Nikon (Patriarch)

Nikon (eigentl. Nikita Minin, auch Minov); *1605 Dorf Velʹdemanovo, Bezirk Nischni Novgorod, † 17.8.1681 bei Jaroslavlʹ; Patriarch von Moskau und der ganzen Rus (russ. Patriarch Moskovskij i vseja Rusi, 1652–67), Kirchenreformer und Autor literarischer und polemischer Werke.

N. stammte aus einer mordwinisch-russischen Bauernfamilie. Nach seiner Priesterweihe 1626 war er einige Zeit in Moskau tätig, legte um 1635 das Mönchsgelübde ab und trat in die Einsiedelei Anzer (Anzerskij Skit, an der Weißmeerküste) ein. Ab 1639 lebte er im Kloster Kožeozero (Kožeozerskij monastyrʹ) am Onegasee und übte dort von 1643–46 das Amt des Abtes (Igumen) aus. Während einer Reise nach Moskau wurde N. dem Zaren Aleksej Michajlovič vorgestellt, der ihn um 1646 zum Abt des Moskauer „Erlösterklosters“ (Novospassenskij Monastyrʹ) ernannte. Am 11.3.1649 wurde N. zum Metropoliten von Novgorod (Velikij) erhoben. Er war, wie auch Avvakum, Teil des kirchenreformerischen Kreises der „Eiferer der Frömmigkeit“ (russ. revniteli blagočestija). Nachdem N. durch das Kirchenkonzil am 25.7.1652 zum neuen Patriarchen von Moskau gewählt worden war, leitete er ab 1653 die nach ihm benannten Reformen ein. Wie die neue Forschung zeigte, provozierten diese nicht sofort Ablehnung, beförderten aber langfristig die Bildung der innerkirchlichen Oppositionsbewegung der sog. Altgläubigen.

N. bemühte sich darüber hinaus um die Neugestaltung der Beziehungen zwischen Kirche und Staat: So rang er dem Zaren die Zusage ab, sich in kirchlichen Angelegenheiten neutral zu verhalten. Desweiteren ordnete er eine zweite, überarbeitete Ausgabe des sog. Steuermannsbuches (Kormčaja kniga) mit einigen Ergänzungen an, und veranlasste die Übersetzung und Publikation weiterer griechischer Texte (z. B. die Urkunde des Konzils von Konstantinopel von 1593 über die Einrichtung des Moskauer Patriarchats).

Zugleich eignete er sich den Titel „Großer Herrscher“ (velikij gosudarʹ) an und brachte so die Bojarenduma und den Zaren gegen sich auf. Nach einem heftigen Konflikt legte N. die Patriarchenwürde ab, verließ Moskau und zog 1658 in ein von ihm gegründetes Kloster (Podmoskovʹe Novoierusalimskij Voskresenskij monastyrʹ). Danach versuchte er vergebens, den status quo ante wiederherzustellen. In seinem Kampf für die Absetzung N.s fand Zar Aleksej Michajlovič nicht zuletzt die Unterstützung des ökumenischen Patriarchen von Konstantinopel. Auf der Großen Synode der Russisch-Orthodoxen Kirche vom 12.12.1666 wurden N. – bei gleichzeitigem Ausspruch des Anathemas über die Altgläubigen und damit Bestätigung seiner Reformen – die Patriarchen- und die Priesterwürde entzogen, man verbannte ihn zunächst in das Ferapontov-Kloster und 1676 in das Kirillov-Belozerskij-Kloster (Bezirk Vologda). Zar Fëdor Alekseevič rief N. 1681 aus der Verbannung zurück, dieser starb jedoch auf dem Weg nach Moskau.

Vorbereitungen zur Kanonisierung N.s wurden noch im 17. Jh. getroffen, blieben jedoch ergebnislos. Bis heute gibt es keine kritische Ausgabe seiner zahlreichen Briefe, Sendschreiben und Bücher. Der russische Originaltext seines Hauptwerkes „Entgegnung“ (Vozraženie), wurde erst 1982 in Berlin auf der Grundlage eines aus der Sowjetunion geschmuggelten Mikrofilms der Handschrift veröffentlicht.

Kapterev N. F. 1909-12: Patriarch Nikon i carʹ Aleksej Michajlovič. 2 Bde. Sergiev Posad. Michels G. B. 1999: At War with the Church. Religious Dissent in Seventeenth-Century Russia. Stanford. Palmer W. 1871–76: The Patriarch and the Tsar. 4 Bde. London. Sevastʹjanova S. K. 2003: Materialy k „Letopisi žizni i literaturnoj dejatelʹnosti patriarcha Nikona“. Sankt-Peterburg. Tumins V. A., Vernadsky G. 1982: Patriarch Nikon on Church and State: Nikon’s „Refutation“. Berlin.

(Aleksandr Lavrov)

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