Bromberg (Stadt)

Bromberg (poln. Bydgoszcz)

Inhaltsverzeichnis

1 Geographie

Die Hauptstadt (Sitz des Woiwoden) der nordpolnischen Woiwodschaft Kujawien-Pommern (województwo kujawsko-pomorskie) und Kreisstadt B. ist 174,5 km² groß und hat 366.074 Einwohner (2005). Sie liegt auf einer Höhe von ca. 55 m ü. d. M. nahe der Mündung der Brahe in die Weichsel und am Ausgangspunkt des 25 km langen B.er Kanals (Kanał Bydgoski), der die Weichsel mit Netze und Oder verbindet. Die mittlere Temperatur in B. beträgt im Januar ca. –3 °C, im Juli erreicht sie ca. 18 °C. Die jährliche Niederschlagsmenge beträgt im Durchschnitt 540 mm. In der Umgebung B.s befinden sich die Wälder der B.er Heide (poln. Puszcza Bydgoska).

Das wichtige und sich stark entwickelnde Dienstleistungs- und Industriezentrum ist Verkehrsknotenpunkt für Straße und Schiene und verfügt über einen Flug- (seit 2005 international, 38.684 Passagiere) und Binnenhafen. Ein Teil des innenstädtischen Verkehrs wird über eine „Wassertram“ (tramwaj wodny) abgewickelt. Die bedeutendsten Wirtschaftszweige der Stadt, in der sich eine der längsten Weichselbrücken befindet (1325 m), sind neben chemischer und elektrotechnischer Industrie die Lebensmittelverarbeitung sowie der Maschinen- und Fahrzeugbau (v. a. Fahrräder).

Seit 2005 verfügt B. über eine Universität (Uniwersytet Kazimierza Wielkiego) mit ca. 20.000 Studierenden. Daneben gibt es drei weitere staatliche Hochschulen für Technik, Landwirtschaft, Medizin und Musik sowie mehrere wissenschaftliche Forschungsinstitute (u. a. für Landwirtschaft und Veterinärwesen) und private Hochschulen. Zu den wichtigsten kulturellen Einrichtungen der Stadt zählen die ›Opera Nova‹, das „Polnische Theater“ (Teatr Polski), die städtische Galerie und die „Pommersche Philharmonie“ (Filharmonia Pomorska). Erwähnenswert sind auch das „Museum für Diplomatie und Polnische Emigration“ (Muzeum Dyplomacji i Uchodźstwa Polskiego) sowie das „Museum des Pommerschen Militärbezirks“ (Muzeum Pomorskiego Okręgu Wojskowego). Das Kreismuseum im ehemaligen Klarissenkloster verfügt über die größte Sammlung von Werken des Künstlers Leon Wyczółkowski (1852–1936). Mehrere Musik- und Theaterfestivals bereichern das kulturelle Leben der Stadt (u. a. seit 1963 die B.er Musikfestspiele). Seit 1966 werden in B. unter dem Namen ›Musica Antiqua Europae Orientalis‹ internationale musikwissenschaftliche Kongresse veranstaltet.

Anfang

2 Kulturgeschichte

Ab dem 12. Jh. als Burgsiedlung belegt und 1238 erstmals urkundlich erwähnt, befand sich B. bis zum Frieden von Kalisz 1343 wiederholt für kurze Zeit im Besitz des Deutschen Ordens (u. a. von 1331–37). 1346 entstand auf Veranlassung des polnischen Königs Kazimierz III. Wielki neben der Burg eine Stadt, die mit Magdeburger Recht versehen wurde. Während der deutsche Bevölkerungsteil die Stadt nach dem Fluss Brahe benannte, woraus der Name B. entstand, übertrug die polnische Bevölkerung den Namen der alten Burg auf die Stadt. Im 15. und 16. Jh. entwickelte sich B. zu einem Zentrum des Salz- und Getreidehandels. Dem Aufschwung der Stadt wurde durch die Kriege gegen Schweden im 17. Jh. (in deren Verlauf auch die Burg zerstört wurde) ein Ende bereitet.

Der 1657 zwischen dem polnischen König Jan II. Kazimierz Waza und dem brandenburgischen Kurfürst Friedrich Wilhelm I. geschlossene Vertrag von B. ergänzte den Vertrag von Wehlau und beendete das polnische Lehensverhältnis über das Herzogtum Preußen (Vertrag von Wehlau und B.).

Infolge der Ersten Polnischen Teilung gelangte B. 1772 an Preußen und wurde zum Zentrum des neu gebildeten ›Netzedistrikts‹. Als Konkurrent der bei Polen verbliebenen Städte Thorn und Danzig erfuhr die Stadt, v. a. durch den Bau des B.er Kanals (1773/74), besondere wirtschaftliche Förderung. Ab 1807 war B. Teil des Großherzogtums Warschau. Im 19. Jh. entwickelte sich die Stadt, die ab 1815 erneut zu Preußen gehörte, zu einem industriellen und kulturellen Zentrum. 1920 gelangte B. infolge des Versailler Friedens an die Zweite Polnische Republik („Polnischer Korridor“). Obwohl die Zahl der deutschen Einwohner bis 1939 auf unter 10 % (1910: 81 % von 57.696 Bewohnern) sank, blieb B. ein Zentrum der deutschen Minderheit in Polen.

Zu Beginn des Zweiten Weltkriegs kam es vom 3.-8.9.1939 zu Übergriffen polnischer Soldaten und Zivilisten gegen die deutsche Bevölkerung, bei denen etwa 1100 Zivilisten ums Leben kamen (je nach Darstellungsweise schwanken die Opferzahlen zwischen 358 und 5437). Dieser, noch heute höchst umstrittene, sog. B.er Blutsonntag wurde von der nationalsozialistischen Propaganda schnell aufgegriffen und instrumentalisiert. So wurde die Zahl der Opfer bewusst vervielfacht, das Ereignis selbst zur Rechtfertigung des deutschen Überfalls auf Polen als „Schutzfeldzug“ herangezogen. Deutsche Sondergerichte verhängten im Anschluss zahlreiche Todesurteile. Insgesamt verloren während der nationalsozialistischen Herrschaft ca. 37.000 (von 141.000) Bewohner B.s, das von 1939–45 dem Deutschen Reich (Reichsgau Danzig-Westpreußen) angegliedert war, ihr Leben. Während des Zweiten Weltkriegs befanden sich in B. zwei Nebenlager des KZ Stutthof.

Nach 1945 verzeichnete die Woiwodschaftshauptstadt eine starke Bevölkerungszunahme (1946: 134.614, 1960: 232.000 Einwohner). Das Stadtgebiet B.s wurde durch mehrere Eingemeindungen erheblich erweitert (u. a. 1973 durch die damals 10.000 Einwohner zählende Stadt Fordon). Der älteste Stadtteil B.s, das im Zweiten Weltkrieg nur wenig zerstört wurde, befindet sich unmittelbar an der Brahe. Dort blieben die spätgotische Pfarrkirche St. Martin und Nikolaus (Św. Marcina i Mikołaja,1466-1502), Speicherhäuser sowie Überreste der Stadtmauer mit Bastei (1484) erhalten.

Jähnig B., Ohlhoff G. (Hg.) 1995: 650 Jahre Bromberg. Münster [= Quellen und Darstellungen zur Geschichte Westpreußens Nr. 26].

(Thomas Himmelsbach)

Anfang
Views
bmu:kk