Bytom


Bytom (dt. hist. Beuthen)

Inhaltsverzeichnis

1 Geographie

Die Industriestadt B. ist in der polnischen Woiwodschaft Schlesien, nördlich von deren Hauptstadt Kattowitz, gelegen. Mit 186.540 Einwohnern (2006) gehört sie zu den größten und ältesten Städten des Oberschlesischen Industriereviers (GOP – Górnośląski Okręg Przemysłowy). Das Stadtgebiet umfasst 69,43 km² und liegt zwischen 249–330 m ü. d. M. Die Stadtmitte befindet sich auf ca. 280-290 m. Die Lage auf dem Schlesischen Hochplateau (Wyżyna Śląska) beschert B. ein gemäßigtes Klima mit jährlichen Niederschlagsmengen von ca. 650 mm. Die mittlere Temperatur beträgt im Januar –1,5 °C, im Juli 16,8 °C.

Durch die Lage an einer an verschiedenen Bodenschätzen reichen Lagerstätte (Steinkohle, Blei, Zink, Silber und Dolomit) gehört B. zu den wichtigsten Industriestandorten Polens (v. a. Metallverarbeitung, Maschinenbau, chemische und Textilindustrie). Der noch vor einem Jahrzehnt dominierende Abbau der Bodenschätze (Steinkohle sowie Blei- und Zinkerzen) hat inzwischen stark an Bedeutung verloren.

Die seit 1945 in B. ansässige Schlesische Oper (Opera Śląska) und das Oberschlesische Museum (Muzeum Górnośląskie, seit 1946) gehören zu den wichtigsten Kultureinrichtungen im GOP. 1991 wurde in B. darüber hinaus das erste polnische professionelle Tanztheater gegründet (Śląski Teatr Tańca) sowie 1998 das Kulturzentrum (Bytomskie Centrum Kultury), das verschiedene Kulturaktivitäten ausführt bzw. unterstützt.

Die Gebäude der Oper (gebaut 1898-1901) und des Museums (1929-30) sind als Baudenkmäler geschützt. Weitere architektonisch Besonderheiten der Stadt sind die gotische Mariä Himmelfahrtskirche (Kościół Wniebowzięcia Najświętszej
Himmelfahrtskirche
Marii Panny, erbaut ca. 1231), die oktagonale Kapelle (heute Kirche, 1721) des nicht mehr existierenden Krankenhauses des Heiligen Geistes (Szpital Świętego Ducha), das Gebäude des heutigen Bolesław-Chrobry-Lyzeums (Liceum Ogólnokształcące imienia Bolesława Chrobrego, 1901) und die neogotische Trinitätskirche (Kościół Świętej Trójcy, 1886). Im Stadtzentrum und v. a. in den Stadtteilen Rozbark (dt. Roßberg) und Bobrek befinden sich zahlreiche Straßenzüge von um die Jahrhundertwende tlw. im Jugendstil gebauten Mietshäusern.

Die Stadt verfügt über ein gut ausgebautes Verkehrsnetz aus Straßen- und Eisenbahnverbindungen. In der Nähe befindet sich auch der internationale Flughafen Pyrzowice (1.092.385 Passagiere und 5636 t Cargo 2005). B. wird zum regionalen Autoverkehrsknotenpunkt ausgebaut. Das dichte Straßenbahn- und Busnetz verbindet B. mit fast allen Orten des GOP, doch die Eisenbahnverbindungen haben v. a. regionale Bedeutung.

Das Bildungswesen wurde in B., u. a. wegen der geringen Entfernung und guter Erreichbarkeit der akademischen Zentren Kattowitz und Gleiwitz (Gliwice) über lange Zeit vernachlässigt – in der Stadt befinden sich zwei Hochschulen (eine davon privat) und vier weitere Hochschulen haben ihre Abteilungen in B. eröffnet.

Seit dem Niedergang der Montanindustrie in den 1990er Jahren sind in B. fünf der sechs Bergwerke stillgelegt. Auch die beiden Hüttenwerke wurden geschlossen. Seitdem gehört die Arbeitslosigkeitsrate (22,1 % Im Juli 2006) zu den höchsten in der Woiwodschaft Schlesien.

Anfang

2 Kulturgeschichte

Die Anfänge der Stadt reichen bis in das 11. Jh., als eine Wehrburg auf dem „Margaretenhügel“ (Wzgórze Małgorzaty), an der Kreuzung der Handelswege zwischen Krakau und Ungarn sowie Mähren und Großpolen entstand. Die Ersterwähnung stammt jedoch erst aus dem Jahr 1123/25. 1177 bzw. 1178 überließ der Herzog Kasimir der Gerechte (Kazimierz Sprawiedliwy) B. und Oświęcim seinem Patenkind Kasimir (Kazimierz), dem Sohn des Herzogs Mieszko Schlenkerbein (Plątonogi) von Ratibor, womit diese Gebiete von Kleinpolen zu Schlesien übertragen wurden. 1201 wird die Kirche auf dem Margaretenhügel erwähnt. Ende des 11. Jh. entwickelte sich am nördlichen Fuß des Hügels eine Marktsiedlung im Bereich des heutigen Stadtzentrums. Während die Burg allmählich an Bedeutung verlor, bekam die Siedlung 1254 Stadtrechte vom Oppelner Herzog Władysław.

Nach der Aufteilung des Herzogtums Oppeln (Opole) zwischen den Söhnen Władysławs wurde B. 1281 zur Hauptstadt eines selbständigen Herzogtums. Der Herzog Kasimir (Kazimierz) I. (1281-1312) zog 1289 vom Margaretenhügel in das neue (wahrscheinlich hölzerne) Schloss im Nordosten des heutigen Stadtzentrums (nicht erhalten) und ließ Schutzmauern mit drei Toren bauen. Aus dem 13. Jh. stammt die noch erkennbaren Raumstrukturen der Stadtmitte mit einem rechteckigen Markt und eine schachbrettartige Straßen und Gebäudeanordnung innerhalb einer ovalen Siedlung.

Der Herzog ließ in B. seine Münzen prägen. Am 10. Januar 1289 unterstellte er sich der Böhmischen Krone als Lehnsherr. 1299 stiftete Kazimierz I. vor den Toren der Stadt das Krankenhaus des Heiligen Geistes. Zu seiner Herrschaftszeit konnten Prämonstratenser im St. Vinzenzstift zu Breslau ihre Macht ausbauen, indem sie neben dem Patronatsrecht über die Marienkirche und der Margaretenkirche auch Teile des Gebiets des Herzogs erhielten. Die Bewohner des verschenkten Landes waren nicht mehr dem Herzog, sondern dem Stift unterstellt.

Zu Zeiten der Vereinigung der polnischen Gebiete durch den Władysław I. Łokietek („Ellenlang“) schwanken die B.er Herzoge zwischen der polnischen und böhmischen Krone. 1327 erkannten sie letztendlich die böhmischen Oberhoheit an.

B. verdankt seine erfolgreiche Entwicklung dem Handel und Erzbergbau (zu dieser Zeit Blei und Silber). Davon zeugt auch das einem Schöffensiegel aus der Mitte des 14. Jh. nachempfundene Stadtwappen, das die Gestalt eines einen Felsen zerbröckelnden Bergknappen zeigt. Auch das in der Umgebung von B. gewonnene Blei musste in der Stadt gebührenpflichtig gewogen werden. Jedoch als Mitte bis Ende des 14. Jh. im Bergbau das sog. Wasserniveau erreicht wurde, was damals den weiteren Abbau technisch unmöglich machte, begann eine länger andauernde Krise.

1355 stirbt Bolesław und mit ihm die Linie der B.er Piasten. Nach einem Streit um sein Erbe, bei denen es in B. zu Tumulten kam, wird die Stadt 1369 zwischen den Herzog von Teschen (Cieszyn) und Oels (Oleśnica) aufgeteilt. Erst 1459 wurde die Stadt wiedervereint, nachdem der Herzog von Teschen seinen Teil veräußert hatte. 1432 wurde B. von Hussiten erobert, im 16. Jh. wurde die Stadt von zahlreichen Bränden (1475, 1515, 1526, 1529) und Unruhen mit religiösem Hintergrund geplagt. Auch im Dreißigjährigen Krieg wurde die Stadt mehrmals geplündert.

1526 kam sie zusammen mit Böhmen zum Habsburgerreich, wobei sich B. bis 1623 im persönlichen Besitz der fränkischen Hohenzollern befand und 1742 mit dem restlichen Schlesien an Preußen eingegliedert wurde. 1629 wurde sie zum Privateigentum Henckel von Donnenrsmarck. Erst als 1808 die Verwaltungsreform in Preußen den Vorstädten den gleichen rechtlichen Status wie den Städten einräumte und den privaten Stadtbesitz abschaffte, womit die Herrschaft von Donnenrsmarcks beendet wurde, konnte der Verfall der Stadt besiegelt werden. Im gleichen Jahr erhielt die Vorstadt den gleichen rechtlichen Status wie die Stadt im Bereich der Schutzmauer.

Durch die steigende Bedeutung der Bodenschätze (insbesondere Zink und Steinkohle) und technische Errungenschaften kam es zu einer raschen Entwicklung der Bergbau- und Hüttenindustrie. Diesen Wandel verdeutlichen die Bevölkerungszahlen: Während sich diese im Verlauf des 16.–18. Jh. zwischen 1000-1500 bewegte, stieg sie zwischen 1804–49 von 1848 auf 6106. Die Bevölkerungszunahme in der 2. Hälfte des 18. Jh. ist u. a. auf die Zuwanderung der Juden zurückzuführen, die nach preußischem Recht von 1776 bis auf wenige Ausnahmen nur in Oberschlesien östlich der Oder leben durften. Ihr Anteil stieg in B. von 2,7 % (1749) auf 10,4 % (1804). Bis Ende des 17. Jh. gab es in der Stadt ausschließlich Holzbebauung. 1848/49 wurde B. kurzfristig zum Zentrum des deutschen und polnischen politischen Lebens in Oberschlesien. 1849 hat sich in B. das Gericht und die Kreisstaatsanwaltschaft niedergelassen. B. stieg zum wichtigsten Verwaltungs- und Dienstleistungs- sowie Handwerks- und Industriezentrum in Oberschlesien neben Gleiwitz und 1864 wurde zu dessen bevölkerungsreichsten Stadt (etwa zur selben Zeit wurde deutsch zur dominierenden Sprache der Stadtbevölkerung). Dies hatte Konsequenzen für die Raumordnung der Stadt: 1827 wurde die Stadtmauer größtenteils abgetragen (bis heute blieben nur noch Fragmente erhalten). Hier entstand ein neues Geschäftszentrum der Stadt, das nach französischem Vorbild ein repräsentativer Stadtplatz mit strahlenförmig verlaufenden Straßen aufwies (z. T. 1980 zerstört). B. wuchs mit der ehemaligen Vorstadt immer stärker zusammen. Entsprechend wurde auch die Infrastruktur ausgebaut: 1860 wurde in B. Gasbeleuchtung eingeführt (1899 wurde sie durch elektrische Beleuchtung ersetzt)
Dworcowa
und bis 1868 entstand ein ausgebautes Kanalisationsnetz in der Stadt. Am 1.4.1890 wurde B. zum Stadtkreis. Die Einwohnerzahl war inzwischen auf 26.905 gestiegen. Der Umbau der Stadt setzte sich aufgrund der raschen Entwicklung weiter fort. Viele Mietshäuser wurden im eklektischen Stil errichtet, die Zahl der Stockwerke stieg und es setzte die dichtere Bebauung von Innenhöfen ein. 1894 wurde die erste reguläre Straßenbahnlinie eröffnet. Heute befindet sich in B. eine der kürzesten Straßenbahnlinien Europas (1300 m).

Nach dem Bau der Eisenbahnstrecke nach Berlin (Oberschlesische Eisenbahn) verlor B. allmählich zugunsten der an dieser Strecke gelegenen Orte an Bedeutung. 1846 wurde die Führung der Oberschlesischen Eisenbahn durch die Stadt v. a. durch den Widerstand der B.er Kaufleute verhindert. 1873 wurde der Landkreis B. in vier Kreise aufgeteilt. Die Bevölkerungszahl B.s hatte sich bis 1900 auf 51.404 (davon 43.164 Katholiken, 5622 Protestanten und 2594 Juden) fast verdoppelt. 1855 wurde B. durch drei Schmalspurbahnlinien mit Königshütte, Tarnowitz (Tarnowskie Góry), Myslowitz (Mysłowice) und Ruda verbunden und 1858/59 bekam die Stadt den Anschluss an die Eisenbahn Warschau-Wien sowie an die Oberschlesische Eisenbahn. 1869 wurde die Eisenbahnlinie nach Breslau eröffnet.

1919 wurde B. Schauplatz der Kämpfe des 1. Oberschlesischen Aufstands. In der Volksabstimmung vom 20 März 1920 wurde 72,3 % der Stimmen für den Verbleib in Deutschland registriert. In der direkten Stadtumgebung stimmten 37,1 % für Deutschland. 1921 wurde B. für einen Tag von den Aufständischen des 3. Oberschlesischen Aufstands erobert. Als am 15.6.1922 B. fast sein gesamtes Umland verlor, das sich nun in Polen befand, bußte die Stadt auch ihr Wirtschafts- und Entwicklungspotential ein.

In der Zwischenkriegszeit wurde die Badeanstalt im Stadtpark errichtet. Der Stadtausbau konzentrierte sich auf den Wohnungsbau und Infrastrukturausbau in der früheren Vorstadt. 1927 wurde die größte angrenzende Gemeinde Roßberg eingemeindet (23.420 Einwohner 1925). Die Einwohnerzahl stieg in dieser Zeit von 71.194 (1919) auf 103.332 im Jahr 1935.

Im Herbst 1932 wurde ein polnisches Gymnasium in B. gegründet, das als eine von zweien im Dritten Reich bis 1939 existiert hat.

Am 27.1.1945 wurde B. von der Roten Armee eingenommen. Ein Teil der technischen Infrastruktur wurde demontiert und in die UdSSR abtransportiert. Am 12.2. wurden die meisten Männer im Alter von 16–50 Jahren interniert und ebenfalls in die Sowjetunion verschleppt. Viele von ihnen wurden Zwangsarbeiter in Sowjetischen Bergwerken. Am 18.3. wurde die Stadt der polnischen Verwaltung übergegeben.

Die deutsche Bevölkerung, soweit sie nicht vor den anrückenden Rotarmisten geflüchtet war, wurde größtenteils vertrieben. Die meist einen polnischen Dialekt sprechenden Oberschlesier mussten sich einer „Verifizierung“ seitens der polnischen Behörden unterziehen. Von 38.755 Verifizierungsanträgen (mit Kindern für insgesamt 68.280 Personen) wurden 3943 abgelehnt und ihre Antragsteller mussten Polen verlassen. An die Stelle der Vertriebenen rückten schnell die sog. Repatrianten – Polen aus den von der UdSSR besetzten Gebieten des polnischen Vorkriegsstaates, insbesondere aus der Westukraine (v. a. Lemberg und Umgebung), so dass die Bevölkerungszahl 1945–49 von 50.000 auf 110.000 stieg. 1948 stellten die Zugewanderten 52 % der Bevölkerung, die Repatrianten machten fast ⅓ der Einwohnerzahl aus. Trotz des raschen Anstiegs der Bevölkerungszahl, hat B. in Polen keine seiner Vorkriegsfunktionen wiederlangt.

1951 wurden umliegende Siedlungen in die Stadt eingemeindet. Die Einwohnerzahl stieg auf 176.600. Nach der Verwaltungsreform 1975 wurden weitere Gebiete des ehemaligen Kreises B. in die Stadt eingegliedert und ihre Einwohnerzahl wuchs auf 234.231. Nachdem sich 1997 Radzionków von B. abspaltete, ging die Bevölkerungszahl auf 207.566 zurück. Der seit 1987 beobachtete Abnahmetrend hat sich danach verstärkt.

Der Jahrhunderte lang betriebene Bergbau hat seine Spuren im Stadtbild hinterlassen, z. B. in Form vom Absinken einiger Gebiete, die direkt über dem (ehemaligen) Fordergebiet liegen. Noch in den 1980er Jahren waren Gebirgsschläge an der Tagesordnung, die z. T. erhebliche Schäden verursacht haben. Nach wie vor prägen Schächte, Hütten und Halden, teilweise in direkter Zentrumsnähe, das Bild der Stadt, auch wenn zahlreiche Versuche unternommen wurden, die alten Industrieflächen zu rekultivieren und Industrieneuansiedlungen zu forcieren. So wurde z. B. 2002 auf dem ehemaligen Dolomittagebau ›Blachówka‹ ein ganzjähriges Wintersportgelände eröffnet. In dessen Nähe befindet sich das Naturschutzgebiet ›Segiet‹ (25 ha, seit 1953), in dem Reste des gleichnamigen Waldes geschützt werden.

Drabina J. (Hg.) 1991: Z dziejów dzielnic Bytomia. Drabina J. 2000: Historia Bytomia 1254 – 2000. Bytom. Drabina J., Horwat J., Jedynak Z. 1985: Bytom średniowieczny. Bytom. Długoborski W. (Hg.) 1979: Bytom. Zarys rozwoju miasta. Warszawa.

(Dariusz Gierczak)

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