Kerč (Meerenge)

Straße von Kertsch (altgriech. Bosporos Kimmerios, krimtatar. Kerç Boğazı, latein. Bosporus Cimmerius, „Kimmerischer Bosporus“, russ. Kerčenskij proliv, ukrain. Kerčensʹka protoka); Meerenge zwischen dem Asowschen und dem Schwarzen Meer. Die S. verläuft in nord-südlicher Richtung zwischen der Halbinsel Krim im Westen und der russischen Halbinsel Tamanʹ im Osten. Ihre Länge beträgt ca. 41 km, die Breite schwankt zwischen 4 und 15 km, die Tiefe liegt bei 5–13 m. Über die S. ist der ins Asowsche Meer mündende Don, der für die russische Binnenschifffahrt von hoher Bedeutung ist, mit den Weltmeeren verbunden. Jährlich passieren etwa 20.000 Schiffe die S.

Der antike Name ›Kimmerischer Bosporus‹ geht auf das indogermanische Reitervolk der „Kimmerier“ zurück, welches etwa im 8. Jh. v. Chr. beiderseits der S. siedelte. Vom 5. Jh. v. Chr. bis zu seiner Zerstörung durch die Hunnen im 4 Jh. n. Chr. erstreckte sich an den Ufern der Meerenge das sog. Bosporanische Reich. Ab dem ausgehenden Mittelalter war die S. zunächst unter genuesischer, dann 1495–1771 unter osmanischer und 1771–1991 unter russischer bzw. sowjetischer Kontrolle.

Seit 1991 verläuft in der S. die ukrainisch-russische Staatsgrenze. Von besonderer Bedeutung ist dabei die ukrainische Insel Tuzla. Diese liegt östlich des Schifffahrtsweges, wodurch Schiffe bei der Fahrt durch die Meerenge über ukrainisches Hoheitsgebiet fahren müssen. Tuzla war ursprünglich ein Teil der Halbinsel Tamanʹ, welcher 1925 durch einen Sturm abgetrennt wurde. Ab 1941 unterstand die Insel der Krim, welche wiederum seit 1954 Teil der Ukraine ist. Seit 1991 wurde von russischer Seite die Rechtmäßigkeit des Erlasses von 1941 wiederholt angezweifelt. Der Streit erreichte im Herbst 2003 seinen Höhepunkt, als vom russischen Festland aus begonnen wurde, einen Damm in Richtung Insel zu bauen. Während die russische Führung erklärte, es handele sich um eine Küstenschutzmaßnahme, bewertete die ukrainische Regierung den Vorgang als einen Versuch, der Ukraine die Hoheit über die S. streitig zu machen. Nach dem Aufmarsch ukrainischer Truppen wurde der Bau des inzwischen etwa 3750 m langen Dammes ca. 250 m vor Tuzla gestoppt.

Allerdings ist es durch den Bau des Dammes, welcher die Breite der S. an dieser Stelle um etwa die Hälfte verringert hat, zu einer Veränderung und Verstärkung der Strömung in diesem Bereich gekommen. Dies hatte zur Folge, dass die überwiegend aus Sand aufgebaute Insel Tuzla im Jahr 2004 etwa 1/7 ihres Territoriums verloren hat. Angesichts der erhöhten Erosion ist es fraglich, ob die Insel in naher Zukunft noch existieren wird. Auch die mit der Halbinsel Krim verbundene Nehrung Aršynicevsʹka kosa (russ. Aršinicevskaja kosa) ist von einer erhöhten Erosionsrate betroffen.

Anfang 2004 ratifizierten die Ukraine und Russland ein Abkommen über die Staatsgrenzen der beiden Länder, in welchem Russland die Zugehörigkeit Tuzlas zur Ukraine anerkennt. Dies stieß aber auf starken Widerstand seitens der nationalistischen Opposition Russlands. Im Gegenzug erklärte sich die Ukraine bereit, die S. unter eine gemeinsame Verwaltung mit Russland zu stellen. Der genaue Verlauf der Demarkationslinie ist allerdings zwischen beiden Ländern noch umstritten.

Fornasier J., Böttger B. (Hg.) 2002: Das Bosporanische Reich. Der Nordosten des Schwarzen Meeres in der Antike. Mainz. Wachsmuth R., Silvestrow J. 2003: Der Damm des Anstoßes: Der Konflikt um die Insel Tusla. Nur ein Sturm im Wasserglas oder eine ernste Krise in den ukrainisch-russischen Beziehungen? http://www.kas.de/publikationen/2003/3205_dokument.html. [Stand 25.6.2004].

(Sebastian Klüsener)


Views
bmu:kk