Lena (Fluss)

Lena (jakut. Ölüönė, russ. L.)

Inhaltsverzeichnis

1 Geographie

Die L. ist ein Fluss im ostsibirischen Teil Russlands, der sich über die Verwaltungsgebiete Irkutsk und Jakutien erstreckt. Sie hat eine Länge von 4337 km und ein Einzugsgebiet von 2,472 Tsd. km². Die L. ist schiffbar auf einer Länge von 3380 km ab Ustʹ-Kut bzw. für kleinere Schiffe ab Kačug. Sie ist die Hauptverkehrsader Jakutiens und seit dem Bau der Bahnabzweigung von der Transsibirischen Eisenbahn bei Taišet zum Flusshafen Ust’-Kut (1958) die wichtigste Verbindungstrasse zwischen der Transsibirischen Eisenbahn und dem Seeweg über das Nordpolarmeer (bei Tiksi). 1985 wurden im Lena-Becken 13 Mio. t Fracht transportiert, Anlieferung von Nahrungsmitteln und Verbrauchsgütern für die einheimische Bevölkerung und Abtransport der zahlreichen Bodenschätze.

Die L. entspringt im Baikalgebirge westlich des Baikalsees. Im Oberlauf ist das Flusstal schmal, mit Steilufern und zahlreichen Stromschnellen. Hinter Olëkminsk weitet sich die L. im Mittellauf auf bis zu 30 km Breite aus. Unterhalb von Pokrovsk tritt sie in die „Zentraljakutische Ebene“ (russ. Centralʹnojakutskaja ravnina, jakut. Sacha sirin Kiin namtala bzw. Sacha Kiin dėchsi sirė) ein und verengt ihr Flussbett auf 20 bis 25 km. In ihrem Verlauf zwischen dem „Čekanovsker Landrücken“ (russ. krjaž Čekanovskogo, jakut. Čekanovsaj tomtor sirė) und den Ausläufern des Werchojansker Gebirges verengt sich die L. erneut, bevor sie in einem rd. 200 km breiten und 32.000 km² großen Delta in die Laptewsee im Nordpolarmeer mündet. 14.330 km² im Deltabereich bilden seit 1998 das nationale Naturschutzgebiet „Lena-Delta“ (russ. Delta Leny).

Die wichtigsten Nebenflüsse der L. sind Njuja und Viljuj (links) sowie Kirenga, Vitim, Olëkma und Aldan (rechts). Die größte Stadt am Fluss ist Jakutsk, das Verwaltungszentrum der Republik Jakutien, weitere wichtige Hafenstädte an der L. sind Ustʹ-Kut, Kirensk, Lensk und Olëkminsk.

Die L. verläuft zum großen Teil im Bereich extrem kontinentalen Klimas und Dauerfrostbodens, sie durchfließt die Taiga-, Waldtundra- und Tundrazone. Der Flusspegel schwankt im Jahreslauf teilweise sehr stark und lässt den Wasserstand im Oberlauf auf bis zu 8 m, im Unterlauf auf bis zu 28 m ansteigen. Die mittlere Wasserführung beträgt etwa 12.830 m³/s. Sie unterliegt jedoch im Jahresverlauf beträchtlichen Schwankungen (366–166.000 m³/s). Die Eisbedeckung dauert im Oberlauf der L. von November bis Mai, im Unterlauf von Ende September bis Anfang Juni. Jedoch verkürzen der nachfolgende Eisgang, der große Überschwemmungen und Zerstörungen verursacht (2001 wurde die Stadt Lensk zum großen Teil zerstört), sowie Sandbänke und die ungleichmäßige Wasserführung die Schifffahrtszeit auf 160 Tage im Oberlauf und 120 Tage im Unterlauf.

Im Einzugsbereich der L. lagern umfangreiche Bodenschätze (Stein- und Braunkohle, Eisenerz, Erdöl, Erdgas, Gold, Diamanten, Kochsalz), die in zahlreichen kleinen Werkssiedlungen abgebaut bzw. gefördert werden. Im Oberlauf breiten sich große Waldgebiete mit wertvollen Holzbeständen aus, in denen vielfach in großem Maßstab Raubbau betrieben wird. In den Tälern werden inselartig Ackerbau und Viehzucht betrieben, im Unterlauf wertvolle Fischarten (Lachs, Stör, Hecht, Sterlet) gefangen.

2 Kulturgeschichte

Archäologische Funde aus dem Neolithikum belegen schon eine frühzeitige Besiedlung der L.-Region. Im 13.-14. Jh. wanderten Jakuten ein und lebten von der Rentierzucht oder dem Fischfang. Die Russen (Pelzhändler und Fallensteller) drangen zu Beginn des 17. Jh. in das L.-Gebiet vor. 1632 gründeten von russischen Kaufmannsfamilien angeheuerte Kosakentruppen den Ostrog (=Kosakenfestung) Jakutsk, einen Militär- und Handelsstützpunkt sowie Basislager für Lebensmittelvorräte, von dem aus die weitere Erschließung Sibiriens in Richtung Nordosten erfolgte. Hauptantrieb war der Pelzreichtum der Region, die wertvollste Jagdbeute war der Zobel, der bereits gegen Ende des 17. Jh. in der Umgebung von Jakutsk zur Rarität geworden war. Im 19. Jh. wurde in der Region Gold entdeckt, ab 1860 bildeten die Lenafelder den Schwerpunkt der russischen Goldgewinnung. Schadstoffeinleitungen führen zu starken Belastungen des Lena-Ökosystems. Unterhalb der Diamantentagebaue und der Goldfördergebiete ist insbesondere der Nebenfluss Viljuj stark mit Schwermetallen verseucht.

Die zugezogenen Russen setzten sich aus Kosaken, Kaufleuten, aus der Leibeigenschaft entflohenen Bauern sowie verbannten Zwangsarbeitern zusammen. Letztere wurden bewusst zur Besiedlung der menschenarmen Gebiete Sibiriens und zur Bereitstellung von Arbeitskräften für den Abbau der Bodenschätze eingesetzt. Das L.-Gebiet galt dabei als Strafkolonie für Schwerverbrecher, wozu auch viele politische Verbannten zählten. 1862 betrug der Anteil der Verbannten an der Bevölkerung der Stadt Jakutsk 20 %. Am 4.4.1912 bekam die russische Revolutionsbewegung einen wichtigen Anstoß durch das sog. Lena-Massaker.

In der zweiten Hälfte des 20. Jh. wanderten viele junge Arbeitskräfte aus dem europäischen Teil Russlands und den anderen ehemaligen Unionsrepubliken in die Ressourcenabbaugebiete der L.-Region zu. Sie überrundeten die Jakuten zahlenmäßig und machten 1990 einen Bevölkerungsanteil von 60 % aus. Erst infolge der großen Rückwanderung von Russen, Ukrainern und Weißrussen seit den späten 1980er Jahren stellten die Jakuten bei der jüngsten Volkszählung (2002) mit einem Anteil von 45,5 % wieder die stärkste Bevölkerungsgruppe, die Russen machten 41,2 % der Bevölkerung aus. Es gibt wenig Berührungspunkte zwischen Russen und Jakuten, da Erstere vorwiegend in den Städten und Letztere vorwiegend auf dem Land leben. Weitere einheimische Nordvölker wie die Ewenken, Ewenen und Tschuktschen machen nur etwa 4 % der Bevölkerung aus.

(Monika Schulze)


Views
bmu:kk