Walachei (Region)
Walachei (auch [hist.]: Muntenia bzw. Muntenien; bulg. hist. Vlaško; griech. hist. (Ungro-)Vlachia; kirchenslaw. Zemlja U(n)grovlachiskaja; latein. Va(l)lachia Transalpina; poln. hist. Woloszczyzna, auch: Multanska Ziemia; rumän. Ţara Românească; türk. hist. Eflâk, ungar. hist. Havasalföld).
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1 Geographie
Die W., im Süden Rumäniens zwischen Unterlauf der Donau und den Südkarpaten gelegen, ist eine der historischen Regionen des heutigen Rumänien. Sie ist administrativ auf 15 Kreise (judeţe) sowie das Munizipium Bukarest aufgeteilt und umfasst 78.000 km².
Die größte Ausdehnung in Nord-Süd-Richtung beträgt 210 km, in Ost-West-Richtung 430 km. Das Relief wird bestimmt von drei in ost-westlicher Richtung verlaufenden Gürteln: Im Norden bildet die Gebirgskette der Südkarpaten (Höchster Gipfel: Moldoveanu, 2544 m ü. d. M.) die Grenze nach Siebenbürgen, südlich daran schliesst sich ein von Westen nach Osten schmaler werdendes Hügelgebiet (zumeist zwischen 300 und 800 m ü. d. M.) an, und im Süden entlang der Donau breitet sich eine nach Nordosten gegen die nordpontischen Steppen hin trichterförmig geöffnete Tiefebene mit Steppencharakter (mit Höhen zwischen 5 und 100, teilweise 200-300 m ü. d. M.) aus. Die Einwohnerzahl beträgt gut 9 Mio., davon 2 Mio. allein in Bukarest (2001).
2 Kulturgeschichte
Die ältesten Spuren menschlichen Lebens weisen bis in die Altsteinzeit zurück. Der erste historisch fassbare Herrschaftsverband war das vom Südwesten Siebenbürgens u. a. in die W. ausgreifende kurzlebige Reich des dakischen Königs Burebista im ersten Jh. v. Chr. Von 106 n. Chr. bis 271 war der westliche Teil der W. im Rahmen der Provinz ›Dacia‹ Teil des Römischen Reiches. In den folgenden Jahrhunderten war die W. das Durchzugs- und Siedlungsgebiet von zahlreichen, v. a. aus dem nördlichen Schwarzmeerraum kommenden Stammesverbänden. Über diese Zeit sind sehr wenige gesicherte Informationen überliefert, ebenso wie über die genauen Umstände der Entstehung des walachischen Herrschaftsverbandes.
Vor dem Hintergrund der seit der ersten Hälfte des 13. Jh. bezeugten Grenzmarken des Königreiches Ungarn in der W. verselbständigte sich bis um 1330 ein von einem Woiwoden angeführter Herrschaftsverband mit Zentrum im Hügelvorland der Karpaten – die Woiwodschaft (Fürstentum) W., deren Geschichte in vielem sehr ähnlich verlief wie die der benachbarten Wojewodschaft Moldau. Die in den kommenden Jahrzehnten durch Ausdehnung entstandenen Grenzen der W. blieben im Grossen und Ganzen bis in die zweite Hälfte des 19. Jh. stabil.
Neben dem östlichen, größeren Teil der W., Muntenien mit der heutigen Hauptstadt Bukarest, behielt das westlich des Flusses Olt gelegene Oltenien mit Craiova als Zentrum eine Sonderstellung unter einem Funktionsträger namens Ban, der über weitreichende Vollmachten verfügte. Charakteristisch für die Geschichte der W. ist, dass sie im Überlappungsgebiet verschiedener Kulturräume (Mitteleuropa, byzantinisch-osmanischer Raum, osteuropäisch-ostslawischer Raum) lag, deren wechselnder Einfluss die historische Entwicklung wesentlich mitbestimmte.
Mit der Errichtung einer von Konstantinopel anerkannten Metropolie in der W. 1359 fiel die definitive Entscheidung für die kirchliche und kulturelle Eingliederung in den byzantinisch-orthodoxen Kulturraum. Unter den Bewohnern der W. überwogen orthodoxe, eine ostromanische Sprache sprechende W(a)lachen, die Vorfahren der heutigen Rumänen. V. a. in den Residenzorten der Wojewoden und Marktflecken bestanden daneben Gemeinschaften katholischen Glaubens, insbesondere der Deutschen und Ungarn. Im Laufe der folgenden Jahrhunderte wurden immer wieder auch Gruppen verschiedener ethnischer Herkunft von außerhalb der W. angesiedelt, die oftmals im Laufe der Zeit bezüglich ihrer konfessionellen und sprachlichen Identität von den Rumänen assimiliert wurden.
Eine besondere Rolle kam den bis in die Mitte des 19. Jh. im Status von Unfreien stehenden Zigeunern zu, die zumeist eine nicht sesshafte Lebensweise führten. Die überwiegende Mehrheit der Bevölkerung der W. war in freien Dorfgemeinschaften organisiert oder geriet in die Abhängigkeit kirchlicher oder weltlicher Herren, denen Abgaben und, in geringem Umfange, Frondienste zu leisten waren. In den Marktflecken und städtischen Zentren existierte eine kleine Schicht von Händlern oft griechisch-levantinischer, armenischer oder sephardisch-jüdischer Herkunft. Die soziale Führungsschicht der Woiwodschaft bildete das in mehrere Ränge gegliederte Bojarentum, wobei keine klaren Regeln der Zugehörigkeit existierten.
Die W. geriet, vorübergehend schon ab Ende des 14. Jh., definitiv jedoch erst im dritten Viertel des 15. Jh., in eine Tributabhängigkeit vom Osmanischen Reich mit diversen Verpflichtungen gegenüber der Hohen Pforte (Tribut- und Lebensmittellieferungen, Verzicht auf eine eigenständige Außenpolitik, Bestätigung des Woiwoden durch den Sultan bzw. Einsetzung von landesfremden Phanarioten als Woiwoden). Ansonsten aber blieb die W. autonom, die politischen und sozialen Institutionen blieben erhalten.
Ein Effekt der Osmanischen Oberhoheit war der Zuzug vieler orthodoxer Christen aus dem Osmanischen Reich in die W., wo sie v. a. im 18. Jh. maßgeblich zu einer Orientalisierung und Gräzisierung der Elitenkultur beitrugen. Die Lebenswelt der großen Masse der bäuerlichen Bewohner war davon in geringerem Umfang betroffen. Die wirtschaftliche Grundlage ihrer Subsistenzwirtschaft blieb die Viehzucht, teilweise auch Obst- und Weinbau, wobei Landwirtschaft, Handwerk und Bergbau eine geringere Rolle spielten. Eine archaische, extensive Wirtschaftsweise, häufige Kriegs- und Plünderzüge und die hohen Belastungen durch Abgaben an Grundherren und Staat führten zu einer geringen Stabilisierung der Siedlungen und einer relativ hohen Mobilität, wobei das Hügelvorland der Karpaten das bei generell sehr dünner Besiedlung noch am dichtesten besiedelte Gebiet war.
Mit der Schwächung des osmanischen Einflusses zugunsten Russlands und des Habsburgischen Reiches ab der zweiten Hälfte des 18. Jh. kam die W. verstärkt in Kontakt mit Westeuropa. Ein modernes Nationalbewusstsein nach westlichen Vorbildern und beeinflusst vom Emanzipationsstreben der Rumänen in Siebenbürgen entstand im Laufe des 19. Jh. vorerst innerhalb einer prowestlich ausgerichteten Schicht des Bojarentums. Die Hauptziele dieser Nationalbewegung, die Vereinigung mit der gleichfalls mehrheitlich rumänischsprachigen benachbarten Woiwodschaft Moldau und die vollständige staatliche Souveränität durch die Beendigung der Osmanischen Oberhoheit, wurden im Zeitraum 1858-1881 verwirklicht. Damit war der moderne Staat Rumänien geboren, in dessen Rahmen sich die weitere Geschichte der W. abspielen sollte.
Liturgie- und Kanzleisprache blieb bis ins 17. Jh. das Kirchenslawische (mittelbulgarischer, teils serbischer Redaktion). Einen wichtigen Impuls für die Literatur in dieser Sprache in der W. bot ab der Wende vom 14. zum 15. Jh. die Verlagerung der Schriftproduktion aus den unter direkte osmanische Kontrolle geratenen Nachbarländern Bulgarien und Serbien. Daneben spielte auch das Griechische eine gewisse Rolle. Im 17. Jh. verdrängte das seit der Wende vom 15. zum 16. Jh. schriftlich bezeugte Rumänische das Kirchenslawische. Inhaltlich dominierten bis ins 18. Jh. religiöse Texte (Heiligenlegenden, Übersetzungen von Psalmen, Evangelien und anderen Bibeltexten, liturgische Texte wie Gebet- und Ritualbücher), es entstanden aber auch Fürstenspiegel, Chroniken und Gesetzeskodizes nach byzantinischen Vorbildern. Die ersten gedruckten Bücher der W. entstanden im frühen 16. Jh.
In der zweiten Hälfte des 18. Jh. trat neben die bisher rein belehrenden Charakter tragende Literatur auch eine unterhaltende Literatur, die v. a. vom niederen Bojarentum und der Kaufmannsschicht rezipiert wurde. Ebenfalls im 18. Jh. erreichte der griechische Einfluss auf die Elitenkultur der W. seinen Höhepunkt, was sich in der Literatur durch Texte in griechischer Sprache oder angelehnt an byzantinische Vorbilder widerspiegelte. Andererseits eröffnete die griechische Sprache aber auch den Zugang zu Werken der westeuropäischen Aufklärung. Insgesamt ist die rumänische Literaturgeschichte bis ins 19. Jh. hinein geprägt durch die Übernahme von Texten und Genres aus dem byzantinisch-orthodoxen Kulturraum, unter denen Übersetzungen einen breiten Raum einnahmen.
Seit dem frühen 19. Jh. begannen v. a. Vertreter aus dem mittleren und niederen Bojarentum das literarische Leben zu bestimmen, wobei nun eine Verschiebung der Orientierung nach Westeuropa und speziell Frankreich stattfand. Insbesondere die Romantik fand großen Anklang in der W., dabei wurden vor dem Hintergrund der Herausbildung eines Nationalbewusstseins vermehrt Themen der politischen und sozialen Emanzipation ins Zentrum gerückt. In diesem Zusammenhang ist auch der schrittweise Übergang vom kyrillischen zum lateinischen Alphabet für die rumänische Sprache zwischen den 1830er und 1860er Jahren zu sehen. Die Anfänge des modernen Theaters sowie das Erscheinen der ersten Zeitungen gehen auf die 1830er Jahre zurück, während die mündliche Volksdichtung erst gegen Mitte dieses Jh. als eigener Zweig der Literatur entdeckt wurde. Er umfasste lyrische Volkslieder, oft elegischen Charakters (›doină‹, ›mioriţa‹), Märchen, Heldenlieder und Mythen, denen häufig historische Gegebenheiten bzw. Szenen aus der Lebenswelt der Bevölkerung zugrunde lagen (Kampf gegen die Osmanen, Leben der Haiduken). Eine wichtige Rolle spielten Elemente aus der Natur. Daneben waren aber auch Apokryphen und oft religiös inspirierte Volksbücher nach byzantinisch-orientalischen Vorbildern verbreitet.
Giurescu D. C., Fischer-Galaţi S. (Ed.) 1998: Romania. A historic perspective. Boulder (=East European Monographs CDLVII). Hitchins K. 1996: The Romanians, 1774-1866. Oxford. Georgescu V. 1991: The Romanians. A history. New York. Huber M. 1973: Grundzüge der Geschichte Rumäniens. Darmstadt. Chirot D. 1976: Social Change in a Peripheral Society. The Creation of a Balkan Colony. New York.