Gepiden

Gepiden (latein. Gepidae)

Der Name G. und möglicherweise auch frühe auf einen kleineren ethnischen Verband zurückgehende gentile Traditionen sind mutmaßlich skandinavischen Ursprungs. Eine frühe und langzeitige Nachbarschaft der ostgermanischen G. zu Greutungen bzw. Ostrogoten und nachfolgend Goten im außerrömischen
Germanen
Donauraum ist nachzuzeichnen. Sämtliche schriftliche Quellen über die G. stammen ausnahmslos von Personen aus dem ›Imperium Romanum‹. Mit Abstand am ausführlichsten finden sie im Werk des gotischen Römers Prokop (für die Zeit etwa 520–60) einen Platz. Schriftliche Selbstzeugnisse von G. existieren nicht. Ein vergleichsweise reichhaltiges archäologisches Fundmaterial ergänzt die spärlichen Schriftzeugnisse.

Die Existenz der G. nördlich der Grenzen Roms an der unteren und mittleren Donau ist seit 291 sporadisch in schriftlichen Quellen belegt. Nach 375 bzw. spätestens 410 gerieten die G., die im 4. Jh. im nordöstlichen Teil der pannonischen Tiefebene und v. a. entlang der Flussläufe und Tallandschaften im Nordwesten des späteren Siebenbürgens siedelten, unter hunnische Herrschaft. Große gepidische Gefolgschaften sind unter König Ardarich in den 440er Jahren und bei den Feldzügen Attilas nach Gallien 451 und Italien 452 nachzuweisen. Die reichen Gräber der G.-könige von Apahida und Szilagysomlyó (ungar., rumän. Şimleul Silvaniei) zeugen vom Reichtum dieser gentilen Führungsschicht, resultierend aus den im Verbund mit den Hunnen auf Kosten des römischen Imperiums erworbenen materiellen Gewinnen.

Nach dem Tod Attilas 453 konnte sich keiner seiner Söhne als Alleinherrscher innerhalb des gentilen hunnisch-germanischen Personenverbandes durchsetzen. Unter der Führung Ardarichs bildete sich eine antihunnische Koalition von kleineren und mittleren Stämmen und Verbänden (u. a. Heruler, Rugier, Skiren, Sweben und Sarmaten), die in der zentralen Schlacht am Nedao (um 454) den von den Ostgoten unterstützten hunnischen Hauptverband des Attilasohns Ernak besiegten. Für Ardarichs G. erwies sich der Ausgang dieser Schlacht als konstitutiv. Östlich der Theiß und in den zentralen und südlichen Teilen des späteren Siebenbürgen entstand ein gepidisches ›regnum‹.

Bis zum Untergang des Königreiches 567 kam es mindestens zu einem Dynastiewechsel (546). Namen und Datierung der gepidischen Könige sind unvollständig und ungesichert überliefert. Über König Ardarichs Herrschaft und Existenz ist nach 454/455 nichts mehr bekannt. Bis etwa 530/540 lag das gepidische Königreich abseits wichtiger Interessensphären des Römischen Reiches, womit die vergleichsweise niedrigen und nur zeitweilig gezahlten Jahrgelder von 200 Pfund Gold erklärt werden können. Bis 536 ist kein Konflikt belegt, in dem sich die rural geprägten G. gegen Römer, Ostgoten oder andere gentile Verbände militärisch durchgesetzt haben. Sie konnten den Durchzug der Ostgoten unter Theoderich dem Großen durch Pannonien um 488 ebenso wenig aufhalten, wie 504 die zentrale Donaufestung Sirmium (heute serb. Sremska Mitrovica) behaupten. Eine weitere gepidisch-hunnische Stammesbildung an der unteren Donau unter Mundo, einem Sohn Attilas kam nicht zur Entfaltung. G. sind in den oströmischen Heeren während der Gotenkriege (535–52) sowie innerhalb der italischen Langobarden in den ersten Jahrzehnten nach 568 bezeugt, gepidische Bauern innerhalb ihres Siedlungsgebietes nördlich der Donau vereinzelt ebenfalls nach 567.

Anfang

Es folgte ein schrittweises Aufgehen in slawischsprachige oder awarische Gemeinschaften. Das in einem schon Mitte des 5. Jh. seit etwa 200–250 Jahren städtefreien Gebiet liegende gepidische ›regnum‹ konnte aufgrund seines schwachen Prestiges und geringer materieller Ressourcen im Gegensatz zu den pannonischen Ostgoten und Langobarden bis um 540 nur eine kleine Kriegerschicht von maximal einigen wenigen Tausend Personen an sich binden. Die ökonomische Unattraktivität des G.-reiches bewahrte es andererseits lange vor größeren Angriffen mächtigerer Nachbarn. Infolge der Eroberung von Sirmium und ganz Sirmiens an der mittleren Donau um 537 geriet das gepidische ›regnum‹ in einen Dauerkonflikt mit Römern und Langobarden, dem es nach langjährigen Auseinandersetzungen (v. a. 546–52, 560–67) – die den durch die eroberten rudimentär-urbanen Siedlungen gestärkten G. auch zeitweilige Erfolge brachte – letztlich nicht gewachsen war.

Berühmt ist die infolge einer Sonnenfinsternis abgebrochene Schlacht zwischen Langobarden und G. um 550. Bei einigen Plünderungszügen ins Römische Reich verband sich der König der G. mit slawischen und kutrigurischen Sippen und Verbänden. Die Allianz von Awaren und Langobarden, verbunden mit der Passivität Konstantinopels führte 567 zum raschen und vollständigen Zusammenbruch des G.-reiches durch die Kriegerverbände des Langobarden Alboin, der die Gebiete der Unterworfenen vertragsgemäß an das Khaganat der Awaren abtrat. Der letzte G.-könig Kunimund fiel, der arianische Bischof floh ins Römische Reich, während die Königstochter Rosamunde den Sieger ehelichen musste und 572 wohl maßgeblich zu seiner Ermordung beitrug.

Über die religiösen Verhältnisse bei den G. zwischen 4.–6. Jh. ist nur sehr wenig bekannt. Eine zumindest oberflächliche Hinwendung der zahlenmäßig kleinen Eliten zum arianischen Christentum ist für das frühe 5. Jh. belegbar. Arianische Bischöfe sind vereinzelt aus der Zeit um 567 bekannt. Aufgrund vergleichbarer Beispiele bei Franken oder Langobarden sind Varianten von synkretistischen christlich-paganen Glaubenspraktiken bei der Mehrheit der Bevölkerung des gepidischen ›regnums‹ anzunehmen. Die ethnische und sprachliche Zusammensetzung der gepidischen gens war ähnlich heterogen und von Diskontinuitäten geprägt, wie die besser überlieferten Gemeinschaften der Goten, Vandalen, Hunnen und Burgunder. Weiterhin fehlt jedoch eine komparatistisch-monographische Studie zur Geschichte der G. und ihres Nachlebens in der Erinnerungskultur, zum einen der Siebenbürger Sachsen, als deren mythische Vorfahren sie während der Renaissance und des Humanismus' galten und zum anderen des Dritten Reiches. Im 20. Jh. wurde die Geschichte der G. von zahlreichen völkisch ausgerichteten Vertretern der deutschen und rumänischen Wissenschaft für nationalpolitische Vorstellungen instrumentalisiert und verzerrt.

Köpéczi B. (Hg.) 1990: Kurze Geschichte Siebenbürgens. Budapest. Lakatos P. 1973: Quellenbuch zur Geschichte der Gepiden. Szeged. Nagy M., Neumann G., Pohl W., Tóth Á. B. 1998: Gepiden. Reallexikon der germanischen Altertumskunde 11, 115–140. Pohl W. 1980: Die Gepiden und die gentes an der mittleren Donau nach dem Zerfall des Attilareiches. Daim F., Wolfram H. (Hg.): Die Völker an der mittleren und unteren Donau im 5. und 6. Jahrhundert. Wien, 240–305 (= Denkschriften der Österreichischen Akademie der Wissenschaften 145).

(Meinolf Arens)

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