Masowien (Region)
Masowien (poln. Mazowsze)
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1 Geographie
M. ist eine, im Einzugsgebiet der mittleren Weichsel und ihres Nebenflusses Narew gelegene, historisch-geographische Region und seit 1999 eine Woiwodschaft in Zentralpolen.
Mit Ausnahme des südlichen Randgebiets, das von Ausläufern des „Iłżaer Hochlands“ (Przedgórze Iłżeckie) geprägt wird, ist die gesamte Region Teil der „Masowischen Tiefebene“ (Nizina Mazowiecka) und weist nur wenige Erhebungen auf. Charakteristisch für die Geländebeschaffenheit der Region sind Flusstäler und Ebenen. Neben Weichsel und Narew zählen Bug, Wkra, Radomka und Pilica zu den größten Flüssen, der zu ca. einem Viertel bewaldeten Region. Mit über 16.000 Arten ist der in unmittelbarer Nähe der polnischen Hauptstadt Warschau gelegene „Kampinos-Nationalpark“ (Kampinoski Park Narodowy), der sich als Urwald über eine Fläche von 38.544 ha erstreckt, eines der wichtigsten Refugien für Polens Tieflandfauna. M. liegt in der gemäßigten Klimazone und wird durch den Übergang vom Meeres- zum Kontinentalklima beeinflusst. Die Niederschlagsmenge der Region liegt mit 450–600 mm unter dem Landesdurchschnitt.
Trotz schlechter Bodengüte ist M. in weiten Teilen landwirtschaftlich geprägt. Hauptsächlich werden Getreide (Weizen und Gerste) sowie Kartoffeln angebaut. Kennzeichnend ist der sehr große Anteil am Gartenbau. In den Gebieten von Grójec und Warka findet sich die höchste Dichte von Obst- und Gemüsegärten in Polen. Nennenswerte Bodenschätze befinden sich nur im Süden der Region (Phosphorit bei Iłża, Eisenerz bei Radom). Vorhandene Braunkohlevorkommen in der Nähe von Gostyń und am Fluss Radomka sind aufgrund ihrer schlechten Erreichbarkeit nicht erschlossen.
In wirtschaftlicher Hinsicht ist M. die am stärksten entwickelte polnische Region, wobei große Entwicklungsunterschiede zwischen Warschau und dem Umland bestehen. Der Dienstleistungssektor (Handel, Telekommunikation, Finanzdienste, Versicherungen) herrscht vor. Bedeutend ist aber auch die Industriebranche. Außer Bergbau, Werftindustrie und Kokerei sind fast alle Industriezweige vertreten. Die größten Städte M.s sind neben Warschau, Radom, Płock, Siedlce, Pruszków, Ostrołęka, Legionowo und Ciechanów. Der Anteil der in Städten lebenden Bevölkerung beträgt 64,7 % (2005).
Kulturelle und touristische Anziehungspunkte M.s sind neben Warschau, mit seiner wieder aufgebauten Altstadt, zahlreichen Museen und Veranstaltungen, Płock, Pułtusk und Żelazowa Wola. Im Nordosten M.s wird die Folklore der Kurpie-Region bewahrt.
2 Kulturgeschichte
Im frühen Mittelalter war M. Stammesterritorium der Masowier und umfasste den Landstrich am rechten Weichselufer in der Umgebung von Płock. Im 10. Jh. wurde M., das erstmals 1041 erwähnt wird, dem piastischen Staat angegliedert. 1075 gelangte der größte Teil M.s zur neu gegründeten Diözese Płock, der südwestliche Teil verblieb bei der Diözese Posen. Aufgrund der testamentarischen Bestimmungen Bolesławs III. Krzywousty entstand 1138 das Fürstentum M., das ab der Mitte des 13. Jh. weiteren Teilungen unterworfen war. Es entstanden die drei Teilfürstentümer Płock, Czersk-Warschau und Rawa Mazowiecka. Durch wiederholte Einfälle der Prußen, Jatvinger, Litauer und Deutschordensritter vom 12. bis 14. Jh. entwickelte sich M. im Vergleich zu anderen polnischen Gebieten verspätet. Es vereinigte sich 1320 zwar nicht mit dem neu entstandenen polnischen Königreich, von 1351–70 und 1388–1526 akzeptierten die Fürsten M.s jedoch die Oberlehnsherrschaft der polnischen Könige.
Charakteristisch für die spätmittelalterliche masowische Gesellschaft war der hohe Anteil des Kleinadels, der bis zu 20 % der Bevölkerung stellte. Die geringe Ertragsfähigkeit der Böden und die starke Bewaldung schränkten die erste Besiedlung durch die Masowier auf die Flusstäler ein. Erst im 14.–16. Jh. wurden auch die Gebiete im Norden und Nordosten M.s erschlossen. Die landwirtschaftlichen Bedingungen zwangen die Bewohner auch zur Abwanderung in die angrenzenden Gebiete Podlachiens, Masurens und Rotreußens.
Mit dem Aussterben der piastischen Teilfürsten M.s gelangten ihre, z. T. noch weiter untergliederten, Teilgebiete schrittweise an die polnische Krone (1462 Rawa, 1476 Sochaczew, 1495 Płock und 1526 (bzw. 1529), drei Jahre nach dem Tod der letzten Fürsten M.s, Czersk-Warschau). Aus den ehemaligen masowischen Fürstentümern wurden direkt nach ihrer Inkorporation die Woiwodschaften M., Płock und Rawa gebildet.
Bis 1540 besaß M. ein eigenes Parlament, das dann in einen Landtag (poln. sejmik) umgewandelt wurde. Für M. war die Union von Lublin 1569 von herausragender Bedeutung. Es wurde zur zentralen Region der polnisch-litauischen Adelsrepublik. Die masowische Hauptstadt Warschau wurde zum Versammlungsort der Reichstage, ab 1573 Ort der Königswahl und ab 1596 Sitz des königlichen Hofs.
Ab der Mitte des 17. Jh. erfuhr M. einen, auch durch Kriege bedingten, wirtschaftlichen Niedergang. Die 2. und 3. Teilung Polen-Litauens, 1793 und 1795, führte auch zu einer Teilung M.s. Der nördliche und westliche Teil mit Warschau wurde Preußen zugeschlagen und verteilte sich auf die Provinzen Südpreußen und Neu-Ostpreußen. Österreich erhielt die Gebiete im Süden und Osten mit den Städten Radom und Siedlce. In den Jahren 1806–13 erlebte M. Durchzüge napoleonischer Truppen und mehrere größere Schlachten (u. a. 1806 Schlacht von Pułtusk). 1807 gelangte der preußische Teil M.s an das Großherzogtum Warschau, dem 1809 auch die österreichischen Gebiete angeschlossen wurden. 1815 kam M. zum russisch beherrschten Königreich Polen und war während des Novemberaufstands 1830/31 Schauplatz der entscheidenden Auseinandersetzungen zwischen Polen und Russen. Nach der Niederschlagung des Januaraufstands 1863/64 wurden die Woiwodschaften des Königreiches Polen 1866 aufgelöst, die Gebiete M.s befanden sich nun in den Gouvernements Warschau, Płock und Łomża. Ab der Mitte des 18. Jh.s entwickelte sich M. mit Warschau in wirtschaftlicher Hinsicht rasant. Im Gefolge des Eisenbahnbaus gewannen Metall- und Textilindustrie, Brennereien sowie Zucker- und Getreideverarbeitung an Bedeutung. 1918 gelangte M. zur 2. Polnischen Republik.
Administrativ wurde M. zum größten Teil der Woiwodschaft Warschau, in Teilen den Woiwodschaften Białystok und Lublin angegliedert. Nach dem deutschen Überfall auf Polen war M. Schauplatz hartnäckiger Verteidigungskämpfe der polnischen Armee. Zuletzt kapitulierten Warschau und die Festung Modlin (28. bzw. 29.9.1939). Während der deutschen Besatzung wurde der nordwestliche Teil M.s dem Deutschen Reich, der südliche Teil dem Generalgouvernement angegliedert. Hier befand sich in den Jahren 1942/43 das Vernichtungslager Treblinka, wo ca. 870.000 Menschen durch die Deutschen ermordet wurden.
Von 1945–75 gehörte M. zu den Woiwodschaften Warschau, Łódź und Białystok. Infolge der administrativen Neueinteilung von 1975 wurde das Gebiet M.s in zahlreiche kleinere Woiwodschaften untergliedert. Die 1999 aus den Woiwodschaften Warschau, Ciechanów, Siedlce, Radom, Skierniewice und Teilen der Woiwodschaften Płock, Łomża und Biała Podlaska neu gebildete Woiwodschaft M. umfasst den größten Teil der historischen Region.
http://www.mazowieckie.pl [Stand 23.5.2006].