Slowakei (Land)

Slowakei (slowak. Slovensko), Kurzform für Slowakische Republik (slowak. Slovenská republika).

Inhaltsverzeichnis

1 Statistische Angaben


Lage:
Binnenstaat im östlichen Mitteleuropa. Die S. grenzt im Norden an Polen (Grenzlänge 541,1 km), im Osten an die Ukraine (98,5 km), im Süden an Ungarn (664,7km) und Österreich (106,7 km) sowie im Westen an Tschechien (251,8 km). Die Fläche beträgt 49.036 km².
Einwohner (2004):
5.384.822, davon 48,5 % männlich, 51,5 % weiblich; Altersstruktur 0–14 Jahre: 18,9 %, 15–64 Jahre: 68,9 %, 65 Jahre und älter: 12,2 %; Bevölkerungsdichte: 109,8 Einwohner/km²; 66,6 % im arbeitsfähigen Alter (Männer 15–64, Frauen 15–59); 74,1 % Beschäftigte (von den Personen im erwerbsfähigen Alter); 13,1 % Arbeitslose; Bevölkerungsentwicklung 1950–2004: 0,83 % jährlich, 1993–2004: 0,01 % jährlich; Nationalitäten (nach der Volkszählung 2001): 4.541.693 Slowaken (85,8 %), 520.528 Ungarn (9,7 %), 89.920 Roma (1,7 %), 44.620 Tschechen (0,8 %), 24.201 Ruthenen (0,4 %), 10.814 Ukrainer (0,2 %), 5405 Deutsche (0,1 %), 68.840 ohne Angabe u. a (1,3 %). Religionszugehörigkeit (nach der Volkszählung 2001): 68,9 % Katholiken, 13,0 % Nichtgläubige, 9,5 % Protestanten, 5,1 % orthodoxe Christen, 3,0 % Agnostiker oder Nichtbekennende.
Hauptstadt und größere Städte (2004):
Bratislava (425.155), Košice (235.006), Prešov (91.767), Nitra (85.742), Žilina (85.268), Banská Bystrica (81.704), Trnava (69.140), Martin (59.449), Trenčin (56.850).
Währung: 1 Slowakische Krone (Sk) = 100 Halier (hl.).
Wappen:
left
Das Wappen hat die Form eines frühgotischen Schildes. Es zeigt ein silbernes Patriarchenkreuz, das auf dem mittleren von drei blauen Bergen vor rotem Hintergrund steht. Die Berge symbolisieren die Massive Tatra, Fatra und Mátra.
Flagge:
left
Weiß-blau-rote Trikolore, deren Farben auf dem Slawenkongress 1848 als Symbol der slawischen Gemeinschaft bestimmt wurden. Sie wurde ursprünglich an die Flagge der Niederlande angelehnt. Links von der Mitte befindet sich das Staatswappen.
Hymne: Nad Tatrou sa blýska („Es blitzt über der Tatra“), Text von Janko Matúška (1821-77), Melodie des Volksliedes ›Kopala studienku‹ („Sie grub ein Brünnlein“).
Feiertage:
Staatliche Feiertage: 1. Januar (Tag der Entstehung der Slowakischen Republik), 8. Mai (Tag des Sieges über den Faschismus), 29. August (Jahrestag des Slowakischen Nationalaufstands), 1. September (Tag der Verfassung), 17. November (Tag des Kampfes für Freiheit und Demokratie); sonstige Feiertage: 6. Januar (Dreikönigstag), Karfreitag, Ostersonntag und -montag (beweglich), 1. Mai (Tag der Arbeit), 5. Juni (Tag der Hl. Kyrill und Method), 15. September (Feiertag der Schmerzensmutter, Patronin der Slowakei), 1. November (Allerheiligen), 24. Dezember (Heiligabend), 25. Dezember und 26. Dezember (Weihnachten, 1. und 2. Weihnachtsfeiertag).
Zeit: Mitteleuropäische Zeit
Staatssprache: Slowakisch
Staatsform: Republik
Staatsoberhaupt: Präsident (derzeit Ivan Gašparovič)
Regierungschef: Ministerpräsident (derzeit Robert Fico)
Politische Parteien:
Kresťansko demokratické hnutie (KDH, „Christlich-Demokratische Bewegung“), Ľudová strana-Hnutie za demokratické Slovensko (ĽS-HZDS, „Bewegung für eine Demokratische Slowakei“), Slovenská demokratická a kresťanská únia-Demokratická strana (SDKÚ-DS, „Slowakische Demokratisch-Christliche Union-Demokratische Partei“), Slovenská národná strana (SNS, „Slowakische Nationalpartei“), Smer-sociálna demokracia (SMER-SD, „Richtung - Sozialdemokratie“), Strana maďarskej koalície/Magyar koalíció pártja (SMK/MKP, „Partei der Ungarischen Koalition“).
Bruttoinlandsprodukt (2004): 41,223 Mrd. US-Dollar, pro Kopf der Bevölkerung: 7659 US-Dollar
Bruttosozialprodukt (2004): 39,506 Mrd. US-Dollar, pro Kopf der Bevölkerung: 7340 US-Dollar
Auslandsverschuldung (2004): 23,764 Mrd. US-Dollar
Außenhandel (2004):
Import: 29,258 Mrd. US-Dollar; Hauptlieferländer: 23,8 % Deutschland, 13,2 % Tschechien, 9,4 % Russland, 5,6 % Italien, 4,3 % Österreich; Export 27,775 Mrd. US-DollarD, Hauptabnehmerstaaten: 28,6 % Deutschland, 13,3 % Tschechien, 7,8 % Österreich, 6,4 % Italien, 5,5 % Polen.
Mitgliedschaften:
Central European Initiative (CEI), Europarat, EU, European Bank for Reconstruction and Development (EBRD), International Labour Organization (ILO), International Monetary Fund (IMF), Interpol, NATO, OECD, OSZE, UNO, Weltbank, WHO.


(Redaktion)

Anmerkung der Redaktion: Stand der statistischen Angaben ist, wenn nicht anders vermerkt, das Publikationsdatum des Artikels. Slowakei

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2 Geographie

2.1 Naturraum

Weite Teile der S., die nördlichen und zentralen Gebiete, gehören zum Gebirgssystem der Westkarpaten, das sich in mehrere – durch zwischengelagerte Becken und Flusstäler getrennt – Gebirgsmassive und Berggruppen gliedert. Das höchste Gebirge bildet die Hohe Tatra (poln. Tatry Wysokie, slowak. Vysoké Tatry) im Norden mit der höchsten Erhebung des Landes, der 2655 m hohen Gerlsdorfer Spitze (Gerlachovský štít). Zu den größeren Gebirgszügen zählen u. a. die Niedere Tatra (Nízke Tatry) in der nördlichen Zentral-S., von dort in nordwestlicher Richtung die Große Fatra (Veľká Fatra) und die Kleine Fatra (Malá Fatra). Ganz im Südwesten liegt die Donautiefebene (Podunajská rovina), die landein in einen breiten Hügellandstreifen übergeht. Im äußersten Nordosten erstrecken sich die „Niederen Beskiden“ (poln. Beskid Niski, slowak. Nízke Beskydy), während südlich davon die S. mit der Východoslovenská rovina (Ostslowakische Tiefebene) Anteil an der Großen Ungarischen Tiefebene hat.

Zu den großen Flüssen zählen Váh, Nitra, Gran und Hornád (dt. hist. Hernad) sowie als Grenzflüsse March im Westen und Donau im Südwesten. Die Flüsse fließen mit wenigen Ausnahmen nach Süden ab, im westlichen Landesteil in die Donau und im östlichen zunächst in die Theiß. Neben Bergseen gibt es zahlreiche künstliche Stauseen, der größte mit ca. 35 km² ist der Oravastausee (poln. Jezioro Orawskie, slowak. nádrž Orava).

Das Klima ist ganz überwiegend kontinental geprägt (mit von West nach Ost zunehmender Kontinentalität). Die wärmsten und trockensten Gebiete sind die Tiefebenen im Südwesten und im Südosten mit einer Durchschnittstemperatur von ca. 10 °C und einer Niederschlagsmenge von etwa 500–600 mm jährlich. Dagegen liegt in den Höhenlagen der Gebirge die Temperatur bei 0 bis 3 °C – die höchste Bergspitze in der Hohen Tatra erreicht nur einen Jahresdurchschnitt von –3,7 °C – und die Niederschlagsmenge bei 1500–2000 mm. Im Winter kommt es in den Bergregionen zu großen Temperaturunterschieden, wenn es in den Becken und Tälern kälter ist als auf den umliegenden Höhen.

In den – durch menschliche Eingriffe reduzierten und in ihrem Artenbestand veränderten – Wäldern, die immerhin noch etwa 38 % des gesamten Staatsgebiets ausmachen, sind heute v. a. Fichten, Kiefern, Tannen und Buchen vorzufinden, hinzu kommen Eiben. Etwa 70 % der Tatrawälder bestehen aus Fichten. In den Höhenlagen zwischen Wald- und Baumgrenze (von ca. 1500 m bis ca. 1800 m ü. d. M.) gibt es ausgedehnte Bergkiefernbestände (Knieholz). Darüber beginnt die Region der alpinen Matten. Die bewaldeten Flächen sind reich an Beeren und Pilzen. Braunbären, Wölfe, Füchse, Wildkatzen und die Tatra-Gämse gehören zum Wildbestand. Von den zahlreichen Vogelarten sind Schreiadler, Steinadler und Störche zu erwähnen. Verschiedene seltene Tierarten sind vom Aussterben bedroht. Mehrere große Nationalparks mit vorgelagerten Schutzgürteln sind zum Erhalt der natürlichen Umwelt eingerichtet worden In allen geeigneten Lagen, auf ca. 45 % der Gesamtfläche wird Landwirtschaft betrieben. Zu den Charakteristika der tiefer liegenden Gebiete in südlicher Richtung gehören Mais- und Sonnenblumenfelder.

Das Land verfügt über einige Bodenschätze; die früher reichen Vorkommen sind heute erschöpft oder aber wirtschaftlich von nachrangiger Bedeutung. Es gibt Braun- und auch Steinkohle (3,21 Mio. t 2003), darüber hinaus Erdöl- und Erdgaslager. Außerdem sind Eisen-, Mangan-, Kupfer-, Blei-, Zink-, Zinn- und Antimonerze sowie Magnesit zu erwähnen.

Hohe Emissionen an Schwefeldioxid sowie Stickoxiden und damit saurer Regen sind traditionelle Umweltprobleme des Landes. Diese Belastungen sind in den vergangenen fünfzehn Jahren reduziert worden; die Einführung energieeffizienterer Produktionsverfahren und der Rückgang der Schwerindustrie haben dazu geführt. Die Übernahme der EU-Umweltstandards mit dem Beitritt zur Union wird eine weitere Verbesserung der Umweltsituation zur Folge haben. In der internationalen Kritik steht das Kernkraftwerk Jaslovské Bohunice, das als eines der unsichersten in Europa gilt. Es soll trotz vorgenommener Aufrüstung auf Druck der EU 2008 abgeschaltet werden. Auch das in Bau befindliche zweite Kernkraftwerk in Mochovce, bisher sind zwei von vier Blöcken in Betrieb (mit einer Bruttoleistung von jeweils 440 MW), ist nach Einschätzung von Fachleuten nicht ohne Sicherheitsmängel. Schäden an der Natur hat das große Wasserkraftwerk Gabčíkovo an der Donau verursacht, v. a. der Verlust von Auwäldern wird beklagt.

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2.2 Bevölkerung

Die Einwohnerzahl hat seit 2001 jährlich minimal zugenommen. Das natürliche Wachstum der Bevölkerung betrug in den letzten beiden Jahren 0,04 % (2004) und 0,02 % (2005). Geringfügig höher lag der Migrationszuwachs mit 0,05 % bzw. 0,06 %. Das Durchschnittsalter der Gesamtbevölkerung lag Ende 2005 bei 37,41 Jahren, für Männer bei 35,78 und für Frauen bei 38,96 Jahren. Die durchschnittliche Lebenserwartung ist im gleichen Jahr für Männer auf 70,11 und für Frauen auf 77,90 Jahre gestiegen.

Die Urbanisierung nimmt mit wachsendem sozioökonomischem Gefälle zwischen Stadt und Land zu. Heute leben etwa 56 % der Bevölkerung in Städten. Die größte Siedlungsdichte weist der südwestliche Zipfel des Landes auf, die Hauptstadt Bratislava mit dem weiteren Umland, wo über 1,1 Mio. Menschen wohnen.

Die S. ist heute der einzige Staat im östlichen Mitteleuropa, in dem neben der Titularnation, den Slowaken, eine größere nationale Minderheit lebt: Rund 9,7 % oder 520.500 der Bürgerinnen und Bürger des Landes sind ethnische Ungarn (2001), deren Siedlungsgebiete sich auf die Grenzregionen zum benachbarten Ungarn konzentrieren. Die Sprache einer nationalen Minderheit gilt in den slowakischen Verwaltungseinheiten als Amtssprache, in denen ihre Angehörigen mindestens 20 % der Bevölkerung stellen.

Die slowakischen Ungarn bilden weitgehend eine Parallelgesellschaft mit eigenem Kulturleben und eigenen Parteien und Organisationen. Das Verhältnis zwischen ihnen und der Titularnation ist durch die Geschichte nachhaltig belastet. Nicht wenige Slowaken unterstellen ihren ungarischen Mitbürgern noch heute „großungarische Visionen“. Symptomatisch sind Hassgesänge und -transparente gegen die Ungarn in den Fußballstadien. In jüngster Zeit ist es zu tätlichen Übergriffen gegen Personen gekommen, die auf der Straße ungarisch sprachen. Auf Seiten der slowakischen Ungarn ist das Gefühl gesellschaftlicher Benachteiligung verbreitet. Nach der politischen Wende vom Herbst 1989 erhob die ungarische Minderheit vergeblich die Forderung nach einem Autonomiestatus für ihr Gebiet. Die Teilung der Tschechoslowakei zum Jahresbeginn 1993 lehnte sie überwiegend ab; offenkundig sah man in einem gemeinsamen Staat mit 10 Mio. Tschechen, in dem die Slowaken selbst nur eine Minorität waren, eine größere Gewähr für die nationalen Minderheitenrechte.

Die Roma im Land machen nach der Statistik nur etwa 1,7 % (2001) der Gesamtbevölkerung aus; Schätzungen zufolge beläuft sich ihre Zahl jedoch auf das Dreifache. Sie sind gesellschaftlicher Diskriminierung ausgesetzt, so dass sich offenbar viele nicht öffentlich zu ihrem Volkstum bekennen wollen. Ihre Lebenssituation ist schwierig, was sich bes. durch die sehr hohe Arbeitslosigkeit unter ihnen ausweist. Die Regierung hat das Amt eines Beauftragten für Roma-Fragen geschaffen und spezifische Programme aufgelegt, um die soziale Lage und gesellschaftliche Integration der Minderheit zu verbessern.

Die Tschechen kommen als weitere Minderheit mit knapp 1 % der Bevölkerung hinzu. Außerdem sind Deutsche, Österreicher, Ruthenen, Ukrainer zu nennen, die zusammen eine Minderheit von 0,7 % bilden (2001).

Die Verfassung schreibt die Trennung von Staat und Kirche fest. Sie gewährleistet die Freiheit des religiösen Bekenntnisses und des Glaubens, niemand darf gegen sein Gewissen oder religiöses Bekenntnis zum Wehrdienst gezwungen werden. Kirchen und Religionsgemeinschaften haben das Recht zur Gründung von Schulen und sozialen Einrichtungen. Insgesamt hat sich die Zahl der Menschen mit einer Religionszugehörigkeit seit dem Ende der kommunistischen Ära deutlich erhöht. Heute gehören rd. 69 % der Bürgerinnen und Bürger der römisch-katholischen Kirche an. Es bestehen zwei Erzdiözesen (Bratislava-Trnava, Košice), und vier Diözesen (Banská Bystrica, Nitra, Rožňava, Spiš). Zur evangelisch-lutherischen Kirche (Augsburger Bekenntnisses) zählen etwa 7 %, griechisch-katholischen Bekenntnisses sind rund 4 % (Eparchia Prešov) und zur reformierten christlichen Kirche (Reformovaná kresť. cirkev na Slovensku) gehören ca. 2 % der Bevölkerung. Darüber hinaus bestehen 11 behördlich registrierte Glaubensgemeinschaften (u. a. Zeugen Jehovas, Methodisten, Baptisten, Jüdische Gemeinden). Etwa 13 % verstehen sich als Atheisten, gegenüber dem Nachbarn Tschechien ist das ein geringer Prozentsatz. Über 3 % der Bevölkerung machen keine entsprechenden Angaben. Fragen der Religion und die Religionszugehörigkeit bilden kaum eine gesellschaftliche Trennlinie, im Alltagsleben haben sie keine Bedeutung.

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2.3 Staat und Gesellschaft

Die Verfassung vom 1.9.1992 ist mit der Selbständigkeit des Landes am 1.1.1993 in Kraft getreten. Seither ist sie mehrmals geändert worden, nicht zuletzt um die verfassungsrechtlichen Voraussetzungen für den Beitritt der S. zur EU (am 1.5.2004) zu schaffen. Auf der Grundlage der klassischen Gewaltenteilung sieht sie ein parlamentarisches Regierungssystem vor und gewährleistet die lokale Selbstverwaltung. Breiten Raum nehmen die Menschen- und Grundrechte ein, die in der heutigen Praxis von den staatlichen Stellen grundsätzlich respektiert werden. Den nationalen Minderheiten gibt sie das Recht auf kulturelle Entfaltung.

Staatliches Oberhaupt ist der Präsident der S., der für eine Amtsperiode von fünf Jahren gewählt wird (einmalige Wiederwahl ist möglich). 1999 hat man die Volkswahl eingeführt und damit die Voraussetzungen für die Beendigung einer fast 15-monatigen Zeitphase geschaffen, in der das Amt unbesetzt blieb, weil im Parlament das notwendige qualifizierte Quorum für die Wahl eines Präsidenten trotz mehrfacher Versuche nicht zustande kam. Zum Staatspräsidenten ist gewählt, wer die Mehrheit aller stimmberechtigten Bürgerinnen und Bürger auf sich vereinigen kann. Wird diese von keinem Kandidaten erreicht, findet ein zweiter Wahlgang mit den beiden Bestplatzierten aus der ersten Runde statt, in dem derjenige gewählt ist, der die Mehrheit der abgegebenen Stimmen erhält.

Der Amtsinhaber nimmt einige politische, in erster Linie aber repräsentative Funktionen wahr. U. a. vertritt er den Staat nach außen, ist nomineller Oberbefehlshaber der Streitkräfte, ernennt die Mitglieder der Regierung und fertigt die Gesetze aus. Er kann das Parlament unter bestimmten engen Voraussetzungen vorzeitig auflösen. Schließlich ist er befugt, vom Parlament verabschiedete Gesetze mit einer Begründung zurückzuweisen. Sein Veto ist suspensiv, es kann vom Parlament nach nochmaliger Gesetzesberatung durch erneuten Beschluss ausgeräumt werden. Seit einer Verfassungsnovelle von 2001 bedürfen Präsidialakte in bestimmten, wenn auch weniger relevanten Fällen der Gegenzeichnung durch die Regierung. Die ersten Jahre der selbständigen Republik waren geprägt vom tiefen Konflikt zwischen dem damaligen Amtsinhaber Michal Kováč (*1930) und dem seinerzeitigen Ministerpräsidenten Vladimír Mečiar (*1942), dem politische und Kompetenzfragen zugrunde lagen.

Das Parlament besteht aus einer Kammer, dem „Nationalrat der Slowakischen Republik“ (Národná rada Slovenskej republiky). Ihm gehören 150 Abgeordnete an, die in direkter Wahl nach den Grundsätzen der Verhältniswahl für vier Jahre gewählt werden. Eine Partei muss mindestens 5 % aller gültigen Stimmen auf sich vereinigen, um bei der Mandatsverteilung berücksichtigt zu werden.

Zum vorrangigen Aufgabenbestand des Nationalrats gehören die Gesetzgebung und die Kontrolle der Regierung. Er richtet parlamentarische Ausschüsse ein, denen weitestgehend die politische Sacharbeit, insbesondere die Vorbereitung von Gesetzesbeschlüssen des Plenums übertragen ist. Die Annahme von Verfassungsgesetzen erfordert eine qualifizierte Mehrheit von drei Fünfteln aller Abgeordneten, von einfachen Gesetzen lediglich eine Mehrheit der anwesenden Parlamentarier. Zur Wahrnehmung der Kontrollfunktion verfügen die Mitglieder des Nationalrats über zahlreiche Möglichkeiten. Sie reichen von Interpellationsrechten bis zum Misstrauensvotum gegenüber der Regierung insgesamt oder jedem einzelnen ihrer Mitglieder, das der absoluten Mehrheit aller Abgeordneten bedarf und die Abberufung der Regierung resp. ihres Mitglieds zur Folge hat. Der Nationalrat hat seine Rolle im politischen System im Laufe der Jahre seit der Unabhängigkeit des Landes stärken können. Für die erste Regierung Dzurinda ab 1998 war wegen des Umstands, dass sie auf einer Koalition zahlreicher Parteien und einem breiten politischen Links-Rechts-Spektrum basierte, die „Pflege“ der sie tragenden Parlamentsmehrheit bes. geboten. Die Wahrnehmung der parlamentarischen Oppositionsrolle wird nicht mehr behindert. Die Diskriminierung der Opposition, etwa durch Ausschluss ihrer Mitglieder von der Funktion eines Ausschussvorsitzenden, gehört der Vergangenheit an.

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Ergänzend zur repräsentativen Demokratie gibt die Verfassung dem Plebiszit Raum. Sie kennt zum einen das obligatorische Referendum: Verfassungsgesetze über den Beitritt zu einem Staatenverband oder über den Austritt aus einem solchen bedürfen der Bestätigung der Bürgerinnen und Bürger des Landes. Zum anderen kann durch Volksabstimmung über andere wichtige Fragen von öffentlichem Interesse entschieden werden. Die fakultative Abstimmung wird entweder aufgrund eines entsprechenden Begehrens von mindestens 350.000 Wahlberechtigten oder aufgrund eines entsprechenden Beschlusses des Nationalrats durchgeführt. Ihr Ergebnis ist verbindlich, wenn sich die Mehrheit der Wahlberechtigten daran beteiligt und von dieser wiederum die Mehrheit zustimmend votiert hat. Die bisherigen Erfahrungen der S. mit der direkten Demokratie sind nicht ermutigend. Es hat eine Reihe von fakultativen Volksabstimmungen gegeben, von denen nur eine im Sinne des Begehrens erfolgreich war.

Die Regierung besteht aus dem Ministerpräsidenten, seinen Stellvertretern und den Ministern. Die vom Präsidenten der Republik ernannte Regierung muss binnen 30 Tagen dem Nationalrat ihr politisches Programm vorlegen und um das Vertrauen des Hauses ersuchen. Wird ihr das Vertrauen nicht ausgesprochen, beruft der Präsident die Regierung ab und ernennt eine neue. Das Kabinett handelt in wichtigen Fragen als Kollegium. Der Ministerpräsident besitzt formell keine politische Richtlinienkompetenz. Er hat aber faktisch die politische Führungsrolle inne, die bspw. in seinem Vorschlagsrecht bei der Besetzung von Ministerposten zum Ausdruck kommt. Seit einer Verfassungsänderung von 1999 ist der Präsident verpflichtet, seinem Vorschlag auf Ernennung resp. Abberufung eines Ministers zu entsprechen.

Die ersten Jahre der selbständigen Republik waren politisch weitgehend geprägt durch den charismatischen und autoritären Ministerpräsidenten Vladimír Mečiar von der HZDS, der zweimal eine Koalitionsregierung anführte. Seine Politik war unklar und nährte vielfach den Verdacht, dass unter dem Deckmantel formeller Demokratie rechtsstaatswidrige Praktiken etabliert würden. Im Herbst 1998 erfolgte der Umschwung. Unter der Führung von Mikuláš Dzurinda und seiner „Slowakischen Demokratische Koalition“ (Slovenská demokratická koalícia, SDK), später SDKÚ, folgten zwei Koalitionsregierungen, die in ihrer Politik einen deutlichen Westkurs verfolgten und die innen- wie außenpolitischen Voraussetzungen für die Integration des Landes in die westlichen Strukturen schufen. Seit Juli 2006 regiert der sozialdemokratisch orientierte Robert Fico (*1964) mit seiner Partei Smer-SD, der wegen seiner Koalitionspartner – die populistische HZDS und die nationalistische SNS – sofort unter teilweise heftige Kritik in den westlichen Hauptstädten geriet.

Nach dem Ende des kommunistischen Regimes gab es den erklärten politischen Willen, eine nachhaltige Reform der Staatsverwaltung durchzuführen. Jedoch erst ab 2001 wurden darin wesentliche Fortschritte gemacht und die Grundlagen für einen professionellen und effizienten öffentlichen Dienst geschaffen. Die staatliche Verwaltung gliedert sich in die Regierung/ Ministerien u. a. zentrale Behörden auf der oberen Ebene sowie nachgeordnete Behörden auf mittlerer und unterer Ebene.

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Außerdem besteht ein zweigliedriges System der territorialen Selbstverwaltung. Die untere Stufe bilden die Gemeinden (obec), davon gibt es knapp 2900, die obere Stufe acht „Höhere Gebietseinheiten“ (vyšší územný celok). Die Gemeinden und die Höheren Gebietseinheiten haben im Rahmen der Gesetze die Befugnis zur Selbstverwaltung in Angelegenheiten der örtlichen bzw. gebietlichen Gemeinschaft. Die demokratische Mitwirkung der ansässigen Bevölkerung wird gewährleistet durch Gemeindeversammlungen, Referenden in den Kommunen und Höheren Gebietseinheiten sowie durch – auf vier Jahre – gewählte Organe, nämlich die Gemeindevertretung und den Bürgermeister sowie entsprechende Organe in den Höheren Gebietseinheiten.

Das allgemeine Gerichtswesen ist dreigliedrig aufgebaut. Es kennt die Kreis-und Bezirksgerichte und ein Oberstes Gericht, das v. a. die Einheitlichkeit der Rechtssprechung der unteren Instanzen zu gewährleisten hat. Die Gerichte sind in bürgerlich-rechtlichen sowie in Strafsachen zuständig und überprüfen auch die Gesetzmäßigkeit von Verwaltungsentscheidungen. Eine gesonderte Arbeits- oder Wirtschaftsgerichtsbarkeit besteht nicht. Die Richter sind nach der Verfassung in ihrer Entscheidung unabhängig und nur an das Gesetz gebunden. Sie werden auf Vorschlag eine unabhängigen Richterrates auf unbegrenzte Zeit in ihr Amt berufen. Die Gerichtsbarkeit ist gekennzeichnet durch mangelnde Professionalität der Verfahrensabläufe und überlange Dauer von Gerichtsverfahren.

Die Staatsanwaltschaft fungiert nicht nur als Strafverfolgungsbehörde. Sie hat auch die Rechte von natürlichen und juristischen Personen zu schützen sowie auf die einheitliche Rechtsanwendung durch die öffentliche Verwaltung und die Gerichtsbarkeit hinzuwirken.

Zur Sicherung der Verfassungsmäßigkeit staatlichen Handelns besteht außerhalb der allgemeinen Gerichtsbarkeit das Verfassungsgericht. Ihm gehören dreizehn Berufsrichter an, die vom Staatspräsidenten auf Vorschlag des Parlaments für eine Amtszeit von zwölf Jahren berufen werden. Das Verfassungsgericht verfügt über umfangreiche Kompetenzen. Es ist u. a. zuständig für die Normenkontrolle (Prüfung der Vereinbarkeit von Gesetzen mit der Verfassung und den Verfassungsgesetzen), bei Kompetenzstreitigkeiten zwischen zentralen Staatsorganen, in Streitfällen über die Auslegung der Verfassung und Verfassungsgesetze und schließlich für individuelle Verfassungsbeschwerden wegen der Verletzung von Grundrechten (die fast immer erfolglos bleiben), die den größten Teil der Verfahren ausmachen. In das öffentliche Bewusstsein gerückt ist das Verfassungsgericht durch Entscheidungen zu Verfassungsfragen im Konfliktfeld der Politik. Es genießt mit seiner Entscheidungspraxis grundsätzliche Anerkennung in Politik und Gesellschaft, wenngleich einzelne seiner Urteile heftigen Widerspruch in der Öffentlichkeit gefunden haben.

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Unmittelbar nach der politischen Wende vom Herbst 1989 in der Tschechoslowakei wurden (auch) in der S. zahlreiche politische Parteien gegründet, die sich jedoch bis heute nicht zu einem stabilen Parteiensystem gefügt haben. Abspaltungen als unmittelbare Folge von parteiinternen Konflikten, Neugründungen, Zusammenschlüsse und auch „Wiedervereinigungen“ sind die Kennzeichen mangelnder Konsolidierung der Parteienlandschaft. Die nach den Wahlen vom Juni 2006 im Nationalrat vertretenen wichtigsten Parteien sind: Smer-SD (29,14 % der Stimmen; 50 Mandate im Parlament), SDKÚ-DS (18,35 %; 31), SNS (11,73 %; 20); SMK (11,68 %; 20), ĽS-HZDS (8,79 %; 15) und KDH (8,31 %; 14).

Unter den Konfliktlinien in der Gesellschaft, die wesentlich für die Herausbildung von Parteien sind, ist die zwischen „Westlern“, den Anhängern einer säkulär-liberalen Ordnung westlicher Prägung (hierfür steht v. a. die SDKÚ-DS), und national(istisch)en Traditionalisten, den Verteidigern historisch formierter Gemeinschaft (ĽS-HZDS; SNS), am wichtigsten. An Bedeutung gewinnt die sozioökonomische Konfliktlinie, der Gegensatz von liberalen Marktwirtschaftlern (SDKÚ-DS) und staatlichen Interventionisten (Smer-SD). Dagegen hat der Gegensatz „kommunistisch-antikommunistisch“ – hierbei steht weniger die Einstellung zur Vergangenheit, mehr die Frage nach Kontinuität oder Diskontinuität von Strukturen, Werten, Lebensformen und Eliten im Raum – an Relevanz verloren.

Die Gründung von Vereinigungen zur Wahrung von Interessen allg. und zum Schutz wirtschaftlicher und sozialer Interessen im Besonderen wird durch die Verfassung gewährleistet. Im Sozial- und Wirtschaftsleben sind die wichtigsten Interessengruppen der Gewerkschaftsverband KOZ (Konfederácia odborových zväzov), der jedoch unter einem erheblichen Mitgliederschwund leidet und politisch geschwächt ist, und die „Vereinigung der Unternehmerverbände“ (Asociácia zamestnávateľských zväzov a združení, AZZZ) sowie die „Union der Arbeitgeber“ (Republiková únia zamestnávateľov, RUZ) und ›Klub 500‹ (Arbeitgeberseite). Darüber hinaus gibt es zahlreiche Einzelgewerkschaften, Sozial- und Wirtschaftsverbände, Kammern etc. Korporatistische Strukturen haben sich nicht bewährt. Der „Rat für Soziale und Wirtschaftliche Partnerschaft“ (Rada sociálneho a hospodárskeho partnerstva, RSHP), an dem Vertreter der Politik, der Gewerkschaften und der Arbeitgeberverbände beteiligt sind, hat seine sozialpolitische Bedeutung in den letzten Jahren verloren und ist auf ein machtloses Beratungsgremium herabgesunken. Die Verbände, deren Einfluss auf die Politik i. Allg. gewachsen ist, suchen vielmehr den direkten Kontakt zu den Entscheidungsträgern.

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2.4 Wirtschaft

Die S. war bis zum Ende des Zweiten Weltkriegs ganz überwiegend durch Agrar- und Forstwirtschaft geprägt. Erst danach ist ein nennenswerter Industriesektor entstanden. In den Jahren nach dem Ende der kommunistischen Ära haben sich im Zuge des Aufbaus einer Marktwirtschaft große Veränderungen vollzogen; die industrielle Produktion wurde modernisiert, und der Dienstleistungsbereich ist zum überragenden Wirtschaftsfaktor geworden. 2005 trugen die Dienstleistungen allg. 67,2 % zum Bruttosozialprodukt (BIP) bei, in diesem Bereich waren rund 56 % der Erwerbstätigen beschäftigt. Auf Industrie und Bauwesen entfielen 29,3 % des BIP und 38,5 % der Beschäftigten, auf Landwirtschaft, Forstwirtschaft und Fischerei 3,5 % des BIP und 5,5 % der Beschäftigten.

Die Wirtschaft verfügt aktuell über eine hohe Wachstumsdynamik. Der Zustrom ausländischen Kapitals ist ungebrochen; gut ausgebildete Fachkräfte und niedrige Löhne, die günstige Lage des Landes in der Mitte Europas sowie vorteilhafte wirtschaftspolitische Rahmenbedingungen sind wesentliche Gründe dafür. Das BIP konnte 2005 um 5,5 % gegenüber dem Vorjahr gesteigert werden. Für die Jahre 2006 und 2007 wird ein Anstieg um etwa 6 % gegenüber dem Vorjahr erwartet. Die Zuwächse stützen sich v. a. auf die hohe Nachfrage nach Investitionsgütern, den expandierenden Bausektor und den steigenden Privatverbrauch. Trotzdem ist die – regional sehr unterschiedliche – Arbeitslosigkeit hoch. Sie ist in 2005 geringfügig auf 16,2 % gefallen und wird voraussichtlich im laufenden und im folgenden Jahr in etwa auf diesem Niveau verharren.

Der Anteil der in der Landwirtschaft, Forstwirtschaft und Fischerei Beschäftigten ist rückläufig, er liegt im westeuropäischen Vergleich aber immer noch hoch. Die landwirtschaftlich genutzte Fläche beträgt ca. 2,4 Mio. ha. In den klimatisch günstigeren Ebenen werden (2001 u. a.) Mais (609.241 t), Sonnenblumen (118.639 t), Weizen (1,786 Mio. t), Zuckerrüben (1,286 Mio. t) und auch Wein, in den unteren Gebirgslagen Roggen (112.161 t) und Kartoffeln (236.903 t) angebaut. Die Viehwirtschaft ist konzentriert auf die Produktion von Schweinefleisch, gefolgt von Geflügel- und Rindfleisch. Demgegenüber hat die Binnenfischerei geringe Bedeutung. Umfänglicher Waldbestand auf einer Fläche von ca. 2 Mio. ha bildet die Grundlage für die Holzgewinnung.

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Im produzierenden und verarbeitenden Gewerbe nimmt die Fahrzeugindustrie eine Vorrangstellung ein. Drei internationale Automobilkonzerne haben Produktionsstätten errichtet, nach 2008 sollen bis zu 1,1 Mio. Pkw jährlich in der S. hergestellt werden. Im Sog dieser Entwicklung ist ein kräftiger Industriezweig entstanden, der Komponenten und Zubehör für Kraftfahrzeuge herstellt. Hinzu kommen der Maschinenbau und die Produktion elektrotechnischer/ elektronischer Erzeugnisse sowie die Hüttenindustrie. Wichtige Branchen stellen die chemische und pharmazeutische Industrie sowie die Nahrungsmittelproduktion dar, schließlich sind die Holz- und Papierindustrie sowie die Baustoffindustrie noch zu erwähnen.

Dank anhaltender Reallohnzuwächse (mit stark sinkendem Gefälle von West nach Ost sowie großen Unterschieden zwischen Stadt und Land) verzeichnet der Einzelhandel wachsende Umsätze. Nahrungsmittel, Bekleidung, Möbel, Haushaltselektronik und Computer werden bes. nachgefragt. Internationale Supermarkt- und Discounterketten sind mit einer großen Zahl von Filialen präsent.

Die zentralen Aufgaben der „Slowakischen Nationalbank“ (Národná banka Slovenska) sind Währungs- und Stabilitätspolitik sowie die Aufsicht über den Finanzmarkt. Die Privatisierung der Geschäftsbanken ist bis Ende 2003 abgeschlossen worden. Die slowakischen Geldinstitute, die größten sind zurzeit ›HVB Bank Slovakia‹ und „Slowakische Sparkasse“ (Slovenská sporiteľňa), befinden sich weitgehend in ausländischer Hand. Hinzu kommen zahlreiche Zweigstellen ausländischer Banken.

Der Import primärer Energieressourcen ist sehr stark abhängig von Lieferungen aus der Russischen Föderation. Von den heimischen fossilen Energieträgern spielt lediglich die Braunkohle (3,40 Mio. t 2002) eine gewisse Rolle, die Erdgaslager sollen in Zukunft etwa 5 % des eigenen Bedarfs decken, die geringen Erdölvorkommen lassen sich kaum effizient nutzen. Unter den erneuerbaren/ regenerativen Energieträgern ist nur die Wasserkraft von nennenswerter Bedeutung. Die Stromerzeugung wird zu über 50 % durch Kernkraft, zu etwa einem Drittel durch fossile Brennstoffe und zu rund 15 % durch Wasserkraft erzeugt. Umstritten ist die Frage, wie der Produktionsrückgang in der Zeitspanne zwischen dem Abschalten des Kernkraftwerks (KKW) Jaslovské Bohunice 2008 und der vollen Inbetriebnahme des KKW Mochovce 2013 überbrückt werden soll. Die Regierung hat sich gegenüber der EU verpflichtet, den Anteil der erneuerbaren/ regenerativen Energiequellen an der Stromerzeugung bis 2010 auf 31 % zu erhöhen, was Experten als nicht realisierbar betrachten. Ein weiteres Ziel ist die Diversifizierung des Energieträger-Imports, um die einseitige Abhängigkeit zu reduzieren.

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Im Interesse weiteren Wirtschaftswachstums ist die Entwicklung der Verkehrsinfrastruktur eine zentrale staatliche Aufgabe. Das Eisenbahnnetz umfasst etwa 3150 km, rund die Hälfte davon ist elektrifiziert. Mehr als 500 km eingleisiger Nebenstrecken sind in letzter Zeit stillgelegt worden. Die Staatsbahnen sind stark verschuldet und haben einen hohen Modernisierungsbedarf. Das Straßennetz umfasst etwa 18.200 km, unter Einschluss von Autobahnen (Ende 2000: 297 km) und zweispurigen Schnellstraßen. Von Bratislava führen Autobahnen an die Grenze zu Tschechien und zu Ungarn und eine weitere Strecke nach Nordosten in das Landesinnere, die – in Teilstücken fertig gestellt – bis Košice weitergebaut wird und der Planung nach einmal an der ukrainischen Grenze enden soll. Von Bedeutung ist die Schifffahrt auf der Donau, Hafenanlagen gibt es in Bratislava und flussabwärts in Komárno (ungar. Komárom, dt. hist. Komorn) und Štúrovo (ungar. Párkány, dt. hist. Parkan).

Mehrere slowakische Fluggesellschaften teilen sich das Angebot an Linienflügen im Inland und ins Ausland, an Charter- und Frachtflügen. Daneben bieten einige ausländische Gesellschaften Flugverbindungen ins Ausland an. Es gibt leistungsfähige Flughäfen für Inlandsflüge etwa in Košice, Poprad (ungar. Poprád, dt. hist. Deutschendorf) und Piešťany (ungar. Pöstyén, dt. hist. Pistyan/Pistian). Mit seiner internationalen Anbindung ist der Flughafen Bratislava der wichtigste im Lande, dessen Entwicklungschancen im internationalen Flugverkehr jedoch durch die unmittelbare Nähe des Großflughafens Wien-Schwechat sehr begrenzt sind.

Die S. bietet vielfältige Möglichkeiten im Bereich des Tourismus. Die Statistik weist eine steigende Zahl von Gästen aus, 2005 waren es über 3,4 Mio. Besucher. Dabei handelt es sich um einen Wirtschaftszweig, dessen Entwicklungspotentiale wegen einiger Mängel im Marketing, in der touristischen Infrastruktur und wegen mentaler Barrieren gegenüber „Osteuropa“ im Westen des Kontinents nicht ausgeschöpft werden. Zu den wichtigsten Zentren des Tourismus gehören die Bergzüge der Hohen Tatra. Hier befinden sich gut erschlossene Wintersportgebiete, in die in den letzten Jahren viel Geld investiert wurde, und zahlreiche Erholungsmöglichkeiten für Wanderer und Aktivurlauber. Erweitert wird das touristische Angebot durch neun Nationalparks und Naturschutzgebiete, Schluchten und Höhlen, z. B. die Höhlen des „Slowakischen Karsts“ (Slovenský kras), schließlich durch mittelalterliche Burganlagen (z. B. Spišský hrad und Hrad Beckov) und Schlösser. Eine besondere Attraktion stellt der Jagdurlaub in den wildreichen Bergregionen dar. Eine Verbindung von Urlaub und Genesung bieten die zahlreichen Kur- und Badeorte des Landes, der berühmteste ist das international anerkannte Thermalbad Piešťany.

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2.5 Bildung und Kultur

Ab dem dritten Lebensjahr können die Kinder in einen Kindergarten gehen. Vom sechsten bis zum 16. Lebensjahr besteht allgemeine Schulpflicht. Das Schulsystem ist zweigliedrig: Auf die neunjährige Grundschule (Základná škola), die auch schon nach acht Jahren abgeschlossen werden kann, baut die Sekundarstufe auf. Sie besteht aus dem Gymnasium (Gymnaziúm) und gleichrangigen Fachoberschulen, die zum Abitur führen. Das staatliche Bildungswesen hatte in den letzten Jahren mit erheblichen Finanzierungsproblemen zu kämpfen. Es gibt zahlreiche private und v. a. von der Katholischen Kirche unterhaltene Schulen. Die Ungarn haben in ihren Siedlungsgebieten ungarischsprachige Kindergärten und Schulen.

Zu den Hochschuleinrichtungen zählen die staatlichen Universitäten in Banská Bystrica, Bratislava, Košice, Nitra, Prešov, Trenčín, Trnava, Žilina sowie eine ungarischsprachige in Komárno, darüber hinaus gibt es eine katholische Universität in Ružomberok. Die S. hat das Bologna-Abkommen ratifiziert, auf dessen Grundlage sind neue, gestufte Studiengänge mit Regelstudienzeiten eingeführt worden. Sozialstipendien und Bildungskredite sollen breiteren Bevölkerungsschichten den Zugang zu höherer Bildung erleichtern. Seit der politischen Wende 1990 hat die Zahl der Studierenden zugenommen.

Das professionelle slowakische Theater entwickelte sich nach dem Ersten Weltkrieg. Im Mittelpunkt steht das „Slowakische Nationaltheater“ (Slovenské národné divadlo) in Bratislava (seit 1920), daneben gibt es zahlreiche städtische und regionale Bühnen sowie viele private Häuser. Erst nach 1945 entstand eine eigenständige Filmproduktion, die auch auf internationaler Ebene Erfolge verzeichnen kann.

Ein reichhaltiges Musikleben entwickelte sich im Laufe des 20. Jh. Das erste slowakische Konservatorium wurde 1919, die Philharmonie 1949 gegründet. Ein bedeutendes Ereignis sind bspw. die jährlichen Musikfestspiele von Bratislava und ebenfalls die jährlichen Jazztage am gleichen Ort. Die Traditionen der Volksmusik und des Volkstanzes sind Jahrhunderte alt und gehören auch heute zum gesellschaftlichen Leben.

Von den zahlreichen Museen und Galerien in der S. sollen das „Historische Museum“ (Historické múzeum), das „Museum der jüdischen Kultur“ (Múzeum židovskej kultúry), das „Kulturmuseum der Karpatendeutschen“ (Múzeum kultúry karpatských Nemcov) und die „Slowakische Nationalgalerie“ (Slovenská národná galéria), alle in Bratislava, sowie die „Ján-Koniarek-Galerie“ (Galéria Jána Koniarka) in Trnava erwähnt werden, weiterhin das „Münz- und Medaillenmuseum“ (Múzeum mincí a medailí) in Kremnica und das „Slowakische Technikmuseum“ (Slovenské technické múzeum) in Košice, in dem die Bergbaugeschichte des Landes dokumentiert wird.

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Die wichtigsten slowakischen Tageszeitungen sind das Boulevardblatt ›Nový čas‹ („Neue Zeit“, Auflage ca. 150.000), ›Sme‹ („Wir sind“, etwa 61.000), und das frühere KP-Blatt ›Pravda‹ („Wahrheit“, ca. 55.000). Alle drei Zeitungen verstehen sich heute als unabhängig. Größerer Beliebtheit erfreuen sich Wochenblätter, zu nennen sind hier vorrangig die Illustrierte ›Plus 7 dní‹ („Plus 7 Tage“, rd. 145.000), das Familienmagazin ›Život‹ („Leben“, etwa 140.000) und das Programmblatt ›Eurotelevízia‹ („Eurotelevision“, etwa 140.000). Von den entsprechenden ungarischsprachigen Publikationen sind die Tageszeitung ›Új szó‹ („Neues Wort“) mit knapp 30.000 und die Wochenzeitschrift ›Vásárnap‹ („Sonntag“) mit etwa 42.000 verkauften Exemplaren zu erwähnen. Die Entwicklung der letzten Jahre hat zu einem Konzentrationsprozess auf dem Markt geführt, der von einigen wenigen Verlagshäusern beherrscht wird.

Außer dem öffentlich-rechtlichen Radio und Fernsehen bestehen privatrechtlich betriebene Stationen. Im Hörfunk kommt neben dem öffentlich-rechtlichen ›Slovenský rozhlas‹ („Slowakischen Rundfunk“) den beiden Privatsendern ›Radio Twist‹ und ›Radio Expres‹ überregionale Bedeutung zu. Im Bereich des Fernsehens hat der kommerzielle Privatsender ›TV Markíza‹ („TV Markise“), der mit schlichtem Unterhaltungsprogramm und aggressiver Marketingstrategie einen großen Teil der Bevölkerung erreicht, eine dominierende Stellung, gefolgt vom öffentlich-rechtlichen ›Slovenská televízia‹ („Slowakisches Fernsehen“) mit dem ersten seiner beiden Programme und dem privaten Fernsehsender ›TV Joj‹. Auf dem slowakischen Medienmarkt ist eine Reihe ausländischer Investoren präsent.

Die ersten Regierungen der unabhängigen S. unter Ministerpräsident Mečiar haben gegenüber den Medien wiederholt und mit unterschiedlichen Mitteln eine repressive Politik betrieben, die demokratischen Maßstäben und auch der Verfassung nicht genügen konnte, welche das Recht auf freie Meinungsäußerung und Informationen aus dem In- und Ausland gewährt. Fernseh- und Rundfunkräte wurden entlassen, Programme des öffentlich-rechtlichen Fernsehens abgesetzt, der Wahlkampf über private Rundfunk- und Fernsehanstalten verboten und schließlich Tabak- und Alkoholwerbung in den Medien untersagt, was praktisch einem Verbot ausländischer Presseerzeugnisse gleichkam. Die Regierungen ab 1998 unter Ministerpräsident Dzurinda haben in der Medienpolitik eine deutliche Kurskorrektur vollzogen. Die Repressionen der Mečiar-Ära gehören der Vergangenheit an, und die Pressefreiheit ist in der Praxis grundsätzlich gewährleistet.

Der Sport spielt im gesellschaftlichen Leben von heute eine erhebliche Rolle. Zuständig für den Bereich ist das Unterrichtsministerium. Es gibt über 3600 Sportvereine mit annähernd 322.000 Mitgliedern (2004). Populär ist wie in allen europäischen Ländern der Fußballsport, dem fast die Hälfte aller Mitglieder von Sportvereinen zuzuordnen ist. Großes Interesse findet auch Eishockey. Für Skilauf, Skispringen u. a. Wintersportarten, für die das Land hervorragende Voraussetzungen bietet, interessiert sich ebenfalls ein größeres Publikum. Schließlich ist Tennis ein vergleichsweise verbreiteter Sport.

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3 Kulturgeschichte

Seit dem Ende des 5. Jh. erfolgte ein größerer Zuzug von Slawen in das Gebiet der heutigen S., wo Quaden, Wandalen, Gepiden, Heruler u. a. Völkerschaften zuvor gelebt hatten oder noch ansässig waren. Nur kurzlebig war das Reich des Samo (Mitte des 7. Jh.), unter dessen Führung sich die slawischen Stämme im Westen und im Süden der eindringenden Awaren, einem asiatischen Reitervolk, erwehren konnten. Karl I. der Große zerstörte am Ende des 8. Jh. das Awarenreich und leitete eine umfassende Christianisierung unter den Slawen ein. Um das Jahr 828 herum wurde bereits eine Kirche in Nitrava (heute Nitra) geweiht.

830 vertrieb der mährische Fürst Mojmír I. den Fürsten von Nitrava und vereinigte die Territorien beiderseits der March zum Großmährischen Reich. Seine Nachfolger konnten das Herrschaftsgebiet erheblich erweitern. Die Brüder Kyrill und Method, zwei griechische Mönche mit slawischen Sprachkenntnissen, wurden 863 ins Land geholt, um den slawischen Stämmen das Christentum in ihrer Sprache zu vermitteln. Ihr erfolgreiches Wirken im Reich fand ein Ende, noch bevor dieses im ausgehenden 9. Jh. zerfiel. Die Zeit des Großmährischen Reiches ist bis heute von erheblicher Bedeutung für die staatliche und kulturelle Identität der Slowaken, auch die Präambel der gültigen slowakischen Verfassung nimmt darauf Bezug.

Ein wesentlicher Grund für seinen Zusammenbruch waren die erfolgreichen Angriffe magyarischer Stämme. Zu Beginn des 10. Jh. drangen sie in den südwestlichen Raum und in der Folgezeit in weitere Gebiete der heutigen S. ein. Die Ungarn unterwarfen die dort lebenden Slawen, das Land wurde Teil ihres Reiches (später als Oberungarn bezeichnet) und sollte es bis 1918 bleiben. Wo die Ungarn im eroberten Land sich niederließen, waren sie die Herren, die slawische Bevölkerung (sofern sie nicht vertrieben worden war) fügte sich widerstandslos in die Rolle der Untergebenen. In den dicht bewaldeten und gebirgigen Gegenden blieben die Slawen jedoch fern von ungarischem Einfluss und Assimilierungsdruck, so dass sie ihre Sprache und Kultur unbehelligt weiter leben konnten.

Unter den ungarischen Königen wurde der Zuzug von Einwanderern gefördert. Ein großer Teil von ihnen kam aus dem deutschsprachigen Raum, so dass schon im 13. Jh. überall in Oberungarn deutsche Sprachinseln entstanden. Die Ankömmlinge siedelten vielfach als Wehrbauern in den nördlichen und östlichen Gebieten und trugen mit neuen Agrartechniken zum Fortschritt bei, oder sie ließen sich als Händler, Handwerker oder Bergleute in dem aufstrebenden Land nieder. Unterbrochen wurde die Entwicklung durch den kurzzeitigen Einfall der Goldenen Horde 1241, die große Gebiete völlig verwüstete.

Der Wiederaufbau hatte eine wesentliche Stütze im Bergbau. Die Vorkommen an Gold, Silber, Kupfer u. a. Metallen führten zu Wohlstand in den Bergbau- und Gewerbeorten; das Gold aus den oberungarischen Minen machte Ungarn im Mittelalter zum größten europäischen Produzenten des Edelmetalls, das in viele Länder exportiert wurde. Der große Holzbedarf für Bergbau und Verhüttung hatte umfängliche Rodungen zur Folge. Dadurch konnten Anbauflächen für die Landwirtschaft gewonnen werden, die auch durch Neuansiedlung in den nach dem Tatarensturm entvölkerten Gebieten Auftrieb bekam.

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Zahlreiche der aufstrebenden Orte erhielten im 13. und 14. Jh. Stadtrechte. Die oberungarischen Städte blieben über lange Zeit weitgehend von den Deutschen, ihrer Kultur und ihrem Rechtsdenken geprägt. Die deutschen Zuwanderer genossen Privilegien, die sie gegenüber Ungarn und Slawen zu verteidigen wussten. Es entstanden zahlreiche Kirchenbauten, die vorherrschend im gotischen Stil errichtet wurden. Die Altäre und Plastiken aus dem 15. und 16. Jh. – berühmt ist der (weltweit größte gotische) Altar von Leutschau (heute Levoča) – zeugen vom hohen Stand des heimischen künstlerischen Schaffens in jener Zeit. Große Sakralbauten im Stil des Barock folgten ab dem 17. Jh.

Hussitische Heerscharen fielen in Oberungarn ein, errichteten während der Mitte des 15. Jh. eine Schreckensherrschaft und verwüsteten das Land. Von Süden bedrohten osmanische Eroberer das Königreich Ungarn. 1526 wurden die ungarischen Heere von den Türken bei Mohács vernichtend geschlagen. In der Folge ging die ungarische Krone an das Haus Habsburg über. Der damit verbundene Herrschaftsanspruch war jedoch nur auf einem Landstreifen im Westen Ungarns und auf dem Gebiet Oberungarns durchsetzbar; Zentral- und Südungarn fielen unter direkte osmanische Herrschaft (Siebenbürgen konnte unter türkischer Oberhoheit eine relative Selbständigkeit bewahren). Wenn auch Oberungarn von einer dauerhaften Besetzung durch die Osmanen verschont blieb, so gab es doch immer wieder Überfälle mit verheerenden Folgen für die betroffenen Gebiete. Pozsony (heute Bratislava) wurde zur provisorischen Hauptstadt des königlichen Ungarn und zur Krönungsstadt der ungarischen Könige und blieb es bis 1848. Ungarische Flüchtlinge, vor den Türken geflohen, kamen in das Land, in dem die Ungarn gesellschaftlich und kulturell immer mehr dominierten und die Sonderrechte deutscher Stadtbürger abgebaut wurden.

Die lutherische Konfession verbreitete sich im 16. Jh. in Oberungarn. Auch wenn 1606 dem Adel und den Städten Religionsfreiheit zugebilligt wurde, blieb das Haus Habsburg doch bestrebt, für den katholischen Glauben verlorenes Terrain zurückzugewinnen. Einer der führenden Mitstreiter war der Jesuit Péter Pázmány, der 1635 auch eine Universität in Trnava gründete. In Košice wurde 1657 eine Jesuitenakademie mit Universitätsstatus gestiftet. Schon 1465 war in Bratislava nach dem Vorbild der Universität Bologna die heute als ›Academia Istropolitana‹ bekannte Universität entstanden, die man 1490 aber wieder geschlossen hat.

Die Gegenreformation drängte den protestantischen Einfluss mit Gewalt zurück, darauf reagierte der betroffene ungarische Hochadel mit Rebellion. Das Land erlebte bis in das 18. Jh. hinein eine Reihe von Magnatenaufständen, die letztlich alle erfolglos blieben. Für die breite Bevölkerung war es eine lange Zeit der Not und des Elends. Nach dem Ende der Türkengefahr bekämpften die Habsburger den Protestantismus mit aller Schärfe, der damit seine ursprünglich große Bedeutung in Oberungarn verlor, wenn auch das Toleranzedikt Kaiser Josephs II. 1781 zu einem neuerlichen Erstarken der lutherischen Kirche führte.

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Zum Ende des 18. Jh. setzte ein Prozess der Identitätsfindung der Slowaken als eigenständige Nation ein. Einige slowakische Gelehrte bemühten sich um die Schaffung einer einheitlichen kodifizierten Schriftsprache. Den entscheidenden Beitrag dazu lieferte Ľudovít Štúr, der 1846 eine „Sprachlehre des Slowakischen“ (Nauka reči slovenskej) veröffentlichte. Seine Sprachschöpfung wurde von zahlreichen slowakischen Dichtern übernommen. Währenddessen war der Druck einer massiven Magyarisierungspolitik (nicht zuletzt provoziert durch die Politik Wiens) immer stärker geworden. Die Vorstellung einer nationalen Identität der Slowaken wurde abgelehnt, ihre Sprache zurückgedrängt, und das Ungarische 1844 zur Amtssprache erhoben.

Štúr wurde auch politisch aktiv. 1848 trat er zusammen mit anderen slowakischen Persönlichkeiten für weitgehende Autonomierechte der S. ein. Ihre Hoffnung auf politische Zugeständnisse als „Belohnung“ für erwiesene Loyalität zum Hause Habsburg – bei der Niederschlagung des ungarischen Freiheitskampfes 1848/49 hatten sie auf dessen Seite gestanden – erfüllte sich nicht. Einen kleinen Erfolg konnte die Nationalbewegung verbuchen, als 1863 mit kaiserlicher Zustimmung der „Slowakische Kulturverein“ (Matica slovenská) gegründet wurde; damit war eine wichtige Institution zur Pflege der slowakischen Sprache und Kultur geschaffen.

Nach dem österreichisch-ungarischen Ausgleich 1867 begann eine neue Phase der Magyarisierung. Das tolerante Nationalitätengesetz von 1868 wurde von den ungarischen Behörden unterlaufen, der Gebrauch der Muttersprache in den Schulen später auch gesetzlich stark beschränkt. Der Assimilierungsdruck hatte bes. in den Städten Erfolg. Nationale Regungen der Slowaken wurden unterdrückt, im Budapester Parlament ihre Interessen kaum vertreten. Zu den politischen Verhältnissen kamen Armut und wirtschaftliche Rückständigkeit, so dass sich Hunderttausende zur Auswanderung nach Amerika gezwungen sahen.

Ende des Ersten Weltkrieges bot sich die unerwartete historische Chance, einen gemeinsamen Staat von Tschechen und Slowaken zu schaffen. Die im Oktober 1918 gegründete Tschechoslowakei war eine demokratische Republik mit einem parlamentarischen Regierungssystem. Staatstragende Ideologie war der ›Tschechoslowakismus‹, Tschechen und Slowaken waren danach als ein Volk zu verstehen. Die den Slowaken zugesagte Autonomie innerhalb des gemeinsamen Staates, die aus ihrer Sicht Voraussetzung politischer Gleichberechtigung war, sah die Verfassung von 1920 nicht vor. Die S. war und blieb gegenüber dem tschechischen Landesteil gesellschaftlich und wirtschaftlich unterentwickelt.

Die neue Zeit setzte auch architektonisch ihre Zeichen im ganzen Land. Bauhaus und Konstruktivismus gaben die Impulse für repräsentative Bauten, ebenso für moderne und funktionale Dienstleistungsgebäude und Wohnanlagen.

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Nach der Schwächung der Tschechoslowakei durch das Münchener Abkommen vom 30.9.1938 konnten die Autonomisten einen großen Erfolg verbuchen: Die S. erhielt weit reichende Selbständigkeit im Rahmen der Republik. Wenig später, am 14.3.1939 erklärte die S. auf Druck Hitlers ihre staatliche Unabhängigkeit (tags darauf wurde die „Rest-Tschechei“ von deutschen Truppen besetzt) und unterstellte sich dem Schutz durch Hitler-Deutschland. In Bratislava etablierte sich ein autoritäres Regime unter Führung des katholischen Geistlichen Jozef Tiso (1887–1947). Das Land wurde politisch und wirtschaftlich deutschen Interessen unterworfen und beteiligte sich bereitwillig am Krieg gegen die Sowjetunion. Ende August 1944 brach der Volksaufstand gegen die Regierung in der mittleren S. aus, der nach zwei Monaten unter der Übermacht der herbeigerufenen deutschen Truppen zusammenbrach. Fortan stand das Land unter deutscher Besatzung, ehe es von der Sowjetarmee erobert wurde.

Als Teil der im Mai 1945 wieder errichteten Tschechoslowakei erhielt die S. eine begrenzte Autonomie. Der Status wurde jedoch nach der putschartigen Machtübernahme durch die Kommunisten im Februar 1948 politisch bedeutungslos. Slowakische „Nationalisten“ und Protagonisten slowakischer Autonomie gehörten zu den Verfolgten des stalinistischen Regimes. Die neue Verfassung erklärte nun Tschechen und Slowaken zu „zwei Brudernationen“. Im gesamten Land wurde der Aufbau des Sozialismus unter der zentralistischen Führung der „Kommunistischen Partei der Tschechoslowakei“ (KPČ), innerhalb der die slowakische KP nur eine unselbständige Gebietsorganisation war, vorangetrieben. Reformen ließ erst 1968 ein Aktionsprogramm der unter der Führung des Slowaken Alexander Dubček stehenden KPČ erhoffen, das grundlegende Elemente der bisherigen politischen Praxis in Frage stellte.

Zu den Forderungen des Programms gehörte auch die Umwandlung der Tschechoslowakei in eine Föderation mit zwei gleichberechtigten Gliedstaaten, einem tschechischen und einem slowakischen. Die militärische Intervention des Warschauer Paktes im August 1968 beendete den „Prager Frühling“. Der Bundesstaat wurde danach nur formal verwirklicht, die neuen Gliedrepubliken bekamen keinen nennenswerten politischen Gestaltungsspielraum. Ein harter Konsolidierungskurs („Normalisierung“) führte das Land zurück in das politische und gesellschaftliche System des Poststalinismus. Kunst und Literatur waren wieder dem sozialistischen Realismus verpflichtet, Vertreter systemkritischer Ansätze verstummten oder gingen ins Ausland.

Begünstigt durch die Entspannungspolitik zwischen Ost und West konnten Oppositionelle 1977 in Prag die ›Charta 77‹ gründen, die sich für die Bürgerrechte im Lande stark machen wollte und auch in der S. Resonanz fand. Am Ende der 1980er Jahre existierte dann eine Vielzahl von Oppositionsgruppen. Zentrale Bedeutung für den Zusammenbruch des kommunistischen Regimes hatte eine Großdemonstration der Opposition am 17.11.1989 in Prag, die von der Polizei blutig beendet wurde. In Bratislava verlief die Entwicklung weniger spektakulär. Am 19.11. wurde die „Öffentlichkeit gegen Gewalt“ (Verejnost proti nasiliu) gegründet und damit eine Koordinationsstelle der slowakischen Opposition geschaffen. Anfang 1990 hatten die Kommunisten die Macht im ganzen Land verloren. Die „Zärtliche Revolution“ (Nežná revolúcia) – die Tschechen sprechen von „Samtener Revolution“ (Sametová revoluce) – war erfolgreich beendet.

Im Juni 1990 fanden gesamtstaatliche Wahlen statt, an der die neuen demokratischen Parteien und Bürgerbewegungen teilnahmen. Sie wurden zu einem klaren Votum gegen das bisherige Regime und für eine parlamentarische Demokratie. Aus einem neuerlichen Urnengang Mitte 1992 gingen in Böhmen und Mähren die bürgerlich-konservative „Demokratische Bürgerpartei“ (Občanská demokratická strana, ODS) und in der Slowakei die links-nationale HZDS als überlegene Sieger hervor. Beide Parteien bildeten auf bundesstaatlicher Ebene trotz unterschiedlicher Grundpositionen eine Regierung und verständigten sich schon nach wenigen Wochen auf die Teilung des Staates. Dieser Schritt fand damals weder in der slowakischen noch in der tschechischen Bevölkerung eine Mehrheit. Seit dem 1.1.1993 bestehen die Slowakische Republik und die Tschechische Republik als voneinander unabhängige Völkerrechtssubjekte und Rechtsnachfolgerinnen der Tschechoslowakei.

In der selbständigen S. regierte die HZDS unter ihrem charismatischen Vorsitzenden Vladimír Mečiar mit einer kurzen Unterbrechung bis zum Herbst 1998. Diese Zeit des Aufbaus eigener Staatlichkeit, unter schlechteren ökonomischen Voraussetzungen als in Tschechien, war innenpolitisch durch scharfe Machtkämpfe und – unter demokratischen und rechtsstaatlichen Gesichtspunkten – fragwürdige Praktiken der Regierenden geprägt. Die Integration in die Strukturen des Westens stockte, der herbe Kritik an der Politik Mečiars übte. Die nachfolgenden Regierungsbündnisse unter der Führung der Partei Slovenská demokratická koalícia (SDK, „Slowakische Demokratische Koalition“), später SDKÚ, und ihrem Vorsitzenden Mikuláš Dzurinda, der bis Mitte 2006 regierte, betrieben die verstärkte Demokratisierung des Landes und die Liberalisierung der Wirtschaft. Dzurinda leitete einen entschiedenen Westkurs ein, der zum Beitritt der S. zur NATO am 29.3. 2004 und zur EU am 01.5.2004 führte. Die S. hat ihren Platz im Konzert der europäischen Staaten eingenommen.

Hochberger E. 2003: Das große Buch der Slowakei: 3000 Stichworte zur Kultur, Kunst, Landschaft, Natur, Geschichte, Wirtschaft. Sinn. Hoensch J. K. 1992: Geschichte der Tschechoslowakei. Stuttgart. Hoensch J. K. 2000: Studia Slovaca. Studien zur Geschichte der Slowaken und der Slowakei. München. Kipke R. 2004: Das politische System der Slowakei. Ismayr W. (Hg.): Die politischen Systeme Osteuropas. Opladen, 285-321. Kipke R., Vodička K. 2000: Slowakische Republik. Studien zur politischen Entwicklung. Münster. Kollár M., Mesežnikov G., Bútora M. (Hg.) 2006: Slovakia 2005. A Global Report on the State of Society. Bratislava. Schönfeld R. 2000: Slowakei. Vom Mittelalter bis zur Gegenwart. Regensburg. Vykoupil S. 1999: Slowakei. München.www.statistics.sk [Stand 4.10.2006 (http://www.statistics.sk/webdata/english/tab/pop/pop01.htm). vlada.gov.sk [Stand 9.10.2006 (http://www.vlada.gov.sk/english/).

(Rüdiger Kipke)

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