Puszta
Puszta (ungar.)
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1 Begriff
Der Begriff P. enthält verschiedene ökologische und kulturökologische Aspekte. Er leitet sich aus dem Slawischen ab und bedeutet „Leere“, „Öde“ und „Heide“. Diese Sprachbilder korrelieren eng mit der Gleichsetzung von P. und Steppe, für die Heide- und Sandflächen, Grasfluren und Weidelandschaften charakteristisch sind.
Spätestens ab Mitte des vergangenen Jh. wurde außerhalb der Ungarischen Tiefebene (Alföld) der Begriff P. synonym für einen diesem Gebiet zugeschriebenen eigenen Klima-, Vegetations-, Landschaftstyp sowie Lebensform gebraucht.
Die kulturökologisch suggerierte Verbindung zur eurasischen/asischen Landschaftsform der Steppe scheint vordergründig auch gerechtfertigt: Bestimmte in der P. anzutreffende Pflanzen können mit Pflanzenprovinzen der südrussischen Steppe in Verbindung gebracht werden ebenso wie die Herkunft der Ungarn (Madjaren).
Der Bezug auf diese Landschaft, für die Weidewirtschaft und Halbnomadismus typisch sind, hat allerdings auch zu einem nur bedingt zutreffenden Bild der P. geführt, das von halbwilden Hirten beherrscht war, die viele Tausende von Pferden, Rindern, Schafen und Schweinen hüteten und bis heute das touristisch geprägte Image der P. prägt.
Der ökologische Begriff P. hingegen ist eng an zu beobachtende Versalzungsprozesse des Bodens gekoppelt und von daher nicht auf die ganze Ungarische Tiefebene mit ihren weitreichenden Aue- und Schwarzerdeböden anzuwenden.
Die ökologische Differenzierung in trockene und feuchte Gebiete ermöglicht die Wahrnehmung verschiedener ökologischer Ausprägungen, Erscheinungsbilder und Nutzungspotentiale von „P.en“. Böden, der sie bestimmende Wasserhaushalt und der damit verbundene Grad der Versalzung (Alkalisierung) können daher auch als die wichtigsten natürlichen Faktoren angesehen werden, die das Landschaftsbild und die Nutzung in der P. beeinflussten und beeinflussen.
Im größten Teil des Gebietes zwischen Donau und Theiß entstanden durch Winderosion Dünen und Vertiefungen, die ackerbaulich genutzt wurden und in denen sich Böden mit Salzkrusten entwickelten. Östlich der Theiß wird die Weizenp. mit hohen Lössablagerungen auf Aufschüttungskegeln der des Flusses Maros von der Alkalisteppenp. unterschieden, die zwischen den Theißzuflüssen Körös und Mureş sowie außerdem in der Hortobágy-P., einer außerordentlich monotonen Ebene, vorkommt. Die Alkalisierung führte zur Unfruchtbarkeit des Bodens und zur Abwanderung der Bewohner.2 Wirtschafts- und Kulturgeschichte
Bei der Betrachtung der historischen Landnutzungsformen und bodenrechtlichen Agrarverfassungen der P. ergibt sich ein Bild, das mit der ökologischen räumlichen Differenzierung nur bedingt übereinstimmt.
Das Ungarische Tiefland war bis zu Beginn des 19. Jh. ein traditionelles Weidewirtschaftsgebiet mit extensiver Viehhaltung, das süddeutsche, österreichische und norditalienische Städte seit dem 14. Jh. mit Rindern versorgte.
Die Viehhaltung wurde auf den siedlungsfernen und -leeren Flächen der großen Stadtdörfer oder auf dem Besitz der Großgrundbesitzer betrieben. Diese eintönigen Weideflächen, die häufig zwischen 30 und 40 km von den Bauerndörfern oder dem Gutshof entfernt lagen, wurden P.en genannt. Diese wurden im halbjahreszeitlichen Rhythmus mit Vieh beschickt und von Hörigen der Großbauern oder Großgrundbesitzern betreut.
Seit der ersten Hälfte des 19. Jh. veränderten Bauernbefreiung, Bevölkerungsanstieg, Bau von Eisenbahnen und neue Marktabhängigkeiten die traditionelle Struktur der landwirtschaftlichen Produktion. Die Weiden und Wiesen der P.en wurden zu Ackerflächen umgewandelt, auf denen überwiegend Weizen und Mais angebaut wurde. Steigender Bevölkerungsdruck, Verteilung und Parzellierung der P.en setzte eine Siedlungstätigkeit in Gang, die zur typischen – teilweise recht dichten – Einzelhoflandschaft (ungar. Tanya) führte. Aus einem anfänglich nur Ergänzungsraum der traditionellen Vieh-Weidewirtschaft entwickelte sich eine marktorientierte und innovative Landwirtschaft. Die Marktstädte der Ungarischen Tiefebene spezialisierten sich auf bestimmte Anbauprodukte: Kecskemét auf Aprikosen, Nagykőrös auf Gurken, Makó auf Zwiebeln und Szeged auf Paprika.
Man kann nun zwischen „Großgrundbesitz-P.en“ und „Bauern-P.en“ unterscheiden. Auf den nach der Theißregulierung durch agrartechnische Maßnahmen meliorisierten Böden im ehemaligen Überschwemmungsbereich der Theiß befanden sich die großen Ackerbauflächen der Großgrundbesitzer, während sich die bäuerlichen Anwesen auf den etwas höher gelegenen und trockeneren Lößplatten konzentrierten und bis heute das Siedlungsbild bestimmen.
Die extreme Abhängigkeit der Diener und Arbeiter auf den großen Gütern mit feudaler Herrschaftsstruktur existierte noch bis in die Zwischenkriegszeit. Die Armut und Unterdrückung war das Gegenteil von den schon damals romantisierenden und touristisch verwerteten Leitbildern von Freiheit und Wildheit in der P.
Nach dem Ersten Weltkrieg wurde nur noch in zwei kleinen Teilräumen der Ungarischen Tiefebene, der Hortobágy- und Bugac-P., die als Prototypen der ungarischen P. gelten, Viehzucht betrieben, so dass sich Diskrepanzen zwischen anhaltender Vorstellung „P. als Weideland“ und den tatsächlichen Landnutzungs- und Lebensformen in großen Teilen der Ungarischen Tiefebene ergaben. Der ungarische Geograph Prinz sprach 1931 von Reservaten mit gekünstelter Romantik.
Während der nach dem Zweiten Weltkrieg erfolgten Kollektivierung wurde das Einzelhofsystem zerstört und in größere Betriebseinheiten überführt. Ab 1993 begannen Reprivatisierungen das Bild der P. wieder zu verändern.
Neugeschaffene Kleinstparzellen werden von ehemaligen enteigneten Besitzern bewirtschaftet und deutlich weniger gedüngt als die großflächigen Felder, denn den älteren Nebenerwerbslandwirten fehlt das Geld für teure Düngemittel. Dies wirkt sich spürbar positiv auf die Qualität des oberflächennahen Grundwassers aus. Viele Parzellen wurden andererseits aufgegeben und Brachland entsteht.
Die Diskussion um die weitere Nutzung der P.flächen hat begonnen. Die Integration Ungarns in den EU-Agrarmarkt und öffentlich thematisierter Landschaftsschutz spielen dabei eine zentrale Rolle.
Albrecht V., Mezösi G., Mucsi L. 1999: Die Puszta. Historisch-geographische und geoökologische Aspekte eines schulgeographischen und touristischen Leitbildes von Ungarn. Albrecht V., Mezösi G. (Hg): Ungarn in Europa. Gesellschaftlicher und raumstruktureller Wandel in Vergangenheit und Gegenwart. Natur-Raum-Gesellschaft 1, 175-220. Frankfurt a. M.