Schlesien (Region)
Schlesien (latein. Silesia, poln. Śląsk, tschech. Slezsko).
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1 Geographie
S. ist die Bezeichnung der Region beiderseits der oberen und mittleren Oder, zwischen dem Mittelgebirge der Sudeten im Westen und Südwesten, der Mährischen Pforte und den Beskiden im Süden, der Wasserscheide zwischen Oder und Warthe im Nordosten und der Niederung von Bartsch (poln. Barycz) und Obra im Norden. Die mit 1603 m höchste Erhebung S.s ist die Schneekoppe (poln. Śnieżka, tschech. Sněžka).
Das Klima S.s ist kontinental geprägt, in den Bergen herrscht gemäßigtes Gebirgsklima. Die Durchschnittstemperaturen im Januar betragen –1 bis –2,5 °C, in den Bergen bis ca. –6 °C, im Juni belaufen sie sich auf 17,5–19 °C, in den höchsten Partien der Berge erreichen sie aber kaum 10 °C. Im Westen ist das Klima milder als im Osten. An den nördlichen Bergseiten der Beskiden weht oft der für dieses Hochgebirge typische Föhn (poln. Halny). Die ganzjährigen Niederschläge erreichen 480–720 mm, im Gebirge jedoch über 1200 mm.
2 Kulturgeschichte
Frühzeit und Mittelalter bis 1500 Um 500 v. Chr. wanderten aus Südrussland als Skythen bezeichnete Stämme, ein Jahrhundert später Kelten aus Süden und Südwesten nach S. ein. Bis zum Ende des 1. Jh. v. Chr. hatten sich Germanen (Vandalen) in fast ganz S. festgesetzt, unter denen seit dem 3. Jh. n. Chr. ein Stamm unter dem Namen Silingae („Silingen“) hervortrat. Die vermutlich bis zum Anfang des 6. Jh. dauernde silingische Stammeszeit war verbunden mit Siedlungsausweitung und Bevölkerungswachstum sowie mit wirtschaftlichem und kulturellem Aufschwung. In der Völkerwanderungszeit erfolgte der Abzug der Vandalen mit anschließender Landnahme von aus Süden und Osten kommenden slawischen Stämmen, als deren Heimat der Raum nördlich der Karpaten zwischen oberer Weichsel, mittlerem Dnjepr und Desna gelten kann.
Die Anfänge westslawischer Staatsbildung durch die Vereinigung von Stammesterritorien, unter der zunächst nur zeitweiligen Herrschaft von Fürsten kann auf das 8. und 9. Jh. datiert werden. In dieser Zeit lassen sich durch Waldgürtel getrennte Siedlungskammern mit befestigten ›civitates‹ und zugeordneten Bezirken sowie sozialer Differenzierung der Bevölkerung erkennen. Für die Gebiete an Weichsel und Oder gibt der sog. Geographus Bavarus eine Liste der slawischen Stämme des 9. Jh. an, von denen einige mit Sicherheit im schlesischen Raum siedelten (Dadosesani, Sle[e]nzane, Opolini, Golensizi). Die Ableitung des Landesnamens aus germanischer bzw. slawischer Wurzel war zwischen deutschen und polnischen Forschern lange umstritten. Aufgrund neuerer sprachwissenschaftlicher Untersuchungen wird vermutet, dass der zugrunde liegende Flussname Ślęza vor der Herausbildung der beiden großen indogermanischen Dialektgruppen entstanden ist.
In Folge der von Herzog Bolesław III. Schiefmund (Krzywousty), †1138) testamentarisch verfügten Senioratsverfassung, die das polnische Staatswesen in der Hand eines ›princeps‹ zusammenhalten sollte, wurde S. eines von vier polnischen Teilherzogtümern. Damals begann die Ausbildung einer eigenen schlesischen Piastenlinie, die sich weiter verzweigte, zunächst wohl 1173 und dann 1202 in eine niederschlesische Breslauer und in eine oberschlesische Oppelner Linie. Nach dem Scheitern des gesamtpolnischen Einigungsversuchs Heinrichs I. des Bärtigen (Brodaty), 1201–38) von S. in der ersten Hälfte des 13. Jh. und nach dem Mongoleneinfall 1241 (Schlacht bei Liegnitz/Legnica) spaltete sich S. in bis zu 17 Teilherzogtümer auf.
Zu Beginn des 14. Jh. konfrontiert mit Herrschaftsansprüchen des nunmehr erstarkenden Polen unter dem 1320 in Krakau gekrönten König Wladisław I. Ellenlang (Łokietek) sowie unter politischem Druck des Königs von Böhmen Johann von Luxemburg (1310–46), gliederten die politisch wenig einflussreichen schlesischen Piastenherzöge nach 1327 ihre Gebiete Böhmen an, indem sie ihre Herzogtümer der böhmischen Krone übertrugen, um sie als Lehen zurückzuerhalten. Durch den 1339 ratifizierten Vertrag von Trentschin (Trenčín) verzichtete Polens König Kasimir III. der Große (Wielki, 1333–70) auf die Oberhoheit über S., das 1348 von dem späteren Kaiser Karl IV. feierlich Böhmen „inkorporiert“ und damit mittelbar an das ›Heilige Römische Reich‹ angeschlossen wurde – ohne dass die zu Mediatfürsten absinkenden schlesischen Herzöge die Reichsstandschaft erlangt hätten. S. war seitdem ebenso wie die Nieder- und Oberlausitz sowie Mähren ein Nebenland der böhmischen Krone, in dem sich im 15. Jh. eigene ständische Repräsentationsformen und eine eigene Landesverwaltung ausbildeten. Dennoch wurde es aufgrund fortdauernder kirchenrechtlicher, dynastischer und politischer Beziehungen von zahlreichen zeitgenössischen Quellen weiterhin zu ›Polonia‹ gerechnet. Auch bestanden enge wirtschaftliche und Handelsbeziehungen nach Polen fort. Im 15. Jh. kamen die oberschlesischen Teilgebiete Sewerien (poln. Siewierz, 1443), Auschwitz ((Oświęcim, 1453) und Zator (1494) dauerhaft an Polen, das niederschlesische Crossen (Krosno Odrzańskie) kam an Brandenburg (1482), während das mährische und dann selbständige Troppau (tschech. Opava) seit dem 15. Jh. zu S. gehörte.
Nachdem erste im Kontext der Hussitenkriege stehende Versuche, eine gesamtschlesische Militärorganisation zu errichten (Strehlener Einung 1427), erfolglos blieben, gelang es durch die von Böhmens König Matthias I. Corvinus (1469–90) geführte straffe Landesverwaltung, in dem zersplitterten S. durch Schaffung der Zentralinstanz des ›Fürstentags‹ und Einsetzung eines Oberlandeshauptmanns (1474) eine frühmoderne territoriale Organisation zu errichten. Unter seinem Nachfolger wurden diese zentralen Einrichtungen durch das ›Große Landesprivileg‹ (1498) bestätigt.
Um 1500 zeigte sich S. als ein Kristallisationskern des Humanismus in Literatur und Kunst, als ein Zentrum von Wirtschaft, Handel und städtischer Entwicklung. Von allen Ländern des östlichen Mitteleuropa war S. durch die von den einheimischen Landesherren gelenkte Heranführung fremder, hauptsächlich deutscher Siedler und Stadtbürger im 12. und 13. Jh. am stärksten geprägt worden. Die mit der Besiedlung einhergegangene Erschließung des Landes stand im Kontext eines europäischen Ausgleichsprozesses, den für S. v. a. Herzog Heinrich I. der Bärtige eingeleitet hatte. Neue Anbaumethoden, Agrar- und Handwerkstechniken wurden eingeführt, alteuropäische Rechtstraditionen mit Formen der urbanen Selbstverwaltung in einem sich damals ausbildenden engmaschigen Städtenetz setzten sich durch. Das neuartige ländliche Siedelrecht (Ius Teutonicum) wurde seit dem 14. Jh. auch nichtdeutschen Siedlern bei Stadt- und Dorflokationen verliehen. Das von den Mongolen zerstörte Breslau wurde 1241 nach einer zweiten Lokation planmäßig wieder aufgebaut und spätestens 1261 mit Magdeburger Stadtrecht bewidmet. Besonderen Anteil an dieser Ostsiedlung hatte der Zisterzienserorden, der 1175 von Pforta an der Saale ausgehend das Kloster Leubus gründete und sich 1203 von Bamberg aus in Trebnitz niederließ, um in S. weitere Klöster zu gründen (Heinrichau 1227, Grüssau 1242).
Niederschlesien war bis zum Ende des 15. Jh. weitgehend deutschsprachig geworden, während in Oberschlesien bis auf Troppau, Katscher, Bielitz und die in geschlossenem deutschem Sprachgebiet liegenden Städte sowie einzelne Dörfer nahezu alle deutsch besiedelten Orte wieder polnisch geworden waren. Auch größere Städte (u. a. Oppeln, Ratibor, Oberglogau, Teschen) bewahrten überwiegend in der Führungsschicht stärkere deutsche Minderheiten.
Frühe Neuzeit bis 1900
Als Nebenland Böhmens kam S. gemäß dynastischem Erbvertrag, Anerkennung durch die schlesischen und Wahl durch die böhmischen Stände in Prag im Jahr 1526 an die Habsburger, deren Politik der Herrschaftszentralisierung und Staatsintegration bald in Widerstreit zu der politisch-konfessionell eigenständigen Politik der schlesischen Fürsten und Stände geriet. Die sich bereits seit 1522 bis zum Ende des 16. Jh. allmählich in fast ganz S. ausbreitende Reformation, der sich zunächst die Stadt Breslau und bis 1600 alle weltlichen Teilherzöge anschlossen, konnte nicht zurückgedrängt werden. Dennoch brachten die Habsburger seit König Ferdinand I. (1526–64) ihre Herrschaftsgewalt gegen die Fürsten und Stände S.s stärker zur Geltung und konnten auf Dauer den Einfluss der durch dynastische Verbindungen und Gebietserwerbungen ins Land drängenden protestantischen Hohenzollern reduzieren. Der Erfolg des Protestantismus bewirkte in Geistesleben und Bildungswesen eine Orientierung S.s an den protestantischen nordwestlichen Gebieten des Heiligen Römischen Reichs, am oberdeutschen Luthertum und auch am niederländischen Calvinismus, während das Land in politischer und verwaltungsmäßiger Hinsicht auf Prag und nach 1620 auf Wien orientiert blieb. Gesamtschlesische ›Fürstentage‹ zu außergewöhnlichen staats-, finanz- und politischen Angelegenheiten wurden nach Breslau einberufen, v. a. um die von Habsburg geforderten Steuern zur Abwehr der Osmanen bereitzustellen (1529 erste Belagerung Wiens) und um die Landesverteidigung zu organisieren.
Nach den wenig dauerhaften Zusagen Kaiser Rudolfs II. (1576–1612) an die Protestanten im ›Majestätsbrief‹ von 1609 und nach dem antihabsburgischen Widerstandsbündnis der schlesischen und böhmischen Stände im selben Jahr verschärfte sich die konfessionspolitische Auseinandersetzung. 1619 schlossen sich die schlesischen Stände dem „Winterkönig“ Friedrich V. von der Pfalz an. Nach der Niederschlagung der Rebellion 1620 (Schlacht am Schlacht am Weißen Berg) kam das Land zunächst glimpflich davon, doch wurde S. während des sich anschließenden Dreißigjährigen Krieges durch schwedische, sächsische und kaiserliche Heere verwüstet und die Bevölkerung durch Seuchen und Epidemien dezimiert. Durch Vermittlung protestantischer Mächte (v. a. Schwedens) erhielt der schlesische Protestantismus im Westfälischen Friedensvertrag (1648) einen gewissen Schutz. Jedoch wurde überall dort, wo der Kaiser unmittelbarer Landesherr war, der Katholizismus zur Staatsreligion, die durch teils erzwungene Gegenreformation durchgesetzt wurde. Erst die auf massiven Druck des Schwedenkönigs Karl XII. (1697–1718) abgeschlossene Altranstädter Konvention (1707) brachte den Protestanten wieder eine gewisse Erleichterung.
Die anhaltende Krisenzeit des 17. Jh. mit politischer und konfessioneller Spannung, mit Notzeiten und existentieller Bedrohung leitete in dem ethnisch uneinheitlichen und durch lutherische, katholische und calvinistische Zentren strukturierten S. eine Kulturepoche ein, in der das Land in Literatur – Martin Opitz (1597–1639), Andreas Gryphius (1616–64), Daniel Casper von Lohenstein (1635–83) – eine Führungsrolle im Deutschen Reich übernahm; auch polnische Barockliteratur wurde in S. verfasst und gedruckt (Adam Gdacjusz [Gdacius; 1609/10–88]). 1740 beendete der Einmarsch Friedrichs II. von Preussen (des Großen; 1740–86) nach S. die österreichisch-böhmische Periode der Landesgeschichte
In den drei Schlesischen Kriegen (1740–42, 1744–45, 1756–63: Siebenjähriger Krieg) konnte Friedrich II. die Annexion S.s behaupten und durch sie die Großmachtstellung Preußens in Europa begründen. Im Berlin (Frieden)|Frieden von Berlin]] (1742) gewann Preußen von den 40.625 km² S.s 35.786 km² sowie die Grafschaft Glatz (1636 km²) und die mährische Enklave Katscher; insgesamt lebten in diesen Gebieten 1,2 Mio. Menschen. Nur das Herzogtum Teschen und Teile von Troppau, Jägerndorf und Neisse (poln. Nysa) blieben im Besitz Habsburgs und bildeten das Kronland Österreichisch-S. Innerhalb der Hohenzollernmonarchie erhielt das einem eigenen Provinzialminister unterstellte S. bis 1807 einen administrativen Sonderstatus, 1815 wurden Gebiete der Oberlausitz S. angegliedert.
Zur militärischen Sicherung des Landes und zur Straffung und Effektivitätssteigerung der Verwaltung führte Friedrich II. Militär-, Verwaltungs- und Wirtschaftsreformen durch (Kantonsystem, Kreiseinteilung, Effektivierung im Justiz-, Finanz- und Steuerwesen, eine den Freihandel begünstigende Zollpolitik, Subventionen, Siedlungsprogramme, Ausbau der Wasserstraßen, industrieller Aufbau). Die beiden christlichen Konfessionen und schrittweise auch das jüdische Bekenntnis wurden toleriert. Die Förderung des Bergbaus (Bergordnung 1769) und die Errichtung staatlicher Hüttenwerke in der zweiten Hälfte des 18. Jh. bildeten Grundlagen der späteren Industrialisierung Oberschlesiens. Mit den Napoleonischen Kriegen und dem Zusammenbruch Preußens (1806/7) gingen wiederum Not, ökonomische Rückschläge und finanzielle Bedrückung einher, Breslau Brieg, Glogau und Schweidnitz wurden von Verbündeten Frankreichs besetzt. Die für S. erst 1810 durchgeführte Säkularisierung des beträchtlichen katholischen Kirchengutes sollte dem Staat in der damaligen Finanznot Linderung verschaffen.
Nach dem 1813 erfolgten Umzug König Friedrich Wilhelms III. (1797–1840) und seiner Familie nach Breslau wurde S. zu einem der beiden Ausgangsländer des Befreiungskampfes, in dem sich wesentliche politische und militärische Ereignisse abspielten (Bündnis mit Russland vereinbart; Aufruf: „An mein Volk“; Kriegserklärung an Frankreich; Sieg des Generalfeldmarschalls Gebhard Leberecht von Blücher an der Katzbach/poln. Kaczawa). 1815 erfolgte eine Neugliederung der Provinz in zunächst vier, dann drei Regierungsbezirke (Breslau, Liegnitz, Oppeln).
War S. im 18. Jh. eine führende Proto-Industrieregion gewesen (Leinenexport), verfiel die Provinz angesichts der preußischen Freihandelspolitik, des Wegfalls von Absatzmärkten in Folge der Kontinentalsperre und der effektiver produzierenden Konkurrenz (v. a. englische Textilherstellung) mehr und mehr. Durch die Blockadehaltung der Großgrundbesitzer wurde auch die Bauernbefreiung bis 1850 verschleppt, ein von preußischen Reformern befürworteter Staatsumbau kam nicht voran. Die soziale Frage entlud sich 1844 im Weberaufstand, der in ganz Deutschland v. a. wegen der rücksichtslosen Niederschlagung Aufsehen erregte. Die Unzufriedenheit mit dem preußischen Absolutismus fand in S. zugleich in demokratischen Bewegungen und Bauernaufständen Ausdruck. Das Eintreten der Demokraten für die von der Frankfurter Nationalversammlung verabschiedete Reichsverfassung führte zum Breslauer Maiaufstand von 1849.
Für Oberschlesien brachte das 19. Jh. eine dramatisch verlaufende Industrialisierung, verbunden mit einem explosionsartigen Bevölkerungswachstum (Regierungsbezirk Oppeln 1819: 561.173 Einwohner; 1910: 2.207.981 Einwohner) und mit rapider Verstädterung. Kehrseite dieses Wachstums waren die sich im Anschluss an den Kulturkampf zwischen dem preußischen Staat und der katholischen Kirche (1871–87) in Oberschlesien verstärkenden Spannungen zwischen dem deutschen und dem polnischen Bevölkerungsanteil. Auch die polnischsprachigen Oberschlesier fanden ihre parteipolitische Heimat in der 1870 gegründeten ›Deutschen Zentrumspartei‹ (Zentrum), der politischen Organisation des Katholizismus im Deutschen Kaiserreich, die sich gegen die preußisch-protestantische Vorherrschaft richtete. So verbanden sich am Ende des 19. und Beginn des 20. Jh. die konfessionellen, die ethnischen und auch die soziale Fragen des oberschlesischen Industriegebietes und wurden zu einem immer größeren politischen Problem.
Das 20. Jahrhundert
Nach Ende des Ersten Weltkriegs bestimmte der Versailler Vertrag in Oberschlesien die Abtretung des Südteils des Kreises Ratibor (poln. Racibórz) und des Hultschiner Ländchens an die Tschechoslowakei (insgesamt 49.000 Einwohner und 316 km²) und in Mittelschlesien kleinere Gebietsabtretungen in den Kreisen Guhrau, Militsch, Großwartenberg und Namslau an Polen (insgesamt 26.000 Einwohner und 512 km²). Angesichts der Forderung Polens nach ganz Oberschlesien, die von der nationalpolnischen Bewegung unter Wojciech (Adalbert)Korfanty (1873–1938) unterstützt wurde, kam es in den Jahren 1919, 1920 und 1921 zu teils blutig verlaufenden deutsch-polnischen Zusammenstößen, die als oberschlesische Aufstände bezeichnet werden. Das Resultat der 1921 durchgeführten Volksabstimmung sprach mit etwa 60 % für den Verbleib Oberschlesiens beim Deutschen Reich.
Nach der Empfehlung einer Völkerbundskommission beschlossen die Alliierten 1921 die Abtretung eines Gebietes von 3213 km² mit rd. 980.296 Bewohnern und einem großen Teil des Industriereviers an Polen. Es handelte sich um den östlichen Teil Oberschlesiens der zur polnischen Woiwodschaft S. mit Verwaltungssitz in Kattowitz zusammengefasst wurde.
Um die wirtschaftliche Entwicklung zu ermöglichen und den Schutz der jeweils beträchtlichen ethnischen Minderheiten zu gewährleisten, schlossen Deutschland und Polen unter dem Schutz des Völkerbundes 1922 die Genfer Konvention, die neben zahlreichen verwaltungs-, wirtschafts- und verkehrstechnischen Erleichterungen auch die Einrichtung eines Minderheitenamtes in Oppeln (im deutschen Teil) bzw. in Kattowitz (im polnischen Teil) vorsah.
Die relative innenpolitische Stabilität S.s bis zur Weltwirtschaftskrise beruhte v. a. auf der Stärke der SPD in Niederschlesien sowie der des Zentrums, der katholischen Volkspartei, in Oberschlesien. Während des NSDAP bei der Reichstagswahl von 1928 in S. kaum Stimmern erhielt, erreichte sie 1930 in den niederschlesischen Regierungsbezirken Breslau und Liegnitz 24,1 % bzw. 20,9 % und lag damit weit über dem Reichsdurchschnitt; in Oberschlesien, wo die Radikalisierung innerhalb der Arbeiterschaft der KPD zugute kam, erreichte sie zunächst nur 9,5 % der Stimmen. Bei der Reichstagswahl von 1932 wurde die NSDAP mit 43,5 % bzw. 48,8 % zur stärksten politischen Kraft in Niederschlesien, in Oberschlesien erreicht sie 29,2 %. Mit dem Auslaufen der Genfer Konvention 1937 endete die rechtliche Sonderstellung der Juden im früheren Abstimmungsgebiet des Regierungsbezirks Oppeln, die nun ebenfalls von den antijüdischen Gesetzen und Verordnungen getroffen wurden. 1938 wurden Ober- und Niederschlesien zu einer Provinz zusammengeschlossen.
Während des Zweiten Weltkriegs wirkte sich die Kriegswende erst 1944 auf S. aus, als das Land in den Aktionsradius der alliierten Bomber geriet. Nach dem Zusammenbruch der deutschen Ostfront erreichten die sowjetischen Streitkräfte am 12.1.1945 im Raum Guttentag-Kreuzburg (poln. Dobrodzień-Kluczbork) die schlesische Grenze, bereits Ende Januar war fast das gesamte S. rechts der Oder besetzt. Eine bislang von den nationalsozialistischen Behörden verhinderte geordnete Räumung des Landes war nicht mehr möglich. Nun wurde die Evakuierung vielerorts zu spät, unter größter Eile und Anwendung von Repressionen durchgeführt, so dass die eisige Kälte eine hohe Zahl an Opfern forderte.
Das zur Festung erklärte Breslau leistete noch bis zum 6.5.1945 Widerstand. Aufgrund des Potsdamer Abkommens wurde S. mit Ausnahme des kleinen Gebiets westlich der Lausitzer Neiße unter polnische Verwaltung gestellt, von Polen jedoch teilweise schon vorher in Besitz genommen – dies führte sogar zu kurzen Auseinandersetzungen mit der Roten Armee. In Niederschlesien ist die einheimische deutsche Bevölkerung durch Flucht und Zwangsaussiedlung 1945–47 (ca. 1.400.000 Menschen) und nach 1956 durch Ausreise und Familienzusammenführung rasch zu einer kleinen Minderheit geworden.
Aus dem nach dem Ersten Weltkrieg beim Deutschen Reich verbliebenen Westoberschlesien wurden bis Ende 1947 ca. 170.000 Menschen ausgewiesen. Insgesamt mussten ca. 3.200.000 Einwohner S.s nach 1945 im Zuge von Flucht und Zwangsaussiedlungen S. verlassen. 2.053.400 kamen in die spätere Bundesrepublik Deutschland, 1.080.000 in die DDR, die übrigen in andere Aufnahmegebiete und Länder. Viele der in die Bundesrepublik gekommenen Schlesier schlossen sich in dem 1950 gegründeten Dachverband der ›Landsmannschaft S.‹ bundesweit zusammen, daneben besteht die 1949 gegründete ›Landsmannschaft der Oberschlesier‹.
In dem unter der sozialliberalen Koalition 1970 geschlossenen Deutsch-Polnischen Vertrag (Warschauer Vertrag) vereinbarten die Bundesrepublik Deutschland und die Volksrepublik Polen wechselseitigen Verzicht auf Gebietsansprüche, gegenseitige Unverletzlichkeit der bestehenden Grenzen und drückten ihren Willen zur Normalisierung der zwischenstaatlichen Beziehungen aus. Im Zuge der Vereinigung der Bundesrepublik Deutschland und der DDR wurden 1990 und 1991 auf Grundlage des Warschauer Vertrags sowie des 1950 zwischen der DDR und Polen geschlossenen Grenzvertrages (Görlitzer Vertrag) die deutsch-polnischen Verträge unterzeichnet, in welchen beide Staaten den bestehenden Grenzverlauf abschließend bestätigten, sich gegenseitige Achtung ihrer Souveränität und erneut ihrer territorialen Integrität zusicherten. In dem 1945 an Polen übergegangenen S. wurde die deutsche Verwaltungsstruktur ansatzweise 1950 und im Zuge der letzten Verwaltungsneugliederung 1975 gänzlich verwischt, indem die Zahl der Woiwodschaften vergrößert und dabei die Kreise aufgehoben wurden.
S. wurde durch die Überführung von Menschen v. a. aus den an die Sowjetunion übergegangenen ostpolnischen Gebieten (sog. Repatrianten) sowie durch Umsiedler aus den S. unmittelbar benachbarten Gebieten Mittel- und Südpolens neu bevölkert. Daneben stand die „Verifizierung“ von rd. 850.000 in S. verbliebenen Einheimischen („Autochthone“) als Polen. Bis Ende 1947 wurden bereits über 2.000.000 Menschen überwiegend in Niederschlesien neu angesiedelt. S. entwickelte sich zum Gebiet mit der größten Bevölkerungsdichte, mit der dichtesten Verkehrserschließung und der höchsten Industrialisierung Polens. Das durch die Dominanz der Montanindustrie bestimmte Oberschlesische Industrierevier (Górnośląski Okręg Przemysłowy) wurde zu einem der größten Industriegebiete Europas. Von hier stammten 1989 98 % der Steinkohle Polens, 100 % der Blei-Zinkerze, über 50 % des Rohstahls und fast 25 % der Elektroenergie. Zugleich gehörte das Industriegebiet zu den am stärksten umweltbelasteten Gebieten nicht nur Polens und Europas, sondern weltweit. Zwischen 1946 und 1988 hat sich die Bevölkerung des oberschlesischen Industriereviers von knapp 2 Mio. auf über 4 Mio. verdoppelt. Nach dem Ende des kommunistischen Systems wurde 1990 die in Oberschlesien bestehende deutsche Minderheit offiziell anerkannt sowie die Bildung regionaler Gemeinschaften und auch von Autonomiebewegungen ermöglicht.
Mit dem politischen Umbruch begann für Polen eine Zeit der Reformen in Wirtschaft und Sozialpolitik. Der Aufbau der Marktwirtschaft ging mit Privatisierungen, Restrukturierungen, Schließung unrentabler Betriebe sowie steigender Arbeitslosigkeit einher, Einschnitte, die sich am stärksten auf die oberschlesischen Industriegebiete auswirkten. Zwischen 1990 und 2000 wurden in der Region um Waldenburg vier Steinkohlegruben, in denen rd. 20.000 Menschen Arbeit gefunden hatten, geschlossen, Arbeitslosigkeit wurde zu einem gravierenden Problem. Am 1.1.1999 trat in Polen eine Verwaltungsreform in Kraft, durch welche die schlesischen Gebiete in drei neu gegründete Woiwodschaften aufgeteilt wurden (Oberschlesische Woiwodschaft um Kattowitz, Oppelner Woiwodschaft um Opole, Niederschlesische Woiwodschaft um Breslau).
Neben wirtschaftlichen und sozialen Transformationen entfaltete eine neue Kulturpolitik erhebliche Bedeutung, die der Pflege des schlesischen Kulturerbes mit seinen bürgerlichen Wohnhäusern, Schlössern, Kirchen, Klöstern, Rathäusern und Friedhöfen galt und vielerorts wie – bspw. in Oberschlesien oder im [[Grünberg (Land)|Grünberger Land) – die Entstehung einer spezifischen lokalen Identität begünstigte. Mit dem neuen politischen System entstand insgesamt ein verstärktes regionales Bewusstsein der Schlesier, das sich nicht zuletzt in der Pflege der Tradition einer gemeinsamen europäischen Geschichte von Polen, Deutschen und Tschechen widerspiegelt.
Bahlcke J. (Hg.) 1996: Schlesien und die Schlesier. München (=Studienbuchreihe der Stiftung Ostdeutscher Kulturrat, Bd. 7). Conrads N. (Hg.) 1994: Schlesien. Berlin (=Deutsche Geschichte im Osten Europas). Cz. M., Kaszuba E., Wąs G., Żerelik R. 2002: Historia Śląska. Wrocław (=Acta Universitatis Wratislaviensis 2364). Weczerka H. 1977: Schlesien. Handbuch der historischen Stätten. Stuttgart.