Vladimir Svjatoslavič

Vladimir (I.) Svjatoslavič (russ., ukrain. Volodymyr (I.) Svjatoslavyč, gen. russ. Velikij, Svjatoj, „der Hl.“, „der Große“, Taufname russ. Vasilij, ukrain. Vasilʹ), * nach 950 Kiew, †15.7.1015 Brestova bei Kiew; Fürst von Novgorod (969–1015), Fürst von Kiew (980-1015).

V. war Sohn des Fürsten Svjatoslav. Schon zu Lebzeiten (969) teilte dieser das nur locker verbundene Herrschaftsgebiet der Kiewer Rus unter seinen Söhnen auf: Kiew und das Gebiet der „Poljanen“ fiel Jaropolk zu, das der „Drewljanen“ ging an Oleg, V. erhielt Novgorod. Bald nach Svjatoslavs Tod (972/73) kam es zum Machtkampf zwischen den Brüdern. Nachdem 977 Oleg bei Jaropolks Rachefeldzug gefallen war, floh V. nach Schweden. 979/80 kehrte er mit warägischen Kriegern zurück und nahm Novgorod wieder ein. Danach zog er nach Polock (russ., heute weißruss. Polack), tötete dort den skandinavischen Fürsten Rognvald (russ. Rogvolod, weißruss. Rahvalod) und heiratete dessen Tochter Ragnhild (russ. Rogneda, weißruss. Rahneda). Anschließend nahm er Kiew kampflos ein. Als der geflohene Jaropolk verhandeln wollte, erschlug ihn sein Bruder. V. kontrollierte nun den gesamten Weg von den „Warägern zu den Griechen“. Um die Herrschaft nach außen abzusichern und um die Handelswege nach Westen und Nordwesten in seine Gewalt zu bringen, unternahm er mehrere Feldzüge: 981 und 982 gegen die „Wjatitschen“, ebenfalls 981 nach Westen bis nach Peremyšlʹ (poln. Przemyśl), 983 gegen die baltischen Jatvingen und die finnougrischen „Tschuden“, 984 gegen die „Radimitschen“ und 985 gegen die Wolgabulgaren. Gegen die Petschenegen errichtete er im Süden und Südwesten mehrere Festungen. Das bedeutendste Ereignis in V.s Regierungszeit war die „Taufe der Rus“ nach orthodoxem Ritus. Ausschlaggebend hierfür waren außenpolitische Erwägungen, denn als Lohn gaben ihm die byzantinischen Kaiser ihre Schwester Anna Porphyrogennēta zur Frau. V. stand jetzt mit den anderen christlichen Potentaten auf einer Stufe. Seinen Stiefsohn (nach einigen Quellen auch: Sohn) Svjatopolk verheiratete er mit der Tochter des polnischen Herzogs Bolesław Chrobry. Wie sein Vater teilte V. das Reich unter seinen Söhnen auf, doch dank seiner persönlichen Autorität blieb die Einheit erkennbar und wurde die Konsolidierung der Rus fortgesetzt. Seit dem 13. Jh. wird V. als Heiliger verehrt. V.s Leben ist in der altrussischen Literatur mehrfach verarbeitet worden: in der „Erzählung von den vergangenen Jahren“ (altkirchenslaw. Pověstʹ vrěmennych lět, auch: Nestorchronik), in der Lobrede (Slovo o zakone i blagodati) des Metropoliten Ilarion (11. Jh.) sowie in den Heldenepen (Byliny).

Tschižewskij D. (Hg.) 1969: Die Nestor-Chronik. Wiesbaden, 59-138 (= Slavistische Studienbücher VI). Vladimirskij Sbornik v pamjatʹ 950-letija kreščenija Rusi. Belgrad 1938. Rüss H. 1981: Das Reich von Kiev. Hellmann M. (Hg.): Handbuch der Geschichte Russlands, Bd. I.1. Stuttgart, 302-315.

(Wolfram von Scheliha)


Views
bmu:kk