Waldtundra

Waldtundra

Inhaltsverzeichnis

1 Geographie

Die W. stellt einen Übergangsraum vom geschlossenen Wald der Taiga zur baumlosen Tundra dar. Damit bildet die W. den Bereich zwischen der polaren Wald- und der polaren Baumgrenze. Die W. gilt als südlicher Bereich der Strauchtundrenzone, wird jedoch manchmal auch der borealen Zone zugerechnet. Charakterisiert wird diese Pflanzenformation durch licht stehende Gehölze. In der Höhenstufung von Gebirgen findet die W. ihre Entsprechung in der Krummholz- und Zwergstrauchstufe.

Die W. ist fast nur auf der Nordhalbkugel verbreitet und entspricht der Ökozone der südlichen Arktis. In Nordamerika breitet sich die W. weit nach Süden bis unter 50° N aus. In Eurasien erreicht der rd. 20–200 km breite Streifen der W. zwischen 40° und 90° E den nördlichen Polarkreis (66°30´ N). Größere in der W. gelegene Städte sind z. B. Murmansk, Vorkuta, Norilʹsk und Tiksi. Durch Wind, Austrocknung und das Schleifen von Schnee- und Eiskristallen ist die Tundra in exponierten Höhenlagen weiter nach Süden vorgedrungen als in windgeschützten Senken und Tälern.

Der wärmste Monat, der Juli, erreicht Temperaturen von 11–14 °C. Der Boden taut trotzdem nur einige Meter bis maximal 40 m auf. Die unteren Bereiche bleiben dauerhaft gefroren (Permafrost) und verhindern dadurch eine Versickerung. Durch Schmelzwasser und Niederschläge entsteht großflächige Vernässung. V. a. in den südlichen Bereichen der W. kommt es zur Anreicherung von organischem Material in Form von Torfmooren. Durch die Bodenfeuchte und den Wechsel zwischen Gefrieren und Auftauen entstehen Frostbodenformen.

In der Baumschicht der W. kommen auf der ozeanisch beeinflussten Halbinsel Kola v. a. Moorbirken, in Osteuropa Fichten und Kiefern, im kontinentalen Bereich Sibiriens Lärchen und in Ostsibirien wieder Birken vor. Bedingt durch den Permafrost reichen die Wurzeln wenig in die Tiefe, sie breiten sich horizontal aus. Diese Wurzelkonkurrenz führt dazu, dass die Bäume weit auseinander stehen. Die Baumhöhe beträgt 3–8 m, nach Norden hin weisen die Bäume zunehmend Krüppelwuchs auf. Die Vegetationsbedeckung nimmt ab, der Anteil von Sträuchern und Zwergsträuchern erhöht sich. Die lichte Strauchschicht wird von Wacholder und Zwergbirke gebildet. Die Bodenschicht besteht aus Zwergstrauch-Heidekraut, Gräsern, Flechten und Moosen.

Die Vegetationsperiode dauert im Durchschnitt von Juni bis September, was für einjährige Pflanzen kaum ausreichend ist. Es kommen v. a. ausdauernde Pflanzen vor, die häufig immergrün sind und das Licht des Polarsommers optimal ausnutzen können. Die Blätter sind oft behaart oder mit einer schützenden Wachsschicht überzogen. Typische Tundrapflanzen wachsen flach am Boden, sind kleinwüchsig, bilden Polster oder Rosetten und sind dadurch windgeschützt. Das Pflanzenwachstum ist in der W. langsam. Flechten haben einen jährlichen Längenzuwachs von 1–5 mm, Bäume von 1–2 cm. Bei einem untersuchten Lärchenstamm mit einem Durchmesser von 9,5 cm wurden 104 Jahresringe gezählt.

Die Tierwelt ist relativ arm an Arten und Individuen. Die Rentiere ziehen im April von den Waldgebieten in die Tundra, im September wieder zurück. Verfolgt werden sie dabei von Wölfen. Je nach Region treten Schneehasen, Polarfüchse, Moschusochsen und Lemminge auf. Mücken und Fliegen sind Nahrung für die insektenfressenden Vögel. In den südlichen Bereichen sind außerdem Tiere der gemäßigten Zone zu finden (Reptilien, Amphibien und Bodentiere), die eine geringe Frosttoleranz haben.

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2 Kulturgeschichte

Die W. ist dünn besiedelt und wurde wirtschaftlich lange Zeit nur von wenigen Jägern, Sammlern, Fischern und Rentierhaltern genutzt. Auch heute leben im Bereich der W. indigene Völker, die „Völker des Nordens“: Samen, Nenzen, Selkupen, Enzen, Dolganen, Tschuwanen, Jukagiren u. a. Oft stellen sie nur eine Minderheit in ihren Heimatgebieten dar. Die indigene Bevölkerung lebt teilweise noch von ihrer traditionellen Wirtschaftweise, was durch veränderte Umweltbedingungen zunehmend erschwert wird. Die verbliebenen Weidegebiete in der Tundra und W. sind vielerorts überweidet. Der Abbau von Bodenschätzen führte zu einem erheblichen Schadstoffeintrag und Destruktion der Landschaft. In der Taiga und W. ist die Holzentnahme bedeutend, die häufig im Kahlschlagverfahren durchgeführt wird. Wegen des langsamen Pflanzenwachstums benötigt eine Regeneration in der W. viel Zeit. Neben der direkten Luftverschmutzung in der Nähe von Ortschaften und Industrieeinrichtungen geraten Luftschadstoffe aus Industrieländern durch die globale Luftzirkulation bis in die subpolaren und polaren Gebiete. Bei den niedrigen Temperaturen kondensieren sie und führen zu einer erhöhten Schadstoffbelastung in diesen empfindlichen Ökosystemen. Die sowjetischen Atomversuche in der Arktis führten außerdem zu einer radioaktiven Belastung.

(Barbara Bosch)

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