Moldau (Land)
Moldau (mold. Moldova), Kurzform für Republik Moldau (mold. Republica Moldova). Das international nicht anerkannte Transnistrien im Osten des Landes hatte am 2.9.1990 seine Unabhängigkeit erklärt. Nach einem kurzen bewaffneten Konflikt 1992 trennte es sich, mit aktiver Unterstützung Russlands, de facto vom moldauischen Staat ab. Eine Sonderposition haben innerhalb M.s somit Transnistrien, das das Territorium auf dem linken Dnjestr-Ufer wie auch die Stadt Bender/Tighina auf dem rechten Ufer umfasst, und das seit 1994 autonome Gebiet Gagausien im Süden.
Inhaltsverzeichnis |
1 Statistische Angaben
Lage: | Binnenstaat im SO Europas, nach Armenien kleinste GUS-Republik, Grenze zur Ukraine im Osten und Norden (1191 km) und zu Rumänien im Westen und Süden (681,3 km). Die Fläche beträgt 33.846 km².
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Einwohner (2005): | 3.922.600 (3.395.600 ohne Transnistrien), davon 47,6 % Männer, 52,4 % Frauen; Altersstruktur (ohne Transnistrien): 0–14 Jahre: 13,9 %, 15–64 Jahre: 74,9 %, 65 Jahre und älter: 11,2 %; 73,1 % im arbeitsfähigen Alter (Männer 15–64, Frauen 15–59); 55,1 % Beschäftigte (von den Personen im erwerbsfähigen Alter); 8,0 % Arbeitslose; Bevölkerungsdichte: 115,9 Einwohner/km²; Bevölkerungsentwicklung 1950–2004: 0,92 % jährlich, 1990–2004:
–0,66 % jährlich; Nationalitäten: Moldauer (71,7 %), Ukrainer (11,3 %), Russen (9,3 %), Gagausen (4,2 %), 3,4 % Weißrussen, Bulgaren (2,1 %), 1,8 % Rumänen; Religionszugehörigkeit: ca. 90 % orthodoxe Christen (russisch-orthodox und griechisch-orthodox), kleinere Gemeinden von Katholiken, Protestanten (v. a. Baptisten) und Juden sowie Zeugen Jehovas.
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Hauptstadt und größere Städte (Einwohnerzahlen 2005): | Chişinău (593.800), Tiraspol (156.100), Bălţi (122.700), Tighina (95.900), Rîbniţa (53.648 [2004]), Cahul (35.500), Soroca (35.000), Ungheni (32.700).
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Währung: | 1 Moldau-Leu (MDL) = 100 Bani |
Wappen: | Eingoldener Adler mit einem goldenen Kreuz im Schnabel und einem rot-blau geteilten Brustschild, auf dem die Symbole Moldaus und Bessarabiens – ein Auerochsen-Kopf, ein 8-strahliger Stern, Mond und Rose – abgebildet sind. Der Adler hält in seinen Krallen einen Olivenzweig und ein Zepter.
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Flagge: | 3 vertikale Balken (blau, gold, rot) mit dem Landeswappen auf dem Mittelbalken.
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Hymne: | Limba Noastră („Unsere Sprache“), Text von Alexei Mateevici (1888-1917), Musik von Alexandru Cristea (1890-1942). Nur fünf von zwölf Strophen werden als Hymne gesungen.
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Feiertage: | Staatliche Feiertage: 1. Januar (Neujahr), 8. März (Internationaler Frauentag), 1. Mai (Tag der Arbeit), 9. Mai („Tag des Sieges“, Ziua Victoriei), 27. August („Tag der Unabhängigkeit“, Zia Independenţei), 31. August („Tag der Sprache“, Limba Noastră), 8.–9. Oktober („Weinfest“, Ziua Naţională a Vinului) ; sonstige Feiertage: 7. Januar (orthodoxe Weihnachten), orthodoxer Ostermontag (beweglich), 25. Dezember (katholische Weihnachten).
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Zeit: | Osteuropäische Zeit |
Staatssprache: | Moldauisch |
Staatsform: | Republik |
Staatsoberhaupt: | Präsident (derzeit Vladimir Voronin) |
Regierungschef: | Ministerpräsident (derzeit Vasile Tarlev) |
Politische Parteien: | Partidul Alianţa «Moldova Noastră» (PAMN, „Allianz Unser Moldau“); Partidul Comunistilor din Republica Moldova (PCRM, „Kommunistische Partei der Republik Moldau); Partidul Democrat din Moldova (PDM, „Demokratische Partei Moldaus”), Partidul Popular Crestin-Democrat (PPCD, „Christlich-Demokratische Volkspartei“); Partidul Social-Liberal (PSL, „Sozialliberale Partei“).
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Bruttoinlandsprodukt (2004): | 2,595 Mrd. US-Dollar; pro Kopf der Bevölkerung: 710 US-Dollar (ohne Transnistrien). |
Bruttosozialprodukt (2004): | 2,507 Mrd. US-Dollar; pro Kopf der Bevölkerung: 687 US-Dollar (ohne Transnistrien). |
Auslandsverschuldung (2004): | 1,973 Mrd. US-Dollar. |
Außenhandel (2004): | Import: 1774,2 Mrd. US-Dollar: Hauptlieferländer: 24,6 % Ukraine, 12,2 % Russland, 9,3 % Rumänien, 8,5 % Deutschland, 7,5 %; Export: 986,3 Mrd. US-Dollar; Hauptabnehmerstaaten: 35,8 % Russland, 13,9 % Italien, 10,0 % Rumänien, 7,3 % Deutschland, 6,6 % Ukraine.
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Mitgliedschaften: | Eurasian Economic Community (EURASEC), Europarat, European Bank for Reconstruction and Development (EBRD), GUS, Internationale Atomenergie-Organisation (IAEO), International Development Association (IDA), International Finance Corporation (IFC), International Labour Organization (ILO), International Monetary Fund (IMF), Interpol, IOC, OSZE, UNO, UNESCO, UNIDO, Weltbank, WHO, World Trade Organisation (WTO).
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Anmerkung der Redaktion: Stand der statistischen Angaben ist, wenn nicht anders vermerkt, das Publikationsdatum des Artikels.
2 Geographie
2.1 Naturraum
M. umfasst den größten Teil des früheren Bessarabiens auf dem rechten und etwa die Hälfte der früheren Moldawischen ASSR auf dem linken Dnjestrufer. Im äußersten Süden grenzt M. an die Donau. Das zwischen Pruth (Grenzfluss zu Rumänien) und Dnjestr gelegene nach Süden geneigte „Moldauhügelland“ (Codru) ist flachwellig und von zahlreichen Wasserläufen und kleinen Erosionsschluchten (Ovragi) zerteilt, bestehend aus sedimentärem Gestein. Der Norden des Landes ist dominiert von Hügeln (bis 388 m ü. d. M.). In Zentralmoldau sind Kodren die höchsten Erhebungen (Dealul Bălăneşti, 429 m). Der Süden mit Bugeac und dem Flachland am unteren Dnjestr erhebt sich bis kaum 200 m ü. d. M. Östlich des Flusses Dnjestr liegen in der autonomen Region Transnistrien Hügel (bis 275 m ü. d. M.) als Teil der Podolischen Platte. M. ist erdbebengefährdetes Gebiet.
Der am Mittel- und Unterlauf schiffbare Dnjestr und der im Unterlauf schiffbare Pruth sind die größten Flüsse des Landes. Beide entspringen in den Karpaten und entwässern die Region zum Schwarzen Meer hin. In ihnen liegen 92 % des gesamten nutzbaren Wasserangebotes M.s. Aus dem Dnjestr werden große Mengen zur Bewässerung entnommen, was zu Umweltproblemen führt. Die größten Seen sind durch Staumaßnahmen entstanden: die Stauseen von Stinca-Costeşti am Pruth (Fläche 92 km²) sowie die von Dubăsari (67,5 km²) und Cuciurgan (28 km²) am Dnjestr.
Das Klima ist gemäßigt kontinental mit relativ kurzen, schneearmen Wintern und langen, warmen und trockenen Sommern. Atlantische Luftmassen aus dem Westen, mediterrane aus Südwesten und kontinentale aus Nordosten prägen das Wetter. Die durchschnittliche Temperatur im Juli liegt zwischen 19,5 °C im Norden und 22,5 °C im Süden. Das Mittel im Januar erreicht –5 °C im Norden und –2,5 °C im Süden. Etwa 70 % der jährlichen Niederschlagsmengen fallen in den Monaten April bis September, das Maximum der 500–600 mm im Norden und in der Mitte, unter 450 mm im Süden und 350–400 mm im Südosten fällt in den Monaten Mai und Juni.
Bedeckten früher Wälder aus Eichen und Buchen die höheren Lagen des Hügellandes sowie Waldsteppe mit Gräsern, Büschen und niedrigwüchsigen Bäumen die niedrigeren Lagen ca. 25 % des Landes, so sind es heute durch Erosion und Abholzung nur noch 12,4 %. Die Wälder konzentrieren sich auf die höher gelegenen, niederschlagsreicheren Gebiete, v. a. im „Zentralmoldauischen Hügelland“. Waldsteppe ist ein Charakteristikum der hügeligen Ebenen um Bălţi, am mittleren und unteren Pruth, der „Südmoldauischen Ebene“ und der Podolischen Platte. Kulturpflanzen (Getreide, Zuckerrüben, Sonnenblumen, Weintrauben, Obst und Tabak) haben in den vergangenen 150 Jahren die natürliche Steppe zum größten Teil verdrängt. Fruchtbarer Schwarzerdeboden bedeckt ca. 85 % des Staatsgebietes. In den Jahren 1971–93 wurden fünf Naturschutzgebiete eingerichtet. Die Artenvielfalt beruht jedoch v. a. auf die Abgeschiedenheit und Unzugänglichkeit mancher höheren Gebirgslagen, in denen u. a. Wölfe, Luchse, Gämsen, Steinböcke und Braunbären stabile Bestände bilden. Im südwestlichen Seengebiet des Landes ist v. a. die Vogelwelt artenreich entwickelt.
M. verfügt über wenige Bodenschätze. Es sind Kalkstein, Gips, Quarzsand, Ton. vorhanden. Fossile Brennstoffe wie Braunkohle und Erdöl sowie Eisenerz sind nur in geringen, kommerziell unrentablen Mengen nachgewiesen. Nahezu alle benötigten Rohstoffe müssen importiert werden.
Im Agrarland M. entstanden Umweltschäden v. a. durch die Anwendung chemischer Düngemittel in den sowjetischen Kolchosbetrieben durch die intensiv betriebene Landwirtschaft. Dies hat zu großflächigen Boden- und Wasservergiftungen geführt. Große Teile der Ackerfläche sind von Bodenerosion bedroht und Erdrutschen gehören zu den häufigsten Naturkatastrophen.
2.2 Bevölkerung
Die Einwohnerzahl M.s sank von 4.366.300 Einwohnern 1990 auf 3.941.500 im Jahr 2004. Bei der letzten Volkszählung im Oktober 2004, die nicht in Transnistrien durchgeführt wurde, stellten die Moldauer mit 78,2 % die Mehrheit, gefolgt von Ukrainern (8,4 %), Russen (5,8 %), christlichen Gagausen (4,4 %), Bulgaren (1,9 %) und Angehörige anderer Nationalitäten (1,3 %). Die Moldauer siedeln überwiegend im ländlichen Raum in Dörfern mit einer Durchschnittsgröße von ca. 1400 Einwohnern, die Russen dominieren in den städtischen Siedlungen. In Transnistrien wurde im Dezember 2004 eine eigene Volkszählung durchgeführt. Von den 555.347 Einwohner bilden zwar die Moldauer mit 31,9 % die größte Volksgruppe, doch die slawische Bevölkerung, v. a. Russen (30,3 %) und Ukrainer (28,9 %) bilden eine Bevölkerungsmehrheit. Auf dem rechten Ufer, d. h. im alten Bessarabien sind die Bulgaren und Gagausen im Süden, die Ukrainer eher im Norden zu finden. Die Verstädterungsrate im von der Zentralregierung kontrollierten Territorium ist mit 43 % noch relativ gering. Mit 116,5 Einwohnern je km² zählt M. zu den Ländern mit der größten Bevölkerungsdichte in Osteuropa. Dabei ist diese besonders in Transnistrien (155,7 Einwohnern/km²) hoch. 2004 lag das natürliche Bevölkerungswachstum im von der Zentralregierung kontrollierten Territorium bei 0,18. Auf 1000 Einwohner kommen 15,27 Geburten. Die durchschnittliche Lebenserwartung liegt für Frauen bei 69,4 Jahren, bei Männern bei 60,9 Jahren.
Im Zuge der Unabhängigkeitsbewegung wurde 1989 beschlossen, das Rumänische in lateinischer Schreibweise als Staatssprache einzuführen. In Transnistrien wurde das kyrillische Alphabet beibehalten. Amtsprachen sind außerdem noch Russisch und Gagausisch. Im gesamten Land ist Russisch noch sehr verbreitet und wird von einem Großteil der Bevölkerung aktiv gebraucht.
In der Verfassung wird Religionsfreiheit garantiert. Die staatliche Religionspolitik beruht auf dem 1992 verabschiedeten Religionsgesetz mit Änderungen von 1999. Die Religionsgemeinschaften müssen sich staatlich registrieren lassen. Religiöse Tätigkeit, die den Schutz der Verfassung beanspruchen kann, wird nur in diesen staatlich registrierten Gemeinschaften zugelassen. Die orthodoxe Kirche, der nach staatlichen Angaben mit geschätzten 3,5 Mio. Gläubigen rund 90 % der Bevölkerung (darunter auch die Gagausen) zugerechnet werden, nimmt im öffentlichen Leben eine herausgehobene Stellung ein. Bis zur Eingliederung Bessarabiens in die UdSSR war die moldauische orthodoxe Kirche Teil der rumänischen Kirchenorganisation (Eparhia Chişinăului şi Moldovei) und wurde dann dem Moskauer Patriarchat unterstellt. Am 20.12.1992 richtete das rumänische Patriarchat, den Protesten des Moskauer Patriarchats zum Trotz, wieder eine Metropolie für Bessarabien und die Bukowina mit ca. 1 Mio. Gläubigen ein. Die Regierung verweigerte dieser „neuen“ Kirche die Anerkennung. Nach Ausschöpfung des nationalen Rechtsweges wandte sich die „Bessarabische Kirche“ (Mitropolia Basarabiei şi Exarhatul Plaiurilor) an den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte, der am 13.12.2001 die Nichtanerkennung als unvereinbar mit den Rechtsprinzipien der Religions- und Versammlungsfreiheit verurteilte. Auch wenn sich die kommunistische Führung M.s der Haltung des Moskauer Patriarchats anschloss, wurde aus dem Wunsch der Regierung M.s heraus, zu Europa zu gehören, die „Bessarabische Kirche“ anerkannt. Die rund 20.000 katholischen Christen (überwiegend Polen) haben seit 2001 das exemte Bistum Chişinău. Die Protestanten, die sich seit 1990 in Gemeinden und Gruppen organisieren (Baptisten, Adventisten, Pfingstler), zählen mehrere Tausend Mitglieder. Die jüdische Gemeinde hat rd. 25.000 Mitglieder. Die muslimische Minderheit wird vor allem durch die in der Sowjetzeit in M. angesiedelten Tataren repräsentiert.
2.3 Staat und Gesellschaft
Am 28.8.1994 trat die Verfassung M.s in Kraft, im Jahr 2000 wurde sie revidiert. Nach dieser Verfassung ist M. eine Republik mit Mehrparteiensystem. Der Präsident hat verfassungsrechtlich eine starke Stellung, was 2000 teilweise berichtigt wurde. Die Verfassung garantiert die Grundrechte nach den internationalen Menschenrechtsstandards, was jedoch nicht immer und überall durchgesetzt wird.
Die offiziellen Amtssprachen M.s sind Moldauisch, Russisch und Gagausisch. Die nicht-anerkannten Republik Transnistrien entzieht sich nahezu vollständig der Souveränität M.s und verfügt über eigene Staatsinstitutionen sowie eine Währung (die transnistrische Rubel) und eine Hymne: My slavim Tjebjy, Pridnestrovʹje („Wir huldigen Dir, Transnistrien“). Die christliche, türksprachige Minderheit der Gagausen im Süden erhielt im Rahmen der Bestimmungen zum Schutz der nationalen Minderheiten v. a. eine weit reichende Territorialautonomie. Nach der Verfassung von 1994 wird der Präsident als Staatsoberhaupt für fünf Jahre direkt vom Volk gewählt. Einmalige Wiederwahl ist möglich. Nach der Verfassungsänderung des Jahres 2000 wählt das Parlament den Präsidenten mit einer Mehrheit von 61 der 101 Stimmen. Der Präsident ist Oberbefehlshaber der Streitkräfte, er hat die Notstandsgewalt inne und im Gesetzgebungsverfahren ein Initiativ- und Vetorecht.
Oberstes Gesetz gebendes Organ ist das Parlament. Die 101 Abgeordnetensitze stehen alle vier Jahre zur Wahl. Es gilt eine Sperrklausel von 6 % für Parteien und Wahlbündnisse. Der Regierung unter dem Vorsitz des Ministerpräsidenten obliegt die Exekutivgewalt. Der Ministerpräsident wird vom Staatspräsidenten designiert und muss dem Parlament innerhalb von 15 Tagen sein Regierungsprogramm und die Kabinettsliste vorlegen. Nach erfolgreicher Vertrauensabstimmung im Parlament, bei der die Mehrheit aller Abgeordneten benötigt wird, wird die Regierung vom Staatspräsidenten ernannt. Der Präsident kann das Parlament auflösen, wenn in zwei Vertrauensabstimmungen ohne das nötige Quorum keine Regierung gewählt wird. Ein Misstrauensvotum kann im Parlament nur mit absoluter Mehrheit ausgesprochen werden. Ist das der Fall, muss die Regierung zurücktreten. Bei den letzten Wahlen zum Parlament am 6.3.2005 erhielten PCRM 46 % (= 56 Sitze), ein Block (28,5 % oder 34 Sitze) gebildet aus PAMN (23), PDM (8) und PSL (3) sowie PPCD 9,1 % (= 11 Sitze). Andere Parteien vereinigten insgesamt 16,4 % der Stimmen auf sich, scheiterten aber an der 6 %-Hürde.
Seit 1995 existiert ein Verfassungsgericht, für das das Parlament, der Präsident und der Oberste Justizrat jeweils zwei Richter für sechs Jahre benennen. Eine Verfassungsbeschwerde ist nicht vorgesehen. Die ordentliche Gerichtsbarkeit für Zivil-, Straf- und Verwaltungsangelegenheiten besteht aus Tribunalen, dem Appellationsgericht und dem Obersten Gericht. Für handelsrechtliche Streitigkeiten besteht eine gesonderte Wirtschaftsgerichtsbarkeit. Die Richter am Obersten Gericht werden vom Parlament auf Vorschlag des Obersten Justizrates gewählt. Der Oberste Justizrat ist ein Selbstverwaltungsorgan der Recht sprechenden Gewalt. Er besteht aus elf Mitgliedern, von denen jeweils drei von den Richtern des Obersten Gerichts aus dem Kreis der Richter und vom Parlament aus dem Kreis der Juraprofessoren des Landes für fünf Jahre gewählt werden; von Amts wegen gehören dem Justizrat der Justizminister, die Präsidenten des Obersten Gerichts, des Appellationsgerichts und der Wirtschaftsgerichtsbarkeit sowie der Generalstaatsanwalt an. Die Staatsanwaltschaft ist eine eigenständige Behörde, die auch die allgemeine Gesetzlichkeitsaufsicht über die Verwaltung ausübt.
Die Bevölkerung bringt der Gerichtsbarkeit auf allen Ebenen kein großes Vertrauen entgegen, da sich immer wieder die regierenden Parteien in den Justizbereich eingemischt haben. Auch fehlte es den Parteien seit der Unabhängigkeit am politischen Willen, eine wirklich unabhängige juridische Kontrollinstanz ihres politischen Handels zuzulassen und aufzubauen.
Nach der Unabhängigkeit 1991 wurde mit dem Aufbau einer Armee mit einer Wehrpflicht von 18 Monaten in einer Stärke von etwa 12.000 Mann begonnen. Die Nationalgarde mit 4000 Mann untersteht dem Innenministerium. Die Gagausen bauten paramilitärische Einheiten auf. Die Ausrüstung der Streitkräfte darf nach dem „Vertrag über Konventionelle Streitkräfte in Europa“ (VKSE) 210 Kampfpanzer, 250 Artilleriegeschütze, 50 Kampfflugzeuge und 50 Kampfhubschrauber umfassen. Aus Kostengründen unterhält M. seit 1997 keine Luftwaffe mehr, jedoch besteht mit Russland ein Vertrag über eine Zusammenarbeit in der Luftverteidigung. Die unter GUS-Oberbefehl stehende 14. Russische Armee sollte bis 1998 mit 8000 Mann stationiert bleiben. Trotz Bemühungen der OSZE und im Widerspruch zur Verfassung ist der Abzug der Truppen und vor allem die Räumung der Waffendepots in Transnistrien bislang nicht abgeschlossen. Seit 1994 ist M. Mitglied der Partnerschaft für den Frieden der NATO.
Die moldauische Parteienlandschaft gliedert sich in Parteien und Wahlbündnisse. Die Kommunisten (PCM) waren von 1991–94 verboten. Die 1989 gegründete nationalkonservative „Moldauische Volksfront“ (Frontul Popular Moldovenesc) war der Vorläufer für die Christdemokraten (PPDM). Die 1995 gegründete liberale Partei PDM ist im eher rechten Spektrum der Parteienlandschaft zu finden. Auf der eher linken Seite stehen die im Juli 2003 gegründete sozialliberale Partei AMN und die PSL.
M. hatte zwischen 1998 und Februar 2003 9 Landkreise (judeţi), 1 kreisfreie Stadt (Chişinău) sowie die Territorien Gagausien und Transnistrien, seither sind 32 Distrikte (raioni), 3 kreisfreie Städte (Chişinău, Bălţi und Tighina) und die autonomen Regionen Gagauz Yeri und Transnistrische Moldauische Republik eingerichtet. Vom Volk direkt gewählte Räte bilden die kommunalen Beschlussorgane in Selbstverwaltungsangelegenheiten der Städte und Gemeinden. Die Bürgermeister, die auch direkt vom Volk gewählt werden, sitzen der örtlichen Verwaltung vor. Die im Südwesten des Landes siedelnden Gagausen haben seit Anfang 1995 einen weit reichenden Autonomiestatus mit einer gesetzgebenden Versammlung und einem Exekutivrat. Die russischen und ukrainischen Bevölkerungsgruppen haben seit 1992 des Status einer nationalen Minderheit. In Transnistrien versucht die OSZE seit 1993 ohne große Erfolgsaussichten, in Verhandlungen über den Status dieser Region zu vermitteln.
2.4 Wirtschaft
Die Wirtschaft in M. konzentriert sich auf die Wein- und Tabakproduktion sowie den Obstanbau und erwirtschaftet damit ein Bruttosozialprodukt (BIP) von 463 US-Dollar pro Einwohner (2003; 1510 US-Dollar nach Kaufkraftparität). Alle GUS-Republiken und damit auch M. haben erhebliche Schwierigkeiten mit der Transformation von der zentralen Planwirtschaft zur Marktwirtschaft. Zu Beginn half die Unterstützung des Internationalen Währungsfonds (IWF), den Zusammenbruch der Wirtschaft zu verlangsamen. Bis 2001 waren Industrie- und Agrarproduktion noch rückläufig und vor allem die Landwirtschaft hatte unter ungünstigen Witterungsbedingungen zu leiden. Das BIP lag auch 2003 noch bei der Hälfte des Höchststandes von 1990 (nach Kaufkraftparität), trotz einer erheblichen Steigungsrate in den 2000er Jahren: 2002 um 7,8 %, 2003 um 6,3 %. Die hohen Schulden bei Russland für die Energieimporte (2003 ca. 16 % des BSP) wirken sich immer noch negativ aus. Die Wirtschaft in Transnistrien entwickelt sich getrennt von der auf dem rechten Dnjestr-Ufer und hemmt die Gesamtentwicklung erheblich. Dort wird das BIP 2003 auf 309 Mio. US-Dollar und auf 496 US-Dollar pro Kopf geschätzt. Dies ist auch dem Einfluss der massiv kriminalisierten Wirtschaft geschuldet. Die Staatsverschuldung betrug 1996 etwa 70 Mio. US-Dollar. Nach 1990 war das Realeinkommen der Bevölkerung stark abgesunken. Nach der Unabhängigkeit gab es eine stürmische Inflation, doch konnte diese Rate (1993: 2707 %) ab Ende 1993 mit Verlassen der Rubel-Zone und der Einführung des Moldau-Leu reduziert werden: 1996 lag sie bei nur noch 15,1 %, 2004 allerdings immer noch bei 12,5 %. 2002 erwirtschaftete der Privatsektor ca. 50 % des BIP, etwa 10 % weniger als noch 2000. Die direkten Auslandsinvestitionen beliefen sich Ende 2003 auf 39 Mio. US-$, d.h. 25,- US-$ je Einwohner. Die offiziellen Arbeitslosenzahlen schwanken seit einigen Jahren zwischen 6 % und 9 %. 2002 lebten 40 % der Bevölkerung unterhalb der Armutsgrenze. Wegen der hohen Auslandsschulden, einer Schieflage der Leistungsbilanz, schrumpfender Sozialleistungen, Schwarzmarktwirtschaft und Korruption gilt das Wirtschaftswachstum der letzten Jahre weniger als makroökonomisch nachhaltig denn als konjunkturell.
Sektoren (2002) | Anteil BSP | Anteil der Beschäftigten | davon Privatwirtschaft |
Landbau/Forst | 21 % | 50 % | 98 % |
Industrie/Bau | 20 % | 15 % | 60 % |
Dienstleistung | 46 % | 36 % | 41 % |
Quelle EBRD, Transition Report 2005
Es ist eine enorme Zunahme der Schatten- und Kriminalwirtschaft zu beobachten, bedingt durch die Nähe der von Transnistrien und die (il)legale Migration bzw. Verschleppung vieler tausender Moldauer ins europäische Ausland und ihre finanzielle Unterstützung ihrer Familien in M., die auf mehrere Hundert Mio. Euro pro Jahr und ein Viertel des BSP geschätzt wird.
Das milde Klima und die fruchtbaren Böden sind günstige Voraussetzungen für die landwirtschaftliche Produktion. Von der Gesamtfläche M.s werden mehr als 90 % für landwirtschaftliche Zwecke genutzt, einer der höchsten Werte weltweit. Eine Erneuerung des Maschinenparks ist auf Grund der fehlenden Investitionsmittel noch nicht möglich. Mehr als 300.000 Hektar der Anbaufläche werden künstlich bewässert. Wein- und Obstbau mit der Produktion von Äpfeln, Pfirsichen, Aprikosen, Pflaumen und Kirschen sind die ertragreichsten Zweige der Landwirtschaft. Die Feldproduktion konzentriert sich auf den Anbau von Getreide (v. a. Weizen und Mais), von Tabak, Zuckerrüben, Sonnenblumen, Gemüse und Aromapflanzen. Die Viehwirtschaft nutzt die Produkte des Futterpflanzenanbaus für die Rinderzucht, aber auch Schweine-, Schaf- und Pferdehaltung werden betrieben. Der Privatbesitz von Ackerland ist seit 1991 wieder möglich. Auch wenn nur 55 % des Agrarlandes in Privatbesitz sind, so liegt nach einem schleppenden Anfang die Agrarproduktion heute vorwiegend in privaten Händen. Ohne eigene Vorkommen an fossilen Brennstoffen ist M. fast vollständig auf Energie- und Brennstoffimporte angewiesen. Hauptlieferant ist Russland. Das Wärmegroßkraftwerk Ciciurgan (russ. Dnestrovsk) ist mit 80 % der im Land erzeugten Elektroenergie der größte Versorger. Vom Dnjestr liefern zwei Wasserkraftwerke ihren Strom ins nationale Netz.
Die Industrieproduktion wurde in den letzten Jahren erheblich erweitert. Das verarbeitende Gewerbe greift auf die im Lande erzeugten Agrarprodukte zu, die Lebensmittelindustrie ist die wichtigste Stütze dieses Industriezweiges. Die Herstellung von Wein, Obst- und Gemüsekonserven, Zucker, Sonnenblumenöl sowie die Verarbeitung von Tabak sind die wichtigsten Bereiche der Verarbeitung. Weiter wichtig sind Maschinen- (besonders Landmaschinen-) und Traktorenbau, Metallverarbeitung, elektrotechnische Industrie und Textilindustrie. Die Industrie konzentriert sich auf die Standorte Chişinău, das Gebiet um Tiraspol–Tighina und Balţi. Das Zentrum der Schwerindustrie (ein Elektro- und ein Walzwerk) befindet sich in Rîbniţa.
Das Eisenbahnnetz hat eine Länge von 1138 km, das Straßennetz ist 12.719 km lang. Die wichtigsten Verkehrsknotenpunkte sind Tighina, Ungheni, Chişinău und Ocniţa. Das wichtigste Verkehrsmittel sind die Überlandbusse. Die Binnenschifffahrt kann, obwohl unbedeutend, 424 km Wasserstraßen, v. a. auf dem Dnjestr nutzen. Bei Giurgiuleşti gibt es eine enge Ausfahrt zur Donau (500 m), ein Hafen mit einem Terminal für Erdöltanker ist geplant. Die nationale Fluggesellschaft ›Air Moldova‹ ist am internationalen Flughafen (341.585 Passagiere 2003) liegt nahe der Hauptstadt Chişinău.
2.5 Bildung und Kultur
Das ca. 1700 allgemein bildende Schulen umfassende Schulsystem ist dreistufig. An die vierjährige Grundschule schließt sich ein zweistufiger Sekundarbereich an. Die Schulpflicht ab dem 6. Lebensjahr umfasst die Grundschule und die fünfjährige Unterstufe der Sekundarschule. In der Oberstufe der Sekundarstufe stehen zwei Abschlussarten zur Verfügung: die allgemeine Hochschulreife (nach zwei Jahren) und das Bakkalaureat (unterster akademischer Grad, nach drei Jahren). Die industriell-gewerbliche Ausbildung erfolgt in Berufsschulen. Die wichtigsten Pfeiler des Hochschulwesens sind die staatliche (Universitatea de Stat din Moldova, gegründet 1946) und die technische Universität (Universitatea Tehnica a Moldovei, gegründet 1964), beide in Chişinău. Weiterhin gibt es über 30 höhere, z. T. deutschen Fachhochschulen vergleichbare Bildungseinrichtungen, davon einige in privater Trägerschaft. Die staatliche Bildungspolitik untersteht dem Ministerium für Bildung und Wissenschaft. Den nationalen Minderheiten steht Schulunterricht in ihrer jeweiligen Muttersprache zu. Gagausien hat, wie im Autonomiestatut von 1994 festgelegt, ein eigenes Schulsystem mit Gagausisch als Unterrichtssprache eingerichtet.
Die Lage der Massenmedien, v. a. der Presse, leidet unter der Sprachenfrage, auch wenn der Anteil der Publikationen in Moldauisch seit 1990 gestiegen ist. Immer mehr dieser Medien gehen dazu über, die lateinische Schrift zu benutzen. Die wichtigsten moldauischsprachigen Tageszeitungen sind die Regierungszeitung ›Moldova Suverana‹ („Unabhängiges Moldau“), die Parteizeitung der christlich-demokratischen PPCD ›Tara‹ („Land“), ›Saptamîna‹ („Woche“), ›Flux‹ („Flut“), ›Jurnal de Chişinău‹ und ›Contrafort‹ („Pfeiler“), auf russisch erscheinen ›Kischinevskije Novosti‹ („Kischinewer Zeitung“) und ›Nezavisimaja Moldova‹(„Unabhängiges Moldau“).
In Chişinău sind die Nachrichtenagenturen ›Moldpres‹ (staatlich), ›Interlic News Agency‹, ›Infotag News Agency‹, ›Moldovan Information and Advertising Agency‹, ›BASApress‹ und ›Deca Press‹ (unabhängig) beheimatet.
Die staatliche Hörfunk- und Fernsehstation in Chişinău wurde 1994 aufgelöst. Als öffentlich-rechtliche Anstalt ›Teleradio-Moldova‹ neu gegründet (1994) wird sie jedoch weiterhin staatlich unterstützt und beeinflusst. Das Programm wird auf Moldauisch und Russisch ausgestrahlt. Daneben gibt es noch einige private regionale und lokale Fernsehsender wie ›Catalan TV‹, ›Stil-TV‹, ›Pro-TV‹ und ›TV-Dixi‹. Der öffentlich-rechtliche Hörfunksender Radio Chişinău hat zahlreiche private Konkurrenten um die Hörer, u. a. die kommerziellen Musiksender ›Hit FM‹, ›Antena C‹, ›Radio Nova‹, ›Radio Unda Libera‹, ›PoliDisc‹ und den religiösen Sender ›The Little Samaritan‹.
Fußball, Tennis, Basketball und Kampfsport sind die wichtigsten Sportarten in Moldau. Für die wichtigsten Sportdisziplinen existieren ca. 30 nationale Dachverbände, wobei Kampfsporten besonders stark vertreten sind, von Boxen bis martial arts. In der ersten Fußballliga des Moldauischen Fußballbundes (Fundaţia Moldovenească de Futbol) spielen ›Sheriff‹ und ›Tiras‹ aus Tiraspol sowie ›Dacia‹ und ›Zimbur‹ aus Chişinău die Hauptrollen.
3 Kulturgeschichte
Die Geschichte M.s als eigenständigem Staat beginnt mit der Loslösung von der Sowjetunion 1991, es ist jedoch ein Gebiet mit alter Kultur und Besiedlung. Das Land zwischen dem Schwarzen Meer, Pruth und Dnjestr wurde in der Antike von „Geten“ (griech. Getai) und Dakern bewohnt. Ihre wichtigsten Siedlungen diesseits des Pruth waren Bălţi, Căušani, Stolniceni und Siroca. Das Römische Reich dehnte seinen Herrschaftsbereich vom 2. bis zum 4. Jh. bis in die südlichen Gebiete aus, so dass es einen Zugang zu dem unter römischer Oberhoheit stehenden Bosporanischen Reich am Asowschen Meer und auf der Krim hatte. Die Romanisierung begann in dieser Zeit. Bereits im 6. Jh. v. Chr. hatten griechische Kolonisten aus Milet an der Mündung des Dnjestr die Stadt Tyras (heute ukrain. Bilhorod-Dnistrovsʹkyj) gegründet. Der Dakerkönig Burebista eroberte Tyras um 55 v. Chr. und gliederte die Stadt in sein Reich ein. Die Geschichte des gesamten ersten Jahrtausend ist eine Geschichte von Völkerbewegungen: Sarmaten, Goten, Hunnen, Awaren, Slawen, Bulgaren, Magyaren, Petschenegen, Kumanen u. a. hinterließen ihre Spuren. Vom Mongoleneinfall von 1241 an herrschte die Goldene Horde. Von 1390 an dehnte sich das im 14. Jh. im Osten der Karpaten gegründete Fürstentum Moldau bis zum Dnjestr und zum Schwarzen Meer aus. Das Osmanische Reich besetzte 1484 die befestigten Städte Chilia an der Donau und Cetatea Albă und beendete 1538 die Herrschaft des moldauischen Fürsten über Bender und den Süden Bessarabiens, während der Rest bis 1812 zur unter osmanischer Oberhoheit stehenden Moldau gehörte. Mit dem Frieden von Bukarest endete der Russisch-Türkische Krieg (1806–12). Als Ergebnis wurde die östliche Hälfte der Moldau, das Gebiet zwischen Pruth und Dnjestr (45.600 km mit rd. 500.000 Einwohnern, davon 86 % Rumänen) Russland zugeschlagen und der Name Bessarabien, der bisher nur den südlichen Teil des annektierten Territoriums umfasste, auf das gesamte Gebiet ausgeweitet. Im 19. Jh. wurden dort Russen, Ukrainer, Polen, Deutsche und Juden angesiedelt. Die Russifizierung wurde mit dem Verbot der rumänischen Sprache in den bessarabischen Schulen fortgesetzt. Mit dem Ende des Krimkrieges durch den Friedensvertrag von Paris 1856 wurden drei Kreise im Süden Bessarabiens nördlich der Donaumündung an das Fürstentum Moldau zurückgegeben, doch bereits auf dem Friedenskongress von Berlin 1878 setzte das Russische Reich die Rückkehr in seinen Machtbereich durch.
Die russische Februarrevolution war der Auslöser für die Proklamation der bessarabischen Autonomie im April 1917. Am 15.12.1917 wurde der Name „Moldauische Demokratische Republik“ beschlossen, am 24.1.1918 ihre Unabhängigkeit ausgerufen. Bereits am 9.4.1918 beschloss der Landesrat (Sfatul Ţării) in Chişinău die Vereinigung mit Rumänien, was aber von der Sowjetunion nicht anerkannt wurde. Die UdSSR gründete am 12.10.1924 östlich des Dnjestr, innerhalb der Ukrainischen SSR, die Moldauische Autonome Sozialistische Sowjetrepublik (MASSR), deren Hauptstadt 1929 Tiraspol wurde. Im geheimen Zusatzprotokoll des Hitler-Stalin-Paktes (23.8.1939) wurde auch über das Schicksal Bessarabiens beschlossen. Nach zwei Ultimaten an Rumänien vom 26. und 27.6.1940 besetzte die Sowjetunion bereits einen Tag später Bessarabien und die Nordbukowina. Dieser Prozess endete mit der Ausrufung der Moldauischen Sozialistische Sowjetrepublik (MSSR) als Teil der UdSSR, einem Zusammenschluss der Hälfte der MASSR und des größten Teils Bessarabiens am 2.8.1940. Hauptstadt wurde Chişinău. Ein Umsiedlungsvertrag zwischen Deutschland und der Sowjetunion bedeutete für 93.000 Bessarabiendeutsche das Ende ihrer Geschichte in diesem Landstrich. Die nicht der MSSR eingegliederten Gebiete Nordbukowina und die Kreise Hotin (heute ukrain. Chotyn) im Norden und Ismail (heute ukrain. Izmajil) und Cetatea Albă im Süden Bessarabiens wurden am 4.11.1940 durch einen Beschluss der Sowjetregierung in die Ukrainische Sozialistische Sowjetrepublik (USSR) eingegliedert. Mit dem Eintreten Rumäniens in den Krieg auf Seiten des Deutschen Reiches besetzte Rumänien seinerseits das Gebiet des heutigen M.s und gliederte es 1941–44 seinem Staatsgebiet ein. Transnistrien, d. h. die eroberten Gebiete jenseits des Dnjestr, wurde in Bukarest verwaltet, aber nicht in den rumänischen Staat eingegliedert. Wie überall im deutschen Einflussbereich während des Zweiten Weltkriegs wurde die jüdische Bevölkerung brutal verfolgt, deportiert und viele ermordet. Mit der Niederlage Rumäniens gegen die Rote Armee 1944 wurde die MSSR nahezu im alten Umfang wiederhergestellt, im Friedensvertrag von Paris (Februar 1947) erkannte Rumänien erneut ihre Eingliederung in die UdSSR an. Wieder veränderten Deportationen einheimischer Rumänen und die Zuwanderung von Russen und Ukrainern die Bevölkerungszahlen. Die Sowjetregierung drängte auf eine nachhaltige Russifizierung und erzwang eine Loslösung der Moldau vom Rumänentum. Stattdessen wurde im Rahmen der stalinistischen Nationalitätenpolitik die Herausbildung einer moldauischen Staatsnation gefördert.
Erst mit der unter M. S. Gorbatschow einsetzenden Perestroika kam von 1985 wieder politische Bewegung in die Region. Am 23.6.1990 erklärte M. innerhalb der UdSSR seine Unabhängigkeit. Bereits vorher war Rumänisch als Moldauisch zur Staatssprache erklärt worden (31.8.1989), das lateinische Alphabet ersetzte (außer in Transnistrien) das 1940 eingeführte kyrillische. Am 27.8.1991 beendete M. das sowjetische Kapitel seiner Geschichte und erklärte sich als unabhängiger Staat. Die Moldauer beriefen sich anfänglich auf die enge Bindung an Rumänien und strebten eine Wiedervereinigung an. Die gagausische Minderheit im Süden des Landes protestierte gegen diese Pläne und gründete bereits ein Jahr vor der Unabhängigkeitserklärung eine unabhängige gagausische Republik. Auch die russisch-ukrainische Minderheit auf dem Ostufer des Dnjestr proklamierte im September 1940 mit Unterstützung der dort stationierten 14. Russischen Armee eine unabhängige Republik.
Am 8.12.1991 wurden die ersten freien Präsidentschaftswahlen abgehalten, die gleichwohl von sezessionistischen Bevölkerungsgruppen der Russen, Ukrainern und Gagausen boykottiert wurden. Der seit 1990 amtierende Präsident Mircea Snegur wurde in diesen Wahlen bestätigt. 1994 wurde eine Verfassung verabschiedet, in der einer Vereinigung mit Rumänien eine endgültige Absage erteilt wurde und in der die Bildung autonomer Gebiete innerhalb des Staatsgebietes ermöglicht wurde. Die zweite Präsidentenwahl (1.12.1996) gewann der bisherige Parlamentspräsident Petru Lucinschi. Nach der Verfassungsänderung von 2001, die eine Wahl des Staatspräsidenten durch das Parlament und nicht mehr durch das Volk vorsah, wurde der Kommunist Vladimir Voronin Nachfolger von Lucinschi, nachdem seine Partei kurz vorher die dritten Parlamentswahlen gewonnen hatte. Voronin favorisierte enge Beziehungen M.s zu Russland und erklärte sich zu Gesprächen über einen Beitritt zur russisch-weißrussischen Union bereit, auch weil sein Land inzwischen als das ärmste in Europa galt. Bereits im November 2001 hatten Putin und Voronin ein Abkommen über Freundschaft und Zusammenarbeit unterzeichnet. Dieser russlandfreundliche Kurs rief vielfache Proteste hervor, v. a. als Anfang 2002 wieder ein Pflichtfach Russisch an den Schulen eingeführt wurde und dem Verfassungsgericht ein Gesetzentwurf vorgelegt wurde, wonach Russisch zweite Amtssprache werden sollte. Neben dieser verstärkten Ausrichtung auf Russland bemühte sich die kommunistische Führung M.s auch um einen Anschluss an Europa und versuchte, eine Besetzung dieses Themas durch die Opposition zu verhindern. Voronin strebte eine Aufnahme M.s in den EU Stabilisierungs- und Assoziierungsprozess für den Westbalkan an und hat die Nachbarschaftspolitik der EU dahingehend verfolgt, der Bevölkerung den Eindruck einer EU-Beitrittsperspektive zu vermitteln. Moldova ist seit 2001 Mitglied des Stabilitätspaktes für Südosteuropa und unterschrieb im Februar 2005 im Rahmen der Europäischen Nachbarschaftspolitik ein Aktionsplan mit Reformzielen.
Die ersten Mehrparteien-Parlamentswahlen fanden am 27.2.1994 statt und wurden von der „Agrardemokratischen Partei“ (Partidul Agrar din Moldova) gewonnen. Erster Ministerpräsident war bis Juli 1992 Valeriu Muravschi, sein Nachfolger Andrei Sangheli trat im Dezember 1996 zurück. Erst danach konnte der Wahlsieger von 1994, Ion Ciubuc, eine Regierung bilden. Die zweiten Parlamentswahlen im März 1998 gewann die erst seit Ende 1994 wieder zugelassene Kommunistische Partei mit 30,1 % aller Stimmen, doch Ministerpräsident Ciubuc führte auch weiterhin eine reformorientierte Koalitionsregierung. Die schwere Finanz- und Wirtschaftskrise führte im Februar 1999 zu seinem Rücktritt. Sein bisheriger Stellvertreter Ion Sturza vom Wahlbündnis „Für ein demokratisches und prosperierendes M.“ (Pentru o Moldovă Democratică şi Prosperă) übernahm die Regierung, wurde aber bereits im November 1999 durch ein Misstrauensvotum gestürzt. Fünfter Ministerpräsident in der noch jungen Geschichte M.s wurde im Dezember 1999 der parteilose Dumitru Braghiş. In seine Amtszeit fiel die Verabschiedung des die Verfassung ändernden Gesetzes zur künftigen Wahl des Staatspräsidenten durch das Parlament, gegen das Präsident Lucinschi vergeblich sein Veto eingelegt hatte. Die zweite Legislaturperiode endete nach nur zwei Jahren, Sieger wurde am 25.2.2001 erneut die Kommunistische Partei, die mit 50,2 % der Stimmen und 71 der 101 Parlamentssitze eine absolute Mehrheit erzielte. Neuer Ministerpräsident wurde der parteilose Vasile Tarlev. Die letzte Parlamentswahl wurde am 6.3.2005 abgehalten, die Kommunistische Partei blieb stärkste Partei.
M. ist Gründungsmitglied der GUS, am 21.12.1991 erfolgte die Unterzeichnung, erst am 8.4.1994 wurde sie vom moldauischen Parlament ratifiziert. Seit dem 2.3.1992 ist M. Mitglied der UNO, seit dem 13.7.1995 gehört das Land dem Europarat an. Die Europäische Konvention zum Schutz der Minderheiten wurde am 20.11.1996 vom moldauischen Parlament ratifiziert. Nach einem russisch-moldauischen Abkommen vom 10.8.1994 sollte die 14. Russische Armee Transnistrien innerhalb von drei Jahren verlassen, doch die Duma bestätigte dieses Abkommen zunächst nicht. M. unterzeichnete 1994 ein Abkommen über Partnerschaft und Zusammenarbeit mit der EU, doch erst am 1.7.1998 konnte dieses in Kraft treten.
Am 8.5.1997 schien sich die Lage Transnistriens zu klären, als der Staatspräsident Lucinschi und der Präsident der sezessionistischen Republik Transnistrien, Igor Smirnov, ein Memorandum unterzeichneten, in dem der Region am Ostufer des Dnjestr weitgehende Autonomie zugesichert wurde. Beide Politiker unterschrieben am 17.7.1999 eine Erklärung über das Ziel einer Normalisierung der bilateralen Beziehungen. Die OSZE hatte sich seitdem dieses Konfliktes angenommen. Im November 1993 hatte sie einen Vorschlag über die Föderalisierung des Staates vorgelegt. Die Verhandlungen über den Status Transnistriens und über den Abzug der dort stationierten russischen Truppen und das weitere Schicksal ihrer Militärdepots wird seither von den drei Konfliktparteien Chişinău, Tiraspol und Moskau in wechselnden Konstellationen blockiert oder verzögert. Ende 2003 legte Moskau den sog. „Kosak-Plan“ vor mit dem Ziel, die Pattstellung zugunsten Transnistrien aufzubrechen und Tiraspol die entscheidende Stimme in einem dann föderalisierten M. zu sichern.
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