Kaschuben
Kaschuben (kaschub. Kaszëbi, poln. Kaszubi)
Inhaltsverzeichnis |
1 Herkunft und Name
Die K. sind ein westslawisches, im Norden Polens, zwischen den Flüssen Weichsel und Stolpe lebendes Volk. Die K. sind Bewohner Kaschubiens und Nachfahren der altslawischen Pomoranen. Die meisten von ihnen sind römisch-katholisch und zweisprachig (Kaschubisch und Polnisch), wobei insbesondere in den ländlichen Gebieten Zentral- und Nordkaschubiens das Kaschubische als Alltagssprache dominiert. Die Herkunft des Namens der K. ist bis heute nicht ganz geklärt. Ungewiss ist auch, ob es sich dabei um einen ethnischen, topografischen oder gar administrativen Namen handelt. Verbreitet ist, insbesondere in deutschsprachigen Nachschlagewerken, die Ansicht von der Herkunft von ›(ka)szuba‹ (dt. „Pelzrock“), was sich aber nicht durchsetzen konnte.
Die kaschubische Bevölkerung ist aufgrund des hohen natürlichen Wachstums relativ jung. Der größte Anteil an K. findet sich in den ländlichen Gegenden um die Städte Puck (Pùck), Wejherowo (Wejrowò), Rumia (Rëmiô), Reda (Réda), Kartuzy (Kartuzë), Kościerzyna (Kòscérzëna), Bytów (Bëtowò) und Brusy (Brusë), die nach Schätzungen von kaschubischen Organisationen in einigen Gemeinden sogar 95-100% der Bevölkerung ausmachen. In den Städten selbst ist der Anteil der K. oft niedriger, in Kartuzy liegt er bei 85-90 %, Puck, Reda und Kościerzyna – 70-80%, Wejherowo, Rumia, Bytów und Brusy – 55-70%, in großen Städten wie Danzig, Gdynia und Sopot gar nur 5-20%.
2002 haben sich lediglich 5062 Personen der kaschubischen Nationalität zugezählt, aber 52.665 Kaschubisch als Muttersprache angegeben. Die Zahl der K. wird von kaschubischen Organisationen auf ca. 368.000 (um 1998) geschätzt. Grund hierfür ist die Tatsache, dass sich die K. oft als Polen fühlen. Darüber hinaus bestehen seit dem 18.-19. Jh. kaschubische Gemeinden in den USA und Kanada. In den 1960er–1990er Jahren sind außerdem viele K., v. a. nach Deutschland und in die USA ausgewandert.
Weltberühmt ist der „Patriarch aus Kaschubien“, der Schriftsteller und Literaturnobelpreisträger kaschubischer Herkunft Günther Grass. Zu den bekannten K. gehören in Polen der Historiker Prof. Gerard Labùda (poln. Labuda), der Politiker Donald Tusk, die Schauspielerin Danuta Stenka und der Autor der polnischen Hymne General Józef Wybicki.
2 Kulturgeschichte
Es wird davon ausgegangen, dass die als Vorfahren der Kaschuben geltenden pomoranischen Stämme ursprünglich das gesamte – an die Ostsee grenzende – Gebiet zwischen Weichsel und Oder bewohnten. Der Name ›Cassubia‹ wird erstmals 1238 erwähnt, die pommerschen Herzöge haben diese Bezeichnung auch ursprünglich in ihren Titeln getragen, z. B. ›duces Slavoram, Cassubie et Pomeranorum‹, ›dux Cassubie‹ und später auch ›Herzog der Wenden und Kassuben‹. Diese Bezeichnung wurde in ihren Anfängen hauptsächlich in Westpommern und teilweise in Mecklenburg benutzt und setzte sich wahrscheinlich erst im 16. und 17. Jh. im heutigen Siedlungsgebiet der Kaschuben durch.
Durch Mieszko I. und Bolesław I. Chrobry wurde K. und das benachbarte Pommerellen zwischen Ende des 10. und Anfang des 11. Jh. dem Königreich Polen eingegliedert und christianisiert. 1138 zerfiel der mittelalterliche polnische Staat in Teilfürstentümer, und die K. fielen nach und nach unter die deutsche Einflusssphäre. Ab 1308 unter der Besatzung des Deutschen Ordens kam Kaschubien 1454 durch Kazimierz IV Jagiellończyk wieder an Polen. Das westliche Kaschubien befand sich 1657 unter brandenburgischer Herrschaft, bis es sich nach der ersten Teilung Polen-Litauens 1772 in den Grenzen Preußens wiederfand.
Während der brandenburgischen und preußischen Herrschaft waren die K. einer starken Germanisierung unterworfen. Dieses wurde gar noch im Zweiten Weltkrieg intensiviert, als das Dritte Reich versuchte die K. zum eigenen Nutzen zu instrumentalisieren. Die mit den K. nah verwandten, evangelischen Slowinzen, auch als West-K. oder Leba-K. bezeichnet, wurde vollständig germanisiert. Im 19. Jh. begann die bewusste Pflege der Sprache und der kaschubischen Kultur, insbesondere durch das nationalkaschubische und literarische Wirken von Florian Ceynowa (1817–1881). Diese Bewegung wurde später in besonderem Maße durch die ›Zrzeszińcë‹ (dt. „Bündler“, „Verbündete“) um Aleksander Labuda, Jan Rompski und Jan Trepczyk und durch die Jungkaschubische Bewegung (Młodokaszëbi, poln. Młodokaszubi) um Aleksander Majkowski weitergepflegt. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurden die K. überwiegend als Separatisten betrachtet. Bis in die 1960er Jahre hinein mussten viele K. anstatt des Militärdienstes Ersatzdienst in schlesischen Bergwerken leisten, der Zugang zur Hochschulbildung wurde erschwert und das Benutzen der kaschubischen Sprache wurde in den Schulen sanktioniert. Trotz der Benachteiligungen haben sich die K. organisiert. Es entstanden kaschubische Wörterbücher, eine ansehnliche kaschubischsprachige Literatur und wichtige kaschubische Zeitungen und Zeitschriften. 1956 entstand die „Kaschubisch-Pommersche Gesellschaft“ (Kaszëbskò-Pòmòrsczé Zrzeszenié, poln. Zrzeszenie Kaszubsko-Pomorskie), die heute immer noch bedeutendste kulturelle Vereinigung Kaschubiens ist.
Elemente der kaschubischen Volkskultur finden sich in der regionalen Architektur, im Möbeldesign, in Trachten und Stickereien. Typisch für Kaschubien sind besondere Töpfereien und die sich von polnischen Ritualen stark unterscheidenden kaschubischen Bräuche. Eine sonst in Polen seltene Besonderheit ist der weitverbreitete Gebrauch des Schnupftabaks, der noch in einigen Gegenden von den K. selber hergestellt wird.
Bòrzëszkòwszczi J., Mòrdawszczi J., Tréder J. 1999: Historia, geografia, język i piśmiennictwo Kaszubów/Historia, geògrafia, jãzëk i pismienizna Kaszëbów. Gdańsk/Gduńsk. Klaman E., Rzymowski S., Skupowa J., Szukalski J. 2002: Kaszuby. Leksykon geograficzny. Gdańsk. Kunstmann, H. 1985: Woher die Kaschuben ihren Namen haben. In: Die Welt der Slawen 30.