Finnland

Finnland (finn. Suomi, schwed. Finland)

Inhaltsverzeichnis

1 Geographie

Die Republik F. (finn. Suomen Tasavalta, schwed. Republiken Finland) liegt im Norden Europas zwischen dem 20. und 30. Längengrad und zwischen dem 60. und 70. Breitengrad. Ihre Fläche beträgt 338.145 km2, ihre Ausdehnung von Westen nach Osten max. 550 km, von Norden nach Süden max. 1200 km, die Küstenlänge rund 1100 km. Das Land liegt zu einem Drittel nördlich des Polarkreises (finn. Lappi, schwed. Lappland), grenzt im Westen an den Bottnischen Meerbusen, im Nordwesten an Schweden (Lappland, Norrland), im Norden an Norwegen (Finnmark), im Osten an Russland (Karelien, „Murmansker Gebiet“) und im Süden an den Finnischen Meerbusen. Zu F. gehören die zwischen Schweden und F. in der Ostsee gelegenen Ålandinseln (finn. Ahvenansaari, schwed. Åland). Geographisch bildet F. eine Brücke von der Skandinavischen Halbinsel zum Nordrussischen Tiefland.

1.1 Naturraum

Granite, Gneise, Glimmerschiefer, Kalke und Quarzite des Baltischen Schildes bilden den Gesteinsuntergrund, der von einer dünnen Bodenschicht bedeckt ist. Die Eiszeiten und ihre Rückzugsperioden haben eine Landschaft von Seen, Moränen, Findlingen, Drumlins u. a. glazialen Phänomenen hinterlassen. F. besitzt die größte Wasseroberfläche aller europäischen Staaten (rund 60.000 Seen, d. i. 10 % der Landesfläche). Die bedeutendsten Seen, Saimaa und Päijane, liegen im Süden des Landes (Finnische Seenplatte). Der buchtenreichen West- und Südküste (Bottnischer bzw. Finnischer Meerbusen) sind insgesamt rd. 33.000 Inseln und Schären vorgelagert. Das im Süden dominierende flache Gelände steigt zum Nordwesten und Norden (Lappland) bis auf 1328 m (Haltiatunturi) an, Moore und Sümpfe treten verstärkt auf.

Es herrscht ein kontinentales Klima mit subpolaren Charakteristika (Mitternachtssonne u. a.). Die Winter sind kalt und schneereich (Februar-Mittel 9 ºC, im Norden 12 ºC), die Sommer mäßig warm und relativ feucht (mittlere Jahrestemperatur in Helsinki: 5,4 ºC, Juli-Mittel 14,5 ºC). Die Niederschläge nehmen vom Süden nach Norden ab, ca. 1/3 fällt als Schnee. Die gegen Jahresende beginnende Vereisung der Küstengewässer schreitet im Hochwinter i. d. R. rasch voran, so dass vom Jahresanfang bis Mitte März eine Eisbrücke die Ålandinseln mit Südwestf. verbindet. Polare Kaltlufteinbrüche verlängern den Winter oft erheblich. In Lappland dauert die Polarnacht bis zu zwei Monaten.

F. ist das waldreichste Land Europas: 68 % der Landesfläche sind mit Wäldern (Fichte, Kiefer, Birke, Erle) bedeckt; im äußersten Norden herrscht Tundrenvegetation vor. In F. leben viele Süß- und Salzwasserfische sowie Robben. Die schwach besiedelten nördlichen Gebiete sind Lebensraum für Wild sowie zahlreiche Wildtiere (Bären, Wölfe, Luchse, Polarfüchse) und Vogelarten. Die finnländische Natur gilt als gering belastet. Umweltprobleme haben sich jedoch spätestens seit den 1980er durch sauren Regen und andere Pollutionen und durch die Bedrohung des labilen ökologischen Gleichgewichts im Ostseeraum eingestellt. Eine Umweltbelastung geht auch von der Kernkraft aus, die gegenwärtig noch ausgebaut wird.

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1.2 Bevölkerung

F. gehört zu den am dünnsten besiedelten Ländern Europas. Im Stichjahr 2004 lebten in F. 5,188 Mio. Menschen. Die Bevölkerungsdichte betrug durchschnittlich rund 15 Einwohner pro km². In Nord- und Mittelf. lag sie weit unter dem Durchschnitt. 62 % der Einwohner lebten in Städten, davon 26 % in den sechs Großstädten (über 100.000 Einwohner) Helsinki (schwed. Helsingfors), Espoo (schwed. Esbo), Tampere (schwed. Tamersfors), Vantaa (schwed. Vanda), Turku (schwed. Åbo) und Oulu (schwed. Uleåborg).

Das Bevölkerungswachstum betrug ca. 0,4 %. Finnen stellen 93 %, Schweden 5,8 % (v. a. auf den Ålandinseln, in Südwestf. und an der finnländischen Westküste) der Gesamtbevölkerung. In Finnisch-Lappland leben knapp 1800 Samen (Lappen), die zusammen mit der geringen russischsprachigen Bevölkerung rund 2 % der Gesamtbevölkerung ausmachen. Rechtlich anerkannte Nationalitäten sind Finnen, F.schweden und Samen. 2001 waren 84,9 % der Bevölkerung Mitglieder der lutherischen Kirche F.s, 1,1 % bekannten sich zur griechisch-orthodoxen Kirche. Mitglieder anderer Konfessionen und Konfessionslose machten 14,0 % aus.

1.3 Staat und Gesellschaft

Nach der Verfassung vom 04.06.1999 (in Kraft ab 01.03.2000) ist F. eine parlamentarische Republik. Die Legislative liegt beim finnländischen Einkammer-Parlament, dem Reichstag (finn. Eduskunta, schwed. Riksdag). Seine 200 Abgeordneten werden vom Volk nach dem Verhältniswahlsystem auf vier Jahre gewählt, wobei jeder Staatsbürger das aktive und passive Wahlrecht ab dem 18. Lebensjahr besitzt. Die Exekutive liegt beim Regierungskabinett unter dem Vorsitz des vom Parlament gewählten Ministerpräsidenten (finn. Pääministeri, schwed. Statsminister). Staatsoberhaupt ist der auf sechs Jahre vom Volk direkt gewählte Staatspräsident (finn. Suomen tasavallan presidentti, schwed. Republiken Finlands president).

Wichtige politische Parteien und Massenorganisationen sind die Sozialdemokratische Partei (SDP), die Zentrumspartei (KESK), die Nationale Sammlungspartei (KOK), der Linksbund (VAS), die Schwedische Volkspartei (SFP), die Grüne Partei (VIHR) und die Christliche Union (SKL). Die Verfassung F.s garantiert jedem Bürger Rechtssicherheit und das Recht, Rechtsfälle ohne unbilligen Verzug vor einem Gerichtshof oder einer staatlichen Institution zu verhandeln.

Die Judikative besteht aus den unabhängigen Gerichtshöfen. Die Verwaltung ist den Verfassungsorganen nachgeordnet und erstreckt sich von den Ministerien über die Provinzen (finn. Lääni, schwed. län) bis zu den Ortsverwaltungen, wobei dezentrale Verwaltungsstrukturen einen hohen Stellenwert genießen. Die Territorialverwaltung ist seit 1997 in fünf Provinzen und die Ålandinseln, die einen autonomen Provinzstatus besitzen, gegliedert. Darunter fungieren 446 Gemeinden (davon 111 Städte) als lokale Gebietskörperschaften. Die Staats- und Verwaltungssprachen sind Finnisch und Schwedisch.

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2002 trat F. der Eurozone bei. Dadurch wurde die bis dahin gültige Währung, die Mark (finn. Markka, schwed. mark) durch den Euro ersetzt (1 Euro = 100 Eurocent). Das finnländische Staatswappen zeigt einen ein Schwert tragenden gelben Löwen über einem Säbel auf rotem Hintergrund. Die Staatsflagge bildet ein horizontales blaues Kreuz auf weißem Hintergrund. Die Ålandinseln besitzen eine eigene Flagge. Sie zeigt ein horizontales rotes Kreuz innerhalb eines horizontalen gelben Kreuzes auf blauem Hintergrund. Die finnländische Nationalhymne ›Oi maamme Suomi!‹ bzw. ›Vårt land, vårt land!‹ (Oh unser Finnland! bzw. Unser Land, unser Land!) wurde erstmals 1848 gesungen und ist seit 1917 Staatshymne. Der schwedische Originaltext stammt von Johan Ludvig Runeberg (1804–77), der finnische Text von Paavo Eemil Cajander (1846–1913). Komponiert wurde sie von Fredrik Pacius (1809–91).

Gesetzliche Feiertage sind der 1. Januar (Neujahr), 6. Januar (Dreikönigsfest), 18. April (Karfreitag), 21. April (Ostermontag), 1. Mai (Maifeiertag), 29. Mai (Christi Himmelfahrt), 20./21. Juni (Mittsommer), 1. November (Allerheiligen), 6. Dezember (Unabhängigkeitstag = Nationalfeiertag) und 24. bis 26. Dezember (Weihnachten). In F. gilt die Ostmitteleuropäische Zeit (= Greenwich –2 Stunden).

Die Republik F. ist Mitglied zahlreicher Organisationen und Zusammenschlüsse: seit 1948 der Weltbank (IBRD) und des Internationalen Währungsfonds (IWF), seit 1955 der Vereinten Nationen (UN) und deren Unterorganisationen sowie des Nordischen Rates, seit 1969 der Organisation für Wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD), seit 1971 des Nordischen Ministerrates, seit 1975 der Europäischen Weltraumorganisation (ESA, assoziiert), seit 1985 EUREKA, seit 1986 der Europäischen Freihandelsorganisation (EFTA), seit 1989 des Europarates, seit 1995 der Europäischen Union (EU) und der Welthandelsorganisation (WTO), seit 1999 der Europäischen Wirtschafts- und Währungsunion (WWU).

1.4 Wirtschaft

Seit seiner raschen Industrialisierung Ende des 19. Jh.s und in der Zwischenkriegszeit nahm F. einen beständigen Aufschwung; das Land geriet Anfang der 1990er Jahre allerdings in eine schwere Strukturkrise. Seit 1997 trat ein Investitionsboom in der finnischen Wirtschaft auf. Die Landwirtschaft spielt aufgrund der klimatischen Bedingungen eine untergeordnete Rolle. Nur 7,5 % der Landesfläche können landwirtschaftlich genutzt werden. 5,5 % der Beschäftigten (1999) arbeiten in der Landwirtschaft, Kleinbetriebe überwiegen. Angebaut werden u. a. Getreide (Hafer, Gerste, Weizen), Kartoffeln und Futterrüben. Wichtiger ist die Viehhaltung mit Schwerpunkt auf Milch und Wolle (für die Textilindustrie). Im Norden werden Rentier- und Pelztierzucht betrieben. F.s natürliche Reichtümer sind die riesigen Wald- und Wasserreserven sowie bedeutende Metallvorkommen. Energieträger sind Wasser, Holz und Torf, Atomkraftwerke erzeugen 16 % des Strombedarfs, Steinkohle und Erdöl müssen importiert werden. In der v. a. in den südlichen und westlichen Küstenbereichen konzentrierten Industrie dominieren die Holzverarbeitung (Papier-, Zellstoff-, Möbelherstellung) und die Metallindustrie (Erzverhüttung, Metallverarbeitung, Maschinen-, Fahrzeug- und Schiffbau, elektrotechnische und elektronische Industrie); außerdem chemische, Textil-, Leder-, Glas- und Keramikindustrie. 63 % der Beschäftigten (1999) arbeiten in der Industrie.

In den letzten Jahren hat sich der Dienstleistungssektor, auch durch den anwachsenden Fremdenverkehr, stark entwickelt. Im Handel sind Holz, Papier und Zellulose, daneben auch Maschinen, Metallwaren und Schiffe die Hauptexportprodukte. Eingeführt werden müssen Maschinen und Fahrzeuge sowie Erdöl und Rohstoffe. Wichtigste Handelspartner sind die EU- und EFTA-Länder (v. a. Deutschland, Schweden, Großbritannien) sowie die USA, Russland und die baltischen Länder. F. ist bestrebt, die traditionell guten Wirtschaftsbeziehungen zu Osteuropa wieder zu beleben.

Das Verkehrsnetz ist gut ausgebaut, nach Norden hin jedoch auf wenigen Trassen konzentriert. Die Straßen sind etwa zur Hälfte asphaltiert. Das weitmaschige Eisenbahnnetz ist fast ganz auf den Süden beschränkt. Flüsse und Seen dienen der Holzflößerei. Von Bedeutung ist der internationale Seeverkehr in Helsinki, Naantali, Kotka, Hamina und Rauma. Über den Saimaa-Kanal ist ein Teil Südostf.s mit Russland verbunden. Als internationaler Flughafen dient Vantaa (bei Helsinki). Die größte Luftfahrtgesellschaft ist die Finnair O/Y.

Die Verkehrsstatistik für 2002 weist folgende Zahlen aus: das Straßennetz umfasst 78.137 km, das Eisenbahnnetz 5850 km (rd. 2000 km elektrifiziert), F. wurde von 30.066 Schiffen angelaufen und es wurden 13,1 Mio. Fluggäste befördert. Der Tourismus spielt eine wachsende Rolle. Touristisch attraktiv sind die Weite und Einsamkeit der Landschaft sowie die zahlreichen Wassersportmöglichkeiten. 2002 wurden 4,264 Mio. Ausländer beherbergt.

Die Interessen der Beschäftigten vertreten drei Gewerkschaftsdachverbände: der Zentralverband der finnischen Gewerkschaften (SAK), für Akademische Angestellte (AKAVA) und für Technische Angestellte (STTK).

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1.5 Bildung und Kommunikation

Eine allgemeine Schulpflicht besteht vom 7. bis 16. Lebensjahr für eine allgemeine erste Schulstufe (6 Jahre) und eine differenzierte zweite Schulstufe (3 Jahre) mit berufsvorbereitenden und allgemeinbildenden Inhalten. Die Analphabetenquote beträgt ca. 1 %.

2004 verfügte F. über zehn Universitäten und zehn gleichgestellte Hochschulen (drei Handelshochschulen, drei technische Universitäten und vier Kunsthochschulen). Alle befinden sich in staatlicher Trägerschaft. Dazu kommt die Hochschule für Landesverteidigung, die dem Verteidigungsminister unterstellt ist. Die Hochschulen bieten Studienplätze für über 160.000 Studenten bei 7300 Hochschullehrern. Das weitgehend am deutschen Modell orientierte, seit 1990 aufgebaute Fachhochschulsystem (2002: 30 Fachhochschulen) mit hoher Praxisrelevanz der Lehrinhalte wird besonders gepflegt. Die Kulturpolitik in F. ressortiert im Unterrichtsministerium, das von zwei Ministern, dem Bildungs- (Ressorts Schulen, Hochschulen) und dem Kulturminister (Ressorts Kunst, Sport, Jugend) geleitet wird. Das Fundament der finnischen Bildungs- und Kulturpolitik bilden berufliche Qualifikation, Wissen und Kreativität. Prioritäres Ziel ist die Stärkung der Position F.s als eine der führenden Informationsgesellschaften der Welt. Die hierzu ergriffenen Maßnahmen dienen der systematischen Förderung des Lernumfeldes, wobei das virtuelle Lernen sowie das lebenslange Lernen Schwerpunkte sind.

Wichtigste Medien sind die Rundfunksender YLE Radio 3 (öffentlich rechtlich), Radio Nova (privat; Alma Media), die Fernsehsender MTV 3, Nelonen (kommerziell), YLE 1 & 2 (öffentlich rechtlich) und die Zeitungen ›Helsingin Sanomat‹ (finnischsprachig, Auflage 431.000; sonntags 500.000) und ›Hufvudstadsbladet‹ (schwedischsprachig, Auflage 51.000).

2 Kulturgeschichte

Zwischen dem 2. und 8. Jh. besiedelten finnische Stämme (vom Baltikum und aus dem Osten kommend) Süd- und Mittelf. und verdrängten die finnländischen Ureinwohner, die Samen. Mitte des 12. Jh. wurde das Land von Schweden aus christianisiert und von diesem auch schrittweise erobert. Ende des 13. Jh. reichte die schwedische Macht bereits bis nach Karelien. 1323 wurde zwischen Schweden und dem Fürstentum Novgorod erstmals die finnische Ostgrenze fixiert. Unter Gustav Wasa (1523–60) führte Michael Agricola, dessen Bibelübersetzung zur Ausformung der finnischen Schriftsprache beitrug, die Reformation ein.

Ein großer Bauernaufstand („Keulenkrieg“, 1596/97) im Zusammenhang mit der Rekatholisierungspolitik des polnisch-schwedischen Königs Sigismund (1592–99) wurde blutig niedergeschlagen. Unter dem schwedischen Generalgouverneur Graf Per Brahe (1602–80) erlebte F. eine wirtschaftliche und kulturelle Blüte („Grafenzeit“). Im Großen Nordischen Krieg war F. 1713–21 von Russland besetzt, das sich im Frieden von Nystad (1721) das südwestliche Karelien mit Vyborg (finn. Viipuri) sicherte und im Frieden von Turku (1743) weitere Gebiete im Südosten F.s erhielt.

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Nach dem russisch-schwedischen Krieg von 1808/09 musste Schweden im Frieden von Fredrikshamn (1809) ganz F. an Russland abtreten. Im März 1809 erklärte Zar Aleksandr I. F. zum autonomen Großfürstentum innerhalb des Russischen Reiches (1811 Wiedereingliederung der im 18. Jh. an Russland abgetretenen Gebiete). 1812 wurde Helsinki zur Hauptstadt erhoben. In der 1. Hälfte des 19. Jh. bildete sich ein finnisches Nationalbewusstsein heraus, das einerseits gegen Russland, andererseits gegen das schwedische kulturelle Übergewicht gerichtet war. In der Reformära Aleksandr II. wurde 1863 erstmals nach 1809 ein Landtag einberufen. Das „Sprachreskript“ (1863) legte die Gleichberechtigung des Finnischen mit dem Schwedischen fest, 1865 erhielt F. eine eigene Münzstätte, 1878 eine eigene Armee. Unter Aleksandr III. setzte eine Russifizierungspolitik ein; die 1899 beseitigte finnische Autonomie gestand Zar Nikolaj II. nach der Russischen Revolution von 1905 jedoch wieder zu. Die Landtagsreform von 1906 führte einen Einkammerlandtag mit allgemeinem und gleichem (auch Frauen-) Wahlrecht ein. Stärkste Partei wurde die Sozialdemokratie.

Nach dem Sturz des russischen Zaren in der Februarrevolution 1917 übernahm der finnische Landtag die Regierungsgewalt, erklärte am 06.12.1917 F. für unabhängig und schloss am 07.03.1918 einen Sonderfrieden mit dem Deutschen Reich. In einem Bürgerkrieg (Januar bis Mai 1918) setzten sich die von General Carl Gustav Freiherr von Mannerheim geführten „weißen“ Truppen mit deutscher Unterstützung gegen die bolschewistischen Kräfte, die „Roten“, durch. Am 12.12.1918 wurde Mannerheim Reichsverweser von F. Am 17.07.1919 erhielt F. eine republikanische Verfassung. Im Frieden mit Russland (Tartu, 14.10.1920) gelangte es in den Besitz des Petsamo-Gebietes. 1921 wurden ihm vom Völkerbund im Streit mit Schweden die Ålandinseln zugesprochen. Die 1929 gegründete bäuerlich nationalistische Lappo-Bewegung erreichte 1930 die Verabschiedung antikommunistischer Gesetze; ihre Putschversuche schlugen jedoch fehl. 1933 wurde die Sozialdemokratie wieder die stärkste Partei. In den Jahren nach 1930 begann eine Periode wirtschaftlichen Aufschwungs, besonders unter Staatspräsident Pehr E. Svinhufvud (1931–37).

Nach Ausbruch des Zweiten Weltkriegs wurde F. im November 1939 von der UdSSR, die die Abtretung strategisch wichtiger Gebiete gefordert hatte, angegriffen. F. verteidigte sich im „Winterkrieg“ hartnäckig gegen die sowjetische Übermacht, musste aber im Frieden von Moskau (12.03.1940) große Teile Westkareliens, das Salla-Gebiet sowie den finnischen Teil der Fischerhalbinsel abtreten und den Stützpunkt Hanko verpachten. 1941 nahm F. auf deutscher Seite den Krieg gegen die UdSSR wieder auf („Fortsetzungskrieg“). Im Waffenstillstand vom 19.09.1944, bestätigt im Frieden von Paris am 10.02.1947, musste F. dieselben Gebiete wie 1940 und das Petsamo-Gebiet der UdSSR überlassen; Hanko wurde allerdings gegen Porkkala ausgetauscht.

Das Land erholte sich unter Staatspräsident Juho K. Paasikivi (1946–56) rasch von den Kriegsfolgen (bis 1952 Erfüllung der Reparationsforderungen von 300 Mio. $) und konnte seine Selbstständigkeit bewahren. Außenpolitisches Ziel war die Entwicklung eines gutnachbarlichen Verhältnisses zur Sowjetunion, der sich in einem 1948 abgeschlossenen „Vertrag über Freundschaft, Zusammenarbeit und gegenseitigen Beistand“ (1955, 1970 und 1983 verlängert) manifestierte. Diese als „Paasikivi-Kekkonen-Linie“ bekannt gewordene Politik wurde durch einen Ausbau der Beziehungen zu den skandinavischen Ländern und zu den westeuropäischen Staaten ergänzt. 1969 schlug F. die Einberufung einer europäischen Sicherheitskonferenz (KSZE) in Helsinki vor. Anstelle des mit Auflösung der Sowjetunion gegenstandslos gewordenen Freundschafts- und Beistandspakts schlossen F. und Russland im Januar 1992 einen neuen Grundlagenvertrag. Am 01.01.1995 wurde F. Mitglied der Europäischen Union.

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Neben der Zentrumspartei (bis 1965 Bauernpartei) war v. a. die Sozialdemokratische Partei immer wieder an der Regierung beteiligt. Das ab 1982 regierende sozialdemokratische Koalitionskabinett wurde 1987 von einer Regierung aus Nationaler Sammlungspartei, Sozialdemokraten, Schwedischer Volkspartei und Finnischer Landvolkpartei abgelöst. 1991 kam eine Regierung aus Zentrum, Konservativen, Schwedischer Volkspartei und Christlicher Union zu Stande. Ihr folgte 1995 eine Fünfparteienkoalition („Regenbogenkoalition“, 1999 bestätigt). Bei der ersten Direktwahl des finnischen Staatspräsidenten wurde 1994 der Sozialdemokrat Matti Ahtisaari gewählt; mit Tarja Kaarina Halonen kam 2000 erstmals eine Frau in das Amt.

Die finnländische Wissenschaft spielt sich bis heute im Wesentlichen institutionell ab. Eine zentrale Stellung besaß seit dem 17. Jh. die Akademie (Universität) von Åbo/Turku, die ›Academia Aboensis‹ (gegr. 1640). Sie war während der ersten 100 Jahre von schwedischen Wissenschaftlern dominiert. Bereits zu Beginn des 19. Jh. bestand sie aber ausschließlich aus Finnländern. Nach einem verheerenden Brand wurde die Akademie 1828 als Kaiserliche Aleksandr-Universität (seit 1919: Universität Helsinki) nach Helsinki verlegt.

Bis zum Beginn des 20. Jh. war sie die einzige Hochschule F.s. 1917 entstanden als Volluniversitäten die schwedischsprachige ›Åbo Akademi‹ und die finnischsprachige Universität Turku. Aus der 1925 entstandenen „Bürgerhochschule“ (seit 1930: Sozialhochschule) für den zweiten Bildungsweg entstand 1960 die Universität Tampere. Weitere, auf regionale Bedürfnisse ausgerichtete Universitäten kamen seit Ende der 1950er Jahre hinzu: die Universitäten Oulu für Nordf. (gegr. 1958), Joensuu (gegr. 1969) und Kuopio (1970) für Ostf./Karelien, Vaasa (gegr. 1977) für Westf., Rovaniemi (gegr. 1979) für Lappland. Fachhochschulen ergänzten seit der Gründung (1908) einer Technischen Hochschule in Helsinki die Universitäten. Heutzutage bestehen Technische Hochschulen außer in Helsinki in Tampere, Lappeenranta und Vaasa, Handelshochschulen in Helsinki und Turku.

Neben den Hochschulen haben wissenschaftliche Gesellschaften eine längere Tradition. Die erste war die Vereinigung ›Societas pro Fauna et Flora Fennica‹ (gegr. 1821), deren Materialien 1857 in die Sammlungen der Kaiserlichen Aleksandr-Universität eingingen. Es folgten die schwedischsprachige naturwissenschaftlich orientierte Finnische Wissenschaftliche Gesellschaft (›Societas Scientiarum Fennica‹, gegr. 1838) und die finnischsprachige Finnische Akademie der Wissenschaften (›Academia Scientiarum Fennica‹, gegr. 1908). Einzelne Fächer schufen nach und nach ihre eigenen Vereinigungen. Den Anfang machten die Finnische Literaturgesellschaft (›Suomalaisen Kirjallisuuden Seura‹, gegr. 1831), die Finnische Historische Gesellschaft (›Suomen Historiallinen Seura‹, gegr. 1875) und die Finnische Geographische Gesellschaft (›Suomen Maantieteellinen Seura‹, gegr. 1888). Sie forschten sowohl in schwedischer wie finnischer Sprache. Ärzte, Juristen, Ökonomen u. a. gründeten jeweils schwedisch- und finnischsprachige Vereinigungen. Im 20. Jh. wurden viele Fachvereinigungen zu Dachvereinigungen zusammengefasst. Seit 1899 existiert der Verband der wissenschaftlichen Gesellschaften als gesamtfinnischer Dachverband. Gleichzeitig differenzierten sich die Fachvereinigungen immer stärker in Vereinigungen für fachliche Teilbereiche aus. Die wissenschaftlichen Gesellschaften werden wie die Hochschulen teilweise vom Staat unterstützt.

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Bis ins Mittelalter existieren in F. kaum Artfakte. Einige Werkzeuge und Waffen mit germanischen Tierornamenten legen Zeugnis ab vom Einfluss schwedischer Händler und Krieger im finnischen Raum. Die ersten künstlerischen Zeugnisse aus dem Mittelalter sind die frühen Steinkirchen mit Malereien und Plastiken. Der erste bekannte Künstler ist der Kirchenmaler Petrus Henriksson aus dem späten 15. Jh. Barock und Klassizismus lösen die bisher ganz an die Kirche gebundene Kunst in F. ab. Gedenktafeln, Plastiken und Wappen des Adels in den Kirchen, auch Porträts und Landschaftsmalerei prägen das Zeitalter. Der bekannteste Barockmaler war Elias Brenner (1647–1717).

Die schwedisch-russischen Kriege des 18. Jh. trieben viele finnländische Künstler aus dem Land, v. a. an die 1773 gegründete Königliche Akademie der freien Künste (›Kungl. Akademien för de fria konsterna‹) in Stockholm. In F. selbst dominierte erneut die Kirchenkunst. Starke künstlerische Impulse vermittelte der mit dem Bau der Seefestung Sveaborg (finn. Suomenlinna) vor Helsinki verbundene schwedische Klassizismus (auch: Gustavianismus) unter Gustav III. (1771–92), der nach dem Übergang F.s an Russland (1809) in den russischen Klassizismus (auch: Empire) mündete. Besonders zu erwähnen sind der Schinkel-Kommilitone Carl Ludwig Engel (1778–1840), der das Stadtzentrum von Helsinki ausbaute, und Erik Cainberg (1771–1816), der das Auditorium der Akademie zu Turku ausschmückte. Seit den 1830er Jahren dominierte die Romantik, die sich v. a. in der Historienmalerei, in Motiven des Nationalepos ›Kalevala‹, der Folklore (Robert Wilhelm Ekman, Carl Eneas Sjöstrand) sowie Natur- und Landschaftsmalerei (Brüder von Wright, Fanny Churberg, Albert Edelfelt), gefördert durch den Finnischen Kunstverein (›Suomen Taideyhdistys/Finska Konstföreningen‹, gegr. 1846) und die ihm angeschlossene Zeichenschule (gegr. 1848), zeigte. In der zweiten Hälfte des 19. Jh. waren Einflüsse ausländischer Künstlerschulen (Paris, Düsseldorf u. a.) wirksam. Außerdem prägte ein wachsender Anteil von Künstlerinnen den Kunstbetrieb.

Seit dem Ende des 19. Jh. folgte die finnländische Kunst teils europäischen Strömungen wie Spätromantik (Akseli Gallen-Kallela 1865–1931), Symbolismus (seit 1890), Impressionismus (seit den 1880ern), Postimpressionismus (seit 1910), Kubismus (seit 1913), Avantgarde (seit 1917), Expressionismus und Neuer Sachlichkeit (seit den 1920ern), teils entwickelte sie einen eigenwilligen Heroismus (Wäinö Aaltonen). Nach dem Zweiten Weltkrieg entwickelten sich in dichter Folge Neoexpressionismus, Konstruktivismus, Modernismus (seit Ende der 1950er) und Informalismus (seit den 1960ern). Die 1970er Jahre brachten Stilrichtungen wie Neorealismus, Materialmalerei, Objektkunst, Pop-art, Konzeptualismus, Performance, östliche Geistlichkeit hervor. Seit den 1980er Jahren dominieren Neoexpressionismus und individualistische Richtungen.

Bis 1809 war die finnische Literatur ein Teil der Literatur des Königreiches Schweden. Die schwedische Sprache blieb die dominierende Literatursprache bis zum Ende des 19. Jh. Lateinische Heiligenlegenden vom Ende des 13. Jh. sind die ältesten bekannten Texte F.s. Die ältesten Handschriften in schwedischer und finnischer Sprache tauchten in der Mitte des 14. Jh. auf. Doch erst im 15. Jh. nahm die Textproduktion signifikant zu. Das berühmteste Manuskript dieser Zeit stammt von 1488 (›Missale Aboense‹). Der erste bekannte Schriftsteller war der Birgittinermöch Jöns Andersson Budde (ca. 1437–91), der Heiligenlegenden und Bücher des Alten Testaments ins Schwedische übersetzte. Größere Mengen von Texten in finnischer Sprache entstanden im Zeitalter der Reformation (16. Jh.) mit einer gedruckten Fibel und einem gedruckten Katechismus des finnländischen Reformators Michael Agricola (ca. 1510–57).

Die 1640 gegründete Akademie von Åbo und die ihr angeschlossene erste Druckerei F.s (gegr. 1642) beförderten die Entwicklung der Literatur im 17. und 18. Jh. Wichtige Schriftsteller dieser Periode waren Jacob Frese (ca. 1691–1729) und Gustaf Filip Creutz (1731–85), die v. a. Lyrik in schwedischer Sprache verfassten. Einen bedeutenden Aufschwung nahm die Literatur F.s im Zeitalter der Nationalromantik. Verlage, Buchhandlungen und eine professionelle Buchkritik ließen einen komplexen Literaturbetrieb entstehen. Die schwedischsprachigen Texte der „Gründerväter“, Frans Michael Franzén (1772–1847) und Johan Ludvig Runeberg gaben der Literatur des 19. Jh. wichtige Impulse.

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Die Sammlungen mündlicher Überlieferungen altfinnischer Erzählungen und Lieder, Elias Lönnrots (1802–84) ›Kalevala‹ (1835, 1849) und ›Kanteletar‹ (1840) sowie die Romane und Schauspiele Aleksis Kivis (1834–72) hoben die finnische neben der schwedischen Sprache in den Rang einer Literatursprache. Mit den gesellschaftskritischen Werken Minna Canths (1844–97), Juhani Ahos (1861–1921), Teuvo Pakkalas (1862–1925) und Joel Lehtonen (1881–1934) und den Frauennovellen und –dramen Maria Jotunis (1880–1943) gewann die finnländische Literatur Anschluss an die europäischen Strömungen des Realismus und Naturalismus. Symbolismus und Neoromantik auf der einen, finnische Folklore auf der anderen Seite spiegeln sich in der Lyrik Eino Leinos (1878–1926). In der Zwischenkriegszeit dominierten in der Prosa Natur- und Geschichtsromantik (Frans Eemil Sillanpää 1888–1964, Volter Kivi 1874–1939, Aino Kallas 1878–1956) und Gesellschaftskritik (Pentti Haanpää 1905–55), in der Lyrik Neoromantik, Expressionismus und Avantgarde (Edith Södergran 1892–1923, Elmer Diktonius 1896–1961, Gunnar Björling 1887–1960).

Vom Ende des Zweiten Weltkriegs bis zum Ende der 1950er Jahre war die finnländische Literatur durch Wertekonservatismus, Folklorismus und Naturlyrik gekennzeichnet. Der Anschluss an die internationale antirealistische/-naturalistische Literatur kam Ende der 1950er Jahre mit modernistischen Werken von Paavo Haavikko (*1931), Eeva-Liisa Manner (1921–95), Mirkka Rekola (*1931), Bo Carpelan (*1926), Veijo Meri (*1928), Antti Hyry (*1931) und Marja-Liisa Vartio (1924–66). Daneben blieben viele, darunter die auch international bekannten Autoren Mika Waltari (1908–79), Tove Jansson (1914–2001) und Väinö Linna (1920–92) der realistischen Tradition verhaftet. Neue Wege in der Abkehr vom Modernismus gingen seit den 1970er Jahren die Lyriker Pentti Saarikoski (1937–83), Väinö Kirstinä (*1936), Kari Aronpuro (*1940), Arto Melleri (*1956), Olli Jalonen (*1954), Matti Pulkkinen (*1944) und Leena Krohn (*1947). Sie sind teils dem Konkretismus und Surrealismus, der Semiotik und Pop-art, teils pluralistischen Konzepten der Postmoderne verhaftet.

Abgesehen von der bis in vorgeschichtliche Zeiten zurückreichende Folklore stammen die ersten Zeugnisse finnischer Kunstmusik aus der Kirchenmusik des 12. Jh. Die ersten Nachweise für Polyphonie stammen aus dem 14. Jh. Wandernde Hofmusiker sind ab dem 15. Jh., königliche Hofkapellen ab dem 16. Jh. nachweisbar. Die ersten Notendrucke kamen um die Mitte des 16. Jh. in Form von Kirchenliedern auf. Das bürgerliche Musikleben etablierte sich in der zweiten Hälfte des 18. Jh. mit öffentlichen Konzerten der „Akademischen Kapelle“ (gegr. 1747) und der Musikalischen Gesellschaft zu Åbo (gegr. 1790). Der erste bedeutende finnische Komponist war Erik Tulindberg (1761–1814), der im Haydnschen Stil komponierte. Ausländische Einflüsse kamen v. a. über Schweden. Nach dem Übergang F.s an Russland entwickelten sich Vyborg und die neue Hauptstadt Helsingfors zu Zentren der finnischen Musik. Besonders deutsche Kompanien hinterließen deutliche Spuren, etwa beim deutschstämmigen, nach F. emigrierten Fredrik Pacius, der 1846 die finnische Nationalhymne ›Maame‹ („Unser Land“, uraufgeführt 1848) komponierte.

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Mit der Gründung der „Gesellschaft für Volksbildung“ (›Kansanvalistusseura‹, 1874) erfolgte die massenweise Verbreitung von Musik. 1881 wurde nach deutschem und estnischem Vorbild das erste Sängerfest in Jyväskylä veranstaltet. Es legte den Grundstock für eine starke Tradition des finnischen Chorsingens. 1882 entstand mit dem Universitätschor (›Ylioppilaskunnan Laulajat‹) von Helsinki der erste finnischsprachige Chor. Im selben Jahr gründeten Robert Kajanus (1856–1933) das erste Berufsorchester, die Orchestergesellschaft von Helsinki (heute: Philharmonisches Orchester Helsinki). Martin Wegelius (1846–1906) folgte mit dem Musikinstitut (heute Sibelius-Akademie) von Helsinki. Die überragende Gestalt der finnischen Musik vom Ende des 19. bis in die Mitte des 20. Jh. war Jean Sibelius (1865–1957), der in seinen Werken nationalromantische, später auch expressionistische Motive und Stilmittel verwandte. Die öffentliche Musikszene wurde von dem musikalischen Multitalent Oskar Merikanto (1868–1924) bestimmt, der als Kritiker und Vermittler der europäischen Musik wirkte, aber auch finnische und eigene Werke aufführte. Die Musik der Zwischenkriegszeit war einem weit verbreiteten Konservatismus verhaftet, der sich vor allem in den 1930/40er Jahren in Nationalromantik und Neoklassizismus (Joonas Kokkonen 1921–1996, Einojuhani Rautavaara *1928, Usko Meriläinen *1930, Einar Englund 1916–99) manifestierte. In den 1950er Jahren wurde die Zwölftontechnik adaptiert. In den 1960er Jahren fand F. Anschluss sowohl in der E- wie auch in der U-Musik an internationale Entwicklungen. In den 1990er Jahren entwickelte sich ein dichtes Netz musikalischer Aktivitäten in ganz F. (Bibliotheken, Musikinstitute, Festivals, Orchester, Chöre, Radio, Fernsehen, Musikerziehung, Musikpreise).

Die ersten Theatervorstellungen sind mit fahrenden Kompanien in schwedischer, deutscher oder lateinischer Sprache verbunden. Die ersten finnischsprachigen Vorstellungen wurden in den 1840er Jahren gegeben. Der erste finnischsprachige Theaterschriftsteller war Aleksis Kivi. 1872 gründete Kaarlo Bergboom das Finnische Theater (heute Finnisches Nationaltheater) in Helsinki. Nach dem Ersten Weltkrieg wurde es durch das Schwedische Theater in Helsingfors ergänzt. Um die Jahrhundertwende gründeten Arbeitervereine und Dörfer eigene Theater und schufen das Arbeiter- und Bauerngenre. Die bedeutendsten Theaterautoren bis in die 1950er Jahre waren Minna Canth, Maria Jotuni und Hella Wuolijoki (1886–1954). In den 1920/30er Jahren dominierten expressionistische Strömungen, in den 1960/70er Jahren wie in anderen europäischen Ländern das politische Theater. 1979 wurde die finnische Theaterschule Hochschule und bildet seither alle Berufssparten des finnisch- und schwedischsprachigen Theaters, einschließlich Ballett (seit 1983) und Oper, aus. Teilbereiche werden auch an der Universität Tampere und an der Hochschule für Kunst und Design in Helsinki abgedeckt.

In der Oper hinterließen v. a. deutsche Opernkompagnien auf dem Weg von Stockholm nach Sankt Petersburg in der ersten Hälfte des 19. Jh. deutliche Spuren, etwa beim bereits erwähnten Fredrik Pacius, der 1852 auch F.s erste Oper komponierte. Eine feste Stätte für Opern wurde 1873 mit dem ersten Opernhaus geschaffen. 1914 gründeten der Impressario Edward Fazer (1861–1943) und Oskar Merikanto die finnische Nationaloper. Die Pariser Primadonna Aino Ackté (1876–1944) initiierte 1912 die Opernfestspiele in Savonlinna, die nach Unterbrechungen bis heute internationales Renommee genießen. Seit den 1980er Jahren nahm die Oper einen neuen Aufschwung. Wichtige Opernkomponisten sind Joonas Kokkonen, Aulis Salinen (*1935) und Einojuhani Rautavaara.

Das Ballett spielte aufgrund der mangelnden höfischen Traditionen in F. erst im 20. Jh. eine Rolle. 1909 gründete Margarita Gripenberg die erste finnische Tanzschule, 1921 Edward Fazer (1861–1943) das finnische Opernballett. Beide Schulen blieben Sankt Petersburger und deutschen Vorbildern verhaftet. Erst in den 1960er Jahren schaffte Riitta Vainio (*1936) den Anschluss an den modernen Tanz. Auf ihn reagierte in den 1970er Jahren das traditionellere, „realistische Tanztheater“. In den 1990er Jahren hielten Elemente des asiatischen Tanzes und der schamanistischen Tradition Einzug. Außerdem erlebte der „neue Volkstanz“ einen Aufschwung, indem er einheimische Traditionen mit internationalen Entwicklungen verband.

Die Alltagskultur F.s wurde seit dem 19. Jh. mehr und mehr von der Auseinandersetzung zwischen dem Individuum und regionalen und nationalen Gruppenansprüchen bestimmt. Daneben spielten „Volksbewegungen“ (Abstinenz-, Frauen-, Arbeiter-, religiöse und pädagogische Bewegungen) eine wichtige Rolle für den Alltag. F. und die Finnländer interpretieren sich selbst als Konsensgesellschaft, in der das Individuum sich im Konfliktfall dem Friedensbedürfnis der jeweiligen Bezugsgruppe unterzuordnen hat. Zu den typischen Phänomenen finnländischer Alltagskultur gehören der hohe Stellenwert und die massenhafte Ausübung sportlicher Aktivitäten, der wöchentliche Saunagang, Naturliebe und Ferienhausidylle, die Wertschätzung der Folklore. Typische negative Erscheinungen sind Alkoholexzesse, Glücksspiele und ähnliches manisches Verhalten. Kennzeichnend für das Selbstbild der Finnen ist ›Sisu‹, ein schwer übersetzbarer Begriff für die angebliche Zähigkeit, Verbissenheit, Mut, Kühnheit und Ausdauer der Finnen. Die Kehrseiten von ›Sisu‹ sind Aufsässigkeit, Ungehorsam, Starrköpfigkeit, Brutalität und Rücksichtslosigkeit.

(Ralph Tuchtenhagen)

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