Südlicher Bug
Südlicher Bug (altgriech. Hypanis, poln. hist. Boh, russ. hist. Južnyj Bug, ukrain. Pivdennyj Buh)
Inhaltsverzeichnis |
1 Geographie
Fluss im Südwesten des Osteuropäischen Tieflands. Der S. B. entspringt im Zentrum der Podolischen Platte auf einer Höhe von 321 m ü. d. M. In seinem Verlauf fließt er durch die ukrainischen Gebiete Chmelʹnycʹkyj, Vinnycja, Kirovohrad, Odessa und Mykolajiv. Nach 806 km mündet er bei Olʹšansʹke in den „Buger Liman“ (ukrain. Buzʹkyj lyman), welcher über den Dnjepr-Liman mit dem Schwarzen Meer verbunden ist. Bezieht man den „Buger Liman“ mit ein, so hat der Fluss eine Länge von 857 km und ein Einzugsgebiet von 63.700 km². Die mittlere Abflussmenge beträgt an der Mündung 160 m³/s.
Während der S. B. im Oberlauf durch ein weites sumpfiges Tal fließt, so schneidet er sich im Mittellauf in ein kristallines Massiv ein. Das Ufer ist aus Granit und etwa 20–30 m hoch, an einigen Stellen erreicht es Höhen von 90 m. In diesem Bereich gibt es viele Stromschnellen, wobei die meisten in einem 90 km langen Abschnitt zwischen Pervomajsʹk und Oleksandrivka liegen. Im Unterlauf fließt der Fluss durch die Schwarzmeersenke, wo er viele Nebenarme ausgebildet hat. Vor seiner Mündung in den „Buger Liman“ erreicht er eine Breite von 800 m bei einer Tiefe von 2–3 m. Größere Nebenflüsse sind Synjucha und Inhul (links), sowie Kodyma (rechts).
Da der S. B. im Unterlauf durch trockene Steppengebiete fließt, welche nur über geringe Niederschlagsmengen verfügen, erfüllt der Fluss insbesondere dort bei der Wasserversorgung eine wichtige Funktion. Der größte der insgesamt 13 Stauseen am S. B. liegt bei Ladyžyn (ukrain. Ladyžynsʹke vodoschovyšče). Der Damm dieses Stausees wurde 1964 fertiggestellt. Auf einer Fläche von 20,8 km² können dort ca. 0,15 km³ Wasser gespeichert werden. Von wirtschaftlicher Bedeutung sind auch die Fischbestände des Flusses (v.a. Hecht und Zander). Als Transportweg spielt der S. B. dagegen aufgrund der Stromschnellen im Mittellauf und des relativ geringen und über das Jahr sehr schwankenden Wasserabflusses keine große Rolle. So ist er lediglich von der Mündung bis Voznesensʹk auf insgesamt 160 km schiffbar. Haupthäfen sind Voznesensʹk und Mykolajiv, in welchen überwiegend Weizen und Baumaterialien verschifft werden. Zu den größeren Städten am S. B. gehören Chmelʹnycʹkyj, Chmilʹnyk, Vinnycja, Pervomajsʹk, Voznesensʹk und Mykolajiv. Am Unterlauf befindet sich das Atomkraftwerk Južnoukrajinsʹk.
2 Kulturgeschichte
An der Mündung des „Buger Liman“ in den Dnjepr-Liman bestand in der Antike die griechische Kolonie Olbia. Ende des 9. Jh. n. Chr. kamen die Petschenegen in dieses Gebiet, in welchem zu der damaligen Zeit der ostslawische Stamm der „Ulitschen“ siedelte. 1090/91 konnten die Petschenegen von hier aus bis nach Konstantinopel vorstoßen.
Im 10. Jh. wurde der Oberlauf Teil des Reiches der Kiewer Rus. Zu dieser Zeit verlief entlang des Flusses eine wichtiger Handelsroute zwischen Ostsee und Schwarzem Meer. Mitte des 13 Jh. kam die gesamte Flussregion unter die Kontrolle der Mongolen. Als deren Macht schwand, konnte im späten 14. Jh. das mit Polen verbundene litauische Großfürstentum das Flussgebiet erobern. Allerdings mussten die Litauer den Unterlauf bald wieder aufgrund von Mongoleneinfällen aufgeben. Auch die Regionen im Ober- und Mittellauf waren bis ins 17. Jh. immer wieder von Überfällen betroffen. 1526 wurde das Gebiet westlich des Unterlaufs zur osmanischen Provinz Jedisan, während die Region östlich davon dem mit dem Osmanischen Reich verbündeten Krimkhanat unterstand. Den Ober- und Mittellauf des Flusses konnte das Osmanische Reich 1672 dagegen nur kurzzeitig unter seine Kontrolle bringen. Ab 1699 (Frieden von Karlowitz) gehörte dieses Gebiet wieder zu Polen-Litauen. Nachdem das Russische Reich im Rahmen seiner Südexpansion im 18. Jh. zunächst den Unterlauf des S. B.s von den Osmanen erobern konnte, was im Frieden von Küçük Kaynarca (1774) bestätigt wurde, kamen durch die zweite Teilung Polen-Litauens 1793 auch die Gebiete am Ober- und Mittellauf zu Russland.
Da die Regionen im Unterlauf nach der Eroberung nur schwach besiedelt waren, wurden von der russischen Zarin Katharina II. deutsche Siedler angeworben. Dieses deutsche Siedlungsgebiet bestand knapp 150 Jahre, bevor die Sowjetregierung es während des Zweiten Weltkriegs auflöste und die Bewohner zur Umsiedlung nach Kasachstan und Sibirien zwang. Heute ist das Flussgebiet mehrheitlich von Ukrainern bewohnt. Insbesondere in größeren Städten und am Unterlauf gibt es aber auch bedeutende russische Minderheiten, welche in einigen Orten Anteile von über 20 % ausmachen können. Im Ober- und Mittellauf existiert noch eine kleinere polnische Minderheit. Allerdings sind die Bevölkerungsanteile der Russen und Polen seit 1989 stark zurückgegangen.
Kremko A. A. 1984: Po Južnomu Bugu. Odessa.