Burgenland (Kroaten)
Burgenland (Kroaten), burgenländische Kroaten
Zu Beginn des 16. Jh. fanden kroatische Familien, auf der Flucht vor türkischen Truppen, Aufnahme durch adelige Grundherren in Westungarn, der Südwestslowakei und im südöstlichen Niederösterreich. Die etwa 25.000-30.000 im Gebiet des heutigen Burgenland angesiedelten Kroatinnen und Kroaten machten ca. 30 % der ansässigen Bevölkerung aus. Mehrheitlich stammten sie aus Bauernfamilien, es waren aber auch Priester, Handwerker, Händler und Kleinadelige unter ihnen. Ihre Umgangssprache war nicht einheitlich und bestand aus den čakavischen, kajkavischen und štokavischen Dialekten des Kroatischen. Das Messbuch von Klingenbach (1564) dokumentiert die altkirchenslawische Liturgie, die von den im Burgenland angesiedelten kroatischen Priestern mitgebracht wurde. 1747 erschien der erste kroatische Katechismus im Burgenland. Seit 1805 trugen Volkskalender in Kroatisch zur Festigung und Verbreitung der burgenländisch-kroatischen Schriftsprache bei.
In der ungarischen Reichshälfte wurden nichtungarische Volksgruppen durch die Wiener Zentralregierung als Reaktion auf die ungarische Revolution von 1848 gefördert, wodurch eine eigenständige Kultur der b. K., v. a. durch die Herausgabe von Büchern in kroatischer Sprache, begünstigt wurde. Das ungarische Unterrichtsgesetz von 1868 sah den Unterricht in der Muttersprache der ortsansässigen Bevölkerung in Volksschulen vor. Gemeindeämter waren verpflichtet, den Amtsverkehr in der Sprache der Gemeindebewohner zu führen. 1879 und 1907 unternahmen ungarische Regierungen die Magyarisierung dieses Raumes ohne nachhaltigen Erfolg; kroatischsprachige Gemeinden konnten sich bis zur Angliederung des Burgenlandes an Österreich (1921) behaupten.
Nach dem Ende des Ersten Weltkrieges und dem Zerfall der Österreich-Ungarischen Monarchie begannen unter internationalem Vorsitz langjährige Verhandlungen über die Angliederung der Gebiete mit deutschsprachiger Mehrheit in Westungarn an Österreich. In dieser Frage waren die b. K. im Zwiespalt. Ein Verbleib bei Ungarn hätte eine territoriale Abtrennung von den Arbeitsplätzen in der Industrie im Wiener Becken bedeutet, eine Angliederung an Österreich den Verlust muttersprachiger Volksschulen, welche die österreichische Schulgesetzgebung nicht vorsah. Parteipolitische Auseinandersetzungen zur Frage der Schulgesetzgebung im Burgenland spalteten die b. K. noch tiefer in die zwei großen politischen Lager der Sozialdemokraten und Christlichsozialen. Während die Sozialdemokraten auf eine Einführung des österreichischen Schulgesetzes, das eine strikte Trennung von Kirche und Schule vorsah, drängten, beharrten die Christlichsozialen und klerikalen Kreise auf die Beibehaltung der konfessionellen Volksschulen, die Unterricht in gemischtsprachigen Gemeinden in kroatisch unterhielten. 1937 wurde eine Regelung betreffend der kroatischen Unterrichtssprache geschaffen, die jedoch durch die Machtübernahme der Nationalsozialisten 1938 nicht mehr zum Tragen kamen.
Die Minderheitenpolitik der Nationalsozialisten in Österreich gegenüber den b. K. war ambivalent und lief auf eine rasche Assimilation hinaus, einer Verfolgung auf Grund ihrer Volksgruppenzugehörigkeit waren sie jedoch nicht ausgesetzt. Ihr Verzicht auf Minderheitenrechte schützte sie vor Verfolgung. Die NSDAP veranstaltete auch Parteikundgebungen in kroatischer Sprache und b. K. waren auch Mitglieder der NSDAP. Das Kroatische wurde aus dem Lehrplan für Volkschulen in gemischtsprachigen Gemeinden genommen, Lehrer und Priester, die sich für das Kroatische einsetzten, zwangsversetzt und verfolgt. Kroatische Kulturvereine und Schulstiftungen wurden in den meisten Fällen aufgelöst. B. K. waren auch im Widerstand gegen die nationalsozialistische Diktatur zu finden. V. a. der unorganisierte individuelle Widerstand war unter kroatischen Geistlichen besonders hoch. Einige waren auch in verschiedenen politischen Widerstandsgruppen organisiert, und einzelne kämpften auf der Seite der jugoslawischen Partisanen.
Mit Lorenz Karall wurde 1946 erstmalig ein Kroate Landeshauptmann des Burgenlandes. Bei den nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges begonnen Verhandlungen um einen österreichischen Staatsvertrag (1947–55) wurde ein Bevölkerungstausch der b. K. mit der im Staatsverband Jugoslawiens lebenden deutschsprachigen Bevölkerung von Seite Jugoslawiens vorgetragen, das aber von den anderen Siegermächten nicht zum Verhandlungsthema gemacht wurde. Von allen Politikern und Vertretern der k. B. wurde dieser Versuch der jugoslawischen Regierung entschieden abgelehnt. Im 1955 unterzeichneten Staatsvertrag sieht der Art. 7 die Minderheitenrechte und Bestimmungen bezüglich der Amtssprachen, des Schulwesens und der topographischen Aufschriften (zweisprachige Ortstafeln) u. a. für die b. K. vor. 1976 wurde das Volksgruppengesetz als einheitliche Rechtsgrundlage für die österreichischen Volksgruppen geschaffen. Als institutionalisierte Minderheitenvertretung wurden Volksgruppenbeiräte im Bundeskanzleramt eingerichtet. Der Volksgruppenbeirat wurde wegen inhaltlicher Bedenken von den b. K. erst 1992 beschickt.
Ende der siebziger Jahre begannen sich neue kroatische Kulturinitiativen zu etablieren, die auch zeitgenössische Strömungen aus Kunst und Kultur in ihrem Volksgruppenverständnis aufnahmen. Eine Initiative erreichte 1978 die Einführung kroatischer Radiosendungen im österreichischen Rundfunk. 1984 wurde die „Volkshochschule der Burgenländischen Kroaten“ gegründet. Mit einem Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes wurde 1987 Kroatisch als Amtsprache in sechs Bezirken des Burgenlandes eingeführt. 1992 nahm das zweisprachige Gymnasium in Oberwart seine Tätigkeit auf, wo neben Deutsch und Ungarisch auch Kroatisch als Unterrichtssprache angeboten wird. Die im Staatsvertrag des Jahres 1955 festgeschriebene Bestimmung, zweisprachige Ortstafeln aufzustellen, wurden im Burgenland im Jahr 2000 umgesetzt.
Der „Kroatische Kulturverein im Burgenland“ (Hrvatsko kulturno društvo u Gradišću), das „Kroatische Kultur- und Dokumentationszentrum“ (Hrvatski kulturni i dokumentarni centar), das Kultur- und Veranstaltungszentrum KUGA (Kulturna zadruga) und das „Burgenländisch-kroatische Zentrum“ (Gradišćansko-hrvatski Centar) in Wien u. a. vertreten die kulturellen und politischen Angelegenheiten der b. K.
Nach der Volkszählung des Jahres 1923 gaben 42.000 Personen im Burgenland, 14,7 % der Wohnbevölkerung, an, Kroatisch als Umgangssprache zu verwenden. Bis 2001 sank die Zahl. Bei der Volkszählung 2001 wurde erstmals zwischen „Burgenland-Kroatisch“ und „Kroatisch“ in Hinblick auf die k. B. und die seit den 1970er Jahren zugewanderten Kroaten und Kroatinnen unterschieden. Burgenland-Kroatisch sprachen demnach 2001 ca. 16.300 Personen (5,9 %).
Geosits St. (Hg.): Die burgenländischen Kroaten im Wandel der Zeiten. Wien 1986.Holzer W., Münz, R. (Hg.) 1993: Trendwende? Sprache und Ethnizität im Burgenland. Wien. Österreichisches Volksgruppenzentrum (Hg.) 1993: Burgenländische Kroaten. Wien (= Österreichische Volksgruppenhandbücher 5). Robak F. 1985: Kroaten im Burgenland. Wien.