Tobolʹsk

Tobolʹsk (russ.)

Die westsibirische Stadt T., Zentrum des gleichnamigen Bezirks, liegt 247 km nordwestlich von Tjumenʹ unweit der Mündung der Einmündung des Flusses Tobol in den Fluss Irtysch. Die 101.145 Einwohner (2005) zählende Stadt verfügt neben Flughafen und Bahnhof auch über einen Binnenhafen.

T. wurde 1587 von einem Aufklärungstrupp um den Kosakenführer Daniil Čulkov gegründet. Seit 1590 hat T. den Status einer Stadt. Vom Ende des 16. Jh. bis ins 18. Jh. hinein war T. wichtigster sibirischer Armeestützpunkt, politische und administrative Hauptstadt sowie kirchliches Zentrum. 1620 wurde hier die Eparchie Sibirien gegründet. T. war Hauptverteilungszentrum und Zollamt sowie Knotenpunkt des Handels mit China und Buchara. Hier wurden Pelze eingesammelt und registriert. Unter mongolischer Herrschaft war neben der Bezahlung von Tributen mit Gold auch die Abgabe in Form von Pelzen (›jasak‹) akzeptiert.

T. war 1773 Regierungsstützpunkt während der Unterwerfung des Urals und des Hinterlandes im Bauernkrieg unter Emelʹjan Pugačëv. Im 19. Jh. begann die Entwicklung von Fischfang und Fischverarbeitung sowie des Kürschnerhandwerkes. Es wurden im Jahr bis zu 1 Mio. Felle von Eichhörnchen und Hasen verarbeitet. Vom 17. Jh. bis zum Beginn des 20. Jh. war T. bedeutendstes Kultur- und Bildungszentrum und Mittelpunkt der Aufklärung in Sibirien. Eine wichtige Rolle kam dabei verbannten Intellektuellen zu, so lebten hier im 17. Jh. der slawische Publizist Juraj Križanić und der Altgläubige Avvakum, im 19. Jh. Aleksandr N. Radiščev, Aleksandr P. Sumarokov und Vasilij V. Passek. Ab den 1830er Jahren wurden Dekabristen nach T. gebracht, heute dienen einige ihrer Wohnhäuser als Museum. Der letzte russische Zar Nikolaj II. stand hier mit seiner Familie von August 1917 bis April 1918 unter Arrest. Der Chemiker Dmitrij I. Mendeleev wurde in T. geboren, ebenso der Komponist Aleksandr A. Aljabʹev und der Maler Vasilij G. Perov.

In T. befinden sich heute Öl verarbeitende Betriebe, eine Schiffswerft sowie Holz verarbeitende Betriebe für Möbel und Baumaterialien. T. ist eines der Zentren der russischen Beinschnitzerei, seit der zweiten Hälfte des 19. Jh. gibt es hier Kunstwerkstätten. T. hat eine Pädagogische Hochschule und eine Technische Universität. Seit 1989 gibt es das einzige sibirische geistliche Seminar, 1990 wurde T. wird durch einen Steilhang in Ober- und Unterstadt geteilt. Das Zentrum der Unterstadt bildet der erste steinerne Kreml Sibiriens. Auch der erste Tauschmarkt der Region aus dem 17. und 18. Jh. entstand hier. Sehenswert sind die Sophie-Himmelfahrtskirche (1686), der Handelshof (1705), „Das schwedische Parlament“ mit sechs Gewölbesälen (1716), der Erzengel-Michael-Dom (18. Jh.) sowie klassizistische und barocke Wohn- und Verwaltungsgebäude.

8 km nördlich von T. am Suzgun-Hügel befindet sich eine archäologische Ausgrabungsstätte mit Bronzefunden einer frühzeitlichen Besiedlung, die wohl in das 10. bis 8. Jh. v. Chr. zu datieren sind. Im Süden von T. gibt es 17 Hügelgräber aus dem 4. Jh. v. Chr. bis 2. Jh. n. Chr. T. ist heute eine Provinzstadt mit verblasstem historischem Glanz ohne Anbindung an die großen sibirischen Verkehrswege. T. liegt nahe der großen Ölförderstädte Surgut und Nižnevartovsk. Die Unesco plant, die Unterstadt von T. und den Kreml in das Weltkulturerbe aufnehmen.

(Ulrike Butmaloiu)

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