Goten (Überblick)

Goten (Überblick)

Die ersten Erwähnungen der G. in der antiken Literatur stammen aus dem 1. Jh., ohne dass direkte Kontakte mit Rom für die ersten beiden nachchristlichen Jahrhunderte bezeugt sind. Erst um die Mitte des 3. Jh. häufen sich die Berichte über gotische Übergriffe in das Römische Reich. Die wichtigsten Informationen zu den G. bieten die im 6. Jh. verfasste Gotengeschichte (›Getica‹) des Jordanes sowie für die Ereignisse des 4. Jh. bis zur Schlacht von Adrianopel das Geschichtswerk des Ammianus Marcellinus. Als besondere sprachliche Quelle ist die gotische Bibelübersetzung des Bischofs Wulfila aus dem 4. Jh. zu nennen.

Die Herkunft der G. ist unsicher. Die Annahme, die G. seien durch Wanderungsbewegungen von Skandinavien bis in die Region der unteren Donau und des Schwarzen Meeres gezogen, ist archäologisch kaum sicher beweisbar und wahrscheinlich eine Annahme, die im 6. Jh. am Hofe Theoderich des Großen entstanden ist.

Mitte des 3. Jh. saßen die G. bereits nördlich der Donaumündung und des Schwarzen Meeres, wo sie die ursprünglich dort ansässige Bevölkerung schnell dominierten. Die Ansiedlung im dortigen Raum muss als Resultat einer Bevölkerungsverschiebung aus dem Weichselgebiet an der Nord-Rand der pontischen Steppenzone gewertet werden.

Gegen Ende des 3. Jh. lassen sich zwei gotische Gruppen festmachen, die nördlich der unteren Donau und dann auch in der Provinz Dakien lebenden Westgoten und die Ostgoten nördlich des Schwarzen Meeres.

Im 4. Jh. errichteten die Ostg. unter Führung der Amaler ein ausgedehntes Herrschaftsgebiet in Osteuropa. Die Westg. unter Athanarich lebten dagegen in Dakien (Walachei und Siebenbürgen) in enger und wechselvoller Beziehung zu Rom. Die Völkerwanderung spaltete die Verbände der West- und Ostg. weiter auf und sorgte für neue Zusammensetzungen innerhalb der gotischen Stämme. Während die Ostg. 375 dem Ansturm der Hunnen erlagen, wichen die Westg. dem hunnischen Druck aus.

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Ein Teil der terwingischen G. zog sich in die Karpaten zurück, während die Mehrheit über die Donau in das Römische Reich flüchtete. Allerdings waren diejenigen, die die Donau überschritten hatten, keineswegs ein einheitliches Volk, vielmehr gehörten sie unterschiedlichsten Verbänden – neben Ost- und Westg. auch Alanen, „Taifalen“ (latein. Taifali), Hunnen und Balten – an.

Aufgrund mangelnder Eingliederung in das Reich bildeten diese Stämme einen ständigen Unruheherd und besiegten in der Schlacht bei Adrianopel 378 Kaiser Valens. Theodosius I. sah sich daher gezwungen, einen Vertrag mit den G. zu schließen, der ihre Ansiedlung in Thrakien und ihre Integration in den Reichsdienst regelte. Damit wurde erstmals in der römischen Geschichte einer geschlossenen großen Bevölkerungsgruppe die Ansiedlung auf römischen Boden vertraglich möglich gemacht. Unter Alarich I. (seit 391 bezeugt) bauten die G. ihre Position auf römischen Reichsgebiet aus. Um 405/6 verfügte Alarich über die stärkste Armee im italischen Raum, vermochte es aber nicht, seine Stärke in eine legalisierte Machtposition umzumünzen. Am 24.08.410 ließ er Rom besetzen und drei Tage lang plündern. Wenngleich von großer Symbolkraft, brachte dieses Ereignis keine Entscheidung über die Integration der G. in das Römische Reich. Der Nachfolger Alarichs, Athaulf, führte die G. nach Gallien. Um 418 wurde den G. der Raum um Toulouse und Bordeaux zur Ansiedlung überlassen, der als wirtschaftlich starker Raum den Westg. die Basis für die Ausprägung des sog. Tolosanischen Reiches bot.

In dieser Zeit berichten die Quellen über die unter hunnischer Herrschaft zurückgebliebenen Ostg. praktisch nichts. Dies ändert sich mit dem Zusammenbruch des Attila-Reiches. Spätestens seit 469 kann die ostgotische Vorherrschaft an der mittleren Donau als gesichert gelten. In den Folgejahren verbreiterten sie ihre Machtbasis unter Führung Theoderichs auf der gesamten Balkanhalbinsel. 488 zog Theoderich im kaiserlichen Auftrag nach Italien, besiegte Odoaker und errang so die Herrschaft über Italien, blieb allerdings in Abhängigkeit von Byzanz. In einem von 535 bis 555 dauernden Krieg mit Byzanz wurden die Ostg. schließlich aufgerieben.

Bierbrauer V. 1994: Archäologie und Geschichte der Goten vom 1.–7. Jahrhundert, Frühmittelalterliche Studien 28, 51–171. Wolfram H. 1990: Die Goten. Von den Anfängen bis zur Mitte des 6. Jahrhunderts. München.

(Beatrix Günnewig)

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