Ob

Ob (russ. Obʹ, chant. As)

Inhaltsverzeichnis

1 Geographie

Der O. ist der Hauptfluss des Westsibirischen Tieflands (Russland). Er erstreckt sich über eine Länge von 3676 km, mit dem Quellfluss Katunʹ über 4338 km und entwässert ein Gebiet von 2,99 Mio. km². Die durchschnittliche Wasserführung beträgt 12.500 m³/s (bei Salechard) und variiert zwischen 1650 und 42.800 m³/s.

Der O. entsteht im nördlichen Vorland des Altai nahe der Grenze zur Mongolei durch den Zusammenfluss der beiden Quellflüsse Bija (altai. Bij-suu) und Katunʹ; er verläuft vorwiegend in nordwestlicher Richtung. Dabei durchströmt er mehrere Klima- und Vegetationszonen (Bergtundra, Bergwälder, Trockensteppe, Steppe, Waldsteppe, Taiga und Waldtundra). Der O. ist vorwiegend ein Flachlandfluss mit mittlerem Gefälle und geringer Strömungsgeschwindigkeit. Aufgrund einer unregelmäßigen Wasserführung bildet er im Mittel- und Unterlauf häufig Seitenarme, Inseln und Altwasser. Das Flusstal erreicht Breiten von 20 bis 60 km, die während des Frühjahrshochwassers durch den Anstieg des Wasserspiegels um 6–12 m oft ganz überflutet werden. Die Flussebenen sind hier größtenteils versumpft, was die Kosten für die Besiedlung und wirtschaftliche Erschließung der umfassenden Erdöl- und Erdgasvorräte in die Höhe treibt.

Nahe der Stadt Chanty-Mansijsk nimmt der O. seinen Hauptnebenfluss, den Irtysch, auf. 300 km nordwestlich von Chanty-Mansijsk teilt sich der O. in zwei Nebenarme auf, den 446 km langen „Großen O.“ (russ. Bolʹšaja Obʹ) und den 456 Kilometer langen „Kleinen O.“ (russ. Malaja Obʹ), die sich 60 km südwestlich von Salechard, der Hauptstadt des Autonomen Bezirkes der Jamal-Nenzen, wieder vereinigen. Mit einer Breite von 20 km mündet der O. in einem vier km² großen Delta in den O.-busen (russ. Obʹskaja guba), einen über 800 km langen Meeresarm der Karasee.

Die wichtigsten Nebenflüsse des O.s sind Tomʹ, Čulym, Ketʹ, Tym und Vach (rechts) sowie Vasjugan, „Großer Jugan“ (Bolʹšoj Jugan), Irtysch und Severnaja Sosʹva (links). Die größten Städte sind Barnaul, Kamenʹ-na-Obi, Nowosibirsk, Kolpaševo, Streževoj, Nižnevartovsk, Megion, Surgut, Neftejugansk, Labytnangi.

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2 Kulturgeschichte

Der O. ist die wichtigste Wasserstraße Westsibiriens; gemeinsam mit dem Irtysch bildet er die zweitgrößte Wasserstrasse Asiens. Der O. ist auf seiner gesamten Länge an durchschnittlich 155 Tagen im Jahr schiffbar, im Oberlauf ist er von November bis Ende April zugefroren, im Unterlauf bis Anfang Juni. Ein regelmäßiger Schiffsverkehr setzte 1844 auf dem O. ein, zunächst zwischen Barnaul und Tomsk (am Tomʹ) sowie über Irtysch, Tobol und Tura bis nach Tjumenʹ. Transportiert wurden in erster Linie Nahrungsmittel, andere Verbrauchsgüter sowie die Exportgüter Sibiriens. 1888 wurde mit der Einweihung des „O.-Jenissej-Kanals“ (russ. Obʹ-Enisejskij kanal), der zwischen dem rechten O.-Nebenfluss Ket’ und dem linken Jenissej-Nebenfluss Kas verlief, die Binnenschifffahrt weiter nach Osten ausgedehnt. Nach dem Bau der Transsibirischen Eisenbahn verlor der Kanal schnell an Bedeutung; nach der Revolution wurde er zerstört.

Der Wasserreichtum und das Energiepotenzial des O. werden oberhalb von Nowosibirsk zur Energieerzeugung genutzt, vor Nowosibirsk entstand 1957–59 der „Nowosibirsker Stausee“ (Novosibirskoe vodochranilišče, 1070 km²) mit zugehörigem Wasserkraftwerk (400 MW). Durch die Anlage der Stauseen ist der Charakter der betroffenen Flussabschnitte verändert worden: die Vereisung wird verhindert, so dass der O. zwischen Barnaul und Nowosibirsk den ganzen Winter über schiffbar ist.

Die russische Kolonisation des O.-beckens erfolgte ab Ende des 16. Jh. 1594 gründeten Kosakentruppen, die vom Irtysch ostwärts vordrangen, am Mittellauf des O. den Ostrog (=Kosakenfestung) Surgut. Von dort aus erschlossen sie flussaufwärts den O. 1604 wurde an seinem Nebenfluss Tom’ der Ostrog Tomsk als militärischer Vorposten an der Südgrenze des damaligen Sibiriens gegründet. Die Kolonisation des südlichen O.-becken wurde erst später vorangetrieben, als der Wert der Steppenregionen für die landwirtschaftliche Nutzung und die Ansiedlung von Bauern erkannt wurde. Die heutige Hauptstadt Sibiriens, die Millionenstadt Nowosibirsk, entstand erst 1893, als über den O. die Brücke für die Transsibirische Eisenbahn gebaut wurde. Dank ihrer günstigen verkehrsgeographischen Lage entwickelte sie sich schnell zu einer Großstadt.

Seit den 1960er Jahren wird am Mittellauf des O. Erdöl, seit 1978 am Unterlauf und O.-busen Erdgas gefördert. Bis in die 1980er Jahre wurde die Region kostenintensiv erschlossen, in den Sümpfen wurden zahlreiche neue Städte gegründet, Förderstellen und Verkehrswege angelegt. Während die Erdölwirtschaft nach 1990 einen Einbruch erlitten hat, ist die Erschließung der Erdgasfelder noch nicht abgeschlossen. Sie erstreckt sich gegenwärtig auf die westlich des O.-busen gelegene Halbinsel Jamal. Die Erdöl- und Erdgasförderung stellt eine große Belastung für das Ökosystem des O. dar. Aus Pipelines und Bohrstellen ausgelaufenes Erdöl verunreinigt den Fluss und vergiftet Flora und Fauna.

(Monika Schulze)

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