Pommern (Landschaft)

Pommern (kaschub. Pòmòrskô, latein. Pomerania, poln. Pomorze)

Inhaltsverzeichnis

1 Geographie

1046 wird der Name P., der sich von der slawischen Bezeichnung für „Land am Meer“ ableitet, zum ersten Mal urkundlich erwähnt. Die geographische Reichweite des Begriffs wandelte sich seit dem Mittelalter erheblich und unterscheidet sich noch heute in Deutschland und Polen. Als P. wurde zunächst das Land zwischen Ostsee, Oder (Odra), Weichsel (Wisła) und Netze (Noteć) bezeichnet. Dieser Region entspricht die polnische Bezeichnung P. (Pomorze), die Vorpommern meist ausschließt. Den geographischen Umfang des deutschen P.-Begriffs prägten dagegen die spätmittelalterlichen und frühneuzeitlichen Herzogtümer Wolgast und Stettin (Szczecin) sowie die zwischen 1815 und 1945 bestehende preußische Provinz Provinz P. von Rügen bis Bütow (Bytów) und Lauenburg (Lębork).

Der deutsche Sprachgebrauch unterscheidet zwischen Vorpommern westlich der Oder, heute Teil des Bundeslandes Mecklenburg-Vorpommern, und Hinterpommern östlich der Oder. In Polen besteht die Woiwodschaft Westpommern (Pomorze Zachodnie), die im Wesentlichen mit dem deutschen Hinterpommern einschließlich Stettins identisch ist. Die Woiwodschaft P. (Pomorze) mit der Hauptstadt in Danzig (Gdańsk) umfasst dagegen vor allem das Gebiet, das im Deutschen als Pommerellen oder Westpreußen bezeichnet wird. Diese Region wird in Polen auch als Pomorze Wschodnie (Ostpommern) oder Pomorze Gdańskie (Danziger Pommern) bezeichnet.

Der pommersche Naturraum gliedert sich in die Küste mit den vorgelagerten Inseln Rügen, Usedom (Uznam) und Wollin (Wolin), den Baltischen Höhenrücken, der P. von Westen nach Osten durchzieht, sowie südliche des Höhenrückens das waldreiche Sandergebiet, das von einer tiefkuppigen Moränenlandschaft geprägt wird.

Das Klima P.s ist durch den starken maritimen Einfluss v. a. an der Küste relativ mild. Die durchschnittliche Lufttemperatur variiert im Januar zwischen –0,5 °C und –2 °C, im Juli liegen die mittleren Temperaturen zwischen 15,5–17,5 °C. Die Niederschlagsmengen betragen im Jahresdurchschnitt 550–720 mm.

Zu den wichtigsten Städten P.s zählen außer Stettin Stralsund und Greifswald in Vorpommern sowie Stargard (Stargard Szczeciński), Kolberg (Kołobrzeg), Köslin (Koszalin) und Stolp (Słupsk) in Hinterpommern.

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2 Kulturgeschichte

Das Gebiet P.s war seit der Völkerwanderung von Slawen bewohnt. Östlich der Oder siedelten die Pomoranen. Vom Ende des 10. Jhs. bis 1035 war P. östlich der Oder Teil des Reiches von Bolesław Chrobry (995-1025). Um 1000 wurde in Kolberg ein Suffraganbistum von Gnesen (Gniezno) gegründet, das jedoch nur wenige Jahre bestand. 1102–22 unterwarf der polnische Herzog Bolesław III. Krzywousty („Schiefmund“) P. erneut. Der Eroberung folgte die Christianisierung mit den Missionsreisen Bischof Ottos von Bamberg in den Jahren 1124/25 und 1128. 1140 wurde das später nach Cammin (Kamień Pomorski) verlegte pommersche Bistum in Wollin (Wolin) errichtet. Von großer Bedeutung für die Christianisierung des Landes waren die Klostergründungen der aus Dänemark nach P. gekommenen Zisterzienser in Dargun (1172), Kolbatz (Kołbacz, 1173) und Eldena (1198/99). Die politische Herrschaft übte in P. seit dem 12. Jh. die Dynastie der Greifen (Gryfice) aus.

1181 wurde Bogislaw I. von Kaiser Friedrich I. Barbarossa mit dem Herzogtum P. belehnt, zwischen 1185 und 1227 musste P. die dänische Lehnshoheit anerkennen. Nach dem Ende der dänischen Vormachtstellung an der südlichen Ostseeküste geriet P. 1236 unter die Lehnsherrschaft der brandenburgischen Askanier und wurde damit in das Heilige Römische Reich integriert.

Die deutsche Besiedlung und die Ausbreitung deutschen Rechts setzten in der zweiten Hälfte des 12. Jh. ein. In Vorpommern und entlang der Oder erfolgte der Landesausbau v. a. in der ersten Hälfte, in Hinterpommern in der zweiten Hälfte des 13. Jh. Rügen wurde dagegen erst um 1300 deutsch besiedelt. Zwischen 1231 und 1278 wurden in P. 32 Städte gegründet, z.T. an Stelle älterer slawischer Siedlungen. Parallel zur deutschen Besiedlung erfolgte die Akkulturation und Assimilation der Pomoranen. Dabei handelte es sich um einen sehr langfristigen Prozess, der in Vorpommern zu Beginn des 15. Jh. abgeschlossen war, während in Hinterpommern östlich von Kolberg (Kołobrzeg) zu dieser Zeit noch die slawische Bevölkerung überwog.

Um 1300 hatten sich in P. vier politische Herrschaftsbereiche herausgebildet: das bis 1325 selbständige Fürstentum Rügen im Westen, das Herzogtum Stettin im Zentrum P.s sowie das Herzogtum Wolgast und das Gebiet des Bistums Cammin in Hinterpommern. Nach dem Tod der Herzöge von Stettin und Wolgast bildete die Landesteilung des Herzogtums Wolgast in den Verträgen von Anklam (1368) und Stargard (Stargard Szczeciński, 1372) den Auftakt zu einer weiteren Fragmentierung der Herrschaftsbereiche in P.

Zu einer dauerhaften Verselbständigung der pommerschen Fürstentümer kam es jedoch nicht. Während sich das Herzogtum Stettin bis 1338 in zahlreichen Konflikten gegen Brandenburg behaupten musste, war Stolp (Słupsk) an den Auseinandersetzungen zwischen dem Deutschen Orden und Polen beteiligt. Bis zu 18 pommersche Städte waren Mitglied der Hanse, zwischen 1359 und 1385 fanden 41 Hansetage in P. statt. V. a. Stralsund profitierte vom Handel in hansischen Strukturen. Die Schwäche der herzoglichen Gewalt förderte im 14. und 15. Jh. innerhalb P.s die Entstehung von Städtebündnissen. Die Universität Greifswald verdankte dagegen 1456 ihre Errichtung der Initiative des Landesherrn, der Stadt Greifswald und des Bischofs von Cammin.

Die vorübergehende Vereinigung aller pommerschen Fürstentümer verwirklichte 1478 der Stolper Herzog Bogislaw X. (1474–1523). Er veranlasste zudem den Ausbau der territorialstaatlichen Landesherrschaft. Die alten Vogteien wurden durch herzogliche Ämter ersetzt, Steuer-, Münz- und Gerichtswesen neu geordnet, die herzogliche Verwaltung restrukturiert und erweitert. Nach dem Tod Bogislaws X. erfolgte eine erneute Aufteilung P.s in die Herzogtümer Stettin und Wolgast, wobei erstmals die Oder die Grenze zwischen den beiden Teilfürstentümern bildete. Begleitet von sozialen Spannungen fasste die Reformation schon in den 20er-Jahren in den Städten Fuß. 1534 beauftragte der Landtag in Treptow an der Rega (Trzebiatów) Johannes Bugenhagen (1485–1558) mit der Ausarbeitung einer Kirchenordnung. Sie bildete die Grundlage für den Übergang P.s zum neuen Bekenntnis.

Während des Dreißigjährigen Krieges blieb P. zunächst neutral. Erst die Kapitulation von Franzburg 1627 öffnete das Land der Besetzung durch kaiserliche Truppen – lediglich Stralsund, das von Wallenstein vergeblich belagert wurde, konnte sich behaupten. Die Landung des schwedischen Königs Gustav Adolf auf Usedom 1630 leitete nicht nur für P. eine neue Phase des Krieges ein. Besatzungsherrschaft und Kampfhandlungen hatten einen Bevölkerungsverlust von schätzungsweise 40–60 % zur Folge. Das Ende des Dreißigjährigen Krieges bedeutete auch das Ende des selbständigen Herzogtums P. Mit dem Tod Herzog Bogislaws XIV. war die Greifendynastie 1637 ausgestorben, im Westfälischen Frieden von 1648 wurde P. geteilt: Hinterpommern fiel an Brandenburg-Preußen, während Vorpommern schwedisch wurde. Ebenfalls mit Brandenburg-Preußen vereinigt wurden 1657 die polnischen Lehen Lauenburg und Bütow.

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Im Laufe des 16. und 17. Jh. veränderte sich die agrarische Struktur P.s zu Lasten der Bauern durch die Entstehung der Gutswirtschaft. Bereits Ende des 15. Jh. waren als Folge der Pest und der sozioökonomischen Krisen des Spätmittelalters viele Bauernstellen nicht besetzt. Der Adel dagegen konnte von den günstigen Exportbedingungen für Getreide und forstwirtschaftliche Produkte profitieren. Durch Einziehung bäuerlichen Landes (Bauernlegen) und Rodung wurde der adlige Gutsbesitz vergrößert und nun durch schollenpflichtige leibeigene Bauern bewirtschaftet. Parallel dazu verschlechterte sich die rechtliche und soziale Situation der Bauern, denen umfangreiche Frondienste aufgebürdet wurden.

Die Reformation förderte auch die kulturelle Entwicklung der nichtdeutschen Bevölkerung im östlichen Hinterpommern. V. a. auf dem Lande hatten sich die Kaschuben, Nachfahren der Pomoranen, sprachlich behaupten können. Während Kaschubisch als Umgangssprache vorherrschend war, ermöglichte die polnische Liturgie im protestantischen Gottesdienst in Hinterpommern die Entstehung eines polnisch-kaschubischen Schrifttums. 1586 veröffentlichte der Bütower Pfarrer Simon Krofey ein Gesangbuch mit geistlichen Liedern, 1643 übersetzte der Pfarrer von Schmolsin (Smołdzino), Michael Brüggemann (Pontanus), Luthers Katechismus ins Kaschubische. Polnische Gottesdienste fanden noch im 19. Jh. in einigen Gemeinden des Kreises Stolp sowie in den Kreisen Bütow und Lauenburg statt. Die protestantischen Kaschuben Hinterpommerns wurden zur Unterscheidung von den katholischen Kaschuben in Westpreußen auch als Slowinzen bezeichnet.

Der Große Nordische Krieg (1700–21) brachte für P. neue Belastungen mit sich. An der antischwedischen Koalition beteiligte sich auch Preußen, das 1720 Vorpommern südlich der Peene einschließlich Stettin erwerben konnte. Die preußischen Behörden P.s nahmen daraufhin ihren Sitz in Stettin, das sich als Hauptstadt des preußischen P. etablieren konnte. In Schwedisch-Vorpommern ersetzte nach dem Tod Karls XII. (1718) ein ständisches Regiment das absolutistische System. Die landständische Verfassung garantierte die privilegierte Stellung der Ritterschaft, und die adlige Gutsherrschaft erlebte eine Blütezeit, während der Bauernstand weiter deklassiert wurde. In Preußisch-P. waren die Schwächung der Stände und der Ausbau der Garnisonen für die preußische Herrschaft ebenso charakteristisch wie Meliorationen und eine gezielte Ansiedlungspolitik. Schwer geschädigt wurde P. durch die Kämpfe zwischen Schweden, Russen und Preußen während des Siebenjährigen Krieges (1756–63), doch konnte das ›Rétablissement‹ nach dem Krieg die Verluste vergleichsweise schnell wieder ausgleichen.

1806/07 besetzten napoleonische Truppen ganz P. mit Ausnahme der Festung Kolberg. Die nach der Niederlage Preußens eingeleiteten Reformen, insbesondere die Bauernbefreiung, stießen jedoch auf heftigen Widerstand des Adels. Einen kulturellen Aufschwung verzeichnete P. in der Zeit der Romantik. Die Erforschung der Landesgeschichte machten sich neugegründete historische Vereine zur Aufgabe, der in Greifswald geborene Maler und Zeichner Caspar David Friedrich (1774–1840) wählte u. a. die Landschaft Rügens und Vorpommerns als Motiv für seine Werke. Als Folge des Wiener Kongresses fiel 1815 Schwedisch-Vorpommern an Preußen, es entstand die preußische Provinz P. mit den Regierungsbezirken Stralsund, Stettin und Köslin (Koszalin). In den 30er- und 40er-Jahren des 19. Jh. entwickelte sich in den Städten P.s eine liberale Bewegung, die in der Revolution von 1848/49 kurzfristig an die Öffentlichkeit trat. Mit Ausnahme Stettins blieb P. bis in das 20. Jh. hinein allerdings eine Domäne der Konservativen.

Die Modernisierungsprozesse des 19. Jh. setzten sich in P. nur langsam durch. Der Urbanisierungsgrad blieb vergleichsweise niedrig (1871: 31 %), noch 1882 waren 54 % der Erwerbstätigen in Land- und Forstwirtschaft tätig. Die agrarische Struktur P.s bestimmten nach wie vor die landwirtschaftlichen Großbetriebe, die sich um 1900 jedoch schon zu über 50 % in bürgerlichem Besitz befanden. Die Industrialisierung konzentrierte sich dagegen auf Stettin und Umgebung, 1843 wurde die Eisenbahnlinie Berlin-Stettin eröffnet. Die Modernisierung der Infrastruktur setzte sich nach 1871 fort, als P. Teil des Deutschen Reiches geworden war. Der Stettiner Hafen wurde zu einem der größten Häfen Deutschlands ausgebaut, in der Provinzialhauptstadt entstanden zudem ab 1873 repräsentative neue Wohnviertel. Die erhöhte Mobilität der Bevölkerung beschleunigte nicht nur das Wachstum der Städte, sondern auch die Auswanderung nach Amerika. Allein zwischen 1881 und 1885 verließen 95.000 Einwohner Pommerns ihre Heimat. Trotz der Bevölkerungsverluste gerade in Hinterpommern nahm die Bevölkerung P.s zwischen 1871 und 1914 von 1,4 auf 1,7 Mio. zu. Der durch die Abwanderung bedingte Arbeitskräftemangel auf den Gütern konnte z. T. durch die Beschäftigung polnischer Saisonarbeiter kompensiert werden.

Das Ende des Ersten Weltkriegs und der Monarchie im Jahr 1918 veränderten die traditionellen politischen Strukturen in der Provinz kaum – politisch dominierte in den 20er-Jahren die konservative ›Deutschnationale Volkspartei‹ (DNVP). Die Strukturkrise in der Landwirtschaft und der Stettiner Industrie verursachte eine hohe Arbeitslosigkeit und eine erneut hohe Abwanderung aus P. Davon profitierte ab Ende der 20er-Jahre die NSDAP, die in P. überdurchschnittlich hohe Wahlergebnisse erzielte und schon 1932 stärkste politische Kraft der Provinz war. Zu den Zentren des Widerstands gegen die NS-Herrschaft zählte die ›Bekennende Kirche‹, vertreten u. a. durch Reinhold v. Thadden-Trieglaff (1891–1976) und Dietrich Bonhoeffer (1906–45).

Nach den Beschlüssen der Potsdamer Konferenz fiel 1945 Hinterpommern bis zur Oder einschließlich Stettins an Polen. Die deutsche Bevölkerung dieses Gebiets – etwa 1,9 Mio. Menschen bei einer Gesamtbevölkerung P.s von 2,4 Mio. (1939) flüchtete 1945 vor der sowjetischen Armee, wurde bis 1948 vertrieben oder siedelte später aus. 375.000 Menschen verloren bei der Flucht ihr Leben, nur eine kleine deutsche Minderheit blieb in Hinterpommern zurück. Die neuen Bewohner Hinterpommerns und Stettins kamen aus Zentralpolen, aber auch aus den von der UdSSR annektierten östlichen Landesteilen Vorkriegspolens. Hinzu kamen 53.000 Ukrainer, die im Rahmen der „Aktion Weichsel“ aus dem Südosten Polens zwangsumgesiedelt wurden. Der bei Deutschland verblieben Teil der Provinz P. ging im neuen Land Mecklenburg-Vorpommern auf, das 1952 durch mehrere Bezirke ersetzt wurde. Die traditionelle gesellschaftliche und agrarische Struktur erfuhr durch die Enteignung des Großgrundbesitzes im Zuge der Bodenreform einschneidende Änderungen. Mit der Wiedervereinigung Deutschlands wurde Mecklenburg-Vorpommern 1990 als Bundesland der Bundesrepublik Deutschland neu konstituiert.

Branig H. 1997/2000: Geschichte Pommerns. 2 Teile. Köln. Buchholz W. (Hg.) 1999: Pommern. Deutsche Geschichte im Osten Europas. Berlin. Labuda G. (Hg.) 1969-2002: Historia Pomorza. Bde. I–IV.2. Poznań. Piskorski J. M. (Hg.) 1999: Pommern im Wandel der Zeiten. Szczecin.

(Christian Pletzing)

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