Vlora (Stadt)

Vlora (alban. det., alban. indet. Vlorë, griech. Aulon, ital. hist. Valona, türk. hist. Avlonya)

V. ist nach Durrës die zweitwichtigste Hafenstadt in Südalbanien (Umsatz 2004: 300,6 Tsd. t), die mit 77.691 Einwohnern (2001) zu den größten Städten Albaniens. An der Straße von Otranto, der engsten Stelle der Adria, liegend, verfügt sie über eine hervorragend geschützte große Bucht, die zwischen das akrokeraunische Vorgebirge und die Insel Sazan eingebettet ist. V. ist Sitz der Präfektur Qarku i Vlorës mit 202.295 Einwohner (2004) und 2076 km² und des Kreises Rrethi i Vlorës mit 147.267 Einwohnern (Volkszählung 2001) und 1609 km². Neben einer Erdölraffinerie gibt es eine Zement-, Leder- und Textilfabrik. Die Bucht von V. bietet zahlreiche Strände für den Tourismus.

Die antike Vorgängerin von V. war Aulon, etwas nordwestlich von V. bei Treport gelegen. Allerdings haben Grabungen 1988 in der Nähe der Murād-Moschee (Xhamia e Muradies) Reste eine Befestigungsanlage aus dem 6. Jh. zutage gebracht, bei der es sich möglicherweise um jene Gründung der Einwohner von Apollonia handelt, die im 6. Jh. ihre Stadt wegen der Versandung des Hafens verlassen mussten. Der Name V. sowie italien. Valona und türk. Avlonya sind von Aulon abgeleitet. Lange Zeit byzantinisch, wird V. im 5. Jh. als Bischofssitz erwähnt. 1081 und 1107 wurde V. von den Normannen erobert, kam nach 1204 zum Despotat Epirus, 1272 in den Besitz der Anjou, danach erneut byzantinisch, bis V. 1343 serbisch wurde und schließlich 1378 in den Besitz der Adelsfamilie Balsha (serb. Balša) gelangte. 1417 wurde die Stadt von den Osmanen erobert. Unter deren Herrschaft entwickelte sich V. zur wichtigsten Hafenstadt in Albanien mit einer großen Handelsflotte und bildete auch den Ausgangspunkt der osmanischen Italienexpedition 1480. Insbesondere auch durch den Handel mit Ragusa (heute Dubrovnik) gelangte die Stadt zu einem großen Aufschwung. V. war besonders berühmt für seine Seidenwebereien und Waffenschmieden.

Um 1537 wurde V. von den Osmanen unter Sultan Süleymān I. durch eine große Festung gesichert, die zusammen mit einigen Werften als Basis für einen Eroberungszug über die Adria nach Italien dienen sollte. 1906 wurden die Überreste, die noch großenteils aufrecht stehenden Mauern und der Turm, abgerissen, um in eine Straße von der Stadt zum Hafen verbaut zu werden. Die Anlage lässt sich dennoch aufgrund alter Beschreibungen, Zeichnungen und Photographien rekonstruieren. Am 28.11.1912 wurde in V. die Unabhängigkeit Albaniens proklamiert, woran ein Denkmal auf dem Hauptplatz erinnert, und eine provisorische Regierung gebildet, an deren Spitze Ismail Qemal Bey Vlora stand. V. kann somit als die erste Hauptstadt Albaniens gelten. Aufgrund seiner strategischen Position war V. seit jeher ein begehrtes Ziel von westlichen sowie von östlichen Mächten als Brückenkopf sowohl Richtung Zentralbalkan als auch Richtung Adria. Im Ersten Weltkrieg war V. seit Dezember 1914 von den Italienern besetzt, die erst im September 1920 die Stadt verließen, sie aber wiederum 1939–43 besetzen. Durch die beiden Weltkriege und ein Erdbeben wurde die türkenzeitliche Stadt weitgehend zerstört, an Baudenkmälern haben sich die Murād Moschee aus der Mitte des 16. Jh., das Haus, in dem die albanische Unabhängigkeit proklamiert wurde und ein Bektaschikloster erhalten.

V. stand seit der Unabhängigkeitserklärung in einem Konkurrenzverhältnis zur Hauptstadt Durrës, nach dem Ersten Weltkrieg zu Tirana. Diese Situation kam sehr deutlich zum Ausdruck, als im Winter 1996 hier der erste Aufstand gegen die damalige Regierung Berisha in Tirana ausbrach, in dessen Folge der Versuch unternommen wurde, einen eigenen südalbanischen Staat mit V. als Hauptstadt zu etablieren. Da das italienische Festland nur etwa 60 km entfernt ist, wurde V. seit den 1990er Jahren zu einem Zentrum des Drogen- und Waffenschmuggels, ebenso des Menschenhandels (Flüchtlinge, Frauen für Prostitution) über die Adria nach Westeuropa.

Braho Z. 1997: Vlora në rrjedhat e historisë. Tiranë. Gaçe B. 1999: Lëvizja kombëtare në Vlorë 1878-1912. Tiranë. Luka Z. 1998: Vlora, Vlora: shënime. Tiranë.

(Eva Anne Frantz)


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