Burgenland (Ungarn)

Burgenland (Ungarn), burgenländische Ungarn

Das Gebiet des österreichischen Bundeslandes Burgenland stellte bei der Gründung des Ungarischen Königreichs 1001 durch König István I. die Westgrenze zum Heiligen Römischen Reich dar. Die Herkunft der b. U. geht auf die Ansiedlung ungarischer Grenzwächter zwischen dem 10. und 12. Jh. entlang dieser Grenzlinie zurück. Adelsbriefe hoben die Bewohner der ungarischen Grenzwächtersiedlungen in den Stand von Kleinadeligen. Unter König István I. wurden deutsche Ritter angesiedelt, im 12./14. Jh. kamen weitere deutsche Siedler in das Gebiet. Seit den Anfängen des ungarischen Königreichs lebten in diesem Gebiet ungarische und deutsche Volksgruppe miteinander. Wegen seiner mehrheitlich deutschsprechenden Bevölkerung wurde dieses Siedlungsgebiet bis zum Ende der österreichisch-ungarischen Doppelmonarchie als „Deutsch-Westungarn“ bezeichnet.

Die Sozialstruktur der b. U. war in der Zwischenkriegszeit heterogen. Sie setzten sich aus den im 18. Jh. angesiedelten Landarbeiterinnen und Landarbeiter auf den Meierhöfen im Norden, bäuerlichen Familien im Mittel- und Südburgenland, nicht nach Ungarn zurückgekehrten Verwaltungsbeamten, Gewerbetreibenden und Angehörigen des ungarischen Adels zusammen. Eine gemeinsame Identität aller sozialen Gruppen fehlte. Das im Burgenland besonders ausgeprägte lokale Gruppenbewusstsein bewahrte den Sprachgebrauch der b. U.

Trotz der antiungarischen Politik im Burgenland in den zwanziger und dreißiger Jahren des 20. Jh. behielt der Gebrauch der ungarischen Sprache hohes Ansehen unter der kleinen Schicht des Bürgertums. Ungarisch wurde aber auch in einem Großteil der jüdischen Familien gesprochen, die bis zu ihrer Vertreibung 1938 durch das NS-Regime etwa 3600 Personen zählten. Für in ungarischsprachigen Gemeinden lebenden Burgenland-Roma hatte das Ungarische den Stellenwert einer zweiten Umgangssprache.

Im 1955 unterzeichneten Staatsvertrag wurden zwar die Minderheitenrechte festgehalten, die Volksgruppe der b. U. fand aber keinen Eingang in den Vertragstext. Der „Burgenländisch-Ungarische Kulturverein“ (Burgenlandi Magyar Kultúregyesület) gründete sich 1968 u. a. mit dem Ziel, die Anerkennung der b. U. als Volksgruppe zu erreichen. 1976 wurde das Volksgruppengesetz als einheitliche Rechtsgrundlage für die österreichischen Volksgruppen geschaffen und die b. U. als Volksgruppe anerkannt. Der im Bundeskanzleramt eingerichtete ungarische Volksgruppenbeirat konstituierte sich 1979.

1992 nahm das zweisprachige Gymnasium in Oberwart seine Tätigkeit auf, wo neben Deutsch und Kroatisch auch Ungarisch als Unterrichtssprache angeboten wird. Zweisprachige Ortstafeln wurden im Burgenland 2000 aufgestellt. Seit 1984 werden ungarischsprachige Programme im regionalen österreichischen Rundfunk und Fernsehen ausgestrahlt. Durch den Abbau des Eisernen Vorhangs an der burgenländisch-ungarischen Grenze 1989 und dem Beitritt Ungarns zur EU 2004 hat die ungarische Sprache im burgenländischen Wirtschaftsleben wieder an Bedeutung gewonnen.

Seit 1910 nahm die Zahl der b. U. ab. Die Volkszählung von 1910 gab ca. 26.200 Personen an, 1934 zählte man ca. 10.400 und 1991 ca. 5000 Personen. Schätzungen des Jahres 1991 sprachen jedoch von ca. 16.700 Personen mit aktivem oder passivem ungarischen Sprachgebrauch im Burgenland. Die Volkszählung 2001 nannte bei einer Gesamtbevölkerung von ca. 277.600 Einwohnern ca. 4700 b. U.

Somogyi L. 2000: Die burgenländischen Magyaren. Geschichte, Geographie, Siedlung, Ethnikum, Sozialstruktur. Oberschützen. Holzer W., Münz R. (Hg.) 1993: Trendwende? Sprache und Ethnizität im Burgenland. Wien. Österreichisches Volksgruppenzentrum (Hg.) o. J.: Burgenländische Ungarn. Wien (= Österreichische Volksgruppenhandbücher 4).

(Gert Tschögl)

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