Bosnien (Fürstentum, Königreich)

Bosnien (Fürstentum und Königreich)

Zum ersten Mal geographisch erwähnt wird B. im 10. Jh. in Kōnstantinos VII. Porphyrogennētos' ›De administrando imperio‹. Die Bezeichnung B. umfasste anfänglich den nördlichen und zentralen Teil des heutigen Territoriums von Bosnien und Herzegowina. Die Erstbesiedlung erfolgte ab dem 4. Jh. v. Chr. durch Illyrer und Kelten. Die Einwanderung slawischer Völker in das in der spätrömischen Epoche auch als ›Illyricum‹ bezeichnete Gebiet setzte im 6. Jh. ein. Ihre Ethnizität wurde später nationalistisch als serbische bzw. kroatische instrumentalisiert, kann jedoch tatsächlich nicht eindeutig festgestellt werden. Vermutlich siedelten sich auch bereits Walachen an.

Die Herrscher B.s wechselten häufig. Bis nach 870 herrschten die Franken; sie führten das Feudalsystem ein. Die seit Anfang des 10. Jh. bestehende Zugehörigkeit zum kroatischen Reich wurde durch kurzzeitige serbische, bulgarische und byzantinische Herrschaften unterbrochen und dauerte bis Ende des 11. Jh. an, als B. an den aus Zeta stammenden Konstantin Bodin fiel. Die Herausbildung einer eigenständigen Herrschaft vollzog sich erst im 12. Jh. im Rahmen der Ausdehnung Ungarns. Dessen Könige setzten die bosnischen Fürsten in den Rang eines Banus. Ab der Zeit Ban Borićs (1154–63) und Ban Kulins (1180–1203) bestand de facto eine autonome Verwaltung, obwohl Kulin sowohl die ungarische Krone als auch formal die Hoheit des Papstes anerkannte. Es setzte ein reger Handelsverkehr mit Ragusa (Dubrovnik) ein. Die hauptsächliche Einnahmequelle B.s war bereits zu dieser Zeit der Eisen- und Silberabbau im Gebirge Jahorina.

Zur religiösen Besonderheit des mittelalterlichen B. zählt die um ca. 1200 entstandene, von orthodoxer wie katholischer Seite als häretisch eingestufte „Bosnische Kirche“, die Vorstellungen der Katharer und Albigenser wie auch Elemente der östlichen Häresie der Bogomilen vereinte. Sie verdankte ihre Attraktivität sowohl dem Widerstand der bosnischen Geistlichkeit gegen den von Ungarn ausgehenden Einfluss der römisch-katholischen Kirche als auch dem Unabhängkeitsbestreben des Adels. Dieses Bündnis bewährte sich in dem nach 1232 von den ungarischen Königen András II. und Kálmán geführten Kreuzzug gegen B., den Ban Matej Ninoslav jedoch abwehren konnte. Nach erneuter Anbindung an Ungarn und der Teilung in die Banate Usora, Soli (Tuzla) und Mačva gelangte B. 1299–1322 an die kroatischen Šubići, deren Herrschaft mit einer Verschwörung des bosnischen Adels und dem Beginn der Dynastie der Kotromanić endete.

Unter Ban Stjepan II. Kotromanić erfuhr das Land eine bedeutende Ausdehnung. Er führte B. die kroatischen Gebiete Duvno, Livno, Glamoč und 1325 schließlich Hum (Zahumlje, die spätere Herzegowina) zu. Durch den Erwerb der Küstenregion zwischen Ragusa und Omiš sicherte sich Stjepan auch einen Zugang zur Adria. Es werden ihm Vorstöße auf die dalmatinischen Inseln bis Korčula (damals im Besitz Venedigs) zugeschrieben. Die Beziehungen zu Serbien eskalierten nach der Zarenkrönung Stefan IV. Dušans 1346 zu kriegerischen Auseinandersetzungen, die nur durch die Vermittlung Venedigs beigelegt werden konnten. Die Machtstellung Stjepans verdankte sich wesentlich dem ungarischen Königshaus Anjou, das B. ähnlich wie auch Serbien an sich zu binden bestrebt war. Stjepans Verhältnis zum Papsttum gestaltete sich kompliziert, da er die bosnische Kirche in seinem Herrschaftsbereich anfänglich wohlwollend duldete. Die Beziehungen besserten sich, als er nach 1340 den Franziskanern die Gründung einer Mission gestattete. Letztere wirkten dann maßgeblich in den bosnischen Kanzleien, die neben der lateinischen Schrift auch die ›Bosančica‹ gebrauchten. Wirtschaftliche Grundlage der Politik Stjepans war der mit Hilfe deutscher Bergleute (slaw. Sasi, „Sachsen“) aus Ungarn intensivierte Bergbau.

Anfang des 15. Jh. deckten B. und Serbien mehr als die Hälfte des europäischen Bedarfs an Silber ab. Das Handelsmonopol für B. hatte Ragusa inne, das auch großen Anteil an der katholischen Prägung wichtiger Handelsstädte, wie Foča und Zvornik, hatte. Zusätzliche Einnahmen erwuchsen B. aus der Beteiligung am Sklavenhandel mit dem westlichen Mittelmeergebiet, der eventuell auch einen Kontakt mit dem Islam bereits vor der osmanischen Eroberung zur Folge hatte. Die territoriale Ausweitung B.s setzte sich unter Tvrtko I. Kotromanić fort. Das serbische Zarenreich, inzwischen in mehrere Despotate zerfallen, verlor an B. Gebiete an Drina und Lim (Trebinje, Prijepolje, Mileševo). 1377 ließ sich Tvrtko am Grab des Hl. Sava in Mileševo zum König Serbiens, B.s und des Küstenlandes krönen und nahm 1389 an der Schlacht auf dem Amselfeld teil. Durch Ausdehnung seiner Besitzungen an der dalmatinischen Küste wurde Tvrtko 1390 zum „König von Dalmatien und Kroatien“.

Die mögliche Entstehung eines Kroaten und Serben vereinenden Reiches mit B. als Zentrum ist nach Tvrtkos Tod 1391 ausgeblieben. Seine Nachfolger erwiesen sich den adligen Partikularinteressen gegenüber machtlos. Bereits 1393 gelang es dem ungarischen Königreich, die kroatischen und dalmatinischen Besitztümer B.s unter seine Herrschaft zu bringen. Der vergleichsweise raschen Eroberung B.s durch das Osmanische Reich 1463 gingen Tributleistungen an die Hohe Pforte (seit 1428) und die Gründung des osmanischen Vilayets um Sarajevo nach 1448 voraus. Massive Versuche der Rekatholisierung B.s unter den letzten beiden Königen, Stjepan Ostojić und Stjepan Tomašević, unterstützt durch das franziskanische Vikariat, lösten schließlich die Eingliederung B.s in den osmanischen Herrschaftsbereich aus.

Anfang

Ćirković S. 1983: Bosnien. Angermann N. (Hg.): Lexikon des Mittelalters 2. München, 472–477. Lovrenović I. 1998: Bosnien und Herzegowina. Eine Kulturgeschichte. Wien (= Transfer Europa 14). Malcolm N. 1996: Geschichte Bosniens. Frankfurt a. M.

(Robert Mießner)


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