Budapest

Budapest (ungar. B.)

Inhaltsverzeichnis

1 Geographie

Die an der Donau gelegene ungarische Hauptstadt B. hat gegenwärtig 1.696.128 Einwohner (2006), das entspricht etwa einem Fünftel der Landesbevölkerung; im Ballungsraum B. insgesamt leben ca. 3 Mio. Menschen. B. ist das politische und wirtschaftliche sowie wissenschaftliche und kulturelle Zentrum Ungarns und eine der bedeutendsten Metropolen Ostmitteleuropas. In B. haben alle wichtigen politischen Gremien, Parteien, Behörden und Ministerien sowie Bildungs- und Medieneinrichtungen Ungarns ihren Sitz. Die Stadt ist heute in 23 Bezirke unterteilt und umfasst rd. 525 km².

Lage und Administration

B. liegt zwischen dem Ungarischen (Transdanubischen) Mittelgebirge im Norden und Westen sowie der Großen Ungarischen Tiefebene (Alföld) im Osten und Süden. Klimatisch ist die Stadt der gemäßigt-kontinentalen Zone zuzurechnen, wobei sich aber auch atlantische und mediterrane Einflüsse bemerkbar machen. Die durchschnittliche Sonnenscheindauer beträgt pro Jahr 1980 Stunden, die Jahresmitteltemperatur liegt bei 10,4 °C. Der kälteste Monat ist der Januar mit durchschnittlich –1,6 °C, die wärmsten Monate sind – mit bis zu 40 °C – Juni, Juli, August. Die Niederschläge konzentrieren sich auf die Monate Mai, Juni und November. Die jährliche Niederschlagsmenge beträgt im Durchschnitt 518 mm.

B. entstand 1872 durch den Zusammenschluss der drei Städte Buda, Óbuda und Pest, die heute Stadtteile B.s sind. Buda liegt am westlichen Ufer der Donau an den Hängen des vulkanisch geprägten Berglandes. Óbuda erstreckt sich nördlich von Buda zwischen Donau und Bergland. Pest befindet sich am östlichen Ufer des Flusses. Die topographische Trennung der Stadt ist auch Teil einer symbolischen Geographie: Buda repräsentiert mit seinen, die Stadtsilhouette prägenden majestätischen Bauten im Burgviertel und seiner fast ländlichen Ruhe den traditionellen, der Provinz verbundenen Teil der Stadt, während das kommerzielle Pest die urbane, dynamische Rolle einnimmt. Óbuda hat seinen ursprünglichen Charakter einer beschaulichen Kleinstadt durch den Bau von Plattenbausiedlungen in den 1970er Jahren verloren und ist heute nur mehr ein peripherer Bezirk. Markant im Innenstadtbereich auf der Budaer Seite sind Burgberg und Gellért-Berg. Die höchste Erhebung der Stadt, der „Johannesberg“ (Jánoshegy) mit 529 m Höhe, befindet sich ebenfalls in Buda, während sich Pest auf ca. 110 m Höhe und wenig markanten Erhöhungen weitestgehend flach erstreckt. Die Fläche der Innenstadt verteilt sich zu zwei Dritteln auf die Pester, zu einem auf die Budaer Seite. Das engere Stadtgebiet ist mit seinen Ring- und Radialstraßen und -bahnen sowohl räumlich als auch verkehrstechnisch klar strukturiert.

Die Bezirke 1—11, ausgenommen der vierte, sowie Zugló als der 14. Bezirk, bilden den eigentlichen Kernbereich der Stadt, während die Bezirke darüber die äußere Industrie- und Wohnzone bilden, in denen sich auch die Plattenwohnbauten der sozialistischen Ära konzentrieren. Der historische Kern der Stadt, das Burgviertel von Buda bildet den 1. Bezirk, das wirtschaftliche Zentrum der Stadt, die „Leopoldstadt“ (Lipótváros), auf der Pester Seite den 5. Bezirk. Der jüngste der 23 B.er Bezirke, Soroksár, wurde 1992 per Volksentscheid als Abspaltung des Stadtteils Pesterzsébet gegründet.

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Bevölkerung

Bis zum Anfang des 18. Jh. liegen keine statistischen Angaben über die Bevölkerung Budas, Pests und Óbudas vor. Nach Schätzungen betrug die Einwohnerzahl der drei Städte im 16. Jh. insgesamt ca. 30.000 Menschen. Infolge der Osmanen (Kriege)|Osmanenkriege wurde die Bevölkerungszahl stark dezimiert und erreichte Anfang des 18. Jh. die Zahl von 6–7000, stieg bis Ende des Jahrhunderts jedoch deutlich auf über 30.000. Zu dieser Zeit entwickelten sich Buda und Pest zu administrativen und kommerziellen Zentren. Im Zuge der Napoleonischen Kriege erlangte Pest schließlich im Handel Mitteleuropas mit dem Balkanraum eine zentrale Bedeutung, was sich auch in der Bevölkerungsentwicklung niederschlug. Um 1830 betrug die Zahl der Einwohner der drei Städte ca. 100.000, mit dem Siedlungsschwerpunkt bereits auf der Pester Seite. Zwischen 1848 und 1873 entwickelte sich Pest-Buda zum wichtigsten Verkehrsknoten, Handelszentrum und Industriestandort Ungarns. Um 1930 erreichte B. die Millionenmarke. Der Verlust des Hinterlandes durch den Friedensvertrag von Trianon 1920 führte zwar zu einer Verlangsamung der Entwicklungsdynamik, allein durch den Zuzug von Flüchtlingen konnte die Stadt auch in der Zwischenkriegszeit einen weiteren Anstieg ihrer Bevölkerungszahl verzeichnen. Im Zweiten Weltkrieg erlitt B. schwere Bevölkerungsverluste. Mit der Eingemeindung der am Stadtrand befindlichen Industriesiedlungen – u. a. „Neu-Pest“ (Újpest) im Norden und „Klein-Pest“ (Kispest) im Süden – wurde B. 1950 zur Zweimillionenmetropole und erreichte 1988 mit rd. 2,1 Mio. Einwohnern seine höchste Bevölkerungszahl. Ab Anfang der 90er Jahre kam es allerdings zu einer Abwanderungsbewegung in das Umland. Erst in jüngster Zeit ist wieder ein langsamer Zuzug in den Kernbereich der Stadt festzustellen, was sich in einer vermehrten Wohnbautätigkeit und der Sanierung bzw. dem Abriss ganzer, z. T. auch historischer Stadtteile niederschlägt.

Buda und Pest waren lange mehrheitlich deutschsprachig. Erst mit der Entstehung eines ungarischsprachigen Bürgertums um 1820 veränderte sich auch die sprachliche Zusammensetzung der Bevölkerung. Nach 1873 wurde die Stadt zum primären Binnenmigrationsziel Transleithaniens: Rumänen, Serben und Slowaken zogen nach B., wurden dort aber relativ rasch sprachlich assimiliert.

Nach dem Zweiten Weltkrieg gelangte in Folge des Bürgerkrieges in Griechenland auch eine starke griechische Minderheit in die Stadt (2001: rd. 1500). Heute ist die überwiegende Mehrheit (90 %) der B.er Bevölkerung ungarischsprachig (Volkszählung 2001). Zu den wichtigsten ansässigen Minderheiten gehören die Roma (rd. 12.000) sowie die deutsche (rd. 7000) und slowakische (rd. 1500) Stadtbevölkerung. In der Regel sind diese gleichmäßig über die einzelnen Bezirke verteilt, allein die Roma zeigen eine gewisse Konzentration in der „Josefstadt“ (Józsefváros). Die vom ungarischen Minderheitengesetz 1993 anerkannten Minderheiten sind auf Bezirks- und kommunaler Ebene in gewählten Selbstverwaltungen organisiert und können über diese ihre Interessen wahrnehmen. Die in jüngster Zeit aus der ehemaligen Sowjetunion (v. a. aus der Ukraine), aus China, Vietnam, aber auch aus Ex-Jugoslawien sich in der Stadt niederlassenden Gruppen werden offiziell nur zögerlich wahrgenommen. Die quantitativ bedeutendste Gruppe kommt aus China, ihre Zahl beträgt nach Schätzungen ca. 20.000, offiziell werden rd. 2000 gezählt (2001).

Die Nennung der religiösen Zugehörigkeit ist im Rahmen der Volkszählung nicht mehr verpflichtend, doch werden in der Regel 45,5 % der Bevölkerung als römisch-katholisch, rd. 16 % als protestantisch, hierin mehrheitlich evangelisch-calvinischen Bekenntnisses (C. B) angeführt. Der Rest verteilt sich auf Orthodoxe, Baptisten, Juden und Konfessionslose. Die jüdische Minderheit umfasst nach Schätzungen ca. 80.000 Menschen (die Volkszählungsdaten 2001 halten allerdings nur 9500 fest) und ist damit die größte Gemeinde Mitteleuropas. Historisch in erster Linie in der inneren „Elisabethstadt“ (Erzsébetváros) und in der Alt- und „Neu-Leopoldstadt“ (Újlipótváros) angesiedelt, bleibt sie jedoch im heutigen Stadtbild weitestgehend unsichtbar.

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Wirtschaft und Verkehr

B. ist das industrielle und wirtschaftliche Zentrum Ungarns. Mehr als 1,2 Mio. Menschen sind im Großraum B. erwerbstätig. Zentren der Schwer- und der Maschinenbauindustrie sind Angyalföld, Kispest und die Donauinsel Csepel im Süden. Die Mehrheit arbeitet im Dienstleistungssektor. Von Bedeutung sind weiterhin noch die pharmazeutischen, chemischen, elektrotechnischen und elektronischen Industrien. Einige multinationale Konzerne haben in B. ihre Forschungs- und Technologiezentren aufgebaut. Als Kur- und Bäderstadt sowie als Kulturzentrum ist B. auch internationales Fremdenverkehrsziel und internationale Kongressstadt.

Verkehrsgeografisch gesehen ist B. eine Drehscheibe des Warenverkehrs und der Warenlagerung für den südosteuropäischen Raum. Die neuen Wachstumszonen dieser Dienstleistungen, ebenso wie die neuen Einkaufszentren befinden sich entlang der Autobahnachsen außerhalb der Stadt. Das ungarische Verkehrswesen ist gänzlich auf die Hauptstadt ausgerichtet, alle wichtigen Eisenbahn- und Straßenverbindungen laufen hier zusammen. Der Eisenbahnpersonenverkehr wird über drei internationale Kopfbahnhöfe und mehrere kleine Durchgangsbahnhöfe abgewickelt. Das rumpfartige Autobahnnetz des Landes hat in B. seinen Dreh- und Angelpunkt. Das Freihafengebiet sowie die städtischen Umschlagsanlagen auf der Csepel-Insel wurden jüngst um ein intermodales logistisches Zentrum für den Fluss-, Schienen-, Straßen- und Flugverkehr erweitert. Der internationale Flughafen befindet sich seit 1950 im Südosten der Stadt, in Ferihegy. Mit seinen drei Terminals zeigt er seit dem Aufkommen der Diskontfluggesellschaften eine starke Steigerung des Fluggastaufkommens. 2004 insgesamt 6,5 Mio. Passagiere, zu 80 % aus und nach Europa.

Der Stadtverkehr wird über eines der ausgedehntesten öffentlichen Verkehrssysteme der Welt abgewickelt. Das Streckennetz der B.er Verkehrsbetriebe beträgt 2283,35 km und verfügt über 35 Straßenbahn-, 212 Autobus- und 14 O-Buslinien. Mit der 1896 erbauten ›Földalatti‹, der heutigen Linie M1 verfügte B. über die erste elektrisch betriebene Untergrundbahnlinie des europäischen Kontinents. Erst ab den 70er Jahren erfolgte der Bau zweier weiterer U-Bahnmagistralen. Eine vierte U-Bahnlinie befindet sich im Bau und soll ab 2008 Südbuda unter Stadtzentrum und Ostbahnhof mit dem Pester Nordosten verbinden. Weitere Linien sollen die Vorortbahnen der ›Helyiérdekű Vasút‹ (HÉV) als regionale Schnellbahnlinien unter der Stadt miteinander verbinden. Weiterhin gibt es noch eine Zahnradbahnlinie auf den Széchenyi-Berg und eine Standseilbahn, ›Sikló‹, auf den Budaer Burgberg. Der Individualverkehr hat sich im letzten Jahrzehnt durch den massiven Anstieg von PKW-Zulassungen mehr als verdoppelt. Die zur Verfügung stehenden und das Stadtbild symbolisierenden sieben Donaustraßenbrücken können den PKW- und LKW-Verkehr kaum bewältigen. Der Ausbau von Tiefgaragen soll das Parkproblem im Innenstadtbereich lösen, wie auch vermehrt verkehrsberuhigte Zonen angelegt werden. Der Ausbau von Radwegen ist in den letzten Jahren ins Stocken gekommen.

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2 Kulturgeschichte

Die deutsche Bezeichnung für ›Buda‹ und ›Óbuda‹ lautet „Ofen“ bzw. „Altofen“ und ›Pest‹ steht im altslawischen für „Ofen“. Die drei Toponyme beziehen sich auf die hier einstmals errichteten Kalköfen. Die aus den Namen der beiden selbständigen Städte Pest und Buda zusammengesetzte Bezeichnung B. wird zwar schon im 16. Jh. erwähnt, amtlich aber erst 1872 vor deren Vereinigung festgelegt. „Pest-Buda“ verweist als historische Bezeichnung auf den Stadtraum vor dem 22.12.1872.

Der Raum B. war bereits in der Altsteinzeit besiedelt, für die Bronzezeit sind Urnenfelder nachgewiesen, ebenso sind skythische (6. Jh. v. Chr.) und keltische (3. Jh. v. Chr.) Siedlungen belegbar. Im 2. Jh. v. Chr. besetzten römische Truppen die Gegend. Neben militärischen Stützpunkten entstanden auch Zivilstädte, so Aquincum im heutigen Stadtteil Óbuda, das um 103 n. Chr. Sitz der Provinz ›Pannonia inferior‹ wurde und bis zu 50.000 Einwohner zählte. Das Gelände ist weiträumig ausgegraben worden und kann heute besichtigt werden.

Nach dem Untergang des Weströmischen Reiches fiel die Siedlung an die Hunnen. Mit dem Zerfall des Hunnenreiches (453) erschienen Ostgoten und Langobarden und schließlich die Awaren, die im Ungarischen Tiefland (Kleine Ungarische Tiefebene) ihr Reich errichteten. 796 unterlag es Karl d. Gr., und das Territorium westlich der Donau wurde Grenzmark des Frankenreiches. Die ersten ungarischen Stämme unter Arpad erreichten den Großraum B. Ende des 9. Jh. Als Datum der Landnahme und damit als Beginn der Staatsgeschichte Ungarns gilt heute 896. Nach der Krönung Stephan (István) I. (1000) wurden die Städte
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Esztergom und Székesfehérvár zu Residenzen ausgebaut, Buda und Pest gewannen erst im Laufe des 12. Jh. an politischer Bedeutung. 1241/42 zerstörten die Mongolen beide Städte. Nach deren Abzug wurde Buda 1247 unter Béla IV. befestigt und erhielt 1255 das Markt- und Zollrecht. Nach dem Aussterben der Arpaden 1301 und mit den Anjous und Luxemburgern entstand ab den 1330er Jahren auf dem Budaer Burgberg eine königliche Residenz. Buda wurde zur größten Stadt des Landes. Unter Matthias I. Corvinus (1458–90) entwickelte sie sich zu einem Zentrum der Renaissancekultur.

Nach der Schlacht von Mohács 1526 und der sich in der Folge herausbildenden Teilung Ungarns wurde das Land zum Schauplatz des Krieges zwischen Habsburgern und Osmanen. 1541 fielen Buda und Pest an die Osmanen. Es entstanden neue Befestigungswerke und z. T. bis heute erhaltene prachtvolle Bäder. 1686 wurden Pest, Buda und Óbuda von Karl V. von Lothringen (1643–90) zurückerobert. Auf der 1687 einberufenen Ständeversammlung wurde den Habsburgern das ungarische Thronfolgerecht zugesprochen, Ungarn im Frieden von Karlowitz (1699) dem Habsburgerreich eingegliedert. Zahlreiche Siedler aus dem deutschsprachigen Raum ließen sich im Raum Buda nieder. Sowohl die Erhebungen unter Ferenc II. Rákóczi (1676–1735) als auch die Widerstands- und Unabhängigkeitsbewegungen im Zusammenhang mit der Französischen Revolution wurden von den Habsburgern niedergeschlagen. Im Zuge der Reformpolitik unter István Széchenyi (1791–1860) entfaltete sich auch in den Städten Buda und Pest eine neue, in erster Linie vom Bürgertum getragene, urbane Kultur. 1848 wurde Pest-Buda zum Zentrum der bürgerlichen Revolution und Nationalbewegung. Die sog. Aprilgesetze, in denen Habsburg Ungarn weitgehende Freiheitsrechte zugestand, hielten u. a. fest, dass die ungarische Nationalversammlung jährlich hier zu tagen hat und bestimmten die Stadt zum Regierungssitz. In der Folge hielt die Revolutionsregierung unter Lajos Kossuth (1802–94) ihre Sitzungen in Pest ab. Militärisch gingen Buda und Pest für die Revolution schnell verloren, Hauptschauplätze des „Unabhängigkeits- und Freiheitskrieges“ 1848/49 waren Siebenbürgen, das Oberland (Oberungarn, die heutige Slowakei) und die Tiefebene. Nur mit Hilfe russischer Truppen gelang es den Habsburgern, die Revolution niederzuschlagen.

Nach wenigen Jahren neoabsolutistischer Herrschaft kam es 1867 über die Vermittlung Ferenc Deáks (1803–67) zum Ausgleich zwischen Ungarn und dem Herrscherhaus, der zur Errichtung der Österreichisch-Ungarischen Doppelmonarchie führte. 1872 wurden Buda, Pest und Óbuda vereinigt und als B. Hauptstadt des Königreichs Ungarn, somit zweites Zentrum der Österreichisch-Ungarischen Monarchie und administrative Schaltstelle der transleithanischen Reichshälfte. In den Jahren zwischen 1873 und 1896, dem Millennium der ungarischen Landnahme, wurde B. durch gezielte und großzügig geplante städtebauliche Maßnahmen zu einer europäischen Metropole.

Nach der Niederlage im Ersten Weltkrieg verlor Ungarn im Friedensvertrag von Trianon zwei Drittel seines Territoriums, B. blieb aber das Zentrum des Landes. Im Anschluss an den Versuch der Errichtung einer parlamentarischen Demokratie und der rd. 100 Tage währenden blutigen Episode der Räterepublik 1919 gelangte ein rechtsautoritäres Regime an die Macht, das alle demokratischen und liberalen Bestrebungen, die sich insbesondere in B. entfaltet hatten, brutal verfolgte. Eine blinde Revisionspolitik für den Wiederanschluss der nach 1918 verloren gegangenen Territorien trieb die autoritäre Diktatur unter Miklós Horthy (1868–1957) schließlich an die Seite NS-Deutschlands. Als Reaktion auf zaghafte Versuche Horthys aus der Allianz auszuscheiden, wurde Ungarn am 19.3.1944 von deutschen Truppen besetzt. Noch im Frühjahr 1944 wurde mit der Deportation der jüdischen Bevölkerung Ungarns in die Vernichtungslager begonnen, wobei die B.er Verfolgten vorerst in eigens eingerichtete Gettos gepfercht wurden. Als am 15.10.1944 Horthy erneut aus dem Bündnis auszubrechen versuchte, übernahmen unter Druck der deutschen Besatzung die sog. Pfeilkreuzler (Nyilasok) unter Ferenc Szálasi (1897–1946) die Macht. In der Folge kam es in B. zu einer antisemitischen Terrorwelle, der Tausende zum Opfer fielen. Im Dezember 1944 kreisten schließlich sowjetische Truppen B. ein. Wehrmacht und SS verschanzten sich in der Budaer Burg, es kam zu schweren Gefechten und Straßenkämpfen und nach großflächiger Zerstörung B.s, u. a. der Sprengung aller Donaubrücken, am 13.2. zur Kapitulation der deutschen Truppen.

Bis 1949 herrschte in Ungarn wie auch in B. eine Mehrparteiendemokratie. Nur langsam und durch Einschüchterung und Verfolgung der politischen Gegner gelang der Kommunistischen Partei (KP) die Machtübernahme. Am 20.8.1949 wurde Ungarn zu einer Volksrepublik mit B. als Hauptstadt proklamiert. Ausgelöst durch den stalinistischen Terror und einer zu Lasten der Versorgung gehenden Verstaatlichung und Industrialisierung des Landes kam es am 23.10.1956 zu einem bewaffneten Volksaufstand gegen die reformunwillige Regierung, der zu einem vorübergehenden Abzug der Roten Armee, jedoch bereits am 4.11. zum neuerlichen Einmarsch der Sowjets führte. Als Zentrum der Kämpfe und des Widerstands erlitt B. schwerste Zerstörungen. Das Land zählte 2500 Tote; über 200.000 Menschen emigrierten in den Westen.

Unter Parteichef János Kádár (1912–89) wurden in B. einige große städtebauliche Programme umgesetzt. Die Altstadt und Residenz von Buda wurden rekonstruiert, das Verkehrswesen und die Infrastruktur z. T. modernisiert. Gleichzeitig verfielen aber ganze Stadtquartiere auf der Pester Seite. Die vorsichtige Öffnung des Landes in Richtung Westen ab Anfang der 80er Jahre wird auch durch den Aufbau mehrerer Großhotels symbolisiert.

Im Laufe der 1980er Jahre entstand in erster Linie in B. eine demokratische Opposition, die sich v. a. über ihre Samisdat-Veröffentlichungen publizistisch bemerkbar machte und zuerst eine Reform des „Gulaschkommunismus“, dann eine Abkehr vom KP-Einparteiensystem forderte. 1989/90 gelang schließlich auf dem Verhandlungsweg der Übergang zu einem demokratischen und marktwirtschaftlichen System. Im März/April 1990 kam es zu landesweiten freien Wahlen, im Herbst 1990 zu Kommunalwahlen, bei denen der ehemalige Oppositionelle, Gábor Demszky (*1952) zum Oberbürgermeister gewählt wurde.

Das Gesetz über die kommunalen Selbstverwaltungen 1990 schaffte starke Bezirksräte und einen schwachen B.er Stadtrat. Diese Konstellation behinderte in der Folge eine gleichmäßige Entwicklung der ganzen Stadt, weil die Interessen der einzelnen Bezirke zu stark im Vordergrund standen. Anfang der 90er Jahre führte die Umstrukturierung der Stadtökonomie zu wachsender Arbeitslosigkeit und Inflation: Die ehemaligen B.er Industriezonen im Süden und Norden Pests verödeten. Gleichzeitig flossen Investitionen im Rahmen der Privatisierungen nach Ungarn, in erster Linie nach B., was in der Stadt selbst, aber auch in der Agglomeration zur Schaffung neuer Betriebe und Handelszentren und in der Folge zu einem neuerlichen Aufschwung und Wachstumsschub führte. Die Stadt wird heute von einem Stadtparlament (Közgyűlés) regiert, das alle vier Jahre – neben Bezirksparlament, Bezirksbürgermeister, Oberbürgermeister und Minderheitenselbstverwaltung – direkt gewählt wird. Die topographische und historische Teilung der Stadt schlägt sich auch in der Politik nieder: Während die Pester Stadtteile Hochburgen der linken und liberalen Parteien sind, ist Buda eher konservativ.

B.s Bedeutung als Wissenschaftszentrum repräsentiert zum einen die 1825 gegründete „Ungarische Akademie der Wissenschaften“, zum anderen ein System vielfältiger Bildungs- und Forschungseinrichtungen. Die erste 1635 in Nagyszombat (heute slowak. Trnava) gegründete Universität, wurde 1777 nach Buda, 1784 nach Pest verlegt. Sie bildet den Kern der heutigen ELTE, der nach dem Physiker Lóránd Eötvös (1848–1919) benannten Universität (Eötvös Lóránd Tudomány Egyetem), die über geistes-, natur- und rechtswissenschaftliche Fakultäten verfügt. Die Medizinische Universität ›Ignác Semmelweis‹, die Technische Universität sowie die ehemals nach Karl Marx benannte B.er Wirtschaftsuniversität, die heutige „Corvinus Universität“, sind die wichtigsten akademischen Ausbildungsstätten der Stadt. Mehrere außeruniversitäre Einrichtungen, so das „Zentrale Forschungsinstitut für Physik“ (Központi Fizikai Kutató Intézet) und das 1992 eingerichtete ›Collegium B.‹, verfügen über das EU-Prädikat ›Centre of excellence‹. Im Zuge der politischen Veränderungen wurde 1989/91 die ›Central European University‹ (CEU) mit dem Schwerpunkt auf Geistes-, Sozial- und Kulturwissenschaften als erste Privatuniversität des Landes gegründet. 2002 wurde schließlich mit der „Andrássy Universität“ eine von Österreich, der Schweiz, Bayern und Baden-Württemberg geförderte, deutschsprachige Universität mit den Fächern ›Internationale Beziehungen‹, ›Vergleichende Staats- und Rechtswissenschaften‹ und ›Mitteleuropäische Studien‹ eröffnet.

B. ist als moderne europäische Metropole im Wesentlichen durch eine gezielte, staatlich geförderte Stadtplanung und -entwicklung ab der Mitte
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des 19. Jh. entstanden, die der Stadt auch architektonisch ihren Stempel aufgedrückt hat und sie zu einem einzigartigen Kulturdenkmal des Historismus macht. Die wichtigsten öffentlichen Einrichtungen der Stadt, die erstrangigen touristischen Ziele wie Parlament, „Heldenplatz“ (Hősök tére), die bedeutendsten Museen, die Donaubrücken ebenso wie die im neogotischen Stil erbaute „Fischerbastei“ (Halászbástya) auf dem Burgberg sind in dieser Epoche entstanden.

Das gesamte Burgviertel und B.s Prachtstraße, ›Andrássy-út‹, im Stadtteil Pest, gehören seit 2002 zum UNESCO-Weltkulturerbe. Ab Anfang des 20. Jh. wurde die Stadt v. a. vom Jugendstil und dessen ungarischer, durch Ödön Lechner (1845–1914) repräsentierten Variante, geprägt. Im Zuge von Sanierungsmaßnahmen in den 1930er Jahren entstanden die im Bauhaus-Stil errichteten Stadtviertel „Neu-Leopoldstadt“ und Lágymányos. Auch die sozialistische Ära brachte bedeutende Neubauten hervor – u. a. einige Ministerien, die wiederaufgebaute „Elisabethbrücke“ (Erzsébet híd) und den Südbahnhof. Experimente der neueren ungarischen Architektur nach 1990 – sei es die organische (Imre Makovecz, *1935) bzw. die dekonstruktivistische Richtung – sind in B. nur vereinzelt anzufinden, oft in politisch motivierten Prestigebauten. Erst in jüngster Zeit scheint sich wieder – in erster Linie durch die Bautätigkeit ausländischer Konzerne, aber auch nicht zuletzt dank wachsenden Wohnungsbaus – eine neue architektonische Formensprache zu entwickeln.

Die wichtigsten Theaterbauten B.s sind fast alle vor dem Ersten Weltkrieg entstanden, zu den bedeutendsten gehörten das durch Fellner & Hellmer 1875 errichtete ehemalige Volks-, dann Nationaltheater (Népszínház, Nemzeti Színház), das 1965 dem U-Bahnbau weichen musste, das „Lustspieltheater“ (Vígszínház, 1896, Fellner & Hellmer), sowie das 1911 erbaute „Erkel-Theater“. Trotz des – architektonisch wie politisch umstrittenen – Neubaus des Nationaltheaters (Nemzeti Színház) an der Donau (2002), ist die nach Plänen von Miklós Ybl 1884 erbaute Staatsoper (Állami Opéraház) bis heute der bedeutendste Theaterbau der Stadt. Das B.er Theaterleben wird gegenwärtig von ca. 40 Ensembles bestimmt, die von Avantgardetheater bis Operette und Musical alles bieten. Nach den bis in die 1980er Jahre währenden Erfolgen der großen Häuser liegt Innovationskraft und Erneuerungsfähigkeit in jüngster Zeit vermehrt in den Produktionen der Kleinbühnen. Im Bereich der ernsten Musik sind weit über Ungarn hinaus das ›Hungarian National Philharmonic Orchestra‹ (Nemzeti Filharmonikus Zenekar), das „B.er Festivalorchester“ (B. Fesztiválzenekar) und das „Madrigalensemble“ (B.i Madrigál Kórus) bekannt. Das „B.er Frühlingsfestival“ (B.i Tavaszi Fesztivál), und das ›Budafest‹ gehören zu den bedeutendsten Kulturereignissen des Landes.

Mit der Entwicklung B.s zu einer Weltstadt wurde die Stadt auch zu einer Metropole der Bildenden Kunst. Historienmalereien, Fresken und Denkmäler dienten vorerst der Entwicklung einer eigenen nationalen Strömung in der Kunst. Mit Anfang des 20. Jh. begann sich auch eine künstlerische Avantgarde herauszubilden, die sich aber nach 1918 wegen der politischen Entwicklung in Ungarn zum größten Teil nur im Exil entfalten konnte. Auch nach 1945 blieb sie verpönt. Noch in den 60er und 70er Jahren wurden Ausstellungen, die internationalen Strömungen verbunden waren, geschlossen oder gar nicht erst zugelassen. Heute ist die B.er Kunstszene weniger durch Privatgalerien oder dem Kunsthandel, sondern vielmehr durch aus der Zeit der Diktatur stammende Organisationsformen (freie Künstlervereinigungen und Eigeninitiativen) und deren unkonventionelle Auftrittsorte geprägt.

Von den insgesamt 100 Museen der Stadt sind das „Nationalmuseum“ (Magyar Nemzeti Múzeum), die „Nationalgalerie“ (Magyar Nemzeti Galéria), das „Museum der Bildenden Künste“ (Szépművészeti Múzeum), die „Kunsthalle“ (Műcsarnok), das 2004 erweiterte „Naturwissenschaftliche Museum“ (Magyar Természettudományi Múzeum) sowie das „Ethnographische Museum“ (Néprajzi Múzeum) die bedeutendsten. Neugründungen der letzten Jahre sind das sich mit der Zeitgeschichte der Stadt und des Landes beschäftigende „Haus des Terrors“ (Terror Háza), der „Statuenpark“ (Szoborpark) und das „Holocaustmuseum“. Der „Palast der Künste“ (Művészetek Palotája) mit der „Nationalen Konzerthalle“ (Nemzeti Hangversenyterem), dem Festivaltheater (Fesztivál Színház) und dem dorthin übersiedelten Ludwig-Museum am Pester Donauufer unmittelbar neben dem neuen Nationaltheater wurde 2005 eingeweiht.

B. ist auch eng mit der Entstehung urbaner Populär- und Massenkulturen verbunden: so dem Kaffeehaus, Korsos, intellektuellen Zirkeln, bürgerlichen Salons, dem politischen Kabarett und der Boulevardkunst. Die meisten städtischen Phänomene, wie neuartige Nutzungen öffentlicher Räume, Kriminalität und Prostitution, Kontrolle und Überwachung sowie Hygienisierung von Stadtbereichen sind – von einigen regionalen Besonderheiten abgesehen – den europäischen Hauptströmungen vergleichbar. Im Zuge dieser Entwicklungen wird auch die ungarische Sprache vermehrt vom B.er Großstadtslang beeinflusst. Die wichtigsten landesweiten Tageszeitungen, u. a. ›Népszabadság‹ („Volksfreiheit“) und ›Magyar Nemzet‹ („Ungarische Nation“), Boulevardzeitungen und Wochenmagazine haben ihre Redaktionen in der Stadt. Neben dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk und Fernsehen und dem ebenfalls öffentlich-rechtlich organisierten Sender ›Duna TV‹, ein Satellitenprogramm für Auslandsungarn, haben in B. auch die beiden wichtigsten kommerziellen Fernsehanstalten, ›TV2‹ und ›RTL Klub‹, ihren Sitz. ›Rádió Tilos‹ und ›Civil Rádió‹ verstehen sich als Sprecher sozialer Minderheiten. ›Radio C‹, das sich seit 2001 auf Sendung befindet, ist ein kommerzielles, aber engagiertes Medium der B.er Roma-Minderheit, fühlt sich aber auch dem interkulturellen Dialog verpflichtet. In den verfallenen Hinterhöfen der Innenstadt entsteht seit jüngstem eine eigene Avantgarde- und Subkultur, die zunehmend auch vom Tourismus entdeckt wird. Mit dem alljährlich stattfindenden einwöchigem ›Sziget-Festival‹ im August verfügt die ungarische Jugendszene über ein Spektakel, das auf ganz Mitteleuropa ausstrahlt.

B. ist auch das Sportzentrum des Landes und mit seinen Traditionsvereinen MTK (›Magyar Testgyakorlók Köre‹, „Kreis der ungarischen Leibeserzieher“), FTC (›Ferencvarosi Torna Club‹) und UTE (›Újpesti Tornaegylet‹) ein Spiegelbild der kulturellen Bedeutung des Sports für alle gesellschaftlichen Schichten. Wassersport, Reiten, Fussball, Fechten und Fünfkampf sind die Sportarten mit traditionell hohem Prestige. Mit dem Ferenc-Puskás-Stadion, dem ehemaligen, 1953 erbauten „Volksstadion“ (›Népstadion‹) und dem 2002 eingeweihten László-Papp-Hallenstadion, der ›Sportárena‹, verfügt B. über für internationale Wettbewerbe geeignete Einrichtungen.

Bender T., Schorske Carl E. (Hg.) 1988: Budapest and New York. Studies in metropolitan transformation: 1870–1930. New York. Gyáni G. 2002: Parlor and kitchen. Housing and domestic culture in Budapest, 1870–1940. Budapest. Haber P. (Hg.) 1999: Jüdisches Städtebild: Budapest. Frankfurt. Hanák P. 1992: Der Garten und die Werkstatt. Ein kulturgeschichtlicher Vergleich Wien und Budapest. Wien. Melinz G., Zimmermann S. (Hg.) 1996: Wien, Prag, Budapest. Blütezeit der Habsburgermetropolen: Urbanisierung, Kommunalpolitik, gesellschaftliche Konflikte (1867–1918). Wien.

(Béla Rásky)

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