sich im Revier Balkanbas (zwischen Gabrovo, Tvărdica und Sliven), Anthrazitkohle dominiert im Becken von Svoge. Eisenerzlager treten bei Kremikovci nahe Sofia, Čiprovci und Martinovo sowie Trojan auf. Weiterhin bedeutsam sind Kupfererz- und Polymetalllager sowie Marmor, Kalkstein und Baryt.

Charakteristisch für den B. sind einander vertikal folgende Bodenschichten und Vegetationsstufen. Bis in 800 m Höhe überwiegen Laubbäume (Eiche, Hainbuche, in höheren Lagen Buchen). Weniger verbreitet sind Weißpinien, Schwarzkiefern und Kastanien. Ebenso selten ist Edelweiß zu finden. Die Fauna dominieren mitteleuropäische und eurosibirische Arten, wie z. B. Bergziegen, Edelhirsche, Rehwild, Bären, Wölfe, Füchse.

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2 Kulturgeschichte

Die Hänge des B. sind seit Jahrtausenden besiedelt. Typisch sind Streusiedlungen und Weiler (bulg. machala), in den Kessellagen auch kleinere Städte. Die wichtigsten der Region sind heute: Belogradčik, Berkovica, Vraca, Svoge, Botevgrad, Gabrovo, Kotel (von West nach Ost). An ca. 30 Stellen senkt sich der B. An diesen Punkten befinden sich von altersher Sattel und Pässe, die eine Überquerung des Gebirges (heute u. a. auch über drei Bahnlinien) ermöglichen.

Während der osmanischen Herrschaft waren v. a. die südlichen Ausläufer des Ostb. (bulg. Slivenska planina) und die nahe gelegene Stadt Sliven wichtige Sammel- und Zufluchtsorte der Heiducken. Daran erinnern am Pass Vratnik ein granitenes Denkmal und bis in die Gegenwart regelmäßig stattfindende Volksfeste sowie zahlreiche Namensgebungen (z. B. „Heiduckenquelle“, bulg. Chajduški izvor). Ebenso bedeutsam wie geschichtsträchtig ist der Bergpass Šipčenski prochod, an dem der Russisch-Türkische Krieg (1877/78) entschieden wurde.

Die Naturschätze des B. sind von jeher ein bedeutender Wirtschaftsfaktor. In den höchsten Bergregionen wird traditionell Weide- und Almwirtschaft betrieben. Die Industrialisierung des Bergbaus, der Forst- und der Wasserwirtschaft (Errichtung von Wasserkraftwerken und Stauseen) begann nach 1878. Die bis heute anhaltende extensive Nutzung von Wäldern (v. a. in der Umgebung von Trojan, Teteven, Gabrovo und Sliven) und Bodenschätzen hat zu schweren Umweltschäden geführt. Mittlerweile sind in vielen Regionen Terrassierungs- und Aufforstungsprojekte zur Begrenzung der Erosion und der Walderholung angelaufen. Zahlreiche Pflanzen- und Tierarten stehen in Bulgarien auf der „Roten Liste“. In drei Nationalparks (›Vračanski Balkan‹, „Zentralbalkan“ und ›Sinite kamăni‹), 31 Schutzgebieten (davon fünf Biosphärenreservaten) werden einheimische Arten geschützt. Neben den vielen Naturdenkmälern bieten die Heilquellen ein erhebliches touristisches Potential, das verstärkt ausgebaut wird.

(Petăr Stojanov)

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