Dakorumänen (Kontinuitätstheorie)

Dakoromanische (auch: Dakorumänische) Kontinuitätstheorie

Die D. K. entstand Mitte des 18. Jh., als die geistig-politische Elite der rumänischen Ethnie in Siebenbürgen versuchte, mit ihr ihre Forderungen nach einer Gleichberechtigung der Rumänen mit den drei ständischen ›nationes‹ (Ungarn, Szekler und Siebenbürger Sachsen) zu legitimieren.

Der Theorie nach stammten die rumänischen Bewohner Siebenbürgens von den romanisierten Dakern der antiken römischen Provinz Dakien ab. Die aufgab, überwiegend an Ort und Stelle verblieben und hätten sich in die entlegenen, waldreichen Regionen zurückgezogen. Die rumänische Ethnogenese sei in Siebenbürgen erfolgt und die Rumänen müssten daher als die älteste eingesessene Bevölkerung, mit den gleichen Rechten wie die drei anderen Gruppen Gruppen ausgestattet werden. Im Zuge des rumänischen Nationsbildungsprozesses im 19. Jh. erhielt die Theorie zunehmend den Charakter romantischer Abstammungsmythen, sie wurde variiert und trug zum Einheitsbewusstsein der Rumänen über damalige Staats- und Landesgrenzen hinweg bei. Rumänische Politiker benutzten Ende des 19. Jh. die Theorie, um die Vereinigungswünsche der Rumänen Siebenbürgens mit dem Königreich Rumänien zu begründen. Die Kritiker der Theorie (beginnend mit R. Roesler) setzten ihr entgegen, dass die Zeit, die den Römern zur Romanisierung der Provinz zur Verfügung stand, zu kurz war. Auch berichten keine schriftlichen oder archäologischen Zeugnisse vor dem 13. Jh. über die Existenz einer rumänischsprachigen Ethnie in Siebenbürgen. Die rumänischen Orts-, Gewässer- und Landschaftsnamen Siebenbürgens seien slawischen, ungarischen oder deutschen Ursprungs bzw. durch diese Sprachen vermittelt ins Rumänische gelangt. Der Ort der Herausbildung der rumänischen Ethnie sei wegen einer Reihe von albanischen Wörtern und wegen der einheitlichen rumänischen Sprache (sie weist in der Region Maramureş wie in Makedonien denselben slawischen Einfluss auf) südlich der Donau, auf dem Balkan zu suchen. Rumänische (vlachische) Wanderhirten hätten die für die Balkanromanen typische Transhumanzwirtschaft betrieben und auf ihren Wegen zwischen den Sommer- und Winterlagern weite Strecken zurückgelegt. Sie seien so im Verlauf des Spätmittelalters zunächst in Teilen von Siebenbürgen ansässig geworden (Immigrationstheorie). Eine vermittelnde Position geht davon aus, dass Gruppen von Dakorumänen in manchen Gebieten Siebenbürgens überlebt hätten (etwa in der Landschaft Făgăraş) und sie im Laufe der Jahrhunderte durch Zuzug aus dem Balkan verstärkt worden seien (Admigrationstheorie). Der wissenschaftliche Disput dauert an, doch mittlerweile lehnt die Mehrzahl der außerrumänischen modernen Forschung die Kontinuitätstheorie – wie alle übrigen ethnisch begründeten Kontiniuitätsvorstellungen – ab.

Du Nay A. 1996: The Origins of the Rumanians. The Early History of the Rumanian Language. Toronto. Kramer J. 1999/2000: Sprachwissenschaft und Politik. Die Theorie der Kontinuität des Rumänischen und der balkanische Ethno-Nationalismus im 20. Jahrhundert, Balkan Archiv 24/25, 105–163. Protase D. 2001: La continuité Daco-Romaine (IIe-VIe siécles). Cluj-Napoca. Puşcariu S. 1997: Die rumänische Sprache. ND Bukarest. Schramm G. 1997: Ein Damm bricht. Die römische Donaugrenze und die Invasionen des 5.–7. Jahrhunderts im Lichte von Namen und Wörtern. München (= Südosteuropäische Arbeiten 100). Tornow S. 2001: Unerwünschte Kontakte. Die rumänisch-slawischen Sprach- und Kulturbeziehungen und ihre Entwertung, Berliner Osteuropa-Info 17, 32–37.

(Meinolf Arens/Franz Sz. Horváth)

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