Jordanes
Jordanes; * unbekannt † nach 552, Geschichtsschreiber. J. war gotischer Herkunft und verfasste neben einer römischen Geschichte (Historia romana) eine auf Cassiodor beruhende Gotengeschichte (Getica). Über sein Leben gibt es kaum Informationen. Sicher ist seine Tätigkeit als Notarius für den gotischen ›magister militum‹ Gunthigis (Baza). Ob J. mit dem Bischof Jordanes von Kroton identisch ist, ist ebenso unsicher wie die in manchen Handschriften zu findende Identifizierung mit dem Bischof von Ravenna. Hypothetisch bleibt auch die in der neueren wissenschaftlichen Forschung zu findende Annahme, die Person des J. habe nicht existiert und sei reine Fiktion.
›Romana‹ ist eine Weltchronik, die mit der Erschaffung der Erde einsetzt und bis in die Zeit des Augustus reicht. Sie impliziert dabei eine Geschichte Roms, die sich bis in die Regierungszeit Kaiser Justinians I. erstreckt. Die spätesten zeitlich fassbaren Ereignisse sind auf 552 zu datieren. Während ›Romana‹ jedoch kaum einen eigenständigen Quellenwert besitzt, ist die von J. zuvor fertig gestellte ›Getica‹ von besonderer Bedeutung. Da die Bücher Cassiodors nicht überliefert sind, stellt die Gotengeschichte J.s in weiten Bereichen die einzige Quelle für die Geschichte der Goten dar. Verfasst wurde sie in der (späten) Regierungszeit Justinians. J. schreibt seinen Bericht über die Goten unter Aufsicht der Sieger und, wie er selbst sagt, zum Lob der Sieger, das heißt zum Lob Justinians. Während J. mit Sicherheit Cassiodor benutzte, ist strittig, wie weit er diese Quelle mit anderen Werken kombinierte. Sein Werk gilt da, wo er nicht direkt seinen Quellen folgt, als inhaltlich nicht immer verlässlich und stilistisch schwerfällig.
Der Bericht über die Goten („De origine actusque Getarum“) reicht von den sagenhaften Anfängen der Goten bis in die Zeit des J. Unterteilt ist das Werk in vier große Hauptteile. Teil eins ist eine geographische Einführung, die u. a. die Teilung der Goten in Ost- und Westgoten thematisiert; Teil zwei konzentriert sich auf die allgemeine gotische Geschichte; Teil drei beschäftigt sich mit der Geschichte der Westgoten; Teil vier mit der ostgotischen Geschichte von der hunnischen Invasion bis zum Untergang in Italien.
Várady L. 1976: Jordanes-Studien. Chiron 6, 441–487.