Pripjet (Fluss)

Pripjet (poln. hist. Prypeć, russ. Pripjatʹ, ukrain. Prypʺjatʹ, weißruss. Prypjacʹ); rechter, wasserreicher Nebenfluss des Dnjeprs in Weißrussland und der Ukraine.

Der ca. 775 km lange Fluss entspringt im Nordwesten der Ukraine im Norden der Wolhynischen Höhe. Die Quelle befindet sich auf 152 m Höhe nahe der polnischen Grenze, südwestlich von Kovelʹ. Der P. entwässert ein ca. 114.300 km² großes Einzugsgebiet. Von den Ausläufern des Hügellandes Roztocze kommend fließt er in Richtung Osten und überquert nach etwa 200 km die ukrainisch-weißrussische Grenze. Dort durchfließt er die Polessje, die zu etwa einem Viertel aus Niedermooren besteht. Ein weiteres Drittel ist von Wäldern bedeckt. Der P. verwandelt das Gebiet während der frühjährlichen Schneeschmelze in eine Wildnis aus Seen, Sümpfen und Waldinseln. Drei bis vier Monate im Jahr ist der P. zugefroren. Die letzten 50 km verläuft er wieder in der Ukraine und mündet wenige Kilometer südlich des Kernkraftwerkes von Tschernobyl in den „Kiewer Stausee“ (ukrain. Kyjevsʹke vodoschovyšče) und schließlich in den Dnjepr. Der mittlere jährliche Wasserabfluss des P. beträgt an der Mündung 440 m³/s. Größte Zuflüsse des P. sind rechtsufrig Stochid, Styr, Harynʹ, Ubarcʹ und linksufrig Jaselʹda, Lanʹ, Sluč und Pcič. Der P. ist von der Mündung des Flusses Stochid auf 500 km schiffbar. Durch den „Dnjepr-Bug-Kanal“ (Dnjaproŭsko-Buhski kanal) ist der P. mit der Weichsel und den Ogiński-Kanal mit der Ščara (Memelzufluss) verbunden.

Landschaftlich bildet P.gebiet ein Teil der Polessje (weißruss. Prypjackae Palesse), eine weit ausgedehnte, waldreiche Flussniederung, es dominieren die riesigen P.sümpfe. Mit etwa 90.000 km² Fläche bilden sie das größte Sumpfgebiet Europas. Bis ins 20. Jh. hinein ein Malariagebiet, wurde in den 1930er Jahren ein großer Teil der Sümpfe trocken gelegt und das Wasser über den P. abgeleitet. Durch Entwässerung wurde Ackerland auf etwa 1 Mio. ha v. a. für den Flachs-, Kartoffel- und Roggenanbau gewonnen. Wirtschaftliche Bedeutung hat neben der Landwirtschaft die Holzindustrie. Im Flussgebiet gibt es Erdöl- und Braunkohlevorkommen.

Das Gebiet ist nur schwach besiedelt. Am Ufer des P. liegen in Weißrussland die Städte Pinsk und Mazyr und auf der ukrainischen Seite Tschernobyl, welches durch das Reaktorunglück von 1986 traurige Berühmtheit erlangte. Im Kernkraftwerk von Tschernobyl ereignete sich eine der schwersten nuklearen Katastrophen in der Geschichte der Kernkraftnutzung, die freigesetzte radioaktive Strahlung kontaminierte das Wasser, die Auen und Böden des P. auf unbestimmte Zeit. Noch heute leiden hier viele Menschen an den Folgen der radioaktiven Verstrahlung. Die im Zusammenhang mit dem Kraftwerk 1970 gegründete Stadt Pripjatʹ (49.400 Einwohner) wurde 1986 vollständig evakuiert. Ein Großteil des verstrahlten Gebietes am P. wurde zum Radio-Ökologischen Schutzgebiet erklärt.

(Andreas Wust)


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