Asowsches Meer
Asowsches Meer (altgriech. Maiōtis limnē, altruss. Sudakskoe bzw. Surožʹskoe more, latein. lacus bzw. palus Maeotis, russ. Azovskoe more, ukrain. Asovsʹkoe more).
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1 Geographie
Das A. M. ist ein Nebenmeer des Schwarzen Meeres, über die Straße von Kertsch mit diesem verbunden. Seine Fläche beträgt 38.000 km², seine mittlere Tiefe 8 m (die größte 14,5 m) und sein Wasservolumen 320 km³.
Die Ufer sind überwiegend flach, nur im Süden steil. Charakteristisch für sie sind Nehrungen, z. B. Arabatsʹka Strilka (ukrain.), Fedotova kosa (ukrain.), Berdjansʹka kosa (ukrain.), Ejskaja kosa (russ.), die flache Buchten, u. a. Syvaš (ukrain., auch: „Faules Meer“), Obytična zatoka (ukrain.) und Limane bilden. Einige davon sind durch schmale Zugänge mit dem Meer verbunden, andere durch sandige Anschwemmungen oder Sandinseln von ihm getrennt. Große offene Buchten sind: Taganrogskij zaliv (russ., ukrain. Taganrozʹka zatoka) im Nordwesten, Temrjukskij zaliv (russ.) im Südosten und Arabatsʹka zatoka (ukrain.) im Südwesten. Ins A. M. münden eine Reihe von Flüssen, die größten sind Don und Kubanʹ. Sie speisen das A. M. im Jahr mit 40 km³ Wasser. Der Grund des A. M. ist eben und besteht aus Sand, und Muschelkalk. Für den südöstlichen Teil des Meeres sind Schlammvulkane charakteristisch.
Es herrscht kontinentales Klima. Die Winter sind kalt und trocken, es treten starke nordöstliche und östliche Winde auf. Die mittleren Temperaturen im Januar/Februar liegen um –1 °C im Süden bis –6 °C im Norden, wobei die niedrigsten Werte um –30 °C liegen können. Die Sommer sind warm, feucht und windig. Die Durchschnittstemperatur im Juli liegt um 24 °C mit Spitzen bis 40 °C. Die jährliche Niederschlagsmenge reicht von 312 mm bis 528 mm. Die Wassertemperatur schwankt zwischen 0°C im Winter und 25–30 °C im Sommer. Der Salzgehalt beträgt im Durchschnitt 11 ‰, in den südlichen Teilen nur 2–4 ‰. Der mittlere Wasserspiegel des A. schwankt jährlich um bis zu 33 cm. Das zeitweise Absinken des Wasserspiegels hängt v. a. von den Winden ab und kann bis zu 5,5 m erreichen. Das A. friert 2–4 Monate im Jahr zu.
Die Fischressourcen sind bedeutend (Anschovis, Brasse, Hering, Kaulkopf, Kilka, Stör, Zährte, Zander u. a.). Das A. M. hat als Transportroute für Fracht- und Passagierschiffe große Bedeutung. Haupthäfen sind Mariupolʹ, Rostow am Don, Taganrog und Berdjansʹk. Im Frühjahr 2004 durchgeführte geologische Untersuchungen lassen größere Erdölvorkommen auf dem Grund des A. M.s vermuten.
2 Kulturgeschichte
Die moderne Bezeichnung des A. M. leitet sich von der Stadt Azov (russ.) ab. Die antiken Bezeichnungen Maiōtis limnē (griech.) und lacus oder palus Maeotis (latein., = Maiotischer bzw. Mäotischer See oder Sumpf) beziehen sich auf das antike Volk der „Maioten“ bzw. „Mäoten“, das im Altertum an den Ufern dieses Meeres lebte. Erkundet und kolonisiert wurde die Region des A. M. durch Griechen aus Milet. Sie gründeten in der ersten Hälfte des 6. Jh. v. Chr. Niederlassungen an den Ufern des Meeres, so im Süden Pantikapaion, das heutige Kerč, gegenüber der Landenge Phanagoreia und an der Mündung des Tanais (heute russ. Don) die Stadt Tanais. Diese Kolonien gehörten später zum Bosporanischen Königreich, das von ca. 5. Jh.–1. Jh. v. Chr. in der Region bestand und zeitweilig über die umwohnenden Stämme der Skythen, Sarmaten und „Maioten“ herrschte. In dieser Zeit verlief über das A. M. eine der Hauptrouten des griechischen Schwarzmeerhandels mit Sklaven, Pelzen, Fisch und Getreide im Tausch gegen Wein, Olivenöl und gewerbliche Erzeugnisse. In der Römerzeit schwand diese wichtige handelspolitische und kulturelle Bedeutung des Meeres.
Während der Völkerwanderung beherrschten nach den Goten mehrere steppennomadische Verbände (Hunnen, Awaren und die turkstämmigen Bulgaren) die Region. Im frühen Mittelalter gelangten die Normannen (Waräger) auf dem Weg durch das zentralrussische Flüssesystem auch ins A. M. und von dort über Don und Wolga ins Kaspische Meer. Vom 7.–10. Jh. gehörte das A. M. zum Einflussbereich des Chasarenreichs. Im 13. Jh. entstand an der Donmündung etwa an der Stelle der antiken Polis Tanais die Stadt Azaq (arab.-türk., ital. Tana, heute Azov), die zunächst der Goldenen Horde untertan war, dann ab Anfang des 14. Jh. Kolonie der Stadtrepublik Genua wurde, zu deren Besitzungen für fast 200 Jahre auch der südliche Teil der Krim (so auch die bedeutende Handelsstadt Sudak, von deren altrussischen Namen Surožʹ sich die Bezeichnung ›Surožʹskoe more‹ für das A. M. herleitet) und die Halbinsel Taman zählte. Über das A. M. lief ein bedeutender Handelsweg Richtung China. Azov wurde 1395 von Khan Timur zerstört, jedoch von den Genuesen wieder aufgebaut.
Im 15. Jh. geriet das A. M. unter osmanischen Einfluss. Um 1471 wurde Azov von den Osmanen erobert und zur Festung ausgebaut, um den Zugang zum A. M. Meer zu kontrollieren. Über 150 Jahre blieb diese Herrschaft unangefochten, bis die Stadt 1637 von Donkosaken eingenommen wurde, 1642 jedoch wieder an die Osmanen fiel. 1696 gelang es Russland unter Peter dem Großen, mit einer kombinierten Land-See-Operation Azov vom Nachschub abzuschneiden und zu erobern. Die kurz zuvor entstandene A. Flotte erkämpfte sich auf dem A. M. den Zugang zum Schwarzen Meer. Sie gilt als erste reguläre russische Kriegsflotte. Bis zu ihrer Auflösung (1711) wurden für sie 215 Kriegsschiffe verschiedener Typen gebaut. Von 1711–36 kurzzeitig wieder osmanisch, verblieb das A. M. danach bei Russland bzw. der UdSSR.
Mit der Unabhängigkeit der Ukraine 1991 wurde das A. M. Grenzmeer zwischen beiden Staaten. Im Frühjahr 2004 unterzeichneten die Präsidenten von Russland und der Ukraine, Putin und Kučma, einen Vertrag über den Status des A. M., in dem auch der Streit um das nicht zuletzt ökologisch bedenkliche russische Staudammprojekt an der Straße von Kertsch beigelegt wurde. Darin wurde die freie Passage russischer und ukrainischer Handels- und Kriegsschiffe durch die Straße von Kertsch und die freie Nutzung des A. M. durch Schiffe beider Staaten geregelt sowie das A. M. als Binnenmeer definiert, dessen Durchfahrt zivilen Schiffen dritter Staaten garantiert, Kriegsschiffen jedoch nur mit russischer und ukrainischer Zustimmung gestattet ist.
Kulišov V. I. 1987: V nizovʹjach Dona. Moskva. Rossija i Ukraina dogovorilisʹ o covmestnom ispolʹzovanii Azovskogo morja i Kerčenskogo proliva. http://kuban.wsb.ru/news838.html [Stand 1.11.2004].