Düna (Fluss)

Düna (lett./litau. hist. Daugava, poln. hist. Dźwina, russ. Zapadnaja Dvina, weißruss. Zachodnjaja Dzvina)

Inhaltsverzeichnis

1 Geographie

Die D. entspringt in den russischen Waldaihöhen (Valdajskja vozvyšennostʹ), fließt durch das nordwestliche Russland, das nördliche Weißrussland und Lettland und mündet hinter Riga in die Ostsee. Sie durchquert dabei das russische Gebiet Tverʹ vorbei an den Städten Andreapolʹ und Zapadnaja Dvina, bildet hinter Zapadnaja Dvina bis hinter Kresty die Grenze zwischen den Gebieten Pskov und Tverʹ und durchfließt den äußersten Nordwesten des Gebietes Smolensk mit der Stadt Veliž. In Weißrussland berührt sie die Städte Suraž, Ruba, Vicebsk, Šumilina, Polack, Navapolack, Dzisna, Verchnjadzʹvinsk und Druja. Westlich und östlich von Druja bildet die D. die Staatsgrenze zwischen Weißrussland und Lettland, fließt über nach Lettland und dort entlang der Städte Krāslava, Daugavpils, Līvāni, Jēkabpils, Pļaviņas, Aizkraukle, Jaunjelgava, Lielvārde, Ogre, Salaspils und Riga. Die wichtigsten Zuflüsse sind Toropa, Mëža, Usvjača, Obalʹ, Dzisna, Drysa, Dubna und Aiviekste. Ihre Länge von der Quelle bis zur Mündung beträgt 1020 km. Ihr mittlerer Wasserabfluss an der Mündung beträgt 678 m³/s. Die Fläche des Flussbettes bedeckt 87.900 km².

In der D. leben rd. 50 verschiedene Fischarten. Die D. ist zum größten Teil schiffbar und leidet in Folge dessen, aber auch wegen zahlreicher industrieller Einleitungen und Ablagerungen (v. a. Schwermetalle) unter einer beträchtlichen Verschmutzung, die zu einer starken Konzentration von Algen geführt hat. Gleichzeitig ist die D. die wichtigste Trinkwasserressource der Stadt Riga und unterliegt seit einigen Jahren strengen Kontrollen.

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2 Kulturgeschichte

Die D. wurde bereits lange vor dem Auftauchen der Kreuzritter und Händler im 13. Jh. als Handelsstraße genutzt. In den nordischen Sagas des 5. Jh. taucht sie als Hauptroute auf dem Weg von Gotland in die Rus und nach Byzanz, als „Weg von den Warägern zu den Griechen“, auf. Dass sie früh besiedelt war, bezeugen sowohl auf dem rechten D.ufer gefundene römische Münzen aus dem 1.-4. Jh. n. Chr. als auch archäologische Funde in Vecpils (bei Naujiene). In vorgeschichtlicher Zeit siedelten an ihrem Unterlauf ostseefinnische und baltische, an ihrem Oberlauf ostslawische Stämme. Die Funktion als Handelsstraße blieb in den folgenden Jahrhunderten erhalten. Sie führte durch das ostslawische Fürstentum Polack und die Gebiete der Livländischen Konföderation. Das erste größere Handelszentrum war die für das Jahr 864 in der Nestorchronik erwähnte Stadt Polack, die bis ins 14. Jh. Hauptstadt des gleichnamigen Fürstentums war. Seit dem 13. Jh. gehörte die Stadt der Hanse an. Im 14. Jh. wurde das Fürstentum dem Großfürstentum Litauen angegliedert.

Mit dem Auftauchen der Kreuzritter und Händler entstanden die ersten Burgen und Städte am Unterlauf der D. Von ihnen war Riga (gegr. 1201) als Bischofssitz und größte Handelsstadt am bedeutendsten. Zu Beginn des 16. Jh. war es eines der Zentren der Reformation in Nordosteuropa. Am Mittellauf der D. entstand im 13. Jh. Dünaburg (heute Daugavpils). Nachdem der Livländische Krieg (1558–83) zwischen Polen, Litauen, Schweden und Moskau, der v. a. ein Krieg um die Handelsinteressen an D. und Ostsee war, den gesamten Fluss zwischen 1582 und 1629 unter die Herrschaft Polen-Litauens gebracht hatte, erhielt Dünaburg 1582 vom König Magdeburger Stadtrecht und wurde wie Riga eine autonome Handelsstadt. Nach dem polnisch-schwedischen Waffenstillstand zu Altmark (1629) kam Livland unter schwedische Herrschaft. Die D. wurde zum Grenzfluss zwischen den beiden mächtigsten Reichen des europäischen Nordostens. 1721 trat Schweden Livland als Russland ab; die D. trennte nun Russland von Polen-Litauen. Mit den Teilungen Polen-Litauens (1772, 1793, 1795) wurde der gesamte Flusslauf Teil des Russischen Kaiserreiches.

Während Napoleons Russlandfeldzug (1812) brannten französische Truppen Dünaburg nieder. Bedingt durch ungünstige klimatische Bedingungen („kleine Eiszeit“) und die ständige Kriegsführung ging der Handel zwischen dem 16. und 18. Jh. stark zurück. Eine gewisse Erholung zeichnete sich, auch aufgrund wirtschaftspolitischer Maßnahmen (Freihandel), in der zweiten Hälfte des 18. Jh. ab.

Im Ersten Weltkrieg bildeten Teile der D. für drei Jahre (1914–17) einen Abschnitt der Ostfront, die die Armeen Russlands, der Habsburgermonarchie und des Deutschen Reiches voneinander schied. Litauen und Kurland waren in deutscher Hand; Livland, Lettgallen und der Oberlauf der D. blieben russisch, bis Riga am 3.9.1917 von den deutschen Truppen erobert wurde. In der Zwischenkriegszeit gehörte der Unterlauf der D. zu Lettland, der Oberlauf zur Sowjetunion. 1940–41 wurde die D. von Sowjettruppen, 1941–44 von deutschen Truppen kontrolliert, und ab 1944 zwischen der lettischen, weißrussischen und russischen Sowjetrepublik geteilt.

Die Industrialisierung des 19. und 20. Jh. veränderte das Gesicht des Flusses. In den 1840er Jahren begannen die ersten Eindeichungen. Fabriken entstanden, die die Wasserqualität mehr und mehr beeinträchtigten. Die in den 1860er Jahren gebaute Eisenbahn veränderte den Flusshandel nachhaltig. Das erste Wasserkraftwerk wurde ab 1938 in Ķegums errichtet, zwei weitere folgten in den 1960er bis 1980er Jahren. In der lettischen Literatur gilt die D. seit dem 19. Jh. als „Schicksalsfluss“ und „Mutter der Flüsse“, die den Gang der Volksgeschichte beeinflusst hat. Der Geschichte der D. ist in Salaspils ein eigenes Museum, das Düna-Museum (lett. Daugavas muzejs), gewidmet.

Sapunov A. 1893: Reka Zapadnaja Dvina. Istoriko-geografičeskij obzor. Vitebsk. Löwis of Menar K. v. 1910: Die Düna. Von der Ogermündung bis Riga und der Badeort Baldohn. Ein topographisch-historischer Führer. Riga (Reprint Hannover 1979). Zilgalvis J. 1998: Daugavas muižas. 18. gs.–20. gs. sākums. Rīga.

(Ralph Tuchtenhagen)

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