Burzenland

Burzenland (hist., latein. terra Burcia, rumän. Ţara Bârsei, ungar. Barcaság)

Inhaltsverzeichnis

1 Geographie

B. ist die vom Burzenbach (rumän. Bârsa, ungar. Barca) abgeleitete historische Bezeichnung für eine ca. 50 km breite und 100 km lange Senke, die auf ca. 500–600 m ü. d. M. innerhalb des Karpatenbogens im südöstlichen Teil Siebenbürgens im heutigen Rumänien liegt. Die Region ist nach Nordwesten durch die Bergrücken Munţii Perşani (dt. hist. Geisterwald) abgegrenzt, nach Süden durch die hochalpinen Gebirgszügen der Südkarpaten. Die mittlere Temperatur im Januar beträgt zwischen –3 und –5 °C (bei Minima von –30 °C). Die durchschnittliche Juli-Temperatur schwankt zwischen 16 und 20 ° C. Die jährlichen Niederschlagsmengen liegen bei 600–700 mm.

Nach Osten und Nordosten ist das Gebiet nur durch Flüsse, z. B. Olt (rumän./ungar., dt. hist. Alt), naturräumlich vom Siedlungsgebiet der Szekler (dt. hist. Drei Stühle, rumän. Treiscaune, ungar. Háromszék) getrennt. Mit der Moldau und der Walachei von Osten nach Süden über vier Pässe verbunden liegt das B. an einer kulturgeographischen Schnittstelle, wo sich von jeher Heeres- und Handelsstraßen kreuzten.

Anfang

2 Kulturgeschichte

In der jüngeren Steinzeit war das Gebiet des B.es bereits relativ stark besiedelt, wie ein reiches archäologisches Fundmaterial belegt. Es ist davon auszugehen, dass die Gegend seither kontinuierlich besiedelt war. Während sich dakische Festungsanlagen aus den Jahrhunderten um die Zeitenwende nicht erhalten haben (wohl aber aus dem 4.–7. Jh.), sind Überreste der römischen Herrschaft in Siebenbürgen (107–274) in der Nähe der Ortschaft Râşnov (dt. hist. Rosenau, ungar. Barcarozsnyó) archäologisch greifbar. Aus slawischer Zeit haben sich einige Wallburgen, so auf dem Rattenberg oberhalb von Kronstadt (rumän. Braşov, ungar. Brassó) erhalten, die ab dem 13. Jh. teils zu steinernen Burgen der Deutschordensritter, z. B. Marienburg (rumän. Feldioara, ungar. Földvár), oder zu Fluchtburgen der deutschen Kolonisten ausgebaut wurden (wie Kronstadt).

Als 1211 dem Deutschen Orden das B. übertragen wurde, lag es außerhalb der markierten Herrschaftsgrenze der ungarischen Könige, so dass es in der Verleihungsurkunde als ›desertum‹ (latein., „Wüste“) bezeichnet wurde, wenngleich eine Besiedlung durch Petschenegen, Walachen und ab 1213 durch Ungarn anzunehmen ist. Der Berufung des Ordens lag v. a. die Absicht zugrunde, den kirchenpolitischen Einfluss in der Balkanregion zu erweitern, womit der Auftrag zur Grenzbefestigung und – in der Missionierung der Kumanen – auch zum Landesausbau für die ungarische Krone verbunden war. Relikt dieser Zeit ist das kumanische Bistum von Milcov (im östlichen Karpatenbogen).

Die Urkunde unterstellte den Orden dem ungarischen König, der u. a. die Hälfte der in B. zu findenden Edelmetalle für sich beanspruchte. Sie befreite den Orden zugleich aber vom Zugriff des Woiwoden von Siebenbürgen und ermöglichte eine gewisse Selbstorganisation. Auf Drängen des Ordens löste sich das B. 1223 kirchlich aus der Jurisdiktion des siebenbürgischen Bischofs und wurde einem vom Papst eingesetzten ›archipresbyter vel decanus‹ (später Dechant) unterstellt, wodurch die Basis für das spätere B.er Kapitel gelegt wurde. Die abgeschlossene Kumanenmission und v. a. die eigenstaatlichen Pläne des Ordens sowie das Schwinden des Einflusses der „deutschen“ Partei am ungarischen Königshof führten 1225 zu seiner Vertreibung aus dem B.

Nach jüngsten archäologischen Ausgrabungen ist davon auszugehen, dass Marienburg bereits ein halbes Jahrhundert vor Eintreffen der Ordensritter von deutschen Siedlern bewohnt war. Die von hier ausgehende Kolonisation der 13 weiteren deutschen Ortschaften, darunter auch des städtischen (Corona) und bäuerlichen (Altstadt) Teils von Kronstadt, wird dem Deutschen Orden zugeschrieben, der die Siedler in Zehnt- und Hundertschaften organisierte. Ortsnamensgeschichtliche Parallelen weisen jedoch auch auf Ordensbesitzungen im Raum Koblenz hin. Aus Marienburg, Rosenau und anderen ländlichen Gemeinden wurden Märkte, in denen ab dem 16. Jh. auch Zünfte nachgewiesen sind.

Die Vertreibung des Deutschen Ordens und die Mongoleneinfälle um 1241 veränderten die Rechtslage im B. In der Folgezeit standen sich der privilegierte Personenverband der deutschen Siedlergemeinden (›saxones‹) und die in die Komitatsverfassung zurückkehrenden, personenverbandsrechtlich nicht privilegierten rumänischen im Südwesten sowie die ungarischen im Südosten und im Norden – zahlreich darunter die Csángó der Siebendörfer (rumän. Săcele, ungar. Hétfalu, Szecseleváros) – des B.es gelegenen Ortschaften der einstigen Ordensschenkung gegenüber. Dieser territorial organisierte Teil des B. war dem Grafen von B. (meist vom Szeklergrafen in Personalunion bekleidet), mit vermutlichem Sitz auf dem Kronstädter Martinsberg (rumän. Somartin bzw. Somortin, ungar. Mártonhegy) unterstellt. Im 15. Jh. hatte diese Funktion meist der Kastellan der Törzburg (rumän. Bran, ungar. Törcsvár) inne.

Der erstmals 1351 infrage gestellte volle Zehntbezug der B.er Geistlichkeit durch die weltliche Obrigkeit bildete einen bis 1770 immer wieder aufflammenden Streitpunkt. Außerhalb der rumänisch bevölkerten Gemeinden des B.es ist im Mittelalter lediglich für Rosenau eine griechisch-orthodoxe Kirchenstiftung urkundlich erwähnt (1384). Rosenau war damit auch die einzige Gemeinde, die bereits zu diesem Zeitpunkt einen sächsischen und einen rumänischen Ortsteil besaß.

1377 geht die Zentrumsfunktion von Marienburg auf Kronstadt über. Dem Kronstädter Magistrat bzw. den ihn kontrollierenden Patriziergeschlechtern fielen ab 1404 schrittweise die gräflichen Rechte zu. 1422 dehnte König Siegmund von Luxemburg die Privilegien der sieben Stühle der Hermannstädter Provinz auf das B. aus. 1486 erreichten die Kronstädter bei König Matthias I. Corvinus die Übertragung der Privilegien des ›Andreanums‹ von 1224 auf den B.er Distrikt (Ersterwähnung 1331 als ›districtus de Brasso‹ bzw. 1351 als ›sedes de Brasso‹), damit gehörte nun das B. der Sächsischen Nation an. Die Distriktversammlung blieb weiter bestehen, wurde jedoch zugunsten der städtischen Magistrate auf Kontrollfunktionen reduziert. Im Oktober 1542 wurde in Kronstadt die ›evangelische Meß‹ eingeführt und noch im selben Jahr für ganz B. übernommen. Johannes Honterus’ „Die Reformation der Kirche in Kronstadt und in der gesamten B.er Provinz“ (latein. Reformatio ecclesiae Coronensis ac totius Barcensis Provinciae, 1543) steht für den Abschluss der Reformation im B.

Im Zuge derer wurden die 1366 erstmals urkundlich erwähnten Csángó-Gemeinden, wie die anderen ungarischen Gemeinden des B.es zunächst lutherisch, wandten sich jedoch später der reformierten Kirche zu, der sie bis Ende des 17. Jh. angehörten. 1886 traten sie aus der evangelischen Landeskirche aus und schlossen sich der ungarisch-lutherischen Kirche des Theißer Kirchendistriktes an.

Bis zur Verwaltungseinteilung Siebenbürgens durch Kaiser Joseph II. von 1786 in elf Komitate blieb die administrativ-politische Organisation des B.es im Wesentlichen unverändert. Im Laufe des vierjährigen Intermezzos bis 1790 war das B. als ›Circulus Barcensis‹ Teil des neuen Komitats ›Drei Stühle‹. Neben Schnackendorf (rumän. Tânţari, ungar. Szunyogszék) ist von den Dörfern des B.es allein Tohan (rumän. Tohanu Vechi, ungar. Ö-Tohán) 1765 gewaltsam in den siebenbürgischen Militärgrenzbezirk integriert worden. Die 1790 wiederhergestellte alte Ordnung wurde bis 1876 mehreren kurzfristigen Neuregelungen unterworfen, die v. a. im Zeichen des österreichischen Neoabsolutismus’ nach der Revolution von 1848/49 standen. Die herausgehobene Stellung des B.er Dechanten blieb im Rahmen der evangelischen Kirche in Siebenbürgen bis 1861 erhalten.

Der Abschluss der staatlich geförderten Kommassation der Ackerflächen (Flurbereinigung) 1894 läutete nicht ohne vorhergehende schwere Auseinandersetzungen den Übergang zur Modernisierung, Intensivierung und Industrialisierung der Landwirtschaft im B. ein. Es entstanden in dieser Zeit u. a. die Zuckerfabrik bei Brenndorf (rumän. Bod, ungar. Botfalu) und die überregional bedeutende Ackerbauschule in Marienburg (1871–1945). Bis zum Zweiten Weltkrieg ist ein Aufschwung insbesondere des sekundären Wirtschaftssektors in den Landgemeinden zu beobachten (Kreditgenossenschaften, Dreschgesellschaften, Elektrizitätswerke). Der damalige Entwicklungsstand lässt sich am Zensus von 1930 ablesen, der das B. als diejenige Territorialeinheit Rumäniens mit der geringsten Analphabetenquote (unter 10 %) ausweist. Die staatlich gelenkte Forcierung der agrarischen und industriellen Entwicklung nach 1945 machten das historische B. zu einer der demographischen Wachstumszonen in Rumänien. Mehrere Dörfer stiegen zu Städten auf, darunter neben Kronstadt Zeiden (rumän. Codlea, ungar. Feketehalom) mit bedeutendem Chemiekombinat und Siebendörfer. Der dadurch bewirkte Zuzug von Menschen aus anderen Landesteilen, v. a. der Moldau, verschob das ethnische Gefüge nachhaltig.

Das B. blieb nach der Angliederung an Rumänien 1919 als Verwaltungseinheit (rumän. judeţ, „Kreis“) in seiner territorialen Ausdehnung bis 1950 weitgehend unverändert, bei jedoch wechselnder innerer administrativer Gliederung. 1950–68 war es Teil der Region Stalin, mit Hauptstadt „Stalinstadt“ (rumän. Oraşul Stalin, ab 1960 wieder umbenannt in Braşov). Mit der Verwaltungsreform von 1968 wurde das B. Teil des Kreises Braşov, dem auch Teile der historischen Komitate Fogarasch (rumän. Făgăraş, ungar. Fogaras) und Große Kokel (rumän. Târnava Mare, ungar. Nagyküküllő) bis zur Gegenwart unverändert angehören.

Die Auswanderung der siebenbürgisch sächsischen Bevölkerung in die Bundesrepublik Deutschland hält bis heute an. Auch große Teile der gesellschaftlichen Eliten der rumänischen und ungarischen Bevölkerung verließen das Land.

Neben der chemischen Industrie sind heute v. a. Maschinenbau und KFZ-Zuliefererbetriebe, die sich in Kronstadt und Codlea konzentrieren sowie Landwirtschaft von wirtschaftlicher Bedeutung. Darüber hinaus befindet sich bei Feldioara eine Uranaufbereitungsanlage.

Jekelius E. (Hg.) 1928–29: Das Burzenland. 3 Bde. Kronstadt. Reichart, J. (Hg.) 1925: Das Sächsische Burzenland einst und jetzt. Kronstadt. Zimmermann H. 2000: Der Deutsche Orden im Burzenland. Eine Diplomatische Untersuchung. Köln (= Studia Transylvanica 26). Nussbächer G. 1981–2000: Aus Urkunden und Chroniken. 5 Bde. Bukarest.

(Thomas Şindilariu)

Anfang
Views
bmu:kk