Burgenland (Gebiet)

Burgenland (kroat. Gradišće, ungar. Várvidék)

Das B. ist das östlichstes Bundesland Österreichs mit einer Größe von 3966 km² und einer gemeinsamen Grenze mit der Slowakei (26 km), Ungarn (356 km) und Slowenien (15 km). Die Landschaft gliedert sich in das flache nördliche B. mit dem Neusiedler See (Steppensee), und das mittlere und südliche B., ein durch die Ausläufer der östlichen Alpen geprägtes Hügelland. Klimatisch ist das B. ein Übergangsgebiet zum pannonischen Klima mit heißen Sommern und kalten Wintern.

Die Hauptstadt Eisenstadt ist mit ca. 12.000 Einwohnern (2006) die größte Stadt im B., das von einer kleinräumigen Siedlungsstruktur geprägt ist. Die Bevölkerungszahl lag 2001 bei 277.600. Die Bezirke im Süden und Gemeinden in unmittelbarer Grenzlage zu Ungarn und der Slowakei sind mit Abwanderung konfrontiert.

Etwa 10 % der gegenwärtigen Wohnbevölkerung gehören einer der drei anerkannten Volksgruppen des Bs. an. Die größte Gruppe dabei bilden die burgenländischen Kroaten. Laut Volkszählung gab es 2001 ca. 16.300 Personen mit Burgenländischkroatisch als Umgangssprache. Die ungarische Volksgruppe umfasste 2001 ca. 4700 Personen. Über die Anzahl der im B. lebenden Roma gibt es keine gesicherten Zahlen, da das Bekenntnis zu dieser Volksgruppe immer noch mit einer gesellschaftlichen Stigmatisierung verbunden ist. Eine Schätzung des Jahres 2001 spricht von etwa 4900 Personen.

Mit etwa 13,3 % hat das B. einen relativ hohen Anteil an Protestanten, was auf die liberalere Religionsgesetzgebung während der Zugehörigkeit des B. zur ungarischen Reichshälfte der Habsburgermonarchie (bis 1921) zurückzuführen ist. 79,4 % der Bevölkerung des B. sind römisch-katholisch.

Historisch gesehen gehörte das gesamte Grenzgebiet bis 1918 zur ungarischen Reichshälfte der österreichisch-ungarischen Doppelmonarchie und war ein mehrheitlich deutschsprachiges Siedlungsgebiet, daher stammt auch die historische Bezeichnung ‹Deutsch-Westungarn‹. Eine große Anzahl von KleinbäuerInnen, deren Besitz durch die im B. übliche Erbteilung immer mehr aufgesplittert wurde, war Mitte des 19. Jh. durch landwirtschaftlichen Erwerb nicht mehr existenzfähig. Vielen gelang es nur als WanderarbeiterIn in der Industrie und im Gewerbe des benachbarten Österreich oder als Haushaltsgehilfen in der Reichshauptstadt Wien den Lebensunterhalt zu bestreiten. Die USA wurden bevorzugtes Ziel burgenländischer Migranten.

Im Friedensvertrag von St. Germain-en-Laye (1919) wurde von den Siegermächten das deutschsprachige Siedlungsgebiet Ungarns Österreich zugesprochen und 1921 unter dem neuen Namen B. angegliedert. Der Name „B.“ leitet sich von den vier ehemaligen ungarischen Komitaten Pozsony, Moson, Sopron und Vas ab, aus denen das Territorium des heutigen Bs. hervorging.

Damit war zwischen Österreich und Ungarn eine neue Grenze entstanden, die zwar weitgehend der Sprachgrenze folgte, jedoch eine wirtschaftlich und administrativ integrierte Region zerschnitt. Am schwerwiegendsten war die Abtrennung von den größeren Städten der Region, die bei Ungarn verblieben. Damit entstand eine überwiegend agrarisch dominierte Region mit vielen kleinen Gemeinden, aber ohne prägende Zentren. Die Abtrennung von den Städten der Region führte nicht nur zum Verlust der Verwaltungszentren, auch das mittlere und höhere Schulwesen, kulturelle Einrichtungen, Industriestandorte und Absatzmärkte für landwirtschaftliche Produkte gingen verloren. Das jüngste Bundesland Österreichs war bei seiner Angliederung 1921 damit das wirtschaftlichst ärmste und rückständigste, ein Zustand, der sich während der Zwischenkriegszeit nicht wesentlich änderte und noch bis heute die Entwicklung des Landes mitprägt.

Am 12.3.1938 wurde Österreich von Hitler-Deutschland annektiert und dem Deutschen Reich einverleibt. Die ca. 3600 Juden und Jüdinnen des Bs. gehörten unmittelbar nach dem Anschluss Österreichs an das Deutsche Reich zu den ersten, die verfolgt, vertrieben und ermordet wurden; auch der überwiegende Teil der ca. 6000 burgenländischen Roma fand in den Konzentrationslagern der Nazionalsozialisten den Tod.

Nach der Wiedererrichtung des B. als eigenständiges österreichisches Bundesland war es bis 1955 sowjetische Besatzungszone. Die Errichtung des sogenannten Eisernen Vorhanges nach 1948 wurde im Grenzgebiet zur nachhaltigen Trennlinie. Viele der früheren nachbarschaftlichen Beziehungen beiderseits der Grenzen verschwanden im Laufe der Jahrzehnte. Besonders im wirtschaftlichen Bereich war diese Grenze eine tote Grenze, sodass bestehende Betriebe abwanderten und es schwer war, neue anzusiedeln. Der Abbau des Eisernen Vorhangs in Europa begann am 2.5.1989 an der burgenländisch-ungarischen Grenze. Schon davor waren die Visa-, Pass- und Devisenbeschränkungen aufgehoben worden. Der EU-Beitritt Österreichs am 1.1.1995 stellte einen entscheidenden Schritt dar, mit dem das B. aus seiner Grenzlage herauszutreten begann.

Ernst A. 1991: Geschichte des Burgenlandes. Wien. Deinhofer E., Horvath T. (Hg.) 1991: Grenzfall. Burgenland 1921-1991. Großwarasdorf/Veliki Borištof. Widder R. (Hg.) 2000: Burgenland. Vom Grenzland im Osten zum Tor im Westen. Wien (= Dachs, H., Hanisch E., Kriechbaumer R. (Hg): Geschichte der österreichischen Bundesländer seit 1945. Bd. 5).

(Gert Tschögl)

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