EU (Heranführungsstrategie)

Heranführungsstrategie (für die Erweiterung der Europäischen Union)

Im Dezember 1994 bestimmte der ›Europäische Rat‹ die H. als Aktionsrahmen zur Vorbereitung der Länder Mittel- und Osteuropas auf die Mitgliedschaft in der EU. Es handelt sich dabei um ein komplexes Geflecht sich gegenseitig ergänzender politischer, rechtlicher und finanzieller Instrumente, die den betreffenden Ländern helfen sollen, ihre Gesetzgebung bereits vor dem Beitritt so weit wie möglich dem Rechtsbestand der EU (Acquis communautaire) anzugleichen. Auf der Grundlage der „Agenda 2000“ der Kommission beschloss der Europäische Rat Ende 1997 eine intensivierte H. für die beitrittswilligen Länder Mittel- und Osteuropas sowie eine besondere Strategie für Malta. 1998 und 1999 folgten besondere H. für Zypern und die Türkei.

Die H. für die mittel- und osteuropäischen Länder (MOEL) stützt sich auf vier Instrumente:

Die Europa-Abkommen (1), die von der Gemeinschaft und ihren Mitgliedstaaten in den 90er Jahren mit den MOEL abgeschlossen wurden, bilden die rechtliche Grundlage für die bilateralen Beziehungen der EU mit diesen Ländern. Sie etablieren einen politischen Dialog, schaffen schrittweise eine asymmetrische (d. h. die MOEL einseitig begünstigende) Freihandelszone, regeln die Zusammenarbeit zwischen den Vertragspartnern in zahlreichen Kooperationsbereichen und sehen eine progressive Anpassung nationaler Rechtsvorschriften an die einschlägigen Gemeinschaftsbestimmungen vor.

Die Beitrittspartnerschaften (2), die vom Rat autonom festgelegt werden, ergänzen die Europa-Abkommen und sind der zentrale Pfeiler der intensivierten H. Sie beinhalten die Prioritäten für jeden Beitrittswerber bei dessen Vorbereitung auf die EU-Mitgliedschaft und zielen auf die vollständige Umsetzung des ›Acquis‹. Alle beitrittswilligen Länder haben in der Folge „Nationale Programme zur Übernahme des ›Acquis’‹ aufgestellt, die einen ausführlichen Plan zur Umsetzung der in den Beitrittspartnerschaften dargelegten Prioritäten enthalten.

Die Vorbeitrittshilfe (3) wiederum dient der finanziellen Unterstützung der MOEL bei ihren Vorbereitungen auf die EU-Mitgliedschaft. Am bedeutsamsten ist hier das PHARE-Programm der Gemeinschaft, dessen Mittel insbesondere für den Aufbau von Institutionen (demokratische Einrichtungen, öffentliche Verwaltungen, Justizwesen usw.) und die Förderung von Investitionen (v. a. im Zusammenhang mit der Anpassung an Gemeinschaftsnormen, aber auch im Bereich der wirtschaftlichen und sozialen Kohäsion) verwendet werden. Im Rahmen der Hilfe für den institutionellen Aufbau werden besondere Partnerschaftsprojekte finanziert, die eine laufende Begleitung durch EU-Experten (= H.) vorsehen. Weitere Finanzierungsprogramme bestehen für die Bereiche Umwelt und Verkehr (ISPA) sowie Landwirtschaft und ländliche Entwicklung (SAPARD).

Die Öffnung der Europäischen Gemeinschaftsprogramme (4) gilt schließlich als vierter Eckpfeiler der H. Sie ermöglicht den Kandidatenländern die Teilnahme an den verschiedenen von der Gemeinschaft unterstützten EU-weiten Förderungsprogrammen, z. B. in den Bereichen Bildung, Jugend, Forschung, Kultur, Energie und Umwelt.

Die Instrumente der H. stehen allen Beitrittskandidaten unter den gleichen Bedingungen zur Verfügung, die Beitrittsverhandlungen selbst werden jedoch individuell geführt. Nach dem Prinzip der Differenzierung wird jedes Land nach seinen eigenen Leistungen beurteilt, wobei die Kommission dem EU-Rat regelmäßige Berichte zu den Fortschritten vorlegt, die von jedem Land im Rahmen der H. erzielt wurden. In ihren Fortschrittsberichten vom Oktober 2002 empfahl die Kommission den Abschluss der Verhandlungen mit Estland, Lettland, Litauen, Malta, Polen, Slowakei, Slowenien, Tschechien, Ungarn und Zypern. Die Unterzeichnung des Erweiterungsvertrages mit diesen Ländern erfolgte in Athen am 16.4.2003, als endgültiger Beitrittstermin ist der 1.5.2004 vorgesehen. Die H. behält ihre Relevanz über diesen Termin hinaus für Bulgarien und Rumänien, deren Beitritt für das Jahr 2007 ins Auge gefasst ist. Zudem bleibt die besondere H. für die Türkei weiterhin in Geltung.

Cremona M. (Hg.) 2003: Enlargement of the European Union. Oxford. (=Collected Courses of the Academy of European Law XII). Europäische Kommission (Hg.) 2002: Die EU-Erweiterung: Eine historische Gelegenheit. Brüssel. Inglis K. 2002: The Pre-Accession Strategy and the Accession Partnerships. Ott A., Inglis K. (Hg.) 2002: Handbook on European Enlargement. A Commentary on the Enlargement Process. The Hague, 103–112.

(Christian Pippan)

Anfang
Views
bmu:kk