Perejaslav-Chmelʹnycʹkyj (Stadt)

Perejaslav-Chmelʹnycʹkyj (ukrain., russ. hist. Perejaslav-Chmelʹnickij, bis ins 15. Jh. Perejaslavlʹ, bis 1943 russ./ukrain. Perejaslav).

Inhaltsverzeichnis

1 Geographie

Die Stadt P. mit 30.659 Einwohner (2003) und 20,9 km² ist ein Kreiszentrum im linksufrigen Teil der Ukraine (Gebiet Kiew). Die Stadt liegt 112 km entfernt von Kiew auf einer Höhe von ca. 143 m. Die mittlere Temperatur in P. beträgt im Januar –6 °C, im Juli 19,2 °C. Die jährliche Niederschlagsmenge beläuft sich auf 590 mm.
P.-Ch. liegt in einem Agrargebiet am Steppenrand. Die Stadt bietet viele Museen und Architekturdenkmäler und ist als nationales, historisch-ethnographisches Gebiet mit nationaler Bedeutung ausgewiesen. Die Überreste der Befestigungen aus dem 10. Jh. wurden freigelegt und sind als Freiluftmuseum zugänglich. Industrie (Kleidung und Lebensmittel) sowie Gewerbe sind nicht bedeutend. In P. ist eine pädagogische Hochschule eingerichtet.

2 Kulturgeschichte

Die Siedlung am Fluss Trubiž südöstlich von Kiew wird in der sog. Nestorchronik bereits unter dem Jahr 907 genannt. Die von Fürst Vladimir I. Svjatoslavič laut der gleichen Chronik 992 nach seinem Sieg über die Petschenegen errichtete Burg sollte Kiew vor Angriffen der Nomadenvölkern sichern. Sie entwickelte sich im 11. Jh. zur Stadt und zählte zu Beginn des 12. Jh. bis zu 20.000 Einwohner. Die Burg nahm ca. 10 ha ein, das befestigte Suburbium ca. 80 ha. Um 1060 wurde der Bischofssitz zur Titularmetropole. Die Burgstadt war der Mittelpunkt des gleichnamigen Fürstentums, dessen Gebiet die Oberläufe der Flüsse Trubiž und Vorskla umfasste und im Westen an das Gebiet des eigentlichen Kiewer Fürstentums grenzte. Seit der Zeit Vladimir Monomachs sah derjenige Fürst der Rus, der die Macht über P. innehatte, dies als Vorstufe zur Herrschaft über Kiew. 1239 verwüsteten die Mongolen die Stadt. Um 1360 geriet sie unter litauische Herrschaft, im 15. und 16. Jh. kam P. zum Siedlungsgebiet der Kosaken. Doch erst im 17. Jh. – inzwischen Teil Polen-Litauens – wurde P. wieder zu einer größeren Siedlung. Um ihr Wachstum voranzutreiben, vereinbarten 1621 Christen und Juden, dass das 1585 eingeführte Magdeburger Recht für beide Bevölkerungsgruppen Rechtsgültigkeit haben soll. 1636 richteten die Jesuiten in der Stadt eine Lehranstalt ein, neben die 1738 ein orthodoxes Kollegium trat, das nach dem Vorbild der unter der Wirkung der Jesuiten entworfenen Kiewer Mohyla Akademie entworfen wurde.

Namentliche Bedeutung erhielt P. durch den Vertrag von P., in dem 1654 die Kosaken unter Bohdan Chmelʹnycʹkyj ihren am Dnjepr gelegenen Machtbereich dem Moskauer Zartum unterstellten. Zu den wichtigen Baudenkmälern der frühen Neuzeit zählen die „Michaelskirche“ (Mychajlivʹska cerkva, 1646–66, restauriert 1711–19), die „Auferstehungskathedrale“ (Voznesensʹkij Sobor, 1695–1700) sowie das Gebäude des orthodoxen Kollegiums (1753–57). 1896 lebten in P., zu der Zeit Kreisstadt des Gouvernements von Poltava, 15.582 Personen. Neben 7887 orthodoxen Christen machten die Juden mit 7392 47 % der Bevölkerung aus. Einer der wichtigsten jiddischsprachigen Schriftsteller, Šolem Alejchem wurde 1859 in P. geboren. P. wurde im Ersten Weltkrieg von deutschen Truppen besetzt. Nach dem Bürgerkrieg wurde die Stadt Teil der ukrainischen SSR. Während der Hungersnot 1932–33 (genannt Holodomor) sowie im Zweiten Weltkrieg erlitt die Bevölkerung hohe Verluste. Während der deutschen Besetzung 1941–43 wurden 60 % der Häuser zerstört. Nach der Rückeroberung durch die Rote Armee wurde die Stadt 1943 mit Referenz auf den Aufstand des Hetmans und zu seinen Ehren zu Perejaslav-Chmelʹnycʹkyj umbenannt. 1954 wurde ein Denkmal zur 300jährigen sog. Vereinigung der Ukraine mit Russlands errichtet. Bereits 1974 zählte P. wieder etwa 25.000 Einwohner. In den 70er Jahren wurde die Stadt zum Mittelpunkt eines Agrargebietes. Unter den Museen sind das Historische Museum (1946), das Museum für nationale Architektur und Volkskunde, das Hryhorij-Skovoroda-Museum (1972) sowie das Šolem Alejchem-Museum hervorzuheben.

Poppe A. 1993: Perejaslavlʹ. Angermann N. (Hg.): Lexikon des Mittelalters 6. München, 1883. Kroinnyj N. 1992: Perejaslavskaja zemlja. X–pervaja polovina XIII veka. Kiev. Plokhy S. 2001: The Ghosts of Pereyaslav: Russo-Ukrainian Historical Debates in the Post-Soviet Era. Europe-Asia Studies 53/ 3, 489–507. http://phm.org.ua/ua/index.php?go=home.html [Stand 1.12.2005].

(Stefan Rohdewald)


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