Samo
Samo (Reich des S.)
Die lose Konföderation slawischer Stämme, die um das Jahr 626 entstand, trägt den Namen des fränkischen (?) Kaufmanns S., der wegen seiner entscheidenden Beteiligung an einer siegreichen Schlacht einiger slawischer Stämme gegen die Awaren von jenen – vermutlich als Kompromisskandidat – zum ›rex‹ gewählt wurde. Nach dem Tode S. ca. 660 zerfiel diese Konföderation wieder.
Die Nachrichten über S.s „Reich“ sind ausgesprochen arm, lediglich die Chronik des sog. Fredegar sowie von ihr abgeleitete Quellen berichten darüber. Demnach handelt es sich bei S. um einen Händler ›de pago Senonago‹, was als Sens an der Yonne oder Soignies im Hennegau gedeutet wird. Unter seiner Führung vereinigten sich einige Stämme (zwölf, nach der Anzahl seiner Frauen?) zur Abwehr weiterer awarischer, aber auch fränkischer Angriffe. Als König Dagobert I. einen slawischen Überfall auf fränkische Kaufleute zum Anlass nahm, von S. das ›servitium‹ zu fordern, kam es zu Spannungen, die sich 631/32 in einem Feldzug Dagoberts entluden. Er stieß mit austrasischen, langobardischen und alemannischen Truppen in S.s Herrschaftsgebiet vor; der Feldzug endete mit der Niederlage der austrasischen Truppen vor ›Wogastisburc‹. Es ist das einzige Toponym, das im Zusammenhang mit S.s Reich bekannt ist – unbekannt jedoch bleibt, wo es zu lokalisieren ist. Aller Wahrscheinlichkeit nach ist diese Festung in Nordböhmen zu suchen, wobei Rubín u Podbořan vorgeschlagen wird. Aber auch andere Lokalisierungen sind im Gespräch, wie etwa Staffelberg bei Staffelstein in der Oberpfalz oder Burk bei Forchheim.
Genauso unklar wie die Lage ›Wogastisburcs‹ ist der territoriale Umfang und der Kern von S.s Herrschaftsgebiet. Die Böhmen und später die Sorben unter ihrem Fürsten Dervan gehörten ohne Zweifel dazu, auch Mähren und zuweilen Karantanien werden dazugezählt. Als Kern kommen in Frage Böhmen und die Oberpfalz, während die Vermutung, dass das spätere (groß-)mährische Zentrum um Uherské Hradiště und Mikulčice der Mittelpunkt von S.s Reich war, archäologisch nicht nachgewiesen werden konnte.
Unter dem Schirm der Herrschaft S.s konnten sich die im Zuge der Krise des Awarenreiches bildenden neuen slawischen ›gentes‹ konsolidieren, was das wesentliche Ergebnis der kurzen Existenzperiode des Reiches S.s gewesen sein dürfte. Alle anderen Versuche, ihm eine weitere Bedeutung zu verleihen, indem man es mit dem Großmährischen Reich oder der Dynastie der Mojmiriden in Verbindung bringt, sind unhaltbar. Gleichwohl gelangte das Reich S.s auf diese Weise in die Geschichtstradition der modernen Slowakei, wo es auch heute noch einen Platz einnimmt.
Eggers M. 2001: Samo – „Der erste König der Slawen“. Eine kritische Forschungsübersicht. Bohemia Zeitschrift für Geschichte und Kultur der böhmischen Länder 42, 62–83. Pohl W. 1995: Samo. Angerman N. (Hg.): Lexikon des Mittelalters 7. München, 1342f.