Pskov (Stadt)

Pskov (russ., dt. hist. Pleskau

Inhaltsverzeichnis

1 Geographie

2 Kulturgeschichte

Anfänge und Mittelalter

P. gehörte im Mittelalter zu den bedeutendsten regionalen Herrschaftszentren der alten Rus. Bis zu ihrer administrativen Eingliederung in das Moskauer Reich 1510 zeichnete sie sich ähnlich wie Novgorod durch eine ausdifferenzierte Selbstverwaltung aus, die in verfassungsgeschichtlicher Hinsicht im Kontext der Entstehung mittelalterlicher Stadtkommunen in Europa steht.

Die Frühgeschichte P.s ist durch ein Konglomerat verschiedener ethnokultureller Einflüsse gekennzeichnet; zu den finno-ugrischen und baltischen Erstsiedlern stießen gegen Ende des ersten Jahrtausends Waräger und Ostslawen als Bewohner der altrussischen Burgstadt (gorod).

Die Christianisierung brachte eine zunehmende Überformung der multiethnischen Bevölkerung durch slawische Einflüsse mit sich und trug wesentlich zur Integration P.s in das Reich von Kiew bei. Die erste christliche Fürstin der Rus, Olʹga, stellte im 10. Jh. durch ihre P.er Herkunft gleichsam eine Personifizierung dieser Achse dar.

Im 11. und 12. Jh. genoss P. im Rahmen des Novgoroder Herrschaftsgebiets einen Sonderstatus, der bereits erste Ansätze zur Ausformung der städtischen Selbstverwaltung mit ihrem obersten Organ, der Versammlung der freien Männer (altruss. veče), ermöglichte. Die eigenständige Verfassungsentwicklung der P.er Stadtkommune fußte auf Rechtssetzungen, die Aleksandr Jaroslavovič, gen. Nevskij, 1242 verkündete, nachdem er die Stadt von einer zweijährigen Besetzung durch deutsche Ordensritter befreit hatte. Fortan verfügte P. über eine dualistische Herrschaftsordnung: Neben den republikanischen Institutionen – Stadthauptmannschaft (posadniki), gesamtstädtische Versammlung (veče), Stadtviertelgemeinden und Hundertschaftsführung (sotskie) – residierte ein Fürst in P., der v. a. an der Spitze des städtischen Aufgebots in zahlreichen militärischen Auseinandersetzungen, insbesondere mit dem Orden in Livland, in Erscheinung trat. Als herausragender Kriegerfürst genoss der aus Litauen stammende Fürst Dovmont Timofej (1266–99) die Verehrung der P.er; die Überreichung eines ihm zugeschriebenen Schwerts gehörte in der Folgezeit zum Ritual der Fürsteninthronisierungen.

Im 14. Jh. konsolidierte sich die republikanische Herrschaftsordnung; die P.er Stadtkommune nannte sich nunmehr selbstbewusst „Herr (Groß-)Pskov“ (›gospodin [Velikij] Pskov‹). Mit der P.er Gerichtsurkunde verfügte sie über eine eigenständige Rechtsordnung; die Siegelführung oblag vorrangig den von der Stadtversammlung gewählten Stadthauptmännern. Zwar konzentrierte sich die republikanische Macht zunehmend auf Seiten der grundbesitzenden städtischen Oberschicht (Bojaren); das Stimmrecht auf der Stadtversammlung hatten jedoch auch weiterhin alle wehrpflichtigen Stadtbewohner. Diese waren vornehmlich als Handwerker und Kaufleute tätig und profitierten vom florierenden Handel mit der Hanse, für die P. neben Novgorod zu den wichtigsten Stützpunkten ihres Russlandhandels gehörte. Die wichtigsten Ausfuhrgüter waren Pelze und Wachs, ab dem 15. Jh. auch Flachs, Hanf, Leder und Talg; in die Rus importiert wurden v. a. Tuche, Salz, Silber und Buntmetalle.

Das städtische Territorium dehnte sich kontinuierlich aus; durch neue Festungsmauern wurden weitere Stadtteile einbezogen. Ende des 15. Jh. war P. mit 10.000–15.000 Einwohnern die drittgrößte Stadt der Rus. Während noch unter Dovmont Timofej städtebauliche Maßnahmen (Kirchen, Befestigungen) dem Fürsten oblagen, waren im 14. und 15. Jh. die republikanischen Amtsträger für die Stadtplanung zuständig. Auch das Umland (›Pskovskaja zemlja‹, „P.er Land“) wurde durch befestigte Beistädte von der P.er Kommune verwaltet.

Gleichzeitig entfaltete sich eine eigenständige P.er Kunst- und Kulturlandschaft; Ikonen, Fresken und Kirchbauten zeugen bis heute davon. Die P.er Ikonenschule zeichnet sich insbesondere durch die schlanke Silhouette der Figuren und eine expressive Farbgebung aus. Bereits im 12. Jh. entstanden die Fresken der „Erlöser-Verklärungskathedrale“ (Spaso-Preobraženskij sobor) im Mirož-Kloster im Auftrag des Novgoroder Bischofs, der auch Oberhirte der P.er war. P.er Baumeister erfreuten sich auch überregional eines großen Ansehens und bauten u. a. die „Mariä-Verkündigungskathedrale“ (Blagoveščenskij sobor) im Moskauer Kreml.

Die Annäherung an das neue Machtzentrum Moskau, die Ende des 14. Jh. begann, war v. a. durch die exponierte Randlage P.s bedingt, das zunehmend auf eine starke Schutzmacht angewiesen war. Seit 1399 waren alle P.er Fürsten Statthalter der Großfürsten von Vladimir-Suzdalʹ und Moskau; die Ausdehnung der fürstlichen Herrschaft konnten auch zwei umfassende Reformen zur Stärkung der kommunalen Institutionen nicht verhindern. Der wachsende Einfluss Moskaus ging einher mit einer inneren Destabilisierung und dem Auseinanderbrechen der schichtenübergreifenden Stadtbewohner-Gemeinschaft und mündete 1510 in der Aufhebung der städtischen Autonomie und der vollständigen Eingliederung P.s in das Moskauer Reich.

Pickhan G. 1992: Gospodin Pskov. Entstehung und Entwicklung eines städtischen Herrschaftszentrums in Altrussland. Berlin. Prinz-Aus der Wiesche J. 2004: Die Russisch-Orthodoxe Kirche im mittelalterlichen Pskov. Wiesbaden. Pskovskie letopisi 1941: Vyp. 1. Moskva. 1955: Vyp. 2. Moskva.

(Gertrud Pickhan)

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Die Weiterführung des kulturhistorischen Abrisses liegt noch nicht vor.


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