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Sarajevo

Sarajevo (bosn./kroat./serb., osman. hist. Saraybosna)

Inhaltsverzeichnis

1 Geographie

S. ist die Hauptstadt Bosnien-Herzegowinas sowie der Bosniakisch-Kroatischen Föderation und des Kantons S. (einer von zehn Kantonen in der Föderation). Die Stadt ist Sitz eines orthodoxen Metropoliten, eines römisch-katholischen Erzbischofs und des Oberhaupts der bosnisch-herzegowinischen Muslime. Die innerbosnische Grenze durch S. wurde mehrfach, zuletzt im Sommer 2001, verlegt. Das heutige Stadtgebiet umfasst 141,5 km² mit 297.416 Einwohnern (Mitte 2005).

Die Stadt liegt am Fluss Miljacka auf etwa 525 m Höhe. Dieser fließt von Osten nach Westen zwischen den Bergen Grdonj (901 m) und Orlić (876 m) im Norden
Sarajevo
und Bistrik Kula (1004 m), Jahorina (1913 m, zur bosnischen Serbenrepublik gehörend), Trebević (1627 m), Treskavica (2088 m), Igman (1502 m) und Bjelašnica (2067 m) im Süden. Etwa zwölf Kilometer hinter der Stadt mündet er in den Fluss Bosna. S. liegt in der gemäßigt kontinentalen Zone. Die mittlere Monatstemperatur beträgt im Januar –1,3 °C, im Juli 19,1 °C. Die durchschnittliche jährliche Niederschlagsmenge beträgt 919 mm.

Die österreichisch-ungarischen, jugoslawischen und bosnischen Volkszählungen verzeichneten folgende demographische Entwicklung: 1910 (letzter österreichischer Zensus) 51.919 Einwohner, davon 18.603 Muslime, 8450 serbisch-orthodoxe, 17.922 Katholiken, 4985 sephardische Juden und 547 Protestanten; zwischen 1919 (ca. 58.000) und 1941 (ca. 90.000) wuchs die Bevölkerung um 55 %. Im sozialistischen Jugoslawien wurden fünf Volkszählungen durchgeführt: 1948 (111.087), 1953 (109.585), 1971 (359.448), 1981 (448.519) und 1991 (527.049). 1991 gaben im Kreis S., inklusive der Ortschaften Hadžici, Ilidža, Ilijaš, Novi grad, Novo Sarajevo, Pale, Stari grad, Trnovo und Vogošća 259.470 von 527,049 (49,2 %) Einwohnern an, muslimischer (bosniakischer) Nationalität zu sein, 157.143 (29,8 %) serbischer, 56.470 (10,7 %) jugoslawischer, 34.873 (6,6%) kroatischer, sowie 19.093 (3,6 %) anderer Nationalität.

S. wurde während der dreieinhalbjährigen Belagerung (2.3.1992–14.9.1995) im Zuge der post-jugoslawischen Kriege stark zerstört. Die Bevölkerung fiel unter 300.000. Mitte 2005 registrierte man im weiteren Raum S. 410.031 Einwohner, wobei von einer größeren Zahl nicht erfasster Menschen ausgegangen werden muss. Während des Bürgerkrieges starben 10.615 Menschen, mehr als 50.000 wurden verletzt. Die Stadt hat eine weit reichende Abwanderung der intellektuellen und wirtschaftlichen Eliten erfahren sowie eine hohe Zuwanderung vom Land. Man schätzt, dass etwa ein Viertel der Bevölkerung S.s Flüchtlinge aus anderen Teilen Bosniens sind. Die ethnische Zusammensetzung veränderte sich rigoros – nun sind etwa 87 % der Bevölkerung muslimisch (bosniakisch), während die bosnisch-serbische Bevölkerung von knapp 30 % auf ca. 5 % zurückging.

Der Bürgerkrieg hat die Wirtschaft und Infrastruktur zerstört und ein Absinken der Produktion um etwa 80 % nach sich gezogen. Das bosnische Bruttoinlandsprodukt liegt nach wie vor unter dem Niveau von 1990, die Arbeitslosigkeit bei etwa 40 %. S. wird wie ganz Bosnien-Herzegowina von der Weltbank und dem Internationalen Währungsfonds verwaltet. Der größte wieder aufgebaute Betrieb sind die VW-Werke (Tvornica Automobila Sarajevo).

S. ist der zentrale Knotenpunkt für den Bahn- und Autoverkehr der Bosnisch-Herzegowinischen Föderation. 1969 wurde der internationale Flugverkehr auf dem S.er Flughafen aufgenommen. Der Flughafen wurde während des Krieges stark beschädigt und zeitweise nur vom Militär benutzt. 1996 nahm er den Zivilverkehr wieder auf (278.344 Passagiere 1998). 2003 erhielt S. einen Autobahnanschluss. In S. gibt es 28 Hochschulen mit 31.964 Studenten (2005).

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2 Kulturgeschichte

Die Geschichte des heutigen S. lässt sich historisch und urbanistisch in einen osmanischen (1462–1878), einen österreichisch-ungarischen (1878–1918), einen jugoslawischen (1918–1991, unterbrochen durch den Zweiten Weltkrieg) sowie den post-jugoslawischen bzw. bosnischen Abschnitt (seit 1992) einteilen.

S. (Saray-Bosna = Statthalterresidenz) ist eine osmanische Neugründung (1462), die zu den antiken und mittelalterlichen Siedlungen in keiner urbanistischen oder demographischen Kontinuität steht. Im Tal, in dem S. liegt, wurden – zuletzt seit 2002 – bedeutende archäologische Funde aus der Jungsteinzeit getätigt, die nach dem Fundort der Butmir-Kultur (5500–4800 v. Chr.) zugeordnet werden. Reste der illyrischen Besiedlung seit der Bronzezeit (2200–800 v. Chr.) finden sich an verschiedenen Orten der Region S. (Debelo Brdo, Zlatište, Soukbunar).

Die Römer eroberten die Gegend 9 n. Chr. und errichteten ein urbanes Zentrum an der Stelle eines der westlichen Stadtviertel des heutigen S., Ilidža. Reste der römischen Besiedelung, deren Name nicht bekannt ist (Colonia Aquae S[ulphuriae?]) finden sich im Stadtteil Marijin Dvor. Das Ur-S. gehörte zur römischen Provinz Dalmatien.

Das Zentrum des mittelalterlichen Bosnien lag am oberen Lauf des Flusses Bosna, mit den Befestigungen Hodidjed, Kotorac und Vrhbosna. Die erste Erwähnung der ›civitas Vrhbosna‹ (= Stadt Oberbosnien) datiert von 1244, in der Charta des ungarischen Königs Bela IV. Spätere osmanische Quellen erwähnen mehrere Siedlungen in der Region S.

Die heutige Stadt geht auf die Gründung durch ʿĪsā Beg (Isa-beg Ishaković-Hranušić) 1462 zurück – zu dieser Zeit entstanden die erste Steinbrücke (careva ćuprija) über den Fluss Miljacka, die Residenz des Bey (saray), Verwaltungsgebäude, die Sultansmoschee (careva džamija), ein öffentliches Hamam, eine Pferderennbahn (atmeydanı), eine Karawanserei, Läden für Kaufleute und Handwerker sowie die erste Wasserleitung. Zwischen 1463 und 1553 und dann wieder seit 1607 war S. Sitz des bosnischen Sandschaks bzw. später des Paschas.

Die osmanische Stadt entstand überwiegend im Laufe des 16. Jh. im östlichen Teil des
Sultansmoschee
Talkessels. Anfang des Jahrhunderts entstanden die erste orthodoxe und die erste katholische Kirche, Ende des Jahrhunderts die erste Synagoge. Insbesondere unter der Verwaltung von Husrev-beg (1521–41) nahm die Stadtentwicklung einen Aufschwung. In dieser Zeit wurden mehrere Moscheen erbaut: Muslihudina Čekrekčije (1526), Havadže Durake (1528) sowie die nach dem Beg benannte Gazi Husrev-begova (1530), die als monumentalster islamischer Bau Bosnien-Herzegowinas konzipiert wurde. Im Auftrag des Sultans Süleymān I. (1520–66) wurde die neue Sultansmoschee (careva džamija, 1566) an der Stelle der früheren errichtet. Es entstanden die erste islamische Grundschule und die erste islamische juristisch-theologische Hochschule (medresa Kuršumlija, 1537) sowie die dazugehörige Bibliothek. Neben dem ersten und heute noch erhaltenen öffentlichen Bad mit getrennten Bereichen für Männer und Frauen entstanden unter Husrev-beg eine öffentliche Küche (imaret) und ein überdachter Markt (bezistan). Seine Nachfolger gründeten weitere Koranschulen. Die Bevölkerung S.s bestand zum größten Teil aus Menschen, die aus der näheren Umgebung zuwanderten und sich im Laufe des 16. Jh. islamisierten. Die Ausdehnung der Stadt am Ende des 16. Jh. veränderte sich bis zur Ankunft der Habsburger 1878 nicht und bis zum Ende des Zweiten Weltkriegs nur geringfügig. Mitte des 17. Jh. war die Stadt in 91 muslimische Stadtviertel (mahalle), zwei christliche und ein jüdisches aufgeteilt und besaß mehr als hundert Moscheen, einige orthodoxe und katholische Kirchen sowie zwei Synagogen. Die Zahl der öffentlichen Bäder war auf etwa fünfzig gestiegen. Inzwischen gab es zehn Brücken über den Fluss Miljacka und seine Zuläufe. Die zahlreichen auswärtigen Kaufleute kamen in Gasthäusern (han) unter, von denen schon das früheste, vom Stadtbegründer Isa-beg Ishaković erbaute, 40 Zimmer besaß und 400 Reisende sowie 35 Pferde beherbergen konnte. Unter Husrev-beg entstand das erste aus Stein erbaute (1879 abgebrannt), das insbesondere von Dubrovniker Kaufleuten frequentiert wurde. Letztere, sowie seit Mitte des 16. Jh. zuwandernde sephardische Juden und später auch venezianische und florentinische Kaufleute,
Basar
gaben dem internationalen Handel S.s besondere Impulse. Intensiv waren die Handelsbeziehungen mit Istanbul, Saloniki, Dubrovnik, Venedig, Ancona, Split und später auch Triest. Man handelte mit Leder, Wachs, Messern, Olivenöl, Tabak, Kaffee, Reis, Baumwolle, Glas (besonders aus Venedig) sowie v. a. mit Stoffen. Drei Kaufhäuser waren auf den Textilhandel spezialisiert. In dieser Zeit erlangte die (Alt-)Stadt (baščaršija) ihre größte Blüte. Um die achtzig verschiedene korporativistische Handwerks- und Kaufmannsassoziationen (esnafi) organisierten sich, und etwa die Hälfte dieser Berufssparten konzentrierte sich in einzelnen Straßenzügen. Diese Vereinigungen waren einflussreiche, selbstverwaltete Gebilde mit strengen Organisationsformen.
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In der zweiten Hälfte des 17. Jh. begann der Niedergang: Auf ein Erdbeben 1640 folgten 1644 ein großer Stadtbrand, 1647 eine Pestepidemie und in den folgenden zwei Jahrzehnten mehrmals Hungersnot - als Folge des osmanisch-venezianischen Krieges um Kreta. 1656 fielen u. a. die älteste orthodoxe Kirche sowie das katholische Viertel samt seiner Kirche einem erneuten Brand zum Opfer. Die größte Zerstörung brachte 1697 die Belagerung im Zuge des habsburgisch-osmanischen Krieges (1683–99) durch den Oberbefehlshaber des österreichischen Heeres, Prinz Eugen von Savoyen, von der die Stadt sich nicht wirklich erholte.

Im Juli 1878 wurde Bosnien-Herzegowina im Zuge des Berliner Kongresses zum Protektorat der Habsburgermonarchie erklärt. In Bosnien und insbesondere in S. hatte mit der Abschaffung des Janitscharen-Korps 1826 eine Bewegung für eine größere Autonomie Bosnien-Herzegowinas eingesetzt; eine erste kommunale Verwaltung (beledija) hatte 1865 ihre Arbeit aufgenommen. Diese wurde nach der Errichtung des Protektorats fortgesetzt und bestand aus sechs orthodoxen, fünf muslimischen, vier jüdischen und drei katholischen Mitgliedern. Ein ständiges Statut erhielt S. Anfang 1884, welches die Stadt in sieben Verwaltungsbezirke einteilte.

Die österreichisch-ungarische Herrschaft über Bosnien brachte nicht zuletzt die Aufwertung christlichen Lebens bzw. einen Anstieg der christlichen Bevölkerung S.s. 1879 hatte ein Stadtbrand in der Altstadt 304 Häuser, über 400 Läden und 135 andere Objekte zerstört, u. a. vier Moscheen, die katholische Kirche, das deutsche Konsulat, zwei Gasthäuser, die sog. hanikah und eine Synagoge. Die katholischen Einrichtungen wurden durch die Weihung einer neuen, größeren Kirche ersetzt, die 300 Menschen fasste und seit 1883 als Bischofskirche und Kathedrale fungierte. 1882 wurde ein orthodoxes Priesterseminar eingerichtet, 1889 eine protestantische Kirche geweiht. Moscheen wurden in der Zeit österreichisch-ungarischer Verwaltung nicht gebaut. Durch die Zuwanderung aschkenasischer Juden aus anderen Teilen der Habsburgermonarchie begann sich eine zweite jüdische Gemeinde herauszubilden. Die beim Brand 1879 zerstörte sephardische Synagoge war 1881 erneuert worden. Die Aschkenasim eröffneten ihre Synagoge 1902.

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Als weitere größere Baumaßnahmen nach dem 1879er Brand sind das Offizierskasino (1881) – bis zum Bau des Vereinshauses (Društveni dom) 1903 Mittelpunkt des nun österreichisch geprägten gesellschaftlichen Lebens – zu nennen, außerdem das Theater im romantizistischen Stil (1881), das im Neorenaissance-Stil gehaltene Hotel Europa (1882), der Sitz der Landesregierung (1884). Der Einfluss der Wiener Architektur fand seinen Höhepunkt 1907 mit der Eröffnung des neuen Postgebäudes des Architekten Josip Vančas (1859–1932).

Nach der Annexion Bosnien-Herzegowinas im Oktober 1908 besuchte Kaiser Franz Joseph I. Ende Mai / Anfang Juni 1910 S.. Notorische Bekanntheit erlangte die Stadt durch das Attentat Gavrilo Princips am 28.6.1914, Jahrestag der Schlacht auf dem Amselfeld (1389), auf den österreichischen Thronfolger Franz Ferdinand und seine Ehefrau. Das Ereignis war auslösendes Moment für den Ersten Weltkrieg. In S. reagierte man auf das Attentat mit gewaltsamen Ausschreitungen gegen die serbische Bevölkerung; serbische Geschäfte und Häuser wurden beschädigt. Die erste österreichisch-ungarische Offensive gegen Serbien im August erfolgte von Bosnien aus. Serbisch-montenegrinische Einheiten gelangten im September 1914 nach S., im Oktober entbrannte ein Kampf um die Stadt. Gavrilo Princip und weitere Anhänger der Studentenorganisation „Junges Bosnien“ (Mlada Bosna) wurden zeitgleich zu 20 Jahren Haft verurteilt (eine Todesstrafe für Minderjährige unter 24 Jahren sah das österreichische Recht nicht vor). Nach der Besetzung Serbiens und Montenegros im Oktober 1915 entfernte sich die Front, der Krieg machte sich in der Stadt weiterhin durch Mobilisierungen in die österreichisch-ungarische Armee, Mangel, Hunger und Kälte bemerkbar. Als deutlich wurde, dass Österreich-Ungarn den Krieg verlieren würde, sprachen sich die Bosnier für die Gründung eines südslawischen Staates aus. Anfang September 1918 besprach sich einer der Wortführer der südslawischen Einigungsbewegung, der Slowene Anton Korošec (1872–1940), in S. diesbezüglich mit den Führern der bosnischen Politik und der Religionsgemeinschaften. Am 31. Oktober 1918 konstituierte sich ebendort der Hauptausschuss für Bosnien-Herzegowina des Nationalrats der Slowenen, Kroaten und Serben. Der letzte österreichisch-ungarische Landeshauptmann für Bosnien, Generaloberst Stefan Sarkotic von Lovcen, übergab diesem Ausschuss am 1.11. die Landesverwaltung. Zwei Tage später konstituierte sich die neue Regierung. Einheiten der serbischen Armee gelangten am 6.11. nach S. und übernahmen die Verantwortung für die öffentliche Sicherheit. Die islamische Bevölkerung sah sich von Vertreibung und physischer Gewalt bedroht. Im Zuge der Einführung der Königsdiktatur (6.1.1929) wurde die religiöse Autonomie der Muslime aufgehoben.

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Bosnien-Herzegowina behielt nach der Gründung des SHS-Staates zunächst einige seiner staatlichen Charakteristika bei, zu denen auch der Status S.s als Landeshauptstadt gehörte. Nach der Verabschiedung der ersten jugoslawischen Verfassung (28.6.1921, Vidovdan-Verfassung) fungierte die Landesregierung noch als Provinzregierung, im Februar 1924 wurde auch diese abgeschafft. S. war keine Hauptstadt mehr.

Die Zwischenkriegszeit war eine Zeit wirtschaftlicher Stagnation. Die Österreicher hatten in der Stadt nur wenige Industrien angesiedelt, das erste Jugoslawien vernachlässigte sie in dieser Hinsicht. Die Hauptindustrien – eine Tabakfabrik, eine Brauerei, eine Teppichweberei, eine Strumpffabrik, eine Dampfmühle und zehn Ziegelbrennereien – waren großenteils schon vor dem Ersten Weltkrieg entstanden. Um die Erweiterung der Eisenbahnverbindungen zwischen 1882 und 1906 hatte sich eine Eisen verarbeitende Industrie entwickelt, die mit etwa tausend Beschäftigten zum größten Betrieb in der Stadt anwuchs. Architektonisch wandte sich S. Anfang der 1930er Jahre nach einem eher eklektischen Jahrzehnt – es entstand u. a. die heutige Nationalbank – der tschechisch beeinflussten Moderne zu; zu nennen sind neben mehreren Bankgebäuden weitere öffentliche Gebäude, wie Schulen, Krankenhäuser, Kinos, Druckereien, Kaffeehäuser und die Börse.

Im Zweiten Weltkrieg bombardierten deutsche Flieger am ersten Tag des Angriffs auf Jugoslawien (6.4.1941) die Stadt. Zwei Tage nach der jugoslawischen Kapitulation wurde Bosnien-Herzegowina und damit auch S. am 18.4. Teil des kroatischen Ustaša-Staates. Die Führer der muslimischen Religionsgemeinschaft (14.8.1941) und die muslimische Bevölkerung insgesamt (12.10.) verabschiedeten Resolutionen, die die Muslime als Opfer des Ustaša-Staates deklarierten. Sie sahen sich gleichzeitig Übergriffen durch die serbischen Kämpfer (Četnici) ausgesetzt, während die kroatische Ustaša-Bewegung auch Serben, Juden, Roma und Antifaschisten jeder ethnischen Zugehörigkeit verfolgen. Am 26.8.1942 formierten sich die Vorsitzenden aller bosniakisch-muslimischen Vereine und Institutionen zu einem Ausschuss der „Nationalen Rettung“ (Odbor „Narodnog spasa“), der die Zentrale des muslimischen Widerstands bildete. S. war auch Zentrum der bosnischen kommunistischen Volksbefreiungsbewegung. Knapp 11.000 Einwohner der Stadt verloren im Zweiten Weltkrieg ihr Leben, etwa 9000 davon durch faschistischen Terror (7092 Juden, 1427 Serben, 412 Muslime, 106 Kroaten). Kommunistische Partisaneneinheiten befreiten S. am vierten Jahrestag des deutschen Angriffs auf Jugoslawien (6.4.1945).

Im sozialistischen Jugoslawien wird S. Hauptstadt der Teilrepublik Bosnien-Herzegowina, es entstehen neue Wohnviertel, Industriezonen, Bildungs- und Kultureinrichtungen – die Stadt dehnt nun auch ihre räumliche Größe aus. In den 1940er und 50er Jahren erfolgte die Errichtung neuer öffentlicher Gebäude – wie der neue Bahnhof – im Stil realsozialistischer Monumentalbauten. Seit Ende der 60er Jahre bis in die 1980er Jahre versuchte man sich in einer pluralistischen, auch bosnische Traditionen wieder belebenden Architektur. Es entstanden u. a. die ›Jugobanka‹ (1959), der Sitz der Unioninvest (1963), das Museum der Revolution (1968), die Philosophische und Naturwissenschaftlich-mathematische Fakultät (1968), ein Studentenwohnheim (1971), der Sitz des bosnischen Fernsehens (1972), das Hotel ›Bristol‹ (1973), das neue Landeskrankenhaus (1976–79.), die Markthalle Hepok (1978), das neue Regierungsgebäude (1974–1982). In den Jahren vor der Ausrichtung der olympischen Spiele 1984 entstanden weit reichende Sport- und Tourismusstätten und das Redaktionsgebäude der Zeitung 'Oslobođenja'. Nach dem Zweiten Weltkrieg hatte es Pläne gegeben, die Altstadt als für eine moderne sozialistische Stadt unzeitgemäß abzureißen. Anfang der 1970er Jahre erfolgte dann die Sanierung und Revitalisierung des Viertels, eines der ehrgeizigsten urbanistischen Projekte des sozialistischen S.

Die Belagerung der Stadt im Zuge der post-jugoslawischen Kriege (1992–95) zerstörte tausende Wohnhäuser, öffentliche Gebäude sowie die städtische Infrastruktur. Symbolwert erlangten die Zerstörung der Nationalbibliothek und des Redaktionsgebäudes der ‹Oslobođenja‹, sowie die Nutzung des ehemaligen Olympiastadions als Hinrichtungs- und des umliegenden Grünstreifens als Grabstätte. Wieder- und Neuaufbau sind mit internationaler Hilfe im Gange.

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Wissenschaft - Künste - Alltagskultur

Die erste Bibliothek S.s begründete Gazi Husrev-beg 1537 im Zuge der Errichtung der ersten Koranschule. Gegen Ende des 16. Jh. bestanden mehr als siebzig konfessionelle Grundschulen (meka), zehn Medresen und mehrere Bibliotheken. Im 18. Jh. folgten weitere bedeutende Bibliotheken, wie die Osman Šehdijins (1754) sowie die Ahmed Efendi Kantamirs (1774). Die Blütezeit des osmanischen S. im 16. Jh. brachte eine Anzahl Autoren hervor, deren Werke, insbesondere die in arabischer, osmanischer und persischer Sprache in Bibliotheken in Istanbul, Paris, Wien und Budapest verwahrt werden. Zu den Schriftstellern, die entweder in S. geboren wurden oder aber dort ihre Werke verfassten, gehörten Mustafa-paša Skenderpašić-Suni, Mehmed Ulamapašić Gajreti, Muhamed Karamusić Nihadi, Sarajlija Nerkesi, Sani Salih Bošnjak Potur, Hafiz Ahmed Jazidžizade und Tifli Čelebi.

Die 1894 in österreichischen Zeiten erbaute Stadthalle (Vijećnica) im neo-islamisch-bosnischen Fin-de-Siècle Stil wurde 1949 zur Nationalbibliothek umgewandelt. Unter den Beständen (mehr als 1. Mio. Schriften) ist die Sammlung orientalischer Handschriften mit etwa 400 Kodexen und Manuskripten bosnischer Autoren erwähnenswert. In der Nacht vom 25. auf den 26.8.1995 brannte das Gebäude durch Beschuss mit Brandbomben völlig aus – tausende Bücher wurden zerstört, darunter zahlreiche Unikate. Der Bau wird heute für Konzerte, Ausstellungen und andere öffentliche Veranstaltungen genutzt.

Das Nationalmuseum Bosnien-Herzegowinas wurde 1888 als erste nach westlichem Modell konzipierte Institution im Land gegründet; 1913 wurde der heutige, im Neo-Renaissance-Stil erbaute Standort eingeweiht. Das Museum beherbergt Stücke aus den Bereichen Archäologie, Ethnologie und Naturgeschichte. Im Zuge der Kriege 1992–95 wurden die vier Museumsgebäude und der dazugehörige Botanische Garten beschädigt. Die Sammlungen konnten gerettet werden. Der Wiederaufbau und die Wiederaufnahme des Museumsbetriebes erfolgten mit Unterstützung zahlreicher Institutionen und Personen, insbesondere der UNESCO, der Kulturministerien Bosnien-Herzegowinas und des Kantons S., sowie verschiedener schweizer, norwegischer und schwedischer Museen.

Die 1531 von Gazi Husrev-beg eingerichtete philosophische Lehranstalt sowie die erste Koranschule (medresa Kuršumlija, 1537), die sich die drei klassischen Disziplinen katholischer Universitäten zueigen machte – Theologie, Jura, Philosopohie – bilden die Wurzel der S.er Universität. Noch Ende des 19. Jh. war letztere die größte Bildungseinrichtung in Bosnien-Herzegowina. Die Basis der modernen Universität bildeten die Fakultäten für Agrar- und Forstwirtschaft (1940), Medizin (1944), Rechtswissenschaften, Lehrerausbildung (beide 1946) und Ingenieurswesen (1949). Mit der Ernennung des ersten Rektors wurde die Universität im Dezember 1949 offiziell eröffnet, in den Folgejahren die Philosophische (1950) und die Wirtschaftswissenschaftliche Fakultät (1952) eingerichtet.

Die Eröffnung der Islamisch Theologischen Fakultät 1977 war Ergebnis einer wechselvollen Beziehung zwischen der muslimischen Bevölkerung und dem sozialistischen Staat. Waren in den ersten Nachkriegsjahren alle höheren islamischen Schulen für Scheriat und Theologie geschlossen (1946), mehr als ein Dutzend islamische Geistliche zu mehrjährigen Haftstrafen verurteilt (1947), allg. der Religionsunterricht an den Schulen abgeschafft (1948) sowie alle Derwisch-Klöster (tekke) aufgelöst worden (1950), machte die islamische Gemeinschaft Zugeständnisse an das Regime (1947 Bekundung einer Kooperationsgemeinschaft und Begrüßung der Trennung von Religion und Staat, Ausschluss von damit nicht konform gehenden Muslimen). Im Zuge der Anerkennung der bosnischen Muslime als Nation durch die jugoslawische Staatsführung intensivierten sich seit 1966 die Beziehungen zu anderen islamischen Ländern in Form von gegenseitigen Delegationen, Presse- und Studentenaustausch sowie Mekka-Pilgerfahrten – über 20.000 zwischen 1967 und 1983 (d. i. etwa 1/3 der bosniakischen Bevölkerung).

1950 war das „Orientalische Institut“ (Orijentalni institut) begründet worden; es beherbergte Europas wichtigste Sammlung islamischer Handschriften. Fast die gesamte Sammlung (5263 Manuskripte in arabischer, persischer, türkischer, hebräischer und in der lokalen Sprache ›alhamijado‹, also bosnisch in arabischer Schrift, sowie zehntausende osmanischer Dokumente) ging am 17.5.1992 im Zuge der Zerstörung des Institutsgebäudes in Flammen auf. Es bleiben zahlreiche Kopien dieser Originale in europäischen und mittelöstlichen Forschungsinstitutionen.

Die Universität setzte in den Kriegsjahren 1992–95, trotz der erheblichen Reduzierung des Personals und der Studierenden, trotz der Zerstörung von Gebäuden und Lehrmitteln, ihre Arbeit fort. 1996 setzte die Erneuerung der Universitätsstrukturen ein, u. a. mit Hilfe der ›European University Association‹, des Europarats, der Europäischen Union sowie vieler internationaler Bildungsinstitutionen. Gegenwärtig, man zählt etwa 47.000 Studierende, ist die Errichtung eines neuen polyzentrischen Campus geplant, der die durch die auf die Stadt verteilten Institute schwierige Infrastruktur verbessern soll.

Neben den Moscheen sind als die monumentalsten Objekte islamischer Architektur die öffentlichen Bäder zu nennen. Allesamt aus Stein erbaut und mit Kuppeldach und detailreichen Innendekorationen, verfügten die meisten über zwei gleichgroße Abteilungen für Männer und Frauen. Unterhalb der Kuppel befand sich das Bad mit einem Wasserfall, die Nebenräume dienten der Ruhe und dem Kaffee nach dem Bad. Erhalten ist nur noch eines der einst etwa fünfzig Bäder. Die Entwicklung moderner Kommunikationsstrukturen begann 1842 mit der Errichtung der ersten Post (auch dieses Gebäude wurde im Mai 1992 durch Brandbomben völlig zerstört). 1884 fuhr eine der ersten Straßenbahnlinien Europas, seit 1895 wurde sie elektrisch betrieben. Die Eisenbahn verband S. zuerst mit Bosanski Brod (1890) und Konjic (1892). Das erste Kino eröffnete 1913.

Zur gegenwärtigen Alltagskultur S.s gehört die Bewältigung der Kriegsfolgen. 1995 waren Eisenbahn-, Straßenbahn- und Telefonverbindungen vollständig unterbrochen. In den Jahren der Belagerung war die Stadt durch einen 1,2 Meter breiten, 1,6 m hohen und 760 m langen Tunnel versorgt worden, der vom Stadtteil Dobrinja nach Ilidža führte. Dieser ist heute von der Seite des Stadtteils Ilidža zugänglich, ein durch ein Schild ausgewiesenes Privathaus fungiert als Museum, in dem u. a. ein Videofilm über die Zeit der Belagerung gezeigt wird. Zu erwähnen ist die gezielt durchgeführte Desinformation durch die Medienberichterstattung über die Belagerungsjahre. Bsp. gibt es erhebliche Zweifel an der serbischen Täterschaft der Massaker auf dem S.er Marktplatz, die das internationale Embargo gegen Jugoslawien sowie die NATO-Luftangriffe zur Folge hatten.

Robert J. Donia 2006: Sarajevo. A Biography. London. D. Juzbašič u. a. (Hg.) 1997: Prilozi Historiji Sarajeva. Sarajevo.

(Sabine Rutar)

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