Beskiden

Beskiden (poln. Beskidy, rumän. hist. Beschizii, slowak./tschech./ukrain. Beskydy)

Inhaltsverzeichnis

1 Geographie

Das 600 km lange und ca. 50 km breite Faltengebirge in den nördlichen Außenkarpaten zieht sich in Form eines breiten Bogens von der Mährischen Pforte im Westen (ausgehend vom Fluss Bečva) bis zum Fluss Sviča (Ukraine) im Osten.

Die B. unterteilt man generell in 1) Westb. (poln. Beskidy Zachodnie, slowak. Západné Beskydy, tschech. Západní Beskydy), höchste Erhebung: Babia Góra [Diablak] 1723 m), bestehend aus den „Mährisch-Schlesischen B.“ (poln. Beskid Śląsko-Morawski, slowak. Moravskosliezke Beskydy, tschech. Moravskoslezské Beskydy), den „Schlesischen B.” (poln. Beskid Śląski, tschech. Slezské Beskydy), den „Kleinen B.” (poln. Beskid Mały), den „Żywiecer B.” (poln. Beskid Żywiecki, slowak. Oravské Beskydy), weiterhin „Makówer B.” (poln. Beskid Makowski), „Inselb.“ (poln. Beskid Wyspowy), Gorce sowie den Sandezer B. (poln. Beskid Sądecki);

2) Mittelb. (poln. Beskidy Środkowe, slowak. Stredné Beskydy), höchste Erhebung: Busov, 1002 m) mit den „Niederen Beskiden” (poln. Beskid Niski, slowak. Nízke Beskydy) und Busov sowie

3) Ostb. (poln. Beskidy Wschodnie, ukrain. Schidni Beskydy), höchste Erhebung: Mahura 1362 m im
Ostbeskiden
ukrainischen Massiv Vysoki Beskidy) mit Bieszczady (poln.; ukrain. Beščady), „Oberdnjestrb.” (ukrain. Verchnʹodnistrovsʹki Beskydy) und „Hochb.” (ukrain. Vysoki Beskydy), die von den Mittelb. durch den „Łupków-Pass“ (poln. Przełęcz Łupkowska, slowak. Laborecké sedlo) getrennt werden.

In der älteren Literatur wurde auch der östlich anschließende Karpatenteil, bis zum Quellgebiet der Flüsse Czeremosz und Suceava an der ukrainisch-rumänischen Grenze, zu den B. gerechnet.

Im Norden gehen die B. mit einer sanften Schwelle in die Zone der Weichselniederung und der Vorkarpaten über. Im Süden fallen sie zu den nördlichen Ausläufern des Ungarischen Tieflandes ab. Die B. bestehen v. a. aus Flyschgestein, fragmentarisch treten magmatische Gesteine auf. Für den polnischen Teil der B. sind Gesteine aus der Kreide- und Paläogenzeit charakteristisch, die sanftgeneigte Hänge und gerundete Gebirgskämme bilden. In den höheren Gebirgspartien findet man Spuren der pleistozänen Vereisung, der Rest der B. verdankt sein heutiges Aussehen dem Holozän. In der gesamten Region befinden sich ca. 600 kleine Höhlen, davon etwa 500 in Polen.

In den B. herrscht ein gemäßigtes Gebirgsklima. Die Durchschnittstemperaturen im Juli betragen 15–18 °C, im Januar von ca. –7 °C im Westen bis ca. –10 °C im Osten. An den nördlichen Bergseiten weht oft der für diese Hochgebirge typische Föhn (poln. ›Halny‹). Die ganzjährigen Niederschläge überschreiten 1200 mm.

Die B. bilden die Wasserscheide zwischen der Ostsee und dem Schwarzen Meer. An ihren nördlichen Hängen entspringen die größten Zuflüsse der Weichsel (Dunajec, Wisłoka und San), an den südlichen Zuflüsse der Donau und Theiß. An zahlreichen Flüssen in den B. entstanden Speicherbecken (das größte am Fluss San in Polen: Soliński Zbiornik Wodny [„Solina-Stausee“], mit einer Fläche von 21,2 km² und 500 Mio. m² Wasservolumen). Darüber hinaus befinden sich v. a. in Krynica, Szczawnica, Iwonicz, Rabka und Rymanów zahlreiche Mineralquellen – vorwiegend Sauerbrunnen, Schwefel- und Thermalquellen.

Den Großteil der B. nehmen schwache Stein-Lehm-Böden mit einer Dominanz vom sauren Gebirgsbraunboden ein. Von den wenigen Bodenschätzen sind Erdgas, Sandstein und Erdöl am bedeutendsten. Die B. gehören zu den am dichtesten bewaldeten Regionen Polens, der Ostslowakei und in der Ukraine. Den Gebirgscharakter der B. unterstreicht die deutlich ausgeprägte Höhenabstufung der Vegetation, des Klimas und Bodens. Bis in 600 m Höhe dominieren Anbauflächen, bis zu 1230 m ü. d. M. erstreckt sich die untere Waldstufe, repräsentiert durch Buchen-, Tannen- und Fichtenwald. Die obere Waldstufe erstreckt sich bis zu 1360 m ü. d. M. und wird von Fichtenwäldern gebildet. Die subalpine Höhenstufe mit Latschen, vielen Grasarten und Kräutern, bekannt als „Poloninen“ (poln. połoniny, ruthen./ukrain. polonyny, slowak. poloniny) reicht bis zu 1650 m ü. d. M. Die alpine Höhenstufe kommt nur fragmentarisch vor.

Auf dem Gebiet der B. gibt es viele Nationalparks, Natur- und Landschaftsschutzgebiete, darunter auch UNESCO-Biosphärenreservate, wie das einzige in Europa dreistaatliche Biosphärenreservat „Ostkarpaten“ (poln., slowak., ukrain.). Die Fauna wird von vielen heute seltenen Tierarten repräsentiert: u. a. den für Polen größten Braunbärenbestand, durch Wölfe, Luchse, Wildkatzen, Hirsche, Dachse und Fischotter.

Anfang

2 Kulturgeschichte

Archäologische Funde lassen für 9000–25.000 v. Ch. auf die ersten menschlichen Siedlungen unterhalb der Sandezer B. in Nowy Sącz schließen. Im 9. Jh. begann anhaltende Besiedlung aus dem Gebiet des mittleren Polens entlang der Dunajec und Poprad-Täler. Bereits im 14. Jh. bestanden viele Ortschaften im Sandezer Land (Stary Sącz, Nowy Sącz, Piwniczna, Łomnica oder Muszyna). In den nächsten Jahrhunderten wurden die B. auch von Tschechen, Deutschen, Arumunen, Österreichern, Rusinen (Bojken und Lemken) und schließlich von Juden besiedelt. Bis zum 17. Jh. bildete sich deutlich eine Gliederung der Bevölkerung in nach ethnisch-sprachlicher Herkunft unterschiedene soziale Schichten heraus – v. a. Ukrainer, Walachen und Lemken waren Bauern, der Adel war überwiegend polnisch, während den mittleren, mit Handel, Handwerk und Verwaltung verbundenen Stand Deutsche und Juden bildeten.

Nach 1772 fielen fast die ganzen B. südlich der Weichsel und des San an Österreich, insgesamt 83.000 km² und 2,6 Mio. Bevölkerung. Infolge der zweiten Teilung Polen-Litauens wurde das Gebiet kurzzeitig zwischen Russland und Preußen geteilt, um 1795 erneut Bestandteil der österreichischen Monarchie zu werden.

Die Geschichtslandschaft der B. war jahrhundertelang geprägt von der ethnischen und konfessionellen Heterogenität seiner Bewohner. Während in den Westb. in der ländlichen Kultur Spuren des jüdischen Erbes (Friedhöfe, Synagogen) sowie des katholischen und evangelischen Glaubens (hölzerne, gotische und barocke Kirchen) bestimmend sind und in den Städten der „Wiener Stil“ bis heute sichtbare Spuren hinterlassen hat, wurden die Ostb. von ihrer ukrainischen und arumänischen Bevölkerung durch viele griechisch-orthodoxe Elemente (Friedhöfe, orthodoxe Kirchen aus Holz, Ikonenkunst) geprägt.

Auch heute kennzeichnet die B.-Region eine Vielfalt an ethnischen Gruppen. Im Westen gibt es Bevölkerung deutscher und jüdischer Abstammung, in den Mittleren B. leben Roma und Slowaken und an den östlichen Ausläufern der B. Ruthenen und Ukrainer sowie eine kleine Gruppe von Griechen und Makedoniern. Die Lemken, die bis zum Zweiten Weltkrieg 300 Ortschaften in den Niederen B., einem Teil der Sandezer B. und in den Ostb. bewohnten, wurden 1948 zusammen mit der ukrainischen Bevölkerung im Rahmen der Aktion Weichsel vorwiegend nach Niederschlesien umgesiedelt.

Die Region der Niederen B. und der Vorkarpaten ist die Wiege der Erdölindustrie in Polen und zugleich das älteste Erdölgewinnungsgebiet in Europa. In der Nähe von Krosno erbaute 1854 Ignacy Łukasiewicz die weltweit erste moderne Erdölgewinnungsanlage. Trotzdem ging die eigentliche Industrialisierung aufgrund der weitgehend fehlenden Rohstoffe an der B.-Region vorbei. Diese Tatsache sowie niedrige Bevölkerungsdichte trugen dazu bei, dass die B.-Natur von Zerstörungen verschont geblieben ist.

Rzeczycki T. 2004, Góry Polski, Katowice. Warszyńska J. (Red.) 1995: Karpaty Polskie. Przyroda, człowiek i jego działalność, Kraków.

(Mirosława Czochańska, Jarosław Tomasz Czochański)

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