Burgenland (Roma)

Burgenland (Roma), burgenländische Roma

In Österreich wird „Roma“ zunehmend als Sammelbegriff für die Volksgruppe der Roma, Sinti und Lovara verwendet und beginnt die diskriminierende Fremdzuschreibung „Zigeuner“ zu ersetzen. Als b. R. werden die Nachfahren jener Roma bezeichnet, die im 16. und 17. Jh. als Musiker und Schmiede im Dienst der osmanischen Armee nach Ungarn kamen und blieben, auch in jenen westungarischen Gebieten, die 1921 als Bundesland Burgenland an Österreich angegliedert wurden. Die in diesem Gebiet im 18. Jh. zwangsangesiedelten und zur Sesshaftigkeit gezwungen Roma werden dazugezählt. Außer diesen leben weitere Roma-Gruppen in Österreich: Im 19. Jh. siedelten sich Lovara um den Neusiedler See an, sie leben heute in Wien; aus Böhmen und Bayern zogen Sinti nach Österreich, und seit den sechziger Jahren des 20. Jh. kamen Roma als Emigranten aus Südosteuropa nach Österreich.

Seit dem Beginn des 20. Jh. mussten viele Roma ihre traditionellen Berufe wie z. B. Korbflechter, Nagelschmiede, Kesselflicker, Musiker oder den Hausierhandel, aufgeben da sie damit in den Jahren der Wirtschaftskrisen ihre Existenz nicht mehr sichern konnten. Einige fanden im Baugewerbe, als Landarbeiter oder Taglöhner Arbeit.

In der Zwischenkriegszeit nahmen Ressentiments gegen die Roma zu. Die für die Aufbringung der Armenfürsorge zuständigen Gemeinden wollten die Kosten nicht länger tragen. In einer von Politikern und Behörden einberufenen „Zigeunerkonferenz“ 1933, wurde u. a. über die Aberkennung von Staatsbürgerrechten, Zwangsarbeit und Deportation gesprochen. Aus verfassungsrechtlichen Gründen konnten Politiker und Behörden die geforderten Maßnahmen aber nicht umsetzen.

Sofort nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten 1938 wurden b. R. verhaftet und als „Asoziale“ in Konzentrationslager deportiert. Kindern der b. R. wurde der Schulbesuch und Musikern das Musizieren in der Öffentlichkeit, eine Einkommensquelle für einige b. R., untersagt. 1940 wurde das Lager Lackenbach (Burgenland) als Anhalte- und Zwangsarbeitslager für Roma eingerichtet. Ab 1941 wurde es zu einem Durchgangslager für die Deportation der Roma in die Vernichtungslager. Roma-Siedlungen im Burgenland wurden aufgelöst und geschliffen. 1941 wurden ca. 5000 b. R. nach Łódź deportiert und in Chełmno ermordet, 1943 weitere österreichische Roma, unter ihnen auch b. R., nach Auschwitz transportiert. Die Zahl der b. R. in der Zwischenkriegszeit wird auf 8000 geschätzt, etwa 700 von ihnen haben den Holocaust überlebt.

Nach 1945 wurde den Überlebenden des KZ Lackenbach die Anerkennung als KZ-Opfer verweigert, aber nach Drängen österreichischer Opferverbände 1961 eine Entschädigung zuerkannt. 1988 wurden Überlebende des KZ Lackenbach im Sinne des Opferfürsorgegesetzes KZ-Häftlingen gleichgestellt. Das 1976 geschaffene Volksgruppengesetz anerkannte die b. R. noch nicht als Volksgruppe. 1989 erfolgte die Gründung des ›Verein Roma‹ im Burgenland, 1991 folgten der ›Kulturverein Österreichischer Roma‹ und der Verein ›Romano Centro‹, der in- und ausländische Roma vertritt. 1993 gründete sich der ›Verband Österreichischer Sinti‹. Als österreichische Volksgruppe wurden die Roma 1993 anerkannt, seit 1995 sind die b. R. im Volksgruppenbeirat vertreten.

Nach einer 2004 durchgeführten Schätzung lebten 2001 etwa 4900 b. R. in Österreich. Die in der Volkszählung 2001 angegebene kleine Zahl von ca. 300 Personen, die sich zum Gebrauch des Romanes bekannten, ist Zeichen dafür, dass das Bekenntnis zu der Volksgruppe der b. R. immer noch mit einer gesellschaftlichen Stigmatisierung verbunden ist. B. R. sind bis heute in fast allen Lebensbereichen benachteiligt.

Baumgartner G., Freund F. 2004: Die Burgenland-Roma 1945-2000. Eine Darstellung der Volksgruppe auf der Basis archivalischer und statistischer Quellen. Ein Forschungsprojekt des Kulturvereins Österreichischer Roma. Eisenstadt (= Burgenländische Forschungen 88). Österreichisches Volksgruppenzentrum (Hg.) 1996: Roma. Wien (= Österreichische Volksgruppenhandbücher 3). Rieger B. 2003: Roma und Sinti in Österreich nach 1945. Die Ausgrenzung einer Minderheit als gesellschaftlicher Prozess. Frankfurt a. M. (= Sinti- und Romastudien 29).

(Gert Tschögl)

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