Makedonien (Land)

Makedonien (makedon. Makedonija), Kurzform für Republik Makedonien (makedon. Republika Makedonija). In die UNO wurde der Staat unter dem Namen ›The former Yugoslav Republic of Macedonia‹ aufgenommen. Diese Bezeichnung bzw. deren Abkürzung ›FYROM‹ wird von der UNO und einigen anderen internationalen Organisationen verwendet, u. a. der EU.

Inhaltsverzeichnis

1 Statistische Angaben


Lage:
Staat im Herzen der Balkanhalbinsel, grenzt im Osten an Bulgarien (Grenzenlänge 165 km), im Süden an Griechenland (246 km), im Westen an Albanien (191 km) und im Norden an Serbien (232 km). Die Fläche des Staatsterritoriums beträgt 25.713 km².
Einwohner (nach der Volkszählung vom November 2002):
2.022.547, davon 50,20 % Männer, 49,80 % Frauen; Altersstruktur: 0–14 Jahre: 21,08 %, 15–64 Jahre: 68,30 %, 65 Jahre und älter: 10,57 %, unbekannt: 0,06 %; Bevölkerungsdichte: 78,66 Einwohner/km²; Bevölkerungsentwicklung 1950–2002: 0,96 % jährlich, 1992–2002: 0,50 % jährlich; Nationalitäten: Makedonier 1.297.981 (64,18 %), Albaner 509.083 (25,17 %), Türken 77.959 (3,85 %), Roma 53.879 (2,66 %), Serben 35.939 (1,78 %), Bosniaken 17.018 (0,84 %), Aromunen 9695 (0,48 %), andere 20.993 (1,04 %); Religionszugehörigkeit (Schätzung): ca. 67 % orthodoxe Christen, ca. 30 % Muslime.
Hauptstadt und größere Städte (Einwohnerzahlen November 2002):
Skopje (467.257), Kumanovo (103.205), Bitola (86.408), Prilep (73.351), Tetovo (70.841), Veles (57.602), Ohrid (54.380), Gostivar (49.545), Štip (47.796).
Währung: 1 Makedonischer Denar (MKD) = 100 Deni
Wappen:
left
Im Mittelpunkt steht das Symbol für eine goldgelbe Sonne, von der im Halbkreis acht ebenfalls goldgelbe Strahlen nach oben gerichtet sind. Davor in Blau die Symbole für das Šar-Gebirge (makedon./serb. Šar planina, alban. Male Sharr) und die Wellen des Ohridsees. An den Seiten umrandet von Symbolen für Weizen und Mohnblumen. Am unteren Rand befindet sich ein Ornamentband, oben in der Mitte ein roter Stern.
Flagge:
left
Symbol für eine goldgelbe Sonne sowie acht davon ausgehende ebenfalls goldgelbe Strahlen auf rotem Hintergrund.
Hymne: Denes Nad Makedonija („Heute über Makedonien“), Text und Melodie von Vlado Maleski (1919-84).
Feiertage:
Staatliche Feiertage: 1. und 2. Januar (Neujahr), 2. August (Nationalfeiertag, Ilinden-Aufstand 1903), 8. September (Unabhängigkeitstag, Referendum 1991), 11. Oktober (Tag des Aufstandes des makedonischen Volkes, Beginn des Widerstands gegen die deutschen Okkupanten 1941); sonstige Feiertage: 7. Januar (orthodoxes Weihnachtsfest), orthodoxes Ostern (beweglich), 1. und 2. Mai (Tage der Arbeit), 25. Dezember und 26. Dezember (katholisches Weihnachten, 1. und 2. Weihnachtsfeiertag).
Zeit: Mitteleuropäische Zeit
Staatssprache:
Makedonisch; offizielle Amtssprachen: Makedonisch, Albanisch
Staatsform: Republik
Staatsoberhaupt: Präsident (derzeit Branko Crvenkovski)
Regierungschef: Ministerpräsident (derzeit Nikola Gruevski)
Politische Parteien:
Demokraticka Obnova na Makedonija (DOM, „Demokratische Erneuerung Makedoniens”), Demokratska partija na Albancite (DPA, alban. Partia Demokratike Shqiptare; „Demokratische Partei der Albaner“); Demokratska unija za integracija (DUI, alban. Bashkimi Demokratik për Integrim,„Demokratische Union für Integration“): Demokratska Liga na Bošnjacite (Demokratische Liga der Bosniaken), Demokratska unija za integracija, Partija za demokratski prosperitet (PDP, alban. Partia për Prosperitet Demokratik, „Partei für demokratische Prosperität“); Nova Socijaldemokratska Partija (NSP, „Neue Sozialdemokratische Partei”), Partija za Evropska Idnina (PEI, „Partei der Europäischen Zukunft”); Vnatrešna Makedonska Revolucionerna Organizacija – Demokratska Partija za Makedonsko Nacionalno Edinstvo (VMRO-DPMNE, „Innere Makedonische Revolutionäre Organisation – Demokratische Partei für Makedonische Nationale Einheit“): Bošnjačka Demokratska Partija (BDP, „Demokratische Partei der Bosniaken”), Demokratski sojuz (DS, „Demokratische Vereinigung“), Evropska Partija na Makedonija (EPM, „Europäische Partei Makedoniens”), Liberalna partija na Makedonija (LPM, „Liberale Partei Makedoniens“), Narodno Dviženje za Makedonija (NDM, „Makedonische Volksbewegung”), Partija na Demokratskite Sili na Romite na Makedonija (PDSRM, „Partei der Demokratischen Kräfte der Roma Makedoniens”), Partija za Dviženje na Turcite vo Makedonija (PDTM, türk. Türk Hareket Partisi, „Partei der Türkischen Bewegung in Makedonien“), Partija za Integracija na Romite (PIR, „Partei für die Integration der Roma”), Partija na Zelenite (PZ „Grüne Partei”), Socijalistička partija na Makedonija (SPM, „Sozialistische Partei Makedoniens“), Sojuz na Romite od Makedonija (SRM, „Union der Makedonischen Roma”), Stranka na Demokratska Akcija na Makedonija (SDA, „Partei der Demokratischen Aktion Makedoniens”), Stranka na Vlasite od Makedonija (SVM, „Vlachische Partei Makedoniens”), Vnatrešna Makedonska Revolucionerna Organizacija – Demokratska Partija za Makedonsko Nacionalno Edinstvo; Vnatrešna Makedonska Revolucionerna Organizacija – Narodna Partija (VMRO-NP, „Innere Makedonische Revolutionäre Organisation – Volkspartei”); Za Makedonija Zaedno („Zusammen für Makedonien”): Demokratska Partija na Srbite (DPS, „Demokratische Partei der Serben”), Demokratska Partija na Turcite (DPT, türk. Türk Demokratik Partisi, „Demokratische Partei der Türken”), Demokratski Sojuz na Vlasite (DSV, „Demokratische Union der Vlachen”), Liberalno-Demokratska Partija (LDP, „Liberaldemokratische Partei“), Obedinita Partija na Romite na Makedonija (OPRM, „Vereinigte Partei der Roma Makedoniens”), Rabotnicka Zemjodelska Partija (RZP, „Bauern und Arbeiterpartei”), Socijaldemokratski sojuz na Makedonija (SDSM, „Sozialdemokratischer Bund Makedoniens“), Socialistička Hristijanska Partija na Makedonija (SHPM, „Christlich-Sozialistische Partei Makedoniens”), Zelena Partija na Makedonia (ZPM, „Grüne Partei Makedoniens”).
Bruttoinlandsprodukt (2004): 4,953 Mrd. US-Dollar; pro Kopf der Bevölkerung: 2435 US-Dollar
Bruttosozialprodukt (2004): 5,368 Mrd. US-Dollar; pro Kopf der Bevölkerung: 2639 US-Dollar
Auslandsverschuldung (2005): 1,981 Mrd. US-Dollar
Haushaltsüberschuss (2005): 24,0 Mio. US-Dollar (0,5 % des BIP)
Außenhandel (2005):
Importe: 2,601 Mrd. US-Dollar: 29,4 % Metallerzeugnisse und Fertigwaren, 19,2 % Rohstoffe und -erzeugnisse, 17,4 % andere Fertigerzeugnisse; Hauptlieferländer: 13,2 % Russland, 10,4 % Deutschland, 9,2 % Griechenland, 8,2 % Serbien und Montenegro, 7,2 % Bulgarien; Exporte: 1,644 Mrd. US-Dollar: 33,4 % Metallerzeugnisse und Fertigwaren, 28,9 % andere Fertigerzeugnisse, 8,2 % Nahrungs- und Genussmittel; Hauptabnehmerstaaten: 22,6 % Serbien und Montenegro, 17,8 % Deutschland, 15,3 % Griechenland, 8,3 % Italien, 4,0 % Kroatien.
Mitgliedschaften: (u. a.)
Central European Initiative (CEI), Europarat; European Bank for Reconstruction and Development (EBRD), International Development Association (IDA), International Finance Corporation (IFC), International Labor Organization (ILO), International Monetary Fund (IMF), Internationale Atomenergie-Organisation (IAEO), Interpol, IOC, Inter-Parliamentary Union (IPU), International Telecommunications Union (ITU), OSZE, UNO, Weltbank, World Trade Organization (WTO).


Anmerkung der Redaktion: Stand der statistischen Angaben ist, wenn nicht anders vermerkt, das Publikationsdatum des Artikels.

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2 Geographie

2.1 Naturraum

Die landschaftliche Gliederung M.s ist gekennzeichnet durch viele Becken sowie den Kontrast zwischen Gebirgsmassiven und weitläufigen Tälern und Ebenen. Das vorwiegend gebirgige Land besitzt 14 über 2000 m hohe Berggipfel: der höchste – Golem Korab – an der nordwestlichen Grenze zu Albanien und Serbien und Montenegro, erreicht 2753 m. Prägend sind v. a. die Gebirgszüge Šar planina im Nordwesten und Osogovska planina im Nordosten des Landes. Die größten Hochebenen bilden Ovče polje nordwestlich von Štip und die Pelagonia-Ebene zwischen Bitola und Prilep. Längster Fluss ist der Vardar, der in südöstlicher Richtung nach Griechenland fließt und dort in das Ägäische Meer mündet. Die Vardar-Senke bildet die größte Flussebene des Landes. Die drei größten Seen liegen nur zu jeweils etwa zwei Dritteln auf dem Staatsgebiet von M.: der Ohridsee reicht bis nach Albanien, der Prespasee erstreckt sich auch auf Albanien und Griechenland, den Dojransee teilen sich M. und Griechenland. M. liegt in einer seismisch aktiven Zone und wurde in seiner Geschichte mehrmals von Erdbeben erschüttert. In den westlichen Landesteilen ist das Klima mediterran, im Landesinneren herrscht kontinentales Klima. Die Bergregionen sind durch heiße, trockene Sommer und Herbste gekennzeichnet, während die Winter Kälte und ergiebige Schneefälle bringen. In den Tälern und Flussbecken sowie in den Regionen um die größeren Seen sind die Temperaturen das ganze Jahr hindurch milder.

Etwas mehr als ein Drittel des Landes (36,7 %) ist bewaldet. Die in den Tälern vorherrschenden Rotbuchen und Kastanien werden ab etwa 1200 m von Nadelhölzern, v. a. Tannen und Kiefern, abgelöst. In den Uferregionen des Ohrid- und des Prespasees wachsen Feigen- und Walnussbäume sowie Zypressen. In den höheren Gebirgslagen leben u. a. Wölfe, Luchse, Gämsen, Steinböcke und Braunbären, die dank der Abgeschiedenheit hier auch stabile Bestände bilden. Im südwestlichen Seengebiet des Landes ist v. a. die Vogelwelt artenreich entwickelt.

M. verfügt über Blei-, Zink-, Kupfer-, Nickel-, Eisen-, Mangan-, Chrom- und Kobalterzvorkommen sowie über relativ große Reserven an allerdings minderwertiger Braunkohle. Auch sind Vorkommen an nuklearen Rohstoffen (Uranerz) nachgewiesen.

Abgesehen von seinen Wasserressourcen verfügt M. in den meisten wirtschaftlich genutzten Gebieten über günstige natürliche Bedingungen. Dennoch ist es mit zahlreichen ökologischen Problemen belastet, die zum Großteil auf schwerwiegende Mängel in der früheren (und z. T. noch der heutigen) Industriepolitik und niedrige Umweltstandards in den Betrieben zurückzuführen sind. Besonders schwerwiegend ist die Luftverschmutzung in den Industriezentren Skopje, Bitola, Veles und Kičevo sowie die Verschmutzung von Flüssen – so v. a. der Mittel- und Unterlauf von Vardar sowie von Pčinja, Bregalnica und Crna – und Grundwasser (insbesondere in Skopje und Veles). Nach amtlichen Angaben werden nur 6 % der Abwässer in Flüsse gereinigt. Die größten Bodenschäden verursacht das immer noch große Ausmaß an eingesetzten Düngemitteln. Hier wie auch im Hinblick auf den Baumbestand waren im vergangenen Jahrzehnt aber Besserungen zu registrieren, die mit dem Rückgang der landwirtschaftlichen Produktion und der Landflucht zusammenhängen.

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2.2 Bevölkerung

Die Einwohnerzahl M.s ist seit mehr als einem Jahrzehnt stagnierend bis leicht rückläufig. M. hatte 1991 mit knapp 2,034 Mio. etwas mehr Einwohner als 2002. Wesentliche Ursachen hierfür waren eine deutlich sinkende Geburtenrate v. a. bei der makedonischen Titularnation sowie die Emigration einer beträchtlichen Zahl von Makedoniern unterschiedlicher ethnischer Zugehörigkeit.

2003 kamen auf 1000 Einwohner 13,8 Geburten, während 1987 die Geburtenrate noch 18,9 betragen hatte. Nach ethnischen Gruppen betrachtet, ist die Bevölkerungsentwicklung sehr ungleichmäßig. Im Vergleich zu 1981 sind heute Zahl und Anteil fast aller Nationalitäten entweder ungefähr auf dem gleichen Stand verblieben (Makedonier, Roma, Aromunen) oder mehr oder weniger deutlich gesunken (Serben, Türken, Bosniaken). Die einzige Ausnahme stellen die Albaner dar, die in diesem Zeitraum einen Zuwachs von 377.208 (Anteil 1981: 19,8 %) auf 509.083 (Anteil 2002: 25,2 %) verzeichneten. Die Altersstruktur der Gesamtbevölkerung nähert sich den in Europa inzwischen üblichen Relationen an; nur bei den Gruppen muslimischen Glaubens sowie bei den Roma lässt sich noch die traditionelle Alterspyramide feststellen. Die Bevölkerungsdichte (78,66 Einwohner/km²) ist vergleichbar mit derjenigen in den Nachbarstaaten und spiegelt den ländlichen, von zahlreichen kleineren Gemeinden und Städten geprägten Charakter des Landes wider.

Allerdings ist die Verteilung ebenfalls sehr ungleichmäßig. Allein in der Hauptstadt lebt fast ein Viertel (23,36 %) der Gesamtbevölkerung. Betrachtet man dazu die weiteren acht größeren Städte, so zeigt sich, dass in diesen neun Städten fast die Hälfte der Landesbevölkerung konzentriert ist.

Ein Politikum in Zusammenhang mit der Bevölkerungsentwicklung – und der gesamten Entwicklung des Staates – stellt die Nationalitätenfrage dar. Statistisch betrachtet, ist M. ein multiethnischer Staat. Die Titularnation stellt 64,18 % der Bevölkerung, die zweitgrößte ethnische Gruppe (die Albaner) 25,17 %, und daneben sind zahlreiche weitere ethnische Gruppen mit deutlich geringeren Bevölkerungsanteilen vertreten (die Türken mit 3,85 %, die Roma mit 2,66 %, die Serben mit 1,78 %, die Bosniaken mit 0,84 % oder die Aromunen mit 0,48 %). In der Realität ähnelt M. einem staatlichen Verbund verschiedener Parallelgesellschaften, die sich v. a. unter ethnischen Gesichtspunkten definieren. Das Verhältnis zwischen Makedoniern und Albanern ist von einer klaren ethnischen Segregation gekennzeichnet, die weit über die unmittelbar nationalitätenpolitischen Fragen hinausgeht, auch ökonomische, soziale und gesellschaftliche Bereiche erfasst. Nur auf höchster politischer und in einigen Ausnahmefällen auch auf kommunalpolitischer Ebene findet eine Kommunikation zwischen Vertretern der beiden Gruppen statt.

Sonst ist die Spaltung allgegenwärtig: Politische Parteien, Medien, das Wirtschaftsleben und auch die Alltagskultur sind nach ethnischen Trennlinien geschieden. Weder in der Parteien- noch in der Medienlandschaft existieren multiethnische Strukturen. Die Makedonier arbeiten vorwiegend im öffentlichen Sektor sowie in (oft maroden) Industriebetrieben und sind im landwirtschaftlichen Bereich deutlich unterproportional vertreten, die Albaner sind vorwiegend im privaten Handel tätig und nehmen eine dominierende Rolle in der Landwirtschaft und auch in der Arbeitsemigration ein. Die Zahl der ethnischen Mischehen war schon seit den 1980er Jahren rückläufig und ist inzwischen auf ein Minimum gesunken. Noch früher, in den 1970er Jahren, hatte ein spürbarer Prozess der „Entmischung“ traditionell multiethnischer Siedlungsgebiete eingesetzt, der in der Folgezeit fortschritt und sich nach dem Krieg der NATO-Staaten gegen Jugoslawien im Frühjahr 1999 und v. a. nach dem Bürgerkrieg im Frühjahr und Sommer 2001 zwischen der Staatsmacht und Verbänden der terroristischen „Nationalen Befreiungsarmee“ (alban. Ushtria Çlirimtare Kombëtare, UÇK) deutlich verstärkte.

Ein Großteil der Albaner lebt im Westen und Nordwesten, d. h. in den Grenzgebieten zu Albanien und zu Serbien und Montenegro (und hier v. a. zur Provinz Kosovo) sowie in Skopje und stellt dort in zahlreichen Gemeinden die lokale Mehrheitsbevölkerung. Die überwältigende Mehrzahl der makedonischen Albaner zählt wie die Mehrheit der in Nord-Albanien und Kosovo lebenden albanischen Bevölkerung zu den Gegen. Die Siedlungsgebiete der anderen Nationalitäten sind im Vergleich dazu relativ gleichmäßig gestreut, lediglich bei den Roma ist eine gewisse Konzentration auf Siedlungen am Rande der größeren Städte (namentlich der Hauptstadt) festzustellen. Sie sind halbsesshaft, die Kinder gehen zur Schule, nur die Geldverdiener wandern. Ungeachtet verschiedener Ansätze zur Integration sind sie eine eigene Teilgesellschaft geblieben. Weitgehend integriert sind von den ihrer Zahl nach kleineren ethnischen Gruppen lediglich die Serben und die Aromunen.

In engem Zusammenhang mit der Nationalitätenfrage steht die Sprachenfrage, die wiederholt Gegenstand der Auseinandersetzung geworden ist. Gemäß der ausdrücklichen Garantie in der Verfassung wird Unterricht in den Muttersprachen aller Nationalitäten an Grund- und weiterführenden Schulen erteilt. Weitergehende Forderungen albanischer Organisationen wurden durch Verfassungsänderungen auf der Basis der Rahmenübereinkunft (›Framework Agreement‹) von Ohrid (13.8.2001) teilweise erfüllt. Zwar wurde Albanisch nicht zur zweiten Staatssprache erhoben, jedoch eine neue Regelung eingeführt, nach der Sprachen, die von mindestens 20 % der Bevölkerung einer Verwaltungseinheit gesprochen werden, zur Amtssprache aufgewertet wurden – was landesweit ausschließlich Albanisch betraf. Dieses ist damit in vieler (wenngleich nicht in jeder) Hinsicht dem Makedonischen gleichgestellt und kann in Behörden und anderen öffentlichen Institutionen verwendet werden. Diese Regelung beschloss den makedonisch-albanischen Sprachenstreit aber nur teilweise, da sie von den meisten Makedoniern als außenpolitisch erzwungene Konzession und von den Organisationen der Nationalitäten mit geringerem Bevölkerungsanteil als Diskriminierung gewertet wurde.

Religionsfragen spielen demgegenüber in der Gesellschaft eine weitaus geringere Rolle als die ethnopolitischen. Obwohl hinsichtlich der Religionszugehörigkeit verlässliche Statistiken fehlen, lassen sich aus Erhebungen zur ethnischen Struktur und den Angaben der einzelnen Glaubensgemeinschaften relativ sichere Zuordnungen treffen. Etwa zwei Drittel der Bevölkerung (die überwältigende Mehrzahl der Makedonier und Serben) sind orthodoxe Christen, etwas mehr als 30 % (die Mehrheit der Albaner, Türken und Bosniaken sowie einige Roma und Makedonier) sind (sunnitische) Muslime. Daneben gibt es weitere Glaubensgemeinschaften und Kirchenorganisationen, die allerdings relativ wenige Gläubige vereinigen (z. B. die Römisch-Katholische Kirche und unter ihrem Dach die Unierte Kirche sowie die Methodisten, Adventisten und Baptisten, die Zeugen Jehovas und die Jüdische Gemeinde).

Die Verfassung M.s garantiert Glaubens- und Bekenntnisfreiheit und legt die Trennung von Staat und Kirche fest. Die Glaubensgemeinschaften haben das Recht auf Gründung religiöser Schulen und anderer sozialer Einrichtungen. Die Verfassungswirklichkeit wird auch fast allen diesen Grundsätzen gerecht. Problematisch ist einzig die Frage der Trennung von Staat und Kirche geblieben. Die Makedonische Orthodoxe Kirche (makedon. Makedonska Pravoslavna Crkva) genoss schon innerhalb der jugoslawischen Teilrepublik M. einen Sonderstatus, und dieser blieb auch nach der staatlichen Unabhängigkeit erhalten. In der Verfassung von 1991 war sie als einzige der Kirchenorganisationen und Glaubensgemeinschaften genannt worden, so dass der ohnehin vorhandene Eindruck, es handle sich quasi um eine Staatskirche, verstärkt wurde. Auf Drängen der anderen Kirchenorganisationen und Glaubensgemeinschaften und v. a. der politischen Organisationen der Albaner wurde in der Rahmenübereinkunft von Ohrid eine diesbezügliche Verfassungsänderung festgelegt, die eine Nennung aller Glaubensvertretungen vorsah. Der Makedonischen Orthodoxen Kirche gelang es dennoch, einen leicht hervorgehobenen Status zu erwirken. Auch von außen ist sie erheblichen Angriffen ausgesetzt. Ihre 1967 verkündete Autokephalie wurde von den anderen orthodoxen Kirchen und namentlich von der Serbischen Orthodoxen Kirche nie anerkannt, und bis heute erhebt diese in zunehmend schärferem Ton Anspruch auf die Glaubensbrüder in M. Anfang 2004 gelang ihr die „Abwerbung“ einiger höherer Würdenträger der Makedonischen Orthodoxen Kirche. Die hieraus resultierenden spaltenden Wirkungen sind nicht zu unterschätzen.

In der zweiten größeren Glaubensgemeinschaft M.s ist die Spaltung bereits erfolgt: die einst einheitliche „Islamische Religionsgemeinschaft der Republik von Makedonien“ (alban. Bashkësia Fetare Islame e Republikës së Maqedonisë) ist in eine, die Muslime albanischer Nationalität und in eine, die Muslime türkischer und makedonischer Nationalität vertretende Organisation zerfallen.

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2.3 Staat und Gesellschaft

Die Verfassung M.s wurde am 17.11.1991 vom Parlament verabschiedet und seitdem zwei Mal, am 6.1.1992 und am 16.11.2001, verändert. In ihren Grundzügen enthält sie die klassischen Merkmale der Konstitution einer parlamentarischen Demokratie. V. a. im Hinblick auf die lokale Selbstverwaltung und die Autonomie des Parlaments gegenüber dem Präsidenten stand die Verfassungsrealität jedoch nicht immer im Einklang mit dem Verfassungstext. Die Kompetenzen und die Finanzierung der lokalen Selbstverwaltungsorgane litten eine Dekade lang unter einem übermäßigen Staatszentralismus. Und die Präsidenten Kiro Gligorov (1991–99) und Boris Trajkovski (1999–2004) übten de facto einen größeren politischen Einfluss aus, als ihren Ämtern de jure zugewiesen war.

Die 1991er Verfassung enthielt zahlreiche Bestimmungen zur Gewährleistung der grundsätzlichen Gleichheit der Nationalitäten und namentlich der Rechte und Freiheiten der ethnischen Minderheiten zum Schutz und zur Entwicklung ihrer kulturellen, sprachlichen und religiösen Identität. Ausdrücklich gewährt wurde das Recht der Nationalitäten zur Gründung von Kultur-, Bildungs- und anderen Institutionen zum Zwecke der Wahrung und Entwicklung ihrer Identität, ebenso das Recht auf Unterricht in ihren Sprachen in Grund- und weiterführenden Schulen. Im Vergleich zu anderen Staaten in der Region wies M. im Hinblick auf den verfassungsmäßig garantierten Minderheitenschutz weitgehende Rechte auf, doch wurden die Bestimmungen insbesondere von den Interessenvertretungen der Albaner als nicht weitgehend genug angesehen, was zu zahlreichen Konflikten führte.

Die Verfassungsänderungen von 1992 waren Reaktionen auf die Vorwürfe, M. hege expansionistische Ziele gegenüber dem griechischen und möglicherweise auch dem bulgarischen Teil der Region Makedonien, und kamen durch direkte Intervention Griechenlands und den indirekten Druck der EG (›Badinter-Kommission‹) zustande. Art. 3 der Verfassung wurde um den Passus, die Republik M. habe keine territorialen Ansprüche gegenüber irgendeinem Nachbarstaat, ergänzt. Art. 49, der lautet, M. werde sich auch um den Status und die Rechte der Bürger makedonischer Herkunft in den Nachbarstaaten kümmern, wurde hinzugefügt, dass die Einmischung in die Souveränität bzw. die inneren Angelegenheiten anderer Staaten ausgeschlossen sei. Erheblich schärfer und langwieriger waren die Auseinandersetzungen um die 2001 schließlich durchgeführten Verfassungsänderungen. Sie drehten sich ausschließlich um ethnopolitische Fragen, v. a. um die Rolle der albanischen Bevölkerung. Ausgangspunkt war die Definition des Staatscharakters M.s. Während in der Präambel der Verfassung von 1991 M. als „Nationalstaat des Makedonischen Volkes“ deklariert, mithin ethnisch definiert wurde, konstatierte Art. 2, indifferenter, dass die Souveränität von den Bürgern ausgehe. Diese Doppeldeutigkeit gab Anlass zu zahlreichen Kontroversen.

Nach den gewaltsamen Auseinandersetzungen im Frühjahr und Sommer 2001 wurde schließlich auf Druck der EU und der USA zwischen den vier größten politischen Parteien (zwei makedonischen und zwei albanischen Interessenvertretungen) die Rahmenübereinkunft von Ohrid (13.8.2001) getroffen. Auf deren Basis verabschiedete das Parlament am 16.11. zahlreiche Verfassungsänderungen, die die Präambel sowie 15 Artikel betrafen. Sie stellen eine einschneidende Zäsur in der Verfassungsentwicklung M.s dar: Alle wesentlichen Neuerungen zielten auf eine ethnische Quotierung in den Strukturen des Staates. Obwohl damit noch nicht von einem binationalen Staatscharakter gesprochen werden kann, deutet die Verfassungsentwicklung in diese Richtung.

Das Amt des Präsidenten wird nach freien und geheimen Wahlen des Volkes für fünf Jahre besetzt und kann höchstens zweimal ausgeübt werden. Es ist die absolute Stimmenmehrheit aller Wahlberechtigten erforderlich, falls diese nicht zustandekommt, entscheidet die einfache Stimmenmehrheit von mehr als der Hälfte aller Wahlberechtigten die Stichwahl. Der Verfassung nach sind die Kompetenzen des Präsidenten vorwiegend repräsentativer Natur. Dennoch konnten die bisherigen Präsidenten, zumindest in größerem Maße als in der Verfassung vorgesehen, gestaltend auf die Politik M.s einwirken.

Exekutivgewalt wird ausschließlich von der Regierung ausgeübt. Misstrauensvoten sind nur gegen die gesamte Regierung möglich und Neuwahlen erforderlich, wenn der Ministerpräsident die Entlassung von mehr als einem Drittel des Kabinetts vorschlägt. In der Realität übt der Ministerpräsident dennoch einen meist größeren Einfluss aus. Aufgrund der Stärkeverhältnisse der Parteien sind Koalitionsregierungen zwischen den jeweils führenden Interessenvertretungen der Makedonier und der Albaner die Regel: 1992–96 SDSM, PDP, SPM und LP, 1996–98 SDSM, PDP und SPM, 1998–2002 (von einer kurzen Unterbrechung abgesehen) VMRO-DPMNE, DPA und „Demokratische Alternative“ (Demokratska Alternativa, DA), seit 2002 SDSM, DUI und LDP. Kurzzeitige Ausnahmen waren in der Übergangszeit zur Eigenstaatlichkeit die „Expertenregierung“ unter Nikola Kljusev (1991–92) sowie während der Staatskrise im Frühjahr und Sommer 2001 die Allparteienregierung unter Ljubčo Georgievski (Mai–November 2001).

Das Parlament (eine Kammer, makedon. Sobranie, „Versammlung“) besteht aus 120 Abgeordneten, wird für vier Jahre gewählt und hat formell eine starke Position. Es kann vor Ablauf der Legislaturperiode weder von der Regierung noch vom Präsidenten, sondern lediglich durch eine Entscheidung seiner selbst aufgelöst werden. Das Quorum für den Beschluss zur Selbstauflösung ist zwar niedrig angesetzt (absolute Mehrheit), läuft aber angesichts der vorherrschenden Kräfteverhältnisse auf eine effektive Barriere hinaus, wie die bisherigen Erfahrungen zeigen. Entlassungen einzelner Minister bedürfen der Zustimmung des Parlaments, dessen Position indirekt auch dadurch gestützt wird, dass die Regierung selbst keine Verordnungen erlassen darf. Das 2002 gewählte Parlament hat folgende Zusammensetzung: SDSM mit 60, VMRO-DPMNE mit 33, DUI mit 16, DPA mit sieben, PDP mit zwei, NDP und SPM mit jeweils einem Abgeordneten. Unter den Abgeordneten des SDSM sind auch insgesamt sechs Vertreter der ethnischen Parteien der Türken, der Roma, der Serben und der Bosniaken.

Ungeachtet seiner formell starken Position hat das Parlament an den entscheidenden Wegmarken der bisherigen politischen Entwicklung M.s eine untergeordnete Rolle gespielt, wie etwa das Zustandekommen der Rahmenübereinkunft von Ohrid belegt. Das zeigt die auf staatspolitischer Ebene vorhandene Kluft zwischen Verfassungstext und Verfassungsrealität, die v. a. auf die Dominanz des ethnopolitischen Faktors zurückzuführen ist, der in entscheidenden Fragen immer wieder dem „Geist“ des Verfassungstextes zuwiderlaufende Sonderwege zu erzwingen fähig ist.

Im Rechtssystem wirkt sich die starke Stellung des Parlaments in der Realität deutlich mehr aus. Es wählt die zentralen Rechtsorgane: das Verfassungsgericht (bestehend aus neun Richtern, von denen sechs mit absoluter und drei mit doppelter – d. h. einer die Minderheiten berücksichtigenden – Mehrheit für einmal neun Jahre gewählt werden), den Justizrat (bestehend aus sieben Mitgliedern, von denen vier mit einfacher und drei mit doppelter Mehrheit für sechs Jahre mit einer Verlängerungsoption gewählt werden), den Generalstaatsanwalt (Amtszeit: sechs Jahre) sowie auf Vorschlag des Justizrats die Richter, deren Amtszeit nicht festgelegt ist. Die Gerichte sind autonom und unabhängig, die Richter genießen Immunität, dürfen keiner politischen Partei angehören und kein anderes Amt bekleiden. Gerichte sind üblicherweise Kollegialgerichte, doch kann das Gesetz in Einzelfällen die Einbeziehung von Schöffen erlauben. Das Verfassungsgericht kontrolliert die Einhaltung der Verfassungsnormen, während für Verfassungsbeschwerden die Kompetenzverteilung nicht eindeutig geklärt ist.

Die Parteienlandschaft M.s weist eine angesichts der ethnopolitischen Konflikte bemerkenswerte Kontinuität und relative Ruhe auf. Das Spektrum umfasst Organisationen, die aus dem „Bund der Kommunisten Makedoniens“ hervorgegangen sind (SDSM, SPM, LP), Anfang der 1990er Jahre neu gegründete Parteien (VMRO-DPMNE, LDP, NDP) sowie Interessenvertretungen der Albaner (DPA, PDP, DUI) und der anderen Nationalitäten. Die vorherrschende Trennlinie zwischen den Parteien ist ethnisch; multi-ethnische Parteien existieren nicht. Die in den 1990er Jahren noch deutliche Unterscheidung postkommunistischer und antikommunistischer Parteien verlor nach dem Sturz des jugoslawischen Präsidenten Slobodan Milošević im Herbst 2000 und v. a. nach der Staatskrise 2001 an Wirksamkeit.

Unter den Parteien der Makedonier üben SDSM und VMRO-DPMNE einen beherrschenden Einfluss aus. Ihre Stärke ist weitgehend stabil geblieben und hat die anderen Parteien der Makedonier marginalisiert. Allerdings hat die VMRO-DPMNE eine Schwächung hinnehmen müssen, als im Juli 2004 Anhänger des früheren Ministerpräsidenten Georgievski im Gefolge einer Abspaltung eine neue Partei, die VMRO-NP, gründeten. In Hinblick auf die historischen Traditionslinien rekurriert der SDSM auf den Partisanenkampf, die makedonische Nationsbildung im Rahmen Jugoslawiens und der Eigenstaatlichkeit, während die VMRO-DPMNE an die nationalrevolutionäre Bewegung der historischen VMRO anknüpft. In der Frage der Anbindung M.s an EU und NATO vertritt der SDSM ausgesprochen westorientierte Positionen, wohingegen die VMRO-DPMNE hier eher nationale Interessen hervorhebt. Unter den Parteien der Albaner haben sich die Kräfteverhältnisse dagegen kontinuierlich gewandelt. Ursprünglich stellte die PDP die stärkste Kraft dar, später war es die DPA, gegenwärtig ist es die DUI. Programmatische Unterschiede spielten gegenüber persönlichen Differenzen und der Radikalität, mit der die ethnopolitischen Forderungen verfochten wurden, eine untergeordnete Rolle. Bedeutende Massenorganisationen existieren nicht, die beiden Gewerkschaftsdachverbände üben sehr geringen Einfluss aus.

Die Verwaltung M.s war in starkem Maße zentralisiert und wurde wiederholt, ebenso wie die territoriale Gliederung, Gegenstand heftiger Auseinandersetzungen. Gegen das am 11.8.2004 im Parlament mit äußerst knapper Mehrheit angenommene „Gesetz über die territoriale Organisation der örtlichen Selbstverwaltung in der Republik Makedonien“ fand am 7.11.2004 ein Referendum statt, das aber erfolglos blieb, da weniger als 50 % der Wahlberechtigten daran teilnahmen. Durch das Gesetz wurde die Zahl der Gemeinden von früher 123 auf jetzt 84 reduziert. Von diesen sind 33 Stadtgemeinden und 41 Landgemeinden; hinzu kommen die 10 Gemeinden in Skopje. Hauptanlass für die Auseinandersetzung über die Neugliederung war die durch sie herbeigeführte Albanisierung der Verwaltung der Städte Struga und Kičevo und die Zweisprachigkeit von Skopje. Ähnlich wie im Falle der Dezentralisierung befürchteten große Teile der makedonischen Interessenvertretungen, dass dies einen weiteren Schritt der verdeckten Föderalisierung des Landes bedeuten würde. Andererseits war der Gestaltungsspielraum der Gemeinden erheblich eingeschränkt, solange ihre Kompetenzen und Finanzierung zentralen Staatsorganen unterstanden hatte. In der Rahmenübereinkunft von Ohrid war daher die Verabschiedung eines neuen Gesetzes über die örtliche Selbstverwaltung vereinbart und mit Verspätung am 24.1.2002 auch verwirklicht worden. Dieses gibt den Gemeinden weitaus größere Befugnisse in den Bereichen: öffentliche Dienstleistungen, Kultur, Schul-, Gesundheits- und Sozialwesen, Umweltpolitik, Stadtplanung sowie der ökonomischen Entwicklung und Finanzierung. Allerdings sind zahlreiche der vereinbarten Folgegesetze noch nicht erlassen.

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2.4 Wirtschaft

Landwirtschaft, Groß- und Einzelhandel sowie Transport, Verkehr und Verarbeitungsindustrie haben den größten Anteil am Bruttoinlandsprodukt (BIP) und stellen die bedeutendsten Wirtschaftssektoren dar. Ca. 40% aller in der Wirtschaft tätigen Arbeitskräfte sind in den Branchen Nahrungs-, Genussmittel- und Tabakverarbeitung, Leder-, Textil-, Chemie-, Elektro- und Metallindustrie sowie im Bereich Bergbau beschäftigt.

Die Proportionen hinsichtlich der Anteile am BIP haben sich im vergangenen Jahrzehnt deutlich geändert: Handel und Dienstleistungen steigerten ihren Anteil erheblich (62,4 %, wobei auf den Handel 11,5 % entfielen), während Industrie (25,9 %, zu Beginn der 1990er Jahre noch 45 %) und Land-, Forst- und Fischereiwirtschaft (11,7%) Einbußen erlitten (Stand 2003).

Die landwirtschaftliche Nutzfläche beträgt knapp 1,3 Mio. ha, von denen 43 % (559.000 ha) Ackerland sind. Etwas weniger als ein Fünftel davon ist bewässert. Der gesamte Agrarbereich (Landwirtschaft plus Nahrungsmittelverarbeitung) erwirtschaftete in den vergangenen Jahren 17–21 % des BIP, wobei der Anteil des primären Sektors auf ca. 11 % zurückging, gleichwohl aber immer noch ca. ein Fünftel aller Arbeitskräfte beschäftigt. Haupterzeugnisse sind Äpfel, Mais, Paprika, Sonnenblumen, Tabak, Tomaten, Trauben, Weizen und Zuckerrüben.
Der Agrarbereich lieferte rund ein Fünftel aller Exporte; Hauptgüter sind Tabak, Wein sowie frisches und verarbeitetes Obst und Gemüse. Tabak wird v. a. im Südwesten um Prilep und im Osten in der Umgebung von Radoviš angebaut, Zentren der Tabakindustrie sind weiterhin Skopje und Kumanovo. Der Weinanbau konzentriert sich in der zentralen Vardar-Region, der Pelagonia im Westen und um Pčinja am Rande des Gebirgszugs Osogovska planina im Osten; er liefert zahlreiche Qualitätsweine. Mehr als 90 % der gesamten Weinproduktion werden in Länder der EU exportiert. Mehr als 70 % des Baumbestands M.s sind von minderer Qualität. Die Forstwirtschaft spielt daher eine sehr geringe Rolle (0,6 % Anteil am BIP).

Das Land deckt etwa 60 % seines Energiebedarfs durch einheimische Produktion und ca. 40 % durch Importe ab. Die größten Anteile an der Energieproduktion haben Kohlekraftwerke (die für über 40 % des Verbrauchs sorgen), Öl-Raffinerien (knapp 30 %) sowie Wasserkraftwerke (etwas mehr als 20 %), wobei seit Mitte der 90er Jahre der Anteil der Öl-Derivate dank des Ausbaus der Gas-Pipeline von Russland über Rumänien und Bulgarien nach M. zugunsten von Erdgas sinkt. Der Energiesektor nimmt mit 19 % den ersten Platz innerhalb der gesamten Industrieproduktion ein. Der Energieverbrauch von Industrie und Landwirtschaft ist immer noch überdurchschnittlich hoch.

Durch den starken Rückgang der Industrieproduktion während der 90er Jahre hat sich auch deren Struktur deutlich geändert. Während die industrielle Verarbeitung von Nahrungsmitteln und Getränken (24,9 %), Textilien und Leder (10,3 %) sowie Tabak (5 %) relative Zuwächse bzw. stabile Anteile verzeichnete, verloren die metallverarbeitende Industrie (7,1 %), die Chemieindustrie (7,2 %) sowie die Metallurgie (16,4 %) deutlich an Gewicht. Zahlreiche Betriebe in diesen Branchen stehen still oder verfallen. Der größte Teil der Industrieproduktion wird exportiert, meist in die Nachbarstaaten oder in Mitgliedstaaten der EU, weniger nach Russland, in den Mittleren Osten oder in die USA.

Im Bankensystem hat die umfassendste Privatisierung aller Wirtschaftsbereiche M.s stattgefunden. Zur Zeit gibt es neben der Nationalbank ca. 20 inländische Handelsbanken (die alle üblichen Dienstleistungen anbieten und ein Grundkapital von mindestens neun Mio. DM, für die Genehmigung zur Durchführung internationaler Transaktionen das Dreifache benötigten) und ca. 23 Sparkassen (die lediglich Privatkunden betreuen dürfen und als Grundkapital mindestens 300.000 DM nachweisen mussten).

Handel und Dienstleistungen haben ebenfalls einen spürbaren Aufschwung genommen. Mehr als die Hälfte aller registrierten Unternehmen M.s sind im Handelssektor tätig.

Das Straßennetz M.s (10.591 km, davon 5500 km befestigt, 176 km Autobahnen) ist sehr ungleichmäßig entwickelt. Die beiden Hauptadern (teilweise Autobahnen) führen in Nord-Süd-Richtung von Skopje über Tetovo nach Ohrid bzw. über Veles bis nach Thessaloniki (Griechenland). Die Verbindungen nach Osten sind deutlicher schlechter ausgebaut, nur Landstraßen führen zu den drei Grenzübergängen nach Bulgarien, noch mangelhafter sind die West-Verbindungen mit nur zwei Übergängen nach Albanien. Bahn- (Schienennetz: 922 km, davon 233 km elektrifiziert) und außerstädtischer Busverkehr sind allerdings relativ gut entwickelt, ebenso der öffentliche Nahverkehr. M. hat zwei internationale Flughäfen (Skopje und Ohrid).

Der landschaftlichen Vielfalt auf verhältnismäßig kleinem Raum wie auch der reichen kulturellen Tradition verdankt M. ein breites, lediglich durch das Fehlen einer Meeresküste eingeschränktes, Spektrum touristischer Nutzungsmöglichkeiten: Wassersport und Badeurlaub an den beiden großen Seen im Südwesten (Ohrid- und Prespasee), Wintersport v. a. im Nordwesten (die bekanntesten Ski-Zentren sind Popova Šapka im Šar-Gebirge und der Nationalpark Mavrovo), im Südwesten (Nationalpark Pelister im Baba-Gebirge nahe Bitola) und im Osten um Berovo, weiterhin Öko-Tourismus in den genannten Gebirgsgegenden (die auch zahlreiche Seen aufweisen). Ebenso bedeutsam sind die Heilbäder im Südosten des Landes (v. a. nahe Strumica und am Dojransee) sowie die zahlreichen kulturellen Sehenswürdigkeiten (M. besitzt über 1000 Kirchen und Klöster sowie mehr als 4000 archäologische Stätten). Die „Perle“ im Tourismusangebot M.s ist das – auch infrastrukturell weit entwickelte - Gebiet um den Ohridsee. Dennoch gehört M. bislang nicht zu den bevorzugten Urlaubszielen ausländischer, v. a. westeuropäischer Touristen. (Im deutschsprachigen Raum gibt es nicht einen einzigen M.-Reiseführer.) 2003 wurden lediglich knapp 158.000 ausländische Gäste registriert. Der Tourismus erwirtschaftet weniger als 2 % des BIP. Hauptursachen hierfür sind infrastrukturelle Defizite und mangelhaftes Marketing. Aber auch politische Entwicklungen, wie der Luftkrieg gegen Jugoslawien 1999 und die Staatskrise 2001, haben dazu beigetragen, dass die touristischen Möglichkeiten M.s bei weitem noch nicht ausgeschöpft sind.

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2.5 Bildung und Kultur

Das Schulwesen M.s ist zweistufig. Im Anschluss an die obligatorische achtjährige Grundschule kann für weitere vier Jahre eine weiterführende Schule (Gymnasium, Technische Schule, Kunst-Musik-Ballett-Schule oder Berufsschule) besucht werden, deren – allerdings nicht einheitlichen Abschlüsse – den Zugang zu verschiedenen Arten von Hochschulen erlauben.

Es gibt inzwischen vier Universitäten: zwei staatliche, eine von Albanern zunächst privat initiierte, mittlerweile staatlich anerkannte sowie eine von ausländischen Institutionen finanzierte Hochschule. Staatlich sind die Universitäten ›Sv. Kiril i Metodij‹ in Skopje (24 Fakultäten, 10 wissenschaftliche Institute, 36.000 Studenten aus M., 700 Studenten aus dem Ausland) und ›Sv. Kliment Ohridski‹ in Bitola (5 Fakultäten, 4 wissenschaftliche Institute in Bitola, Prilep und Ohrid, ca. 12.000 Studenten). Die früher „albanische Universität“ geheißene „Universität Tetovo“ (alban. Universiteti i Tetovës) zählte im Studienjahr 2003/04 3063 Studenten in 13 Fakultäten. Unterrichtssprache ist Albanisch. Sie wurde gemäß der Vereinbarung in der Rahmenübereinkunft von Ohrid (mit Verspätung) im Februar 2004 staatlich sanktioniert, aber der staatliche Anteil an ihrer Finanzierung ist noch unklar. Schließlich gibt es noch die ›South East European (SEE) University‹ in Tetovo, eine private Einrichtung, die international finanziert wird. Sie wurde am 1.10.2001 mit 900 Studenten eröffnet und zählt 13 Fachbereiche; Unterrichtssprachen sind Englisch, Makedonisch und Albanisch.

In der Zwischenkriegszeit wurden die ersten Musikschulen in Skopje (1928 und 1934) gegründet. Hieran maßgeblich beteiligt waren die Komponisten Trajko Prokopiev (1909–79), Todor Skalovski (*1909), Stefan Gajdov (1905–92) und Živko Firfov (1906–84). Die Grundlagen für ein umfassendes Wissenschaftssystem wurden erst nach dem Zweiten Weltkrieg geschaffen. Es ist bis heute bestimmend. V. a. zwei Institutionen sind von überragender Bedeutung: die Universität in Skopje, die 1946 mit der Einrichtung der ersten Fakultät (für Philosophie) gegründet wurde, und die 1967 gegründete „Makedonische Akademie der Wissenschaften und Künste“ (Makedonska akademija na naukite i umetnostite, MANU) mit fünf Abteilungen (Sprach- und Literaturwissenschaften; Sozialwissenschaften; Mathematik und Technische Wissenschaften; Biologie und Medizin; Künste) und fünf Forschungszentren (Energetik, Informatik und Werkstoffe; Genetik und Biotechnologie; Lexikographie; regionale Sprachwissenschaften; strategische Forschung). Für die Entwicklung der Wissenschaften während der „jugoslawischen Periode“ wichtige Persönlichkeiten waren: Petar Serafimov (1915–2001) in den technischen Wissenschaften, Mihailo Petruševski (*1911), Haralampije Polenaković (1909–84) in der Philologie, Dimitar Arsov (1908–74) in der Medizin, Lazar Babamov (1906–76) in den Agrarwissenschaften.

M. hat – noch – ein Netzwerk von 115 kulturellen Einrichtungen, die als „nationale Institutionen“ unmittelbar dem Verantwortungsbereich des Kulturministeriums zugeordnet sind. Im Dezember 2003 legte dieses einen Entwurf für eine Reduzierung dieser Institutionen auf rund 50 sowie eine Dezentralisierung und Kommunalisierung der übrigen Einrichtungen vor. Weitere im nationalen Maßstab bedeutende Kultureinrichtungen sind: das „Makedonische Nationaltheater“ (Makedonski naroden teatar), das „Theater der Nationalitäten“ (Teatar na narodnostite) mit einem „Albanischen“ (Albanska drama) und einem „Türkischen Drama-Theater“ (Turska drama), die „Makedonische Philharmonie“ (Makedonska filharmonija), die „Cinemathek Makedoniens“ (Kinoteka na Makedonija), das Nationalmuseum („Museum Makedoniens“, Muzej na Makedonija) mit Dependancen in Resen, Kočani und Valandovo, die Nationalgalerie, das „Museum für zeitgenössische Kunst“ (Muzej na sovremena umetnost) sowie die National- und Universitätsbibliothek; alle in Skopje ansässig.

Außerhalb der Hauptstadt sind in zahlreichen Orten Kulturzentren eingerichtet, von denen einige weiterhin als nationale Einrichtungen dem Kulturministerium unterstehen. In vielen Städten gibt es daneben Museen zur Stadt- und Regionalgeschichte.

Die Situation der Massenmedien, v. a. der Presse, stellt sich politisch belasteter dar. Bis Mitte der 90er Jahre besaß der Staat mit dem stark subventionierten Verlagshaus ›NIP Nova Makedonija‹ faktisch ein Pressemonopol. In der zweiten Hälfte der 90er Jahre wurden einige unabhängige Tageszeitungen gegründet, die rasch ihre Auflagen steigern konnten, z. B.: 1996 ›Dnevnik‹ („Tageszeitung“; Auflage Anfang 2004: 60.000), 1999 ›Utrinski Vesnik‹ („Morgenblatt“; 25.000), 2000 ›Vest‹ („Die Nachricht“; 30.000), während die früher tonangebende Zeitung ›Nova Makedonija‹ („Neues Makedonien“) einen starken Einbruch erlebte. Im Juli 2003 erwarb der ›Westdeutsche Allgemeine Zeitungsverlag‹ (WAZ) die Mehrheitsanteile an den drei größten Tageszeitungen und gründete das Unternehmen ›Media Print Macedonia‹. Damit kontrolliert die WAZ-Gruppe mehr als 90 % der Presse des Landes. Der Aufkauf hat indirekt auch ethnopolitische Folgen, da hierdurch der wirtschaftliche Druck auf die beiden überregionalen Tageszeitungen in albanischer Sprache (›Flaka‹, „Die Flamme“, und ›Fakti‹, „Fakten“) weiter erhöht wurde. Zwei- oder gar mehrsprachige Zeitungen gibt es nicht. Pluralistischer stellt sich die Situation bei den elektronischen Medien dar, von denen es inzwischen mehr als 200 gibt. Von überregionaler Bedeutung sind neben dem staatlichen Fernseh- und Rundfunksender ›Makedonsko Radio i Televizija‹ private Fernsehstationen wie ›Telma‹, ›TV A 1‹, ›TV Sittel‹ und Rundfunksender wie ›Kanal 77‹, die inzwischen etwa drei Viertel der Bevölkerung erreichen. Außerdem gibt es zahlreiche private oder kommunale Rundfunk- und Fernsehkanäle, die aufgrund des schwachen regionalen Zeitungsmarktes eine große Rolle spielen.

Volksmusik und eine besondere Form des „Schlagers“ (die sog. „alten städtischen Lieder“) spielen eine große Rolle in der Musikkultur M.s wie der gesamten Region. Zahlreiche Festivals sind dieser Musik gewidmet, die größten finden in Valandovo, Ohrid, Bitola und Štip statt. Unter den Jugendlichen ist neben westlicher auch einheimische Pop-Musik, der sog. Pop-Folk, sehr beliebt. Die bekannteste Gruppe dieses Genres in M. ist ›Leb i Sol‹ („Brot und Salz“), die seit ca. 30 Jahren auftritt und weit über die Grenzen des Landes hinaus Popularität genießt.

Eine einheitliche Alltagskultur in M. gibt es nicht, vielmehr stehen in der ethnisch-segregierten Gesellschaft die Kulturen der verschiedenen Nationalitäten parallel zueinander und weisen zahlreiche Berührungspunkte auf. In allen spielen Volksmusik und Volkstanz eine große Rolle und Familie und Verwandtschaft stellen nach wie vor ein starkes Bindungsglied dar. Überall verbreitet ist zudem die für die gesamte Region sprichwörtliche Gastfreundschaft. Demnach unterscheiden sich weniger die Inhalte als die Formen der einzelnen Alltagskulturen, mit Ausnahme des religiösen Bereichs, der zudem bei den muslimischen Bevölkerungsteilen einen höheren Stellenwert einnimmt als bei den Christen. Mit den Transformationen seit Beginn der 1990er Jahre haben zahlreiche westliche Elemente der Alltagskultur Einzug gehalten, doch wirken sie sich, etwa in den Bereichen der Ess- und Trinkgewohnheiten, des Sports und der Massenmedien bislang nicht dominierend aus. „Verwestlichung“ macht sich eher in dem starken, v. a. ökonomisch bedingten Drang, ins westliche Ausland zu emigrieren, denn in einer grundlegenden Änderung der Lebensweisen aus. Auffällig bleibt die trotz der vorherrschenden Tendenzen zur Landflucht nach wie vor relativ enge Bindung der Städter an ihre ländliche Herkunftsgegend, die nicht zuletzt auch den Versorgungsengpässen in den Städten geschuldet ist. Existenzfragen verhindern demnach vielfach eine stärkere Differenzierung dörflicher und städtischer Alltagskultur.

Der Sport nimmt eine bedeutende Stellung in Gesellschaft und Alltagskultur ein. Es bestehen 37 Sportverbände mit etwas weniger als 1400 registrierten Vereinen und rund 81.000 registrierten Mitgliedern. Die Zahl aller aktiven Vereinsmitglieder (einschließlich der nicht-registrierten) wird auf etwa 150.000 geschätzt. Organisatorisch zuständig für den Sportbereich ist die „Behörde für Jugend und Sport“ (Agencija za mladi i sport), ein selbständiges Organ, eingerichtet und kontrolliert durch die Regierung. Die mit Abstand populärste Sportart ist Fußball; im Profisport spielen daneben Basketball, Boxen, Handball, Kanu- und Kajaksport sowie Ringen und Schwimmen eine größere Rolle. Die größten Erfolge errangen Sportler aus M. in den Sportarten Ringen, Boxen, Basketball und Fußball. M. war bislang (als jugoslawische Teilrepublik) Austragungsport zweier Weltmeisterschaften: 1976 im Wildwasser-Kajak und –Kanu sowie 1981 im Freistilringen. Außerdem wurde 1972 die Schach-Olympiade in Skopje durchgeführt.

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3 Kulturgeschichte

Die Existenz des selbständigen Staates M. beginnt 1991, doch ist es in einem Überblick über Geschichte und Kultur unerlässlich, auch Teile der chronologischen Geschichte der gesamten Region Makedonien und kulturelle Entwicklungen vor der Staatsbildung einzubeziehen, die für das Verständnis der historischen Wurzeln des Staates M. und seiner Kultur notwendig sind. Dies bedeutet nicht, dass die für die Zeit vor 1991 angeführten historischen und kulturellen Entwicklungen allesamt ausschließlich oder hauptsächlich als Traditionslinien des Staates M. zu betrachten wären. Vielmehr gehören zahlreiche von ihnen ebenso zur Tradition der benachbarten Staaten, v. a. Bulgarien, Griechenland und Serbien.

Makedonien ist eine „historische Landschaftsindividualität“ (Theodor Schieder). Mit dem Begriff wird eine Region bezeichnet, die im Nordwesten vom Gebirgszug Šar planina, im Süden von der Ägäis und dem Olymp, im Westen vom albanischen Hochland und im Osten durch den Fluss Mesta und die Ausläufer der Rhodopen umschlossen wird. Die in der Antike hier lebenden Bewohner waren nach Herkunft und Sprache mit den Griechen verwandt.

Das Gebiet war damals in einen oberen (westlichen) und einen niederen (zentralen) Teil gegliedert. In Niedermakedonien bestand bereits Anfang des 7. Jh. v. Chr. ein Königtum, dessen Sitz Aigai (Vergina), seit Ende des 5. Jh. v. Chr. Pella war. Durch politische, ökonomische und militärische Reformen unter Alexander I. Philhellen (ca. 495–ca. 450 v. Chr.) und Archelaos I. (413–399 v. Chr.) und die Berufung griechischer Künstler und Gelehrter an den Hof wurde Makedonien zu einem zentral organisierten Machtzentrum, das unter Philipp II. (356–336 v. Chr. König) weiteren Ausbau erfuhr, große Gebiete, z. B. Lynkestis, „Päonien“ (altgriech. Paionia), Chalkidike, Thessalien, Teile von Epirus und Thrakien, erobern und schließlich die Hegemonie in Griechenland erlangen konnte. Unter Philipps Sohn Alexander dem Großen (336–323 v. Chr.) erreichte Makedonien mit der Eroberung Persiens seine größte Ausdehnung und auch den größten Einfluss in seiner Geschichte. Nach Alexanders Tod zerfiel das Reich infolge langwieriger Diadochenkämpfe. Die Vorherrschaft über das Gebiet blieb mehr als ein Jahrhundert lang vakant, ehe sie vom Römischen Reich nach den Siegen in den drei makedonischen Kriegen übernommen wurde: 168 v. Chr. endete Makedoniens Selbständigkeit, 148 v. Chr. wurde es zur römischen Provinz. Bei der Teilung des Römischen Reiches 395 n. Chr. fiel Makedonien an das Oströmische Reich. Im 6. und 7. Jh. wanderten dann slawische Stämme in die Region ein. Zwischen 9. und 14. Jh. war Makedonien Objekt fortwährender Auseinandersetzungen zwischen dem byzantinischen Reich und den beiden bulgarischen Zarenreichen (681–1018, 1187–1396) sowie dem serbischen Großreich (Mitte 14. Jh.), deren Zentrum es unter Samuil (978–1014) und Stefan IV. Dušan (1331–55) war.

Die traditionellen Musikstile in der Region Makedonien entwickelten sich unter starkem Einfluss der byzantinischen Kirchenmusik, die in einigen bedeutenden hier entstandenen Werken überliefert ist. Namhafte Vertreter, so z. B. Iōannēs Koukouzelēs (1280?-1360?) stammen auch aus der Region. Auf dem Territorium M.s finden sich zahlreiche Überreste antiker und mittelalterlicher Kunstschätze. Die wichtigsten Ausgrabungsstätten sind: Heraklia Lyncestis (in der Nähe von Bitola) und Stobi (unweit von Negotino). Die byzantinische Architektur spiegelt sich in zahlreichen Kirchen und Klöstern wider; besonders erwähnenswert sind die Basilika Sv. Sofija in Ohrid (Mitte des 11. Jh.), die Kirche im Kloster Sv. Pantelejmon nahe bei Skopje (Mitte des 12. Jh.) und die erhalten gebliebenen Originalteile des Klosters Sv. Naum bei Ohrid (Anfang des 10. Jh.). Mit dem Sieg der Türken in der Schlacht an der Marica 1371 begann die Eingliederung Makedoniens in das Osmanische Reich, die bis Ende des 14. Jh. abgeschlossen war und fünf Jahrhunderte währte. Besonders eindrucksvolle Zeugnisse sind die „Bunte Moschee“ (alban. Xhamija e Larme) in Tetovo und der nahgelegene Derwisch-Konvent.

Während der osmanischen Herrschaft geriet der Begriff Makedonien in Vergessenheit. Erst Mitte des 19. Jh. unter dem Einfluss der Aufklärung, des Philhellenismus und Panslawismus lebte er wieder auf. Als Wegbereiter der Wissenschaft in M. können einige wissenschaftliche, akademische und literarische Gesellschaften angesehen werden, die im ausgehenden 19. und zu Beginn des 20 Jh. vor dem Hintergrund der wachsenden revolutionären Bewegung gegründet wurden. Ihre Tätigkeit konzentrierte sich auf philologische, sprachwissenschaftliche und literarische Themen. Die bedeutendste dieser Organisationen war die „Makedonische wissenschaftlich-literarische Gesellschaft“ (bulg. Makedonsko naučno-literaturno družestvo, makedon. Makedonsko naučno-literaturno drugarstvo), gegründet 1902 in St. Petersburg. Sie expandierte in der Folgezeit und konnte Zweige in Sofia (1903), Odessa (1905) und zwischen 1910 und 1913 auch in Bitola und in Thessaloniki errichten.

Mit dem Niedergang des Osmanischen Reiches und der Entstehung neuer Nationalstaaten auf dem Balkan wurde auch die „makedonische Frage“ virulent. Sie kam zunächst in konkurrierenden Ansprüchen Bulgariens, Serbiens und Griechenlands auf die Region zum Ausdruck. Nach dem Präliminarfrieden von San Stefano (3.3.1878), der den Krieg zwischen Russland und der Türkei (1877/78) beendete, sollte fast ganz Makedonien Bulgarien zufallen. Auf dem Berliner Kongress (13.6.–13.7.1878) wurde dieses Vorhaben jedoch verworfen und im Berliner Vertrag festgelegt, dass Makedonien Teil des Osmanischen Reiches bleiben solle. In den folgenden Jahrzehnten wetteiferten die oben genannten Staaten und ihre nach Makedonien entsandten Kulturträger und Agenten um die christlichen Bevölkerungsteile Makedoniens und suchten sie zum Aufstand gegen die osmanische Herrschaft zu bewegen. Gegen Ende des 19. Jh. formierte sich auch erstmals eine organisierte innermakedonische Bewegung, in der sich allerdings neben makedonistisch-autonomistischen auch probulgarische Kräfte sammelten. 1893 wurde die „Innere makedonisch-thrakische revolutionäre Organisation“ (bulg. Vătrešna makedono-odrinska revoljucionna organizacija, VMORO; ›Odrin‹ ist die bulgarische Bezeichnung für Edirne, das Zentrum Ost-Thrakiens) gegründet.

Von ihr wurde am 2.8.1903 in Kruševo der Ilinden-Aufstand initiiert, der niedergeschlagen wurde. Die Ausgliederung Makedoniens aus dem Osmanischen Reich gelang dann zehn Jahre später als Folge der beiden Balkankriege. Durch den Vertrag von Bukarest (10.8.1913) wurde Makedonien dreigeteilt, wobei Griechenland mit Ägäisch-Makedonien etwas mehr als die Hälfte der Region, Serbien mit Vardar-Makedonien etwas weniger als 40 % und Bulgarien mit Pirin-Makedonien knapp 10 % zufielen. Diese Dreiteilung wurde im Vertrag von Neuilly (27.11.1919) de facto bestätigt. Makedonien blieb jedoch eine umstrittene Region: Bulgarien okkupierte in beiden Weltkriegen als Verbündeter Deutschlands große Teile von Vardar- und von Ägäisch-Makedonien, scheiterte aber beide Male bei dem Versuch, eine territoriale Revision zu seinen Gunsten zu erzwingen. Das erste Jugoslawien betrieb in Vardar-Makedonien eine unverhüllte Serbisierungspolitik und rief damit Widerstand und das Anwachsen probulgarischer Kräfte hervor. Griechenland erreichte durch den mit Bulgarien und der Türkei im Friedensvertrag von Lausanne (24.7.1923) vereinbarten Bevölkerungsaustausch, dass nur noch eine kleine slawische Bevölkerungsgruppe in Ägäisch-Makedonien verblieb.

Grundlegend änderte sich die Situation erst während des Zweiten Weltkriegs. Unter Führung des vardar-makedonischen Regionalkomitees der KP Jugoslawiens wurden ab 1942 Partisanen-Gruppen und im März 1943 eine makedonische Fraktion der KP Jugoslawiens gebildet. Auf der zweiten Sitzung des von der KPJ geführten „Antifaschistischen Rat der Volksbefreiung Jugoslawiens“ (serb. Antifašističko Vijeće (veće) Narodnog Oslobođenja Jugoslavije, AVNOJ) im November 1943 wurden die Makedonier erstmals als eigenständige Nation anerkannt, und im August 1944 wurde die „Antifaschistische Versammlung der Volksbefreiung Makedoniens“ (makedon. Antifašističko sobranie na narodnoto osloboduvanje na Makedonija, ASNOM) gegründet. Damit war der Grundstein für die Einbindung Vardar-Makedoniens in das zweite Jugoslawien gelegt.

In der entstandenen eigenständigen Teilrepublik vollzog sich, gestützt sowohl auf den sozialen Wandel infolge der forcierten Industrialisierung als auch auf die klare Abgrenzungspolitik v. a. gegenüber Bulgarien (weitaus weniger gegenüber Griechenland), ein rascher Nationsbildungsprozess. Dessen Erfolg zeigt sich auch daran, dass aus der Teilrepublik Makedonien einer der fünf Nachfolgestaaten nach der Auflösung Jugoslawiens 1991 hervorgehen konnte.
Wichtige Etappen der Eigenstaatlichkeit M.s waren die Unabhängigkeitserklärung (25.1.1991), das Referendum über Unabhängigkeit und Souveränität (8.9.1991, der 8. September ist seither Staatsfeiertag) und die neue Verfassung (angenommen am 17.11., in Kraft getreten am 20.11.1991). Wesentlichen Anteil an der Friedlichkeit der Entwicklung hatte M.s erster Staatspräsident Kiro Gligorov. Zunächst hatte sich M. zusammen mit Bosnien und Herzegowina für die Erhaltung Jugoslawiens auf konföderativer Basis eingesetzt. Nach dem Scheitern dieser Versuche gelang es M. 1992, mit Belgrad einen Vertrag über den Abzug der Truppen der „Jugoslawischen Volksarmee“ (serb. Jugoslovenska Narodna Armija, JNA) abzuschließen (21.2.), der vor Ablauf der Frist (15.4.) bereits vollzogen war (26.3.).

Von Beginn an war die Stabilität des neuen Staates v. a. von zwei sich wechselseitig beeinflussenden Faktoren abhängig: den inter-ethnischen Beziehungen und der außenpolitischen Lage. M. strebte durch eine prononcierte Westorientierung eine schnellstmögliche Integration in EU und NATO an und versuchte regionale Konflikte zu entschärfen und Kooperation zu fördern. Doch heftige Einwände Griechenlands gegen Staatsnamen und Staatsflagge (die Verwendung des „Sternes von Vergina“) und zwei Artikel der Verfassung (3 und 49), die als mögliche Instrumente für Ansprüche auf Ägäisch-Makedonien angesehen wurden, sorgten wiederholt für außenpolitische Spannungen. Ungeachtet der Aufnahme M.s in die UNO (8.4.1993 unter der provisorischen Bezeichnung ›The former Yugoslav Republic of Macedonia‹) verhängte Griechenland einen Handelsboykott und ab 13.2.1994 eine Sperrung der Grenze zu M. Erst mit dem am 13.9.1995 in New York unterzeichneten Interimsabkommen, mit dem eine Änderung der Staatsflagge (aber nicht des Staatsnamens) verbunden war, setzte eine Normalisierung in den bilateralen Beziehungen ein.

In der zweiten Hälfte der 90er Jahre wurde zusehends deutlich, dass sich der Schwerpunkt der „makedonischen Frage“ verlagert hatte und diese nunmehr aufs engste mit der albanischen verknüpft war. Infolge der Kosovo-Krise und des Nato-Angriffs auf Jugoslawien suchten im Frühjahr zeitweise mehr als 300.000 vertriebene und flüchtende Kosovo-Albaner Schutz in M. Dieses wurde wenig später selbst zum Schauplatz der Auseinandersetzungen: Zwei Ableger der kosovarischen UÇK, die „Albanische Nationale Armee“ (Armatë Kombëtare Shqiptare, AKSh) und die makedonische UÇK begannen ab dem Frühjahr 2000 mit Geiselnahmen und gingen ab Anfang 2001 zu gezielten Provokationen über, die zu teils ebenso extremen Reaktionen (z. B. Flächenbombardements) durch die makedonische Regierung und Armee führten. Unter starkem Druck der USA, der NATO und der EU wurden Verhandlungen zur Beilegung der Krise aufgenommen, die schließlich zum Abschluss der Rahmenübereinkunft von Ohrid führten.

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(Magarditsch A. Hatschikjan)

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