Skopje

Skopje (makedon., alban. Shkup, serb Skoplje, türk. Üsküb)

Inhaltsverzeichnis

1 Geographie

Lage und Administration

Die Stadt S. ist die Hauptstadt der Republik Makedonien und das kulturelle, wissenschaftliche, politische und ökonomische Zentrum des Landes. S. ist am Fluss Vardar gelegen und hatte 506.926 Einwohner (2002, auf der Basis der Gemeindegrenzen der kommunalen Neuordnung von 2004). Das ist ein Viertel der Landesbevölkerung. Alle wichtigen politischen Gremien, Behörden und Ministerien Makedoniens haben ihren Sitz in S. Die Stadt besteht heute aus 10 Gemeinden.

S. liegt auf einer Höhe von 245 m in einem lang gestreckten Talkessel am westlichen Rand des Beckens von Skopje (Skopska Kotlina), das von den Bergen Žeden,
Skopje
Vodno, Jakupica und dem Gebirge Skopska Crna Gora begrenzt wird. Die nördliche Stadtgrenze ist Teil der Staatsgrenze zum Kosovo. Klimatisch gehört S. zum nördlichen Rand der submediterranen Zone. Die Jahresmitteltemperatur liegt bei 13,5 °C und die jährliche Niederschlagsmenge beträgt im Durchschnitt 940 mm. Kontinentale Einflüsse sorgen für größere Temperaturschwankungen. In den heißen Sommern mit Temperaturen bis über 45 °C regnet es kaum, so dass sich oft Dürreperioden bis in den Herbst hineinziehen.

Die Ausstrahlungskraft S.s auf die Umgebung ist nur gering. Städtisches Zentrum und Land grenzen sich ausgesprochen deutlich von einander ab und existieren eher nebeneinander denn aufeinander bezogen. Das kommerzielle und urbane Zentrum liegt in den Gemeinden Centar, Čair und Karpoš, während Aerodrom, Gjorče Petrov und Kisela Voda als städtische Wohnbezirke durch Hochhaussiedlungen gekennzeichnet sind. Dagegen haben Butel und Gazi Baba, die zum innerstädtischen Wohnbereich gehören, noch vielfach einen kleinstädtischen, zweistöckigen Wohnhausstil bewahrt. Die Gemeinde Šuto Orizari wurde nach dem Erdbeben am 26.6.1963 außerhalb des eigentlichen städtischen Zentrums als spezielle Siedlung für die Roma-Bevölkerung gebaut. Seit der kommunalen Neuordnung 2004 gehört auch die neue, ausgesprochen rurale, wenig entwickelte Gemeinde Saraj an der Grenze zum Kosovo, die aus den Kommunen Saraj und Kondovo gebildet wurde, zur Hauptstadt. Der Wiederaufbau der im Erdbeben 1963 zu fast 80 % zerstörten Stadt verlagerte das Zentrum auf die rechte Seite des Flusses, wodurch die schon zuvor bestehende Trennung zwischen orientalisch geprägter Altstadt und moderner Neustadt noch verstärkt wurde.

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Bevölkerung

Um 1450 hatte S. 5145 steuerrechtlich erfasste Einwohner, eine Zahl, die sich ein Jahrhundert später verdoppelt hatte. Angesichts des engen Zusammenhangs von Islamisierung und Verstädterung hatte S. seit der Mitte des 15. Jh. bis zu den Balkankriegen 1912/13 eine muslimische, zumeist türkische Bevölkerungsmehrheit. Unter den Osmanen wurde die Stadt zum ersten Mal ein Zentrum von überregionaler Bedeutung im Knotenpunkt der Handelsrouten von Edirne nach Sarajevo und von Thessaloniki nach Belgrad. Um 1683 zählte S. ca. 60.000 Einwohner. Einen nachhaltigen Rückschlag erhielt diese Entwicklung mit der Eroberung der Stadt durch habsburgische Truppen im Verlauf des „Großen Türkenkrieges“ 1683–99, die am 26./27.10.1689 die Stadt in Brand steckten. Ein Jh. später lebten dort lediglich 5–6000 Menschen und für das Jahr 1835 wird nur eine Zahl von 10.000 angegeben. Gegenüber anderen makedonischen Städten im Süden wie Serres, Saloniki oder Bitola blieb S. noch für Jahrzehnte eine zweitrangige Stadt mit deutlich geringerer Einwohnerzahl.

Der Bau von Eisenbahnlinien in den Jahren 1873–88, die S. mit Saloniki verbanden und den Anschluss an das serbische Eisenbahnnetz herstellten, ließen die Stadt zum drittgrößten Zentrum Makedoniens aufsteigen. Dies schlug sich auch in der Bevölkerungsentwicklung nieder. Am Vorabend der Balkankriege im Jahre 1912 hatte S. ca. 48.000 Einwohner. Mit dem demographischen Wachstum ging auch eine zunehmende Veränderung der konfessionell/ethnischen Struktur der Einwohnerschaft einher, da der Bevölkerungsanstieg v. a. eine Folge der zunehmenden Landflucht der christlich slawischen Bauern aus dem Umland war. Die Periode der Kriege von 1912 bis 1918 beschleunigte diesen Prozess in rasantem Ausmaß. Waren 1913 noch 60 % der Einwohner muslimischen Glaubens, so waren acht Jahre später von den jetzt ca. 58.000 Einwohnern nur noch ca. 25 % Muslime.

Anstelle der nicht slawischen Einwohner traten in der Zwischenkriegszeit nun vielfach Serben aus Serbien als Regierungsangestellte, Verwaltungsbeamte, Armeeangehörige, aber auch einfache Neusiedler. Mit 65.000 Einwohnern war die Stadt 1935 zur mit Abstand bevölkerungsreichsten Stadt jugoslawisch Makedoniens aufgestiegen. Unter der bulgarischen Besatzung im Zweiten Weltkrieg wurden nicht nur die 3351 Juden S.s an das deutsche Reich ausgeliefert, sondern auch die Serben vertrieben, so dass S. in dieser Zeit eine halbentvölkerte Stadt war. Landflucht und die jugoslawische Modernisierungspolitik ließen die Bevölkerung S.s nach dem Zweiten Weltkrieg rasant wachsen. 1953 hatte S. bereits 139.000 Einwohner und 1971 312.000. Mit dem Bevölkerungswachstum ging eine erneute Veränderung der ethnischen Struktur einher, der diesmal v. a. die Zusammensetzung der muslimischen Einwohner betraf. Aufgrund eines bilateralen Abkommens zwischen Jugoslawien und der Türkei 1953 kam es seit den 1950er Jahren zu einer Auswanderung von ca. 200.000 Muslimen aus Jugoslawien in die Türkei, darunter befand sich auch eine Mehrheit der Türken S.s. Der Anteil der Muslime an der Stadtbevölkerung änderte sich dadurch aber nicht, wurden doch seit den 1960er Jahren auch die albanischen Dörfer im Westen Makedoniens von der Landflucht ergriffen.

S. zählte im Jahre 2002 auf der Basis der Gemeindegrenzen der kommunalen Neuordnung von 2004 506.926 Einwohner. Ethnisch gliedert sich die Bevölkerung in 66,8 % Makedonier, 20,5 % Albaner, 4,7 % Roma, 2,8 % Serben, 1,7 % Türken, 1,5 Bosnier und 0,5 % Aromunen (makedon. cincari, vlasi), während die restlichen 1,8% in der Volkszählung unter der Kategorie „andere“ gezählt wurden. Im Zuge der kommunalen Neuordnung waren zwei ländliche, ganz überwiegend albanische Gemeinden mit zusammen 35.000 Einwohnern eingemeindet worden. Damit hatte der Anteil der Albaner die kritische Grenze von 20 % überschritten, die das so genannte Ohrider Abkommen vorsieht, um Minderheitensprachen auf kommunaler Ebene dem Makedonischen gleichzustellen. Die Mehrheit der Makedonier, Serben und Aromunen sind orthodoxe Christen. Sie werden von der Makedonisch Orthodoxen Kirche (Makedonska Pravoslavna Crkva) betreut, die seit 1967 autokephal ist. Albaner, Roma, Türken und Bosnier dagegen sind Muslime. In S. wohnt auch eine kleine Gruppe von zumeist albanischen Katholiken. Die prominenteste Katholikin ist die 1910 in S. als Agnes Gonxhe Bojaxhiu geborene Ordensschwester „Mutter Theresa“, die 1997 in Indien verstarb. Die jüdische Gemeinde besteht nur noch aus wenigen Personen.

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Wirtschaft und Verkehr

S. ist das industrielle und wirtschaftliche Zentrum Makedoniens. 40 % des makedonischen Industriepotentials entfallen auf Skopje. Die Industrialisierung begann erst in den 1950er Jahren. Mit der weltweiten, v. a. aber der großzügigen jugoslawischen Hilfe nach der Erdbebenkatastrophe von 1963 wurde ein fast ruckartiger Aufbruch in die Moderne eingeleitet. Von Bedeutung sind die pharmazeutische, die chemische, petrochemische und Elektroindustrie, sowie die Tabakverarbeitung. Durch den starken Rückgang der Industrieproduktion seit den 1990er Jahren sind Handel und Dienstleistungen zu den wichtigsten Erwerbsquellen der Bevölkerung geworden. Das orientalische Basarviertel (Stara carsija, auch turska carsija) auf dem linken Vardarufer ist noch weitestgehend erhalten. Zunehmend beschränkt sich die wirtschaftliche Aktivität dort aber auf Handel und Dienstleistung, während Eigenherstellung immer mehr aufgegeben wird.

Von verkehrsgeografisch überragender Bedeutung für S. ist die Europastraße 75, die der vorherrschenden Nord-Süd-Route entlang des Flusses Vardar folgt. Sie bildet das Rückrat des makedonischen Verkehrsnetzes und ist Teil des Transits zwischen Westeuropa und dem EU-Mitglied Griechenland. Allerdings hat der Verkehr auf dieser Route in den letzten 15 Jahren durch die Konflikte im ehemaligen Jugoslawien, sowie durch das UN-Embargo gegen Jugoslawien und das griechische Embargo gegen Makedonien von 1993–95 stark gelitten. S.s Bahnhof ist nur von geringerer Bedeutung, wegen des kurzen Schienennetzes in Makedonien. Wenn die schon seit Anfang der 1990er Jahre geplante Eisenbahnverbindung von Sofia über Skopje nach Tirana fertig gestellt werden sollte, könnte dem Bahnhof jedoch eine wichtige Funktion in der bisher nur sehr schlechten Verkehrsverbindung mit dem östlichen Nachbarland Bulgarien zufallen. Größere Bedeutung hat der Busbahnhof für Überlandfahrten unmittelbar am Beginn der Altstadt. An der südöstlichen Stadtgrenze, in Petrovec, befindet sich der 1928 errichtete Flughafen S.s, der jährlich etwa 450.000 Passagiere abfertigt. Im Stadtverkehr besteht ein vergleichsweise dichtes und gut funktionierendes Netz an öffentlichen und privaten Buslinien.

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2 Kulturgeschichte

Die Stadt S. geht auf einen eher bescheidenen römischen Stützpunkt aus dem 2. Jh. v. Chr. ca. 5 km nordwestlich der heutigen Stadt zurück: Colonia Flavia Aelia Scupi. Seit dem 4. Jh. Bischofssitz wurde die Siedlung 518 durch ein Erbeben
Kale
fast völlig zerstört. Die Überlebenden gründeten an der Stelle des heutigen S. eine neue Siedlung, die weiter den alten Namen trug. Das einzige aber zugleich auch eindrucksvolle Baudenkmal aus der antiken Epoche ist die Festung ›Kale‹, die sich im Zentrum S.s über der Altstadt erhebt. Vermutet wird, dass sie in der Zeit des Kaisers Justinian I. (527-65) erbaut wurde, im Abwehrkampf gegen die Slawen. Die heutige Gestalt der Festung geht vermutlich auf die byzantinische Zeit im 11. Jh. zurück. Die Slaweneinwanderung zum Ende des 6. und Beginn des 7. Jh. bedeutete einen empfindlichen Rückschlag für die Urbanität auf dem Balkan. Während der ersten Jahrhunderte der slawischen Besiedlung bleibt die Geschichte S.s im Dunkeln. Seit dem Ende des 9. Jh. geriet die Stadt in den Herrschaftsbereich des bulgarischen Zaren. Seine periphere Lage an der Grenze zwischen byzantinischem und slawischem Einfluss führte jedoch zu einem ständigen Herrschaftswechsel. 1002–1204 gehörte S. zu Byzanz, unterbrochen jedoch von lokalen Aufständen (1040 und 1072–73) und Normanneneinfällen (1080). Im 13. Jh. fällt es nach einander an das bulgarische Reich, das Despotat von Epirus (1215), erneut an die Bulgaren (1230), das Kaiserreich von Nikäa (1246) und geriet schließlich unter byzantische Herrschaft (1259). 1289 verlor Byzanz S. endgültig an den serbischen Kaiser Stefan Uroš II. und die Stadt blieb bis 1392 die wichtigste antike Stadt auf dem Gebiet des serbischen Reiches. 1346 ließ sich hier Stefan IV. Dušan zum Kaiser der Serben und Griechen krönen. Doch ging damit kein Ausbau zu einer repräsentativen Hauptstadt einher, denn der Herrscher residierte überwiegend auf dem Lande, in Klöstern oder Pfalzen.

1391 oder 1392 wurde S. von den Osmanen in Besitz genommen. Seit der Mitte des 15. Jh. erlebte die Stadt einen wirtschaftlichen Aufschwung, der mit einer regen Bautätigkeit einherging. Zahlreiche Gebäude aus dieser Epoche prägen noch heute das Bild S.s, wie das Wahrzeichen der Stadt, die steinerne Brücke über den Fluss Vardar (Kamen Most), die Moscheen Mustafa-pašina (erbaut 1492) und Gazi Isa berova (erbaut 1476) und das 1484 erbaute türkische Bad Daut-pašim, das eines der größten Hamam auf dem Balkan war und seit 1949 als „nationale Kunstgalerie“ genutzt wird. Unter den Osmanen erhielt das Leben der Stadt ein zunehmend islamisches Gesicht.

Charakteristisch für die osmanische Altstadt S.s waren die zahlreichen Sackgassen und die Verbindungsbrücken zwischen den Wohnhäusern. Diese verbanden die Häuser innerhalb eines Viertel in einer Art und Weise miteinander, dass ein halbprivater Raum entstand, der sich den Blicken der Bewohner anderer Stadtviertel entzog. Mit der Zerstörung der Stadt durch habsburgische Truppen am 26./27.10.1689 fand diese Entwicklung ein abruptes Ende. Erst die osmanische Reformära Tanzimat und der Bau von Eisenbahnlinien 1873–88 begünstigten wieder die Entwicklung eines bürgerlichen Lebens. 1888 wurde S. Hauptstadt des Verwaltungsbezirks Vilayet Kosova. Im griechisch-bulgarischen Kirchenkampf erscheint S. als eine entschieden bulgarische Stadt. 1835 wurde mit der „Muttergotteskirche“ (Sveta Bogorodica), die erste Kirche ausschließlich für die bulgarische Gemeinde eröffnet. Nach der Gründung des „Bulgarischen Exarchats“ (Bălgarska Cărkovna Ekzarhija) 1870 sprach sich die Eparchie S. in einem Plebiszit für den Anschluss an diese neue Kirche aus. Im April 1874 trat der erste bulgarische Bischof in S. sein Amt an. Der Schwerpunkt der nationalrevolutionären Bewegung lag jedoch im Süden Makedoniens, wo 1893 die „Innere Makedonische Revolutionäre Organisation” (bulg. Vătrešna Makedonska revoljucionna organizacija, IMRO) in Saloniki gegründet wurde. Auch der legendäre Ilinden-Aufstand 1903 verlief hauptsächlich in den Grenzen des Wilayets Manastır (Bitola).

Am 26. 10.1912 besetzte die serbische Armee S. ohne Kampf. Die Stadt gehörte fortan zum Königreich Jugoslawien, unterbrochen nur von der bulgarischen Besatzung Makedoniens im Ersten Weltkrieg von 1915–18. Serbien betrieb in den Jahren zwischen den Weltkriegen in Makedonien eine rigorose Politik der Verdrängung von allem was mit Bulgarien zusammenhing. So wurden die bulgarischen Schulen geschlossen oder in serbische umgewandelt. In diesem Zusammenhang wurde 1920 eine philosophische Fakultät der Universität Belgrad in S. eröffnet und zwei Jahre später eine Ausbildungsanstalt für Lehrer errichtet. Im Zuge der administrativen Neuordnung Jugoslawiens unter der Königsdiktatur 1929 wurde S. zur Hauptstadt eines Verwaltungsbezirks (Vardarska banovina), der neben Makedonien auch den Kosovo und Teile Südserbiens (z. B. Vranje) umschloss.

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Nach dem deutschen Überfalls auf Jugoslawien besetzten deutsche Truppen Makedonien im April 1941. Bei der anschließenden Aufteilung der Besatzungszonen kam S. in die bulgarische Zone. S. wurde zum Sitz, des größten der beiden Verwaltungsbezirke (Oblasti), in die Bulgarien Makedonien eingeteilt hatte, und bekam einen Militärgerichtshof für die besetzten Gebiete. Anstelle des Serbischen wurden nun Bulgarisch offizielle Amts- und Schulsprache. Im März 1943 wurden die Juden S.s in ein Sammellager in die Nähe des bei dem Erbeben 1963 zerstörten Bahnhofs getrieben, um von den Deutschen ins Vernichtungslager Treblinka deportiert zu werden. Gegen die Besatzungsmacht hatte sich ein kommunistischer Partisanenwiderstand formiert. Erfolgreich wurde er jedoch erst, als im Frühjahr 1943 das Oberkommando der Partisanen aus S. abgezogen und in die Berge um die Stadt Kičevo verlegt wurde. Am 13.11.1944 befreiten die jugoslawischen Partisanen S.

Nach der am 30.1.1946 verabschiedeten Verfassung war die Volksrepublik Makedonien eine von sechs Gliedstaaten des neuen Jugoslawien. In der Ende Dezember 1946 beschlossenen Verfassung Makedoniens wurde S. zu deren Hauptstadt. In den Jahrzehnten nach dem Weltkrieg war die Stadt Schauplatz einer intensiven Modernisierung und Industrialisierung. Nach dem Erdbeben von 1963, bei dem S. zu 80 % zerstört worden war, wurde auf dem rechten Ufer des Flusses Vardar eine moderne Stadt (u. a. durch den japanischen Architekten Kenzo Tange) praktisch aus dem Boden gestampft. In den 1970er Jahren stieg S. zur drittgrößten Stadt Jugoslawiens auf. Trotz der Wirtschaftskrise seit dem Ende der 1970er Jahre, die sich immer mehr zu einer tiefen Strukturkrise ausweitete, setzte sich das urbane Wachstum fort.

Mit der Unabhängigkeit Makedoniens 1991/92 wurde S. zur unbestrittenen Hauptstadt des neuen Staates. Parallel zur staatlichen Verselbständigung erfolgte 1991 und 1992 ein gewaltiger Zentralisierungsschub. Von den ursprünglich 5903 kommunalen Beamten, die von den lokalen Regierungen ernannt worden waren, verblieben noch gerade einmal 345 in kommunaler Regie, während der übergroße Rest jetzt der Zentralregierung unterstand. Angesichts einer äußerst knappen Finanzlage – ca. 2 % der öffentlichen Einnahmen standen den Kommunen zu – war der in der Verfassung verankerte Grundsatz der lokalen Selbstverwaltung schlechterdings nicht umsetzbar. Unter diesen Umständen konnte von einer aktiven Stadtplanung in S. nicht die Rede sein.

Als Teil der Implementierung der „Ohrider Reformen“ trat am 1.7.2005 ein Gesetzespaket in Kraft, das die kommunalen Kompetenzen nun wieder deutlich erweitert hat. Im Krisenjahr 2001, als eine aus dem UN-Protektorat Kosovo kommende Albanische „Nationale Befreiungsarmee“ (UÇK), das Land an den Rande eines Bürgerkriegs brachte, war S. anders als die Städte Tetovo und Kumanovo nicht unmittelbar von den bewaffneten Auseinandersetzungen betroffen. Doch hatten sich die Aufständischen im Norden bis auf 2 km der E 75 genähert. Im Mai 2001 besetzten sie für kurze Zeit den Ort Aračinovo im Osten von S., womit der Flughafen in Petrovec in unmittelbarer Reichweite ihrer Waffen lag. Einen Nachhall dieser Krise erlebte die Stadt, als im Dezember 2004 eine 50–100 Mann starke Gruppe ehemaliger UÇK-Angehöriger unter der Leitung von Agim Krasniqi für mehrere Wochen das Dorf Kondovo besetzt hielt, dass im gleichen Jahr aufgrund der kommunalen Neuordnung von S. eingemeindet worden war. Der erst im September 2005 festgenommene Krasniqi hatte gedroht, Raketen auf die Hauptstadt abzufeuern, falls die Polizei ihn fassen wollte.

Seit seiner Gründung hatte sich der jugoslawische Teilstaat Makedonien großzügig gezeigt, wenn es um die Förderung kultureller Einrichtungen ging, waren sie doch Teil einer intensiven ideologisch-kulturellen Makedonisierung seit 1945. Mit besonderem Nachdruck werden diese Aufgaben von dem 1948 gegründeten „Institut für Nationalgeschichte“, dem „Institut für makedonische Sprache Krste Misirkov“ und dem „Archiv Makedoniens“ erfüllt. Die 1967 gegründete „Makedonische Akademie der Wissenschaften und Künste“ (MANU) ist ebenfalls in S. ansässig. Aus der ehemaligen pädagogischen Fakultät der Uni Belgrad wurde nach dem Krieg eine eigenständige Universität „Sveti Kiril i Metodij“, die heute an 24 Fakultäten und 10 wissenschaftlichen Instituten mehr als 36.000 Studenten unterrichtet. Alle kulturellen Einrichtungen von nationaler Bedeutung befinden sich in S. wie das „Makedonische Volkstheater“ (Makedonski naroden teatar, MNT), das „Theater der Nationalitäten“ (Teatar na narodnostite), die „Makedonische Philharmonie“ (Makedonska filharmonija), die „Cinemathek Makedoniens“ (Kinoteka na Makedonija), das Nationalmuseum „Museum Makedoniens“ (Muzej na Makedonija), das „Museum für zeitgenössische Kunst“) (Muzej na sovremena umetnost); die „Nationalgalerie“ und die National- und Universitätsbibliothek (Sv. Kliment Ohridski).

Seit der Pluralisierung der Presselandschaft haben alle Tageszeitungen ihren Sitz in S.: die makedonisch-sprachigen: „Tageszeitung“ (›Dnevnik‹), „Morgenblatt“ (›Utrinski Vesnik‹), „Nachricht“ (›Vest‹), die seit 2003 zur WAZ-Gruppe gehören, „Neues Makedonien“ (›Nova Makedonija‹) und die aus Opposition gegen die Übernahme durch den WAZ-Konzern von ehemaligen Dnevnik-Redakteuren gegründete „Zeit“ (›Vreme‹), sowie die beiden albanischen Tageszeitungen „Die Flamme“ (›Flaka‹) und „Fakten“ (›Fakti‹). Der populäre Mannschaftssport mit der Fußballmannschaft „Vardar“, Basketball und Handball hat durch die Abwerbung von Spielern ins Ausland und dem Einbruch des Sponsorenwesens einen schweren Rückschlag erlitten.

Adanir F. 1994: Skopje: eine Balkan-Hauptstadt. Heppner H. (Hg.): Hauptstädte in Südosteuropa. Wien, 149 – 169. Akan Ellis B. 2003: Shadow genealogies. Memory and identity among urban Muslims in Macedonia. New York. Asim S. 2005: Istorija na Skopje i negovata okolina. Skopje. Fraenkel E. 1986: Skopje from Serbian to Ottoman Empire: Conditions for the appearance of a Balkan Muslim city. Diss. Univ. of Pennsylvania.

(Heinz Willemsen)

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