Kilija
Kilija (russ./ukrain., gagaus. Kilij˙a, hist. Kilia, osman. Kili, rumän. hist. Chilia-Nouă)
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1 Geographie
K. liegt am linken Ufer des Kilija-Nebenarms (rumän. Braţul Chilia, russ. Kilijskoe girlo, ukrain. Kilijsʹko hyrlo), 50 km nordöstlich von Izmaïl, 21.805 Einwohner (2004). Im Kreis K. stellen nach den Ergebnissen der Volkszählung im Jahr 2001 Ukrainer (44,6 %) vor Russen (30,0 %) und Moldauer (15,8 %) die zahlreichsten Bevölkerungsgruppen. Des Weiteren leben in der Stadt u. a. Bulgaren (2,6 %) und Gaugasen (2,3 %). Die mittlere Temperatur beträgt im Januar –1,5 °C, im Juli 21,5 °C, die jährliche Niederschlagsmenge etwa 480 mm.
Das Dorf Chilia Veche befindet sich am rechten Ufer (Rumänien) und ist das Verwaltungszentrum der gleichnamigen Gemeinde im Kreis Tulcea.
2 Kulturgeschichte
Um 1318–23 wird K. erstmals am rechten Ufer des Flussarms K. urkundlich belegt. Die Ortschaft ist jedoch viel älter und spielte eine wichtige Rolle im byzantinischen Handel an der Donaumündung und im Norden des Schwarzen Meeres. Es handelt sich um Chilia Veche (u. a. auch mit Licostomo identifiziert), die auf einer Insel im Flussarm K. lag. 1337/38 wurde K. von den aus Kleinasien einfallenden Mongolen verwüstet. Die zwischenzeitlich genuesische Kolonie wurde Ende des 14. Jh. vom Bojaren Dobrotica und 1404 vom Fürsten Mircea I. cel Bătrân erobert und kontrolliert.
Das am linken Ufer der Donau liegende heutige K. wurde wahrscheinlich Ende des 14. Jh. – Anfang des 15. Jh. gegründet und von den Fürsten der Moldau (am linken Ufer) und der Walachei sowie von den Königen Ungarns beansprucht. 1415 gab es zwei gleichnamige Ortschaften am Kilija-Nebenarm. Der Fürst der Moldau herrschte über die Ortschaft an der linken Seite des Flussarms, während Chilia Veche vom Fürsten der Walachei verwaltet wurde. Die Festung K. am linken Ufer wurde 1479 vom moldauischen Fürsten Ştefan cel Mare errichtet. 1484 wurde sie von den Osmanen besetzt.
Nach dem Ende des 15. Jh. verlor Chilia Veche stets an strategischer Bedeutung, während K. zum Zentrum eines osmanischen Amtsbezirks wurde. Mit dem Beginn der osmanischen Verwaltung nahm auch die Zahl der Einwohner in K. bedeutend ab. Um 1570 lebten in K. und Chilia Veche 316 christliche Familien (Rumänen, Griechen, Italiener) neben osmanischen Soldaten und Verwaltungsbeamten. Im 18. Jh. sind in K. armenische und jüdische Händler belegt. 1774 wohnten in K. 280 Familien und in Chilia Veche ca. 100 Familien. Während der russisch-osmanischen Kriege Ende des 18. Jh. – Anfang des 19. Jh. wurde K. mehrmals von den russischen Truppen besetzt. Ab 1812 wurde K. zusammen mit ganz Bessarabien Teil des Russischen Zarenreichs. Die strategische und kommerzielle Bedeutung von K. wuchs in den 30er Jahren des 19. Jh. beträchtlich. In diesem Zeitraum datieren die ersten Veranstaltungen von Jahrmärkten (im Frühling und Herbst). In der ersten Hälfte des 19. Jh. dehnte sich K. besonders in die Richtung der nördlichen Steppe aus.
Während des Krimkrieges wurde die Stadt von der englisch-französischen Flotte beschossen. Als Folge des Pariser Friedens (1856) wurde K. zusammen mit Izmail Teil des Fürstentums Moldau. Anfang der 70er Jahren des 19. Jh. umfasste die Bevölkerung in K. 5324 Einwohner. 1878 kehrte K. von Rumänien zum Zarenreich zurück. Bei der Volkszählung 1897 wurden im Kreis K. 11.636 Einwohner (4555 Ukrainer; 2495 Moldauer/Rumänen; 2100 Russen; 2144 Juden; 2468 Bulgaren, „Zigeuner“, Gagausen, Armenier, Deutsche) registriert. In der zweiten Hälfte des 19. Jh. und Anfang des 20. Jh. spielte K. eine wichtige Rolle im russischen Handel auf der Donau. Durch den Hafen K. führte man besonders Getreide aus dem bessarabischen Markt aus. In diesem Zeitraum beschäftigten sich ca. 50 % der Stadtbewohner mit der Landwirtschaft, und es gab nur ca. 600 Handwerker. Eine wichtige Einkommensquelle war die Fischerei.
Im März 1918 geriet K. zusammen mit Bessarabien unter die rumänische Verwaltung. Zwischen 1918 und 1940 hieß K. auch Chilia-Nouă und war Teil des Kreises (judeţ) Ismail. K. war das Verwaltungszentrum des Distriktes Chilia-Nouă, der 23 Dörfer umfasste. Der Jahrmarkt vom 1.–15.11. stellte die Hauptattraktion für Bauern und Händler aus Südbessarabien dar. In der Zwischenkriegszeit wurden zahlreiche Betriebe gegründet. 1937 gab es in K. drei Bankinstitute, fünf Mühlen, zwei Ziegeleien, vier Bauholzwerke, ein Gymnasium, 13 Grundschulen, ein Krankenhaus und zwölf Ambulatorien. Im gleichen Jahr gab es in K. fünf orthodoxe Kirchen, eine altorthodoxe Kirche (lipowanisch), eine Pfarrei der Baptisten-Gemeinde und vier Synagogen. Bei der Volkszählung 1930 wurden in der Stadt K. 17.245 Einwohner (8652 Russen; 4470 Rumänen; 1952 Juden; 851 Ukrainer; 1320 Bulgaren, Deutsche, Armenier) und im Bezirk 37.150 E. registriert.
Nach der Annektierung Bessarabiens durch die UdSSR (28.6.1940) wurde K. zusammen mit dem Kreis Ismail Teil der SSR Ukraine (4.11.1940). Am 11. November 1940 wurde K. Verwaltungzentrum des gleichnamigen Bezirks, im Gebiet Akkerman (ab Dezember 1940 die Region Ismail). Gleichzeitig wurden dem Stadtrat K. sieben Grenzdörfer untergeordnet. In den ersten Wochen nach dem 22.6.1940 war die Region K. der Schauplatz blutiger Kämpfe zwischen den rumänischen und russischen Truppen. Die rumänische Armee traf in K. am 19.7.1940 ein. Während des Zweiten Weltkriegs spielte der Hafen K. eine wichtige Rolle in der Versorgung der deutschen und rumänischen Truppen, die sich in den besetzten Gebieten im Südwesten der UdSSR aufhielten. Die sowjetische Armee eroberte K. am 26.8.1944 zurück. Seit 1945 ist K. das Verwaltungszentrum des Kreises (Rayons) K. im Gebiet (Oblast’) Odessa. 1978 umfasste der Bezirk K. 1400 km², mit einer Bevölkerung von ca. 68.500 Einwohner, darunter ca. 32.000 auf dem Land. Wegen des schwierigen Wirtschaftslage nahm die Zahl der Bevölkerung in K. im letzten Jahrzehnt ab: 2004 lebten im Kreis nur 56.548 Einwohner. In K. gibt es z. Z. einen Hafen, eine Schiffswerft, ein Ölwerk, ein Werk für ätherische Öle, eine Weinabfüllfabrik und eine Fleischerei.
Čeredničenko A. P. u. a. (Hg.) 1978: Istorija gorodov i sel Ukrainskoj SSR v dvadcati šesti tomach. Odesskaja oblastʹ. Kiev, 476–491. Agrigoroaiei I., Palade Gh. (1993): Basarabia în cadrul României întregite: 1918–1940. Chişinău. Chirtoacă I. 1994: Cetatea Chilia. Destin românesc. Revistă de istorie şi cultură 2, 137–147.