Siebenbürgen (Region)
Siebenbürgen (auch: Transsilvanien, rumän. Transilvania, auch: Ardeal, ungar. Erdély)
Inhaltsverzeichnis |
1 Geographie
2 Kulturgeschichte
Vorbemerkungen
In vergleichender Perspektive gehört S. zu den am gründlichsten erforschten Regionen des östlichen und südöstlichen Europa. Das gilt für sämtliche geisteswissenschaftliche Disziplinen – von den Sprach- und Literaturwissenschaften über die Kulturgeographie und Ethnologie bis hin zu den historischen Disziplinen und der Politologie. Auch existiert eine große Anzahl monoethnisch oder multiethnisch ausgerichteter Synthesen von unterschiedlichster Quantität und Qualität seit dem späten 18. Jh. Von den drei großen Regionen aus denen sich das heutige Rumänien seit 1920 bzw. 1947 zusammensetzt, wird S. weiterhin grundsätzlich als diejenige wahrgenommen die am stärksten eigenständige und separate Züge in Vergangenheit und Gegenwart aufweist. Dieser Umstand liegt darin begründet, dass sich S. und seine Bewohnerschaft bis 1918/20 politisch, konfessionell, ökonomisch und kulturell weitestgehend an anderen Entwicklungslinien orientierten als die beiden Donaufürstentümer Moldau und Walachei. Damit zusammenhängend war – und ist teilweise bis in die Gegenwart hinein – die ethnisch unterschiedliche Zusammensetzung der Bevölkerung von maßgeblicher Prägekraft für die spezifische Kulturlandschaft S.
Die Deutungshoheit über die Vergangenheit des Landes, aber auch die Gestaltung. von Gegenwart und Zukunft sind weiterhin ein heftiger Streitfaktor zwischen der rumänischen und ungarischen Seite. Kaum eine Rolle spielen dabei die wenigen intellektuellen Vertreter der kleinen Minoritäten des Raumes sowie der Romagruppen. Eine bedeutende Sonderposition in der s.zentrierten Wissenschaftslandschaft nehmen weiterhin, trotz ihrer nahezu abgeschlossenen staatlich forcierten Auswanderung, intellektuelle und politische Angehörige der deutschen Minorität ein. Außerhalb S.s und Rumäniens wird geisteswissenschaftliche S.forschung in erster Linie in Ungarn sowie weiterhin in Deutschland und Österreich und punktuell vereinzelt im angloamerikanischen Raum, in Italien, Polen, Finnland, Israel, der Schweiz und Frankreich betrieben. Ein Grund für die vergleichsweise sehr rege Beschäftigung mit S. liegt an den seit dem späten 18. Jh. und bis in die Gegenwart andauernden nationalpolitisch motivierten rumänisch-ungarischen Auseinandersetzungen.
Eine andere Ursache liegt in der dichten Städte- und vielfältigen Adelslandschaft S.s begründet, die beginnend mit dem Spätmittelalter ein reichhaltiges Schrifttum von zunächst jahrhundertelang nahezu ausschließlich deutschen und ungarischen Siebenbürgern hervorbrachte. Erst zeitlich deutlich verschoben seit dem 18. und 19. Jh. setzte rumänischerseits in Ansätzen vergleichbares ein. Mit den rasant aufkommenden Nationalbewegungen im 19. Jh. endete die ältere im vornationalen Sinne ausgerichtete und eher konfessionsbezogene Historiographie über S. Andersnationale Mitbewohner und ihre Vergangenheit fanden nunmehr immer weniger Berücksichtigung in den jeweiligen Arbeiten in sämtlichen geisteswissenschaftlichen Disziplinen. Diese Entwicklung fand auf allen Seiten ihren Höhepunkt in den Jahren seit etwa 1920, sie ist bis in die Gegenwart präsent und auf rumänischer Seite dominant. Im Gegensatz bspw. zu Polen oder Tschechien, wo sich die jüngere Generation in den geisteswissenschaftlichen Disziplinen intensiv mit der Vergangenheit der Deutschen und ihrer materiellen Hinterlassenschaften beschäftigt, kann dies für die rumänische Seite hinsichtlich des nichtrumänischen kulturellen Erbes in S. kaum festgestellt werden. Das führt zu einer Situation in der über einen Teil der Landschaften S.s wie dem Szeklerland, Teilen des sog. Partiums oder einer Reihe von Städten, bis in die Gegenwart nur wenige und dabei kaum im Ansatz als wissenschaftlich zu bezeichnende Arbeiten von rumänischer Seite existieren.
Um so wichtiger ist es in Zukunft einen intensiveren Austausch von Nachwuchswissenschaftlern in Gang zu bringen. Seit den 1980er Jahren gibt es eine zunehmend bedeutender werdende Strömung, die die S.forschung aus der nationalfixierten Sackgasse führt, das Karpatenbecken in seiner Gesamtheit als multiethnischen Raum begreift und auf Vergleich mit benachbarten Regionen angelegte Forschungen betreibt. Maßgebliche Anstöße in diese Richtung gingen von einer neuen Generation von Wissenschaftlern in Deutschland und von ungarischer Seite aus. Ein wichtiger Ausgangspunkt dafür war die 1986 in Budapest erstmalig erschienene dreibändige Geschichte S.s. Verspätet begann auch im Bereich der Zeitgeschichte S.s in den vergangenen Jahren endlich eine sehr rege Diskussion über die Rolle aller in S. lebenden Nationen und ihrer jeweiligen Eliten in den totalitären Systemen des 20. Jh., in welcher die gerade in dieser Zeit weiter ausgebauten und allseitig konstruierten nationalen Mythen zunehmend hinterfragt werden. Eine Aufarbeitung der jüngsten nationalkommunistischen Vergangenheit des Landes steht trotz einiger ernstzunehmender Ansätze noch aus. Die Gründe liegen in der mangelhaften Zugänglichkeit zu den Archivbeständen und in der Tatsache, dass ein wesentlicher Teil der Geisteswissenschaftler aus der Ceauşescu-Zeit weiterhin in Schlüsselpositionen der Wissenschaftslandschaft sitzt und an einer derartigen Thematisierung nicht interessiert ist. Die Beschäftigung mit der Vergangenheit S.s, ja des gesamten Karpatenbeckens als einer der jahrhundertealten wechselseitigen Überlappungsräume zwischen Ost und West hat und wird auch in Zukunft wertvolle Erkenntnisse über gemeinsam verlaufene Entwicklungsprozesse und, damit meist verknüpft, Konfliktfelder zwischen binneneuropäischen Kulturlandschaften bringen.
Siedlungsgeschichte bis ins 11. Jh.
Menschliche Besiedlung ist auch für den Raum des späteren S. bis in die Steinzeit nachweisbar. Entsprechende Funde werden von Seiten der notwendigerweise international vernetzten und aktiven Ur- und Frühgeschichte in ihren Arbeiten miteinbezogen. Zwischen dem 5. Jh. v. Chr. und dem 3. Jh. n. Chr. werden in griechischen und römischen schriftlichen Quellen sporadisch Daker, „Geten“, „Bastarnen“, Skythen, Sarmaten und andere Völkerschaften und ›gentes‹ nördlich der Donau erwähnt.
Es ist auch in diesem Gebiet nahezu unmöglich die punktuellen archäologischen mit den punktuellen schriftlichen Quellen hinsichtlich der ethnischen Zugehörigkeiten miteinander in Bezug zu bringen. Belegbar ist ein kurzlebiger relativ großflächiger, aber kaum konkreter eingrenzbarer norddanubischer Personenverbandsstaat mit einer als dakisch umschriebenen Führungsschicht unter Burebista im 1. Jh. v. Chr. und in einer kleineren Variante unter Decebalus im späten 1. Jh. n. Chr. (Dakien). Nach dessen Zerschlagung durch römische Armeen wurde für rd. 150 Jahre (105–ca. 240/275) der Süden und die Mitte des späteren S. als Provinz in das Römische Reich eingegliedert. Die norddanubischen Provinzen sollten sich im wesentlichen als die letzten Territorialgewinne und die ersten Territorialverluste des Reiches erweisen. Wie meist üblich wurde ein Teil der überlebenden Bevölkerung in andere Reichsteile deportiert und Gruppen von in der Regel kaum sonderlich latinisierten Neubewohnern aus anderen Reichsprovinzen in den äußerst peripher gelegenen neuen dakischen Provinzen angesiedelt.
Bereits während der Regierungszeit Marc Aurels (161–180) wurden die norddanubischen Provinzen von Markomannen, Quaden und anderen Gruppen in großen Ausmaß verheert. Für eine tiefergehende Wirkung der römischen Herrschaft im Sinne einer Romanisierung der Bevölkerung blieb weder ausreichend Zeit, noch spielte etwas derartiges eine Zielvorgabe seitens der römischen Führungsschichten. Der Urbanisierungsgrad der Provinz blieb im Vergleich etwa zu Gallien, Rätien, Noricum, Pannonien oder dem nördlichen Afrika außerordentlich gering. Im Zuge der Räumung der Provinz in der zweiten Hälfte des 3. Jh. kam es sicherlich nicht zu einer völligen Entvölkerung des Landes. Doch war es gerade für die ansässigen latinisierten Gruppen attraktiv das Gebiet zu verlassen und auf sicheren süddanubischen Reichsgebiet ein neues Auskommen zu finden.
So ist auch in S. von einem Aufgehen der verbliebenen Restbevölkerung in die nachrückenden Personenverbände auszugehen. In jedem Fall fehlt für die Zeit zwischen dem 4.–13. Jh. jeder schriftliche, archäologische und sprachwissenschaftliche Beleg für die Anwesenheit von romanischsprachigen Gruppen nördlich der Donau. Gut belegt sind dort allerdings eine ganze Reihe anderer Stammesverbände, so der Gepiden zwischen dem 4. und 6. Jh., Goten im 4. und 5. Jh., Hunnen im 4. und 5. Jh., Awaren von Mitte des 6.–8. Jh., Bulgaren im 9. und 10. Jh., Slawen seit dem 6. Jh. und schließlich Magyaren seit dem späten 9. Jh. Aus dem krisengeschüttelten Byzantinischen Reich kam es möglicherweise bereits in der zweiten Hälfte des 12. Jh. zu einer Abwanderung zunächst einiger walachischer Familienverbände in norddanubische Landschaften und so u. a. auch nach S.
Die spätantiken und frühmittelalterlichen Migrations-, Akkulturations- und Wandlungsprozesse führten bis ins 10. Jh. zur Ausprägung gänzlich neu konstituierter Kulturlandschaften und Lebensmodelle im hier behandelten geographischen Raum. Eine Entwicklung, die in der rumänischen Geschichtsschreibung, deren Gesamtkonzeption von der modernen rumänischen Nation seit dem 19. Jh. auf der Vorstellung von einer Symbiose zwischen Dakern und Römern und ihrer flächendeckenden ethnischen Siedlungskontinuität auf dem Territorium des heutigen Staatswesens ausgehen, jedoch weitgehend unberücksichtigt bleiben (vgl. Dakorumänische Kontinuitätstheorie).
Die Entstehung der Kulturlandschaft Siebenbürgen
Die spezifische Kulturlandschaft S. formierte sich im Rahmen des hoch- und spätmittelalterlichen Königreiches Ungarn zwischen dem 11. und 15. Jh. In dieser Epoche kam es zur schrittweisen Einwanderung aller im heutigen S. lebenden Ethnien.
Im 11. und 12. Jh. setzte der Prozess der Landnahme und Aufsiedlung initiiert durch die ungarische Krone vom Nordwesten her entlang des Samosch (rumän. Someş, ungar. Szamos) ein. Zwischen dem 12. und dem 14. Jh. wurde ein Komitatssystem etabliert. Die vorgefundene slawische und wahrscheinlich im Süden auch partiell altbulgarische und turksprachige Bevölkerung wurde bis zum 14. Jh. in das ungarische und in geringen Ausmaß auch das deutsche Ethnikum integriert. Ungarn siedelten sich vornehmlich in den Ebenen und Hügellandschaften sowie entlang der Flussläufe im zentralen, westlichen und nördlichen Landesteil an. Die bereits im Hochmittelalter ungarischsprachigen Szekler, die sich entweder aus ursprünglich turksprachigen Stammesgruppen und Klans oder bestimmten ungarischen Verbänden herleiten, denen ein spezifisches Eigenrecht verliehen wurde, siedelten sich aus dem Westen kommend im 13. und 14. Jh. in den östlichen Karpaten und Teilen des zentralen Landesteils an.
Seit der zweiten Hälfte des 12. Jh. wurden Deutsche als ›hospites‹ (latein., „Gäste“), in erster Linie im Süden des sich konstituierenden S., angesiedelt. Diese als Siebenbürger Sachsen bezeichnete Bevölkerung stammte mehrheitlich aus dem moselländisch-luxemburgisch-flandrischen Raum. Ein weiterer Siedlungsschwerpunkt war das sog. Nösnerland (rumän. Ţara Năsăudului, ungar. Naszód) mit Bistritz (rumän. Bistriţa) und Altrodenau (Rodna/Óradna) sowie Klausenburg, wo bis ins frühe 18. Jh. eine politisch, kulturell und ökonomisch sehr bedeutende deutsche Bevölkerung existierte.
Die im Vergleich zu sämtlichen Nachbarräumen dichte Städtelandschaft S.s war vom 13. Jh. bis ins 20. Jh. überwiegend von deutschen (sächsischen) und in der Zahl nachfolgend ungarischen Einwohnern geprägt. Zwischen dem späten 12. Jh. und 1486 gelang es den meisten Siedlungsgebieten der Sachsen ein starkes territorialgebundenes Selbstverwaltungssystem im Rahmen der ständischen Ordnung des ungarischen Gesamtreiches zu erwirken. Einen gewissen Abschluss dieser Entwicklung, hier auf dem sog. Königsboden, bildete die Gründung der sog. ›Sächsischen Nationsuniversität‹, einer Variante von ständischer Versammlungsform, 1486. Ähnliche ständische Versammlungen bestanden im Szeklerland und den vom ungarischen Adel dominierten Komitaten.
Mit der Etablierung der Herrschaft der ungarischen Krone im Karpatenbecken, hielt auch das Christentum lateinischer Ausrichtung seinen Einzug in diesen Raum. Es blieb bis zur Reformation im 16. Jh. die eindeutig dominierende Konfession in S., der Ungarn und Deutsche, sowie im Zuge von Akkulturationsbewegungen an die Magyaren auch kleinere Gruppen der Rumänen angehörten.
Demgegenüber sind die seit 1206 in schriftlichen Quellen belegbaren orthodoxen Rumänen/Walachen bis ins 16. Jh. v. a. in den Gebirgslandschaften der West-, Süd- und Ostkarpaten (Maramureş), mit Ausnahme des Szeklerlandes ansässig. In wesentlich kleinerer Zahl und verstreut finden sie sich auch außerhalb der Berg- und Waldlandschaften. Sie lebten überwiegend als Wanderhirten und Waldbauern, seit der Frühneuzeit auch analog zu vielen Sachsen und Ungarn als leibeigene Bauern in tiefer gelegenen Landstrichen. Ihre Führungsschicht akkulturalisierte sich infolge ihrer Aufnahme in die Reihen des ungarischen Adels an selbigen besonders im 14. und 15. Jh. Eine ihrer Bedeutung nach über den Rahmen einer Dorfgemeinschaft oder eines größeren Familienverbandes hinausgehende orthodoxe geistige Elite ist bis ins 18. Jh. von wenigen Einzelpersonen abgesehen nicht existent.
S. konstituierte sich also im Hoch-und Spätmittelalter im Rahmen des mittelalterliche Königreiches Ungarn als spezifische ostmitteleuropäische, deutlich lateinisch-christlich geprägte Kulturlandschaft mit einer zusätzlich anwesenden eher kleineren räumlich lokal präsenten rumänisch-orthodoxen Bevölkerung, die aufgrund ihrer Lebensweise wenig in das mittelalterliche Königreich eingebunden war und werden konnte. Roma sind in Kleinverbänden seit dem 15. Jh., wohl aus dem byzantinischen Raum kommend, in schriftlichen Quellen auch in S. belegbar. Angesiedelte Petschenegen und Kumanen akkulturalisierten sich je nach Mikroregion an das ungarische und rumänische Ethnikum.
Seit 1199 belegbar fungierten vorn König eingesetzte Woiwoden als höchste ihm nachgeordnete Amtsträger in S. Der Name dieses Amtes verweist auf Entlehnungen aus dem bulgarischen Raum. Das komplexe ständische System der Sachsen des Königsbodens, der Szekler und des ungarischen Adels dominierte um 1500 politisch und kulturell das gesamte Karpatenbecken. Zeitweise konnte die ungarische Krone über S. auch Herrschaftsansprüche in den Donaufürstentümern geltend machen.
Dabei wurde S. im 11. und 12. Jh. gelegentlich durch petschenegische, kumanische und byzantinische Verbände attackiert, 1241/42 im Rahmen des Westfeldzuges der Mongolen verheert und in einigen Regionen von den seit dem späten 14. Jh. einsetzenden Streifzügen osmanischer Truppen erreicht. Zusätzlich erschütterten einige Fehden, soziale Konflikte und innerungarische Thronfolgezwistigkeiten zwischen dem 13 und frühen 16. Jh. einzelne Landesteile.
Das frühneuzeitliche Fürstentum
Im Verlauf mehrerer Jahrzehnte (1526–1541/1570/1606) kam es infolge der osmanischen Eroberungen und der damit verknüpften Auseinandersetzungen um die ungarische Krone zwischen dem Hause Habsburg und einem Teil der ungarischen Stände zu einer Dreiteilung des ungarischen Königreiches. Während der Westen und Nordwesten unter königlich-habsburgischer Hoheit verblieb, inkorporierte die Hohe Pforte die zentralen und südlichen Landesteile mitsamt der alten Königsresidenz Buda.
In S. konnten die antihabsburgischen von den Reformationsbewegungen bereits erfassten ständischen Nationen unter dem Schutz des Sultans ein relativ eigenständig agierendes Fürstentum errichten, das sich als calvinistische Alternative des alten Stephansreiches verstand. Zeitweise spielte es im späten 16. und den ersten Jahrzehnten des 17. Jh. eine wichtige Rolle in den wechselhaften Bündnissystemen der frühneuzeitlichen europäischen Welt von Staaten und Reichen, besonders unter den Rákóczi und Báthory.
Programmatisches Fernziel aller Könige von Ungarn aus dem Hause Habsburg seit 1526 war die beiden an die Hohe Pforte und die Anhänger der neuen Glaubensbekenntnisse verlorenen Reichsteile zurückzugewinnen. Im Rahmen des sog. Großen Türkenkrieges 1682–99 gelang den nun im Zuge der Ausformung des absolutistischen Zwangsstaates besser gerüsteten Heeren Wiens auch die Inbesitznahme des Fürstentums S., das sie zwischen 1685 und 1691/1696 dauerhaft inkorporieren und nachhaltig umgestalten konnten.
Analog zu den politischen Zielen des Hofes verfolgten auch die antihabsburgischen meist nichtkatholischen ständischen Eliten Ungarns und S.s das Ziel eines neuerlichen Zusammenschlusses der Länder der ungarischen Krone. Der Konflikt kulminierte mit der nicht nur ständisch dominierten Aufstandsbewegung unter Ferenc II. Rákóczi, die 1703–11 weite Teile des nördlich Ungarn und S.s erfasste und von den Verbänden der Habsburger schließlich niedergeworfen wurde.
Trotzdem blieb durch das ›Leopoldinische Diplom‹ von 1691 und nachfolgende Abkommen und Regelungen die ständisch geprägte Struktur S.s bis zur Revolution von 1848 vertraglich erhalten. Neben der Vielzahl von Nationen, zu denen im 17. und 18. Jh. in einigen Gegenden noch Armenier, Juden, einige Deutsche und Slowaken kamen, wirkte sich die Reformation für S. als jahrhundertelang prägend aus.
Die Sachsen wandten sich überwiegend zum Luthertum, die Ungarn hingen bis ins 18. Jh. mehrheitlich dem Calvinismus an und blieben in geringer Zahl in einigen isolierten Gegenden des Szeklerlandes altgläubig, wohingegen sich die Rumänen in den nördlichen und zentralen Landesteilen nach der Kirchenunion von 1698/1701 von der Orthodoxie ab- und der Unionskirche zuwandten. Darüber hinaus sei noch auf zwei aus gesamteuropäischer Perspektive bemerkenswerte Gruppen verwiesen: Bis zu ihrer Auslöschung 1944 existierte in einer Gemeinde des Szeklerlandes eine kleine Sabbatarische Gemeinschaft, die letzte in Europa, die das 17. Jh. überdauert hatte. Bis in die Gegenwart leben in einigen Dorflandschaften im zentralen S. sowie in Klausenburg (2002 rd. 66.000) ungarische Unitarier (Antitrinitarier), ebenfalls die einzigen Nachfahren dieser in weiten Teilen Europas im 16. und 17. Jh. verbreiteten radikalsten Variante innerhalb der Reformation. Für einige Jahrzehnte existierte innerhalb S.s ein in Europa einmaliges System von vier gleichberechtigt rezipierten Konfessionen (Katholiken, Calvinisten, Lutheraner und Unitarier), das auf Landtagen in den Jahren 1568 und 1571 beschlossen worden war.
Erst nach 1606–90 dominierten aufgrund der calvinistischen Landesherren der Calvinismus und eingeschränkt die Lutheraner über die beiden anderen Konfessionen und die Orthodoxie, obwohl es zu keinen mit vielen Territorien im westlichen Europa auch nur im Ansatz vergleichbaren Verfolgungswellen kam.
Einige intensive frühneuzeitliche Kriege, die S. massiv trafen, so etwa in den Jahren 1594–1605, 1657–62, 1703–11, eine Reihe von Seuchen und eine ethnisch und hinsichtlich der Lebensmodelle unterschiedliche demographische Entwicklung führten im 17. und 18. Jh. zu einer nachhaltigen und sich als dauerhaft erweisenden Änderung der ethnischen Mehrheitsverhältnisse zugunsten der Rumänen und zuungunsten von Ungarn und Deutschen.
Im Rahmen von Renaissance, Reformation und Barock entstanden zahlreiche repräsentativ geistliche und weltliche Neubauten. Eine Reihe religiöser, adeliger, höfischer und bürgerlicher Bildungseinrichtungen der Angehörigen der lateinischen Konfessionen überzog das Land. Die Werke deutscher und ungarischer Autoren spielten dabei eine herausragende Rolle innerhalb des kulturellen Erbes beider Völker. Im Vergleich dazu waren die Rumänen aufgrund anderer – durch die Orthodoxie – geprägter Bildungsideale an diesen Prozessen kaum beteiligt. Ausnahmen betrafen fast immer Personen, die in engen Kontakten zu höfischen und reformatorischen Kreisen standen.
Siebenbürgen innerhalb der Habsburgermonarchie 1691/1711-1918
S. wurde real nach 1691 bzw. 1711–1848 von Seiten der Habsburger nicht wieder in die Länder der Stephanskrone eingebunden, auch wenn staatsrechtlich gesehen, die Zugehörigkeit formal nicht bestritten wurde. Das Land erlebte eine – von wenigen Ereignissen (1738/39, 1789, 1809) abgesehen – etwa 130jährige Phase ohne zum Kriegsschauplatz zu werden (1717–1848). Die Bevölkerung und dabei in erster Linie das rumänische Ethnikum nahm insgesamt gesehen deutlich zu. Landmangel führte zu Migration in die ungarische Tiefebene.
Der bürokratische und später aufgeklärte Absolutismus der habsburgischen Amtsträger und Militärs dominierte das Land politisch. Rekatholisierungsbemühungen scheiterten und wurden nach 1780 aufgegeben. Die Reformen Josephs II. (1765–90) hatten die Gleichberechtigung aller Bevölkerungsgruppen der Habsburgermonarchie durch Abbau von Privilegien, Konfessionsgegensätzen und Eigenständigkeit der Bevölkerungsgruppen, durch Aufhebung der Leibeigenschaft und Vereinheitlichung des Verwaltungs- und Gerichtswesens zum Ziel. Die Einführung der unbedingten Konzivilität 1781 hob das ausschließliche Bürgerrecht der Siebenbürger Sachsen auf, das eine Ansiedlung anderer Volksgruppen auf dem Königsboden in S. untersagt hatte. Das Toleranzedikt (1781) sah einen Abbau der Sonderstellung der katholischen und unierten Kirche vor, was von den protestantischen Konfessionen positiv aufgenommen wurde, da der gegenreformatorische Druck nachließ. Zahlreiche protestantische Adelige traten in den kaiserlichen Dienst und erleichterten die Zentralisierung des Staatsapparats, was sich in der Vereinigung der siebenbürgischen und ungarischen Hofkanzleien (1782) widerspiegelte. Die Verwaltungsreform von 1784 bedeutete die Aufhebung der Landesverfassung S.s und brachte die Einteilung in elf Komitate, ohne Rücksicht auf historische Grenzen und Rechtsgebiete. Deutsch wurde als Verwaltungssprache eingeführt und sollte S. vollständig ins Habsburgerreich eingliedern.
Diese Reformen gaben der leibeigenen rumänischen Bauernschaft die Hoffnung auf ökonomische und soziale Verbesserung. Sie gipfelte in einem Bauernaufstand unter Horea, der mit der Forderung nach Anerkennung als ständische Nation auch national-rumänische Merkmale trug. Der Ausbruch des Krieges gegen die Osmanen (1787–91) brachte auch S. an den Rand des Aufruhrs und Joseph II. nahm mit dem Restitutionsedikt (1790) die meisten Reformen zurück. Infolge des Scheiterns der Reformen reichte die politisch-nationale Bewegung und unierte rumänische Intelligenz die Klageschrift ›Supplex Libellus Valachorum‹ beim Kaiser ein. Sie forderte für die Rumänen, nunmehr in der Mehrheit, die Anerkennung als Nation und Gleichstellung. Der Landtag S.s, der die Schrift von Leopold II. (1790-92) erhalten hatte, lehnte die Forderungen ab.
Seit dem späten 18. Jh. kam es zunächst bei Sachsen und Ungarn und später auch bei Rumänen zum Aufkommen einer nationalen Ideenwelt ausgehend von der Französischen Revolution. Hitzige nationale Debatten ihrer Vertreter – zumeist aus der neuen Berufsgruppe von Intellektuellen unterschiedlichster sozialer Herkunft prägten den Vormärz. Das ethnische Bewusstsein der Völker wandelte sich zu modernen nationalen Identitätsformen. Die ungarischen Eliten bekannten sich zunehmend zur ungarischen Sprache und Kultur, verteidigten das Stände- und Privilegiensystem und machten wegen des wachsenden rumänischen Bevölkerungsanteils ihre politische Dominanz zu einem national-ungarischen Ziel. Die rumänischen Eliten artikulierten sich mit Verweis auf ihre demographische Position immer häufiger fordernd, während die – wegen ihrer vergleichsweise geringen Zahl – um ihre Existenz fürchtenden Deutschen sich auf den binnendeutschen Raum und die deutsche Nationalbewegung ausrichteten. Letzteres wurde verstärkt durch deutsche Einwanderer, wie die sog. Landler oder Siedler aus Süddeutschland.
In den 30er Jahren entwickelte sich eine liberale Reformbewegung, die wirtschaftliche und gesellschaftliche Modernisierungen anstrebte, um so eine Union mit Ungarn und den Aufbau einer bürgerlichen Gesellschaft zu ermöglichen. Der Sprachenstreit und schließlich die Einführung des Ungarischen als Amtssprache (1842) bestimmten den Vormärz, verschlechterten das ungarisch-rumänische Verhältnis und zeigten, dass die innersiebenbürgischen Gegensätze jetzt nationale Beweggründe hatten. Deutlich wird diese Überlagerung politisch-sozialer Anliegen durch nationale während der Revolution 1848/49, als die ungarischen Liberalen die Union mit Ungarn und die Rumänische Nationalversammlung von Blaj (rumän., ungar. Balázsfalva, dt. hist. Blasendorf) die politische Anerkennung als Nation sowie bürgerliche Rechte forderten. Der Landtag beschloss die Union mit Ungarn und die allgemeine Bauernbefreiung (20.5.–18.7.1848), worauf die Rumänische Nationalversammlung die Rumänen zum bewaffneten Widerstand aufrief. Diese und auch die Sachsen standen schließlich auf habsburgischer Seite den Szeklern und Ungarn S.s gegenüber, die sich der ungarischen Revolutionsregierung anschlossen. Nur mit massiver russischer Hilfe konnten Ungarn und S. der Habsburgermonarchie wieder eingegliedert werden. Ständestaat und Selbstverwaltung wurden allmählich abgebaut, die Union rückgängig gemacht (24.10.1849). Das Oktoberdiplom (20.10.1860) gewährte gewisse Freiräume, wurde aber durch das Februarpatent (26.2.1861) eingeschränkt und führte zum Landtag (1863/64), der – ohne die ungarischen Abgeordneten – beide rumänischen Kirchen als gleichberechtigt anerkannte und Ungarisch, Rumänisch und Deutsch zu Amtssprachen erklärte.
Der Ausgleich von 1867 integrierte S. in die ungarische Reichshälfte, die mit der Verwaltungsreform (1876) die Reste regionaler Selbstverwaltung aufhob und zu einer verschärften Auseinandersetzung der Nationalitäten, der rumänischen „Memorandistenbewegung” (Memorandumul) und einer sprachlichen Magyarisierungspolitik um die Jahrhundertwende führte. Den Nationalitäten S.s boten jetzt v. a. die Kirchen den Rahmen für die nationale (Weiter-)Entwicklung.
Siebenbürgen im 20. Jahrhundert
Nach dem Zusammenbruch der Habsburgermonarchie am Ende des Ersten Weltkriegs bildete sich ein Rumänischer Nationalrat, der die Übergabe der Macht in den 26 östlichen Komitaten forderte. Rumänische Truppen marschierten in S. und Ungarn ein, die große rumänische Nationalversammlung deklarierte am 1.12.1918 den Anschluss S.s mit dem Banat, Satu Mare (rumän., ungar. Szatmár, dt. hist. Sathmar), Maramureş/Máramaros/Marmarosch und Crişana/Körösvidék/Kreischgebiet an Rumänien und sagte den „mitwohnenden Nationalitäten“ weitgehende Minderheitenrechte zu.
Daraufhin erklärte die sächsische Nationalversammlung (8.1.1919) ebenfalls den Anschluss, wohingegen die ungarische Bevölkerung für den Verbleib bei Ungarn stimmte (22.12.1918) und auf die Anwendung des Selbstbestimmungsrechts hoffte. Da es nicht zur Anwendung kam und es lokale Auseinandersetzungen zwischen den Nationalitäten gab, wechselte ein bedeutender Teil der politisch-wirtschaftlichen ungarischen Elite nach Ungarn. So verlor S. bis 1925 etwa 200.000 Ungarn. Agrarreformen, fehlender Minderheitenschutz, Vorrang der orthodoxen Kirche, soziale und ökonomische Probleme entfremdeten die Minderheiten vom Staat.
S. war nicht nur eine multiethnische Region mit 57,8 % Rumänen, 24,4 % Ungarn, 9,8 % Deutschen und zahlreichen weiteren Minderheiten (1930), sondern hatte auch einen höheren Industrialisierungsgrad und größeren Anteil an Stadtbevölkerung, als die ethnisch relativ homogenen, agrarisch geprägten Provinzen des (rumänischen) Altreichs (Vechiul Regat), mit dem es vereinheitlicht wurde. Mit wachsender Radikalisierung in den 30er Jahren orientierten sich die Ungarn S.s verstärkt am revisionistischen Ungarn, während die Deutschen den Nationalsozialismus rezipierten.
Die Entwicklung kulminierte im Zweiten Wiener Schiedsspruch, der S. in eine nördliche Hälfte, die der Ungarn abgetreten wurde, und eine südliche, die bei Rumänien verblieb, teilte. Dies prägte das rumänisch-ungarische Verhältnis nachhaltig, zumal es 1940 und im Herbst 1944 einige Massaker an der rumänischen Zivilbevölkerung gab. Nach Rumäniens Frontwechsel und der Wiedereingliederung Nords.s kam es dort zu einigen Massakern an Ungarn, zur kollektiven Flucht der Deutschen sowie der exponierten und daher gefährdeten Ungarn nach Westen, während in Süds. die arbeitsfähigen Deutschen zur Zwangsarbeit in die Sowjetunion deportiert wurden.
Die jüdische Bevölkerung war seit den 30er Jahren der Entrechtung und während des Kriegs v. a. im Norden der Deportation in Vernichtungslager durch ungarische Behörden ausgesetzt. Die wenigen Überlebenden wanderten nach dem Krieg fast vollständig nach Israel aus. Der Verlust der regionalen Identität S.s, der in der Zwischenkriegszeit begann, wurde nach dem Krieg unter sozialistischen, ab Mitte der 60er Jahre nationalkommunistischen und zentralistischen Vorzeichen vorangetrieben. Massive Ansiedlung rumänischer Bevölkerung aus dem rumänischen Altreich, Rumänisierung und Assimilationsdruck, eingeschränkte Schulbildung in den Minderheitensprachen, Vorrang der orthodoxen Kirche, stark beeinträchtigte kulturelle Entfaltungsmöglichkeiten veränderten die gesamte soziokulturelle Struktur S.s. Mit dem fast vollständigen Exodus der Deutschen insbesondere ab 1978 und nochmals verstärkt ab 1990 verlor S. eine der prägenden Nationen. Der fortdauernde v. a. ungarisch-rumänische Nationalitätenkonflikt erfuhr eine Erweiterung in der Auseinandersetzung mit den Roma, einer weder kulturell noch sprachlich homogenen Gruppe.
Gegenwart
Nach der rumänischen Volkszählung von 2002 leben in S. 7.221.733 Einwohner, davon: 5.393.552 Rumänen, 1.415.718 Ungarn, 244.475 Roma, 53.077 Deutsche, 49.225 Ukrainer, 20.816 Serben, 17.070 Slowaken, 1804 Juden, 6607 Bulgaren, 3041 Tschechen, 6691 Kroaten und 50.989 Sonstige.
Bei der Verteilung der Nationalitäten zeigen sich große regionale Unterschiede. Das rumänische Ethnikum dominiert seit dem 17./18. Jh. im gesamten Bereich der West- und Südkarpaten, dem Fogarascher Land (rumän. Făgăraş, ungar. Fogaras), den Hügellandschaften nördlich von Klausenburg und Bistriţa sowie dem Kreis Hunedoara (Vajdahunyad) in der Regel mit weit über 90 % oder sogar nahezu 100 % der Bewohnerschaft. In der seit der Frühneuzeit vergleichsweise wenig entwickelten zentralsiebenbürgischen Ebene lebt eine rumänische Mehrheit von etwa 70 % in direkter Nachbarschaft mit einer calvinischen ungarischen Minderheit von rd. 25 %. Die relative Mehrheit in etlichen sächsischen Siedlungsgebieten außerhalb der Städte lag seit dem 17./18. Jh. ebenfalls bei den Rumänen. Nach der nahezu geschlossenen Auswanderung der Siebenbürger Sachsen zwischen 1944 und 2006 und der zusätzlichen Einwanderung weiterer Rumänen aus dem Altreich hat sich ihr Anteil hier auf nahezu flächendeckend über 90 % erhöht.
Im Unterschied zu 1930 stellen heute Rumänen die überwältigende Mehrheit in allen großen und mittleren Städten S.s außerhalb des Szeklerlandes. Selbst das urbane Zentrum des Szeklerlandes Neumarkt am Mieresch/Târgu Mureş/Marosvásárhely wird seit den 1980er Jahren von einer prozentual wenn auch geringen rumänischen Bevölkerungsmehrheit bewohnt.
Beachtenswert ist der rasche Zuwachs von Roma unterschiedlichster Provenienz im südlichen und zentralen S. und dem Szeklerland seit den 1960er Jahren. In einer Anzahl von Gemeinden in den Kreisen Kronstadt (Braşov), Hermannstadt (Sibiu) und Mureş (ungar. Maros) stellen sie die Mehrheit der Bevölkerung.
In konfessioneller Hinsicht hingen die Rumänen des nördlichen S. vom späten 18. Jh. bis in die Zwischenkriegszeit hinein fast flächendeckend der unierten Kirche an, während im südlichen S. ab einer Linie etwa von Großwardein/Oradea/Nagyvárad – Klausenburg – Blasendorf/Blaj/Balázsfalva und dem Banat die orthodoxe Kirche den stärkeren Einfluss hatte. Die gewaltsame Auflösung der unierten Kirche durch den nationalkommunistischen Staatsapparat und die orthodoxe Hierachie 1948 machte erstmalig in der Geschichte S.s die orthodoxe Kirche zur stärksten Konfession in dieser Region.
In nahezu allen Städten S.s lebt trotz Romanisierungspolitik weiterhin ein prozentual hoher Anteil an Ungarn. Diese stellen auch die Bevölkerungsmehrheit im historischen Szeklerland sowie in relativer oder absoluter Mehrheit in den Ebenen des Partium, Teilen des Kreises Sălaj/Szilágy sowie westlich von Klausenburg, entlang des oberen Samosch und in einigen Kleinlandschaften südlich von Thorenburg/Turda/ Torda).
Bei allen Ethnien abgesehen von den Roma ist seit Beginn der Transformation eine rasante Abnahme der absoluten Bevölkerungszahlen festzustellen. Insbesondere die weite Landesteile einmal prägenden Siebenbürger Sachsen, die wenigen noch verbliebenen Juden und Armenier, aber auch die kleinen Siedlungslandschaften der Slowaken und Ukrainer sind von zunehmender Überalterung, Migration und Assimilation hinsichtlich Sprache und Identitätsformen bedroht.
S. liegt damit im osteuropäischen Trend von massiven Migrationsbewegungen ins westliche Ausland, die zusätzlich mit rasch sinkenden Geburtenquoten und einer weiterhin zunehmenden Binnenmigration in die urbanen Zentren verbunden sind. Besonders die jungen, besser Ausgebildeten verlassen das Land. Ein Ende dieser Migrationsbewegungen ist mit Blick auf den globalen Bedarf an gut ausgebildeten mobilen Personen und der zeitgleichen ökonomischen und gesellschaftlichen Entwicklung in Rumänien mittelfristig nicht zu erwarten. Eine Folge davon werden langzeitige Stagnation und Pauperisierung in den meisten ländlichen Räumen und Kleinstädten S.s sein. Der Blick ausländischer und einheimischer Investoren gilt in allererster Linie den großen Städten Klausenburg, Oradea, Kronstadt und Hermannstadt sowie den Rohstoffreserven in einzelnen Gegenden, wie z. B. in den Westkarpaten oder Maramureş.
Der Zusammenbruch des totalitären nationalkommunistischen System nach 1989 leitete eine bis in die Gegenwart anhaltende Phase beschleunigter und voraussehbar tiefgreifender Wandlungsprozesse in vielen öffentlichen und privaten Lebensbereichen ein. Die Öffnungen der Grenzen und zunehmende Reiseerleichterungen ermöglichten es nach rd. 70 Jahren der weitestgehenden Isolation, mittlerweile einer größeren Zahl der Bevölkerung ins Ausland zu reisen, sei es als Touristen, Studenten oder für Saisonarbeiten. Gleichzeitig ist ein, wenn auch verglichen mit benachbarten Staaten wie Bulgarien, Kroatien oder Ungarn nur geringer Zuwachs an Reisenden nach Rumänien festzustellen. Das Gros dieser S.reisenden setzt sich traditionell aus Ungarn zusammen, es folgt die Gruppe der aus Rumänien stammenden Deutschen.
Die Gesellschaft S.s ist heute weitestgehend säkularisiert, sieht man von den spezifischen religiösen Strömungen und Praktiken bei den Roma ab. Das gilt auch für weite Teile der Bewohner in den ländlichen Milieus. Zwar gab es nach 1989 wie in allen ehemaligen kommunistischen Ländern einen verstärkten Zulauf zu den traditionellen Konfessionen und im besonderen Maße zu Sekten und Freikirchen wie Pfingstlern, Adventisten und Zeugen Jehovas, doch ebbte diese Strömung in den letzten Jahren wieder ab.
Die jüngere Generation orientiert sich an den medial verbreiteten westlichen Lebensentwürfen. Viele auf Mikroebene gewachsene, praktizierte und v. a. in der kommunistischen Zeit noch aufrechterhaltene Lebensformen werden beschleunigt musealisiert oder verschwinden schrittweise, da sie nicht mehr zu Bewältigung des Alltags nutzbar gemacht werden können.
Der sichere EU-Beitritt Rumäniens wird der Bevölkerung S.s den Zugang zum westlichen Ausland weiter erleichtern, in wenigen urbanen Zentren eine möglicherweise stabile Mittelschicht unbekannter Größenordnung entstehen lassen, aber für die Mehrzahl der Einwohner und der ländlichen Regionen und Kleinstädte kaum eine rasche Änderung der Lebensverhältnisse mit sich bringen.
Autonomiediskurse
Die 1990 beginnende demokratische Umgestaltung Rumäniens brachte zunächst keine grundlegenden Veränderungen in der S.-Frage, da nationalistische rumänische Bestrebungen sich jeglicher Föderalisierung oder Regionalisierung widersetzten, kollektiven Minderheitenrechten ablehnend gegenüberstanden und einen gesellschaftlichen weitgehend Ausgleich verhinderten.
Nationalistische und minderheitenfeindliche rumänische Parteien und Vereinigungen wie der „Rumänische Heimstaat” (Vatra Românească), die „Großrumänien-Partei” (Partidul România Marei) oder die „Partei der Rumänischen Nationalen Einheit” (Partidul Unităţii Naţionale din România) wurden in die aktive Staatspolitik einbezogen, was v. a. in S. lokal für ethnische Spannungen sorgte. Differenzen mit der ungarischen Minderheit und deren politischer Vertretung, dem „Demokratischen Verband der Ungarn Rumäniens” (Uniunea Democrată Maghiară din România, ungar. Romániai Magyar Demokrata Szövetsége), gruppierten sich um den Gebrauch der Muttersprache in Öffentlichkeit, Verwaltung und vor Gericht, muttersprachlichen Schul- und Universitätsausbildung, Lokalautonomie, Entschädigung bzw. Rückgabe des verstaatlichten privaten und kirchlichen Besitzes.
Im Gegensatz zum ehemaligen Jugoslawien, zur Ukraine, zur Republik Moldau einschließlich Transnistriens und zur ehemaligen Tschechoslowakei entwickelte sich in S. keine sonderlich intensive Autonomie- oder gar Unabhängigkeitsbewegung. Transsilvanismusströmungen blieben auch nach 1989 als Angelegenheit einiger Intellektueller meist ungarischer Nationalität bis in die Gegenwart marginal.
Die politisch aktiven Akteure der Siebenbürger Rumänen sind hingegen bis heute der Zahl nach schwach. Trotz aller Klagen über die Misswirtschaft, Korruption und Unfähigkeit der Bukarester Eliten und der dauernden Betonung regionaler Unterschiede in der Alltagskultur und Mentalität dominiert in der politischen Öffentlichkeit die positiv besetzte Vorstellung von einer einheitlichen rumänischen Nation. Autonomiedebatten werden von rumänischer Seite nahezu immer als Anfang einer Separatismusdebatte betrachtet, die zu einem neuerlichen Abfall hin zu Ungarn gedeutet werden. Die Geschichte hat diese Tendenz zweimal, 1920 und 1940, bestätigt.
Eine geschickte Verweigerungshaltung hinsichtlich der Etablierung einer effizienten (teil)ungarischen Universität in Klausenburg, gezielte symbolische Landnahmemaßnahmen, wie etwa die Errichtung von orthodoxen Kirchen in kompakten ungarischen Siedlungsgebieten oder reale Kolonisationsprojekte durch die Einrichtung von Kasernen und Polizeischulen in diesen Gebieten, zeigen erhebliche Kontinuitäten in den Konzeptionen der rumänischen Eliten nach 1989 zu denen des frühen 20. Jh.
Die kleinen Minderheiten und die Roma verfügen auch in der Gegenwart über keine intellektuelle Führungsschicht, die sich an Debatten dieser Art beteiligen könnten, die Juden verfügen über derartige Personengruppen nicht mehr und die im Land verbliebene deutsche Elite vertritt mehrheitlich die Positionen der politischen Öffentlichkeit der Staatsnation, mit der es für sie ein Auskommen zu erreichen gilt. Zudem wird sie nach 1989 – als real gesehen historische Größe – von staatlich rumänischer Seite auch als Vorzeigeminorität behandelt, die politische und wirtschaftliche Gewinne bringen kann. Die äußerst wertvollen architektonischen Hinterlassenschaften der Sachsen etwa sind ein unverzichtbarer Anziehungspunkt für Touristen aus dem Westen, in die inzwischen verstärkt investiert wird.
So bleiben Autonomiediskurse weiterhin überwiegendst eine innere Angelegenheit der zerstrittenen ungarischen Eliten und der tief gespaltenen ungarischen politischen Öffentlichkeit in Rumänien. Ernstzunehmende Autonomiebestrebungen existieren allein in den zwei größeren Regionen S.s, in denen Ungarn die relative bzw. die übergroße Mehrheit der Bevölkerung stellen, dem Szeklerland (den Kreisen Covasna [ungar. Kovászna], Harghita/Hargita und Teilen von Mureş/Maros) sowie den nordwestlichen Grenzgebieten (den westlichen Teilen der Kreise Bihor/Bihar, Satu Mare/Szátmar und Sălaj/Szilágy).
Ein Ende der Konflikte und Debatten um S. zwischen ungarischer und rumänischer Seite ist in absehbarer Zeit nicht zu erwarten.
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