Hrodna (Stadt)

Hrodna (weißruss.; dt.hist. Garten, lit. Gardinas, poln./russ. Grodno).

Inhaltsverzeichnis

1 Geographie

H. befindet sich im westlichen Teil der Republik Weißrussland in unmittelbarerer Nähe zur polnischen und litauischen Grenze. Die Stadt zählt rund 312.000 Einwohner (2001) und umfasst eine Fläche von ca. 80 km². Die am rechten Ufer des Flusses Nëman liegende Stadt ist das wichtigste Zentrum der polnischen Minderheit (ca. 20 %) in Weißrussland.

H. ist heute auch eines der größten Industriezentren Weißrusslands. Die bedeutendsten Industriezweige sind die chemische Industrie, der Maschinenbau, die Nahrungsmittelindustrie, die Leichtindustrie und die Landwirtschaft.

H. verfügt über vier Hochschulen, darunter die 1978 gegründete Universität H. Zu den wichtigsten kulturellen Einrichtungen gehören das „Dramatische Theater“, das Puppentheater, die Philharmonie, das „Staatliche Museum für Geschichte und Religion“ und das historisch-archäologische Museum. Polen unterhält in H. ein Konsulat.

Anfang

2 Kulturgeschichte

Die erste urkundliche Erwähnung der Stadt geht auf 1127 zurück (v. a. ältere Quellen geben oft 1128 an). Bis ins 16. Jh. lautete der Name der Stadt Horaden. Im 12. u. 13. Jh. war H. die Hauptstadt des gleichnamigen Fürstentums, Mitte des 13. Jh. kam H. dann zum Großfürstentum Litauen. Seit 1376 war H. Eigentum des litauischen Großfürsten Vytautas und wurde 1390 Schauplatz von dessen Auseinandersetzungen mit dem polnischen König Władysław II. Jagiełło. Die Gründung der jüdischen Gemeinde in H. geht auf das Jahr 1389 zurück. Sie ist damit eine der ältesten jüdischen Gemeinden im heutigen Weißrussland.

H. erhielt 1391 das Recht zur städtischen Selbstverwaltung auf Grundlage des Magdeburger Rechts. 1413 wurde H. Teil der Woiwodschaft Troki und war seit Mitte des 16. Jh. Zentrum des Amtsbezirkes H., 1576–86 befand sich in H. die Residenz des polnischen Königs Stefan Batory. Seit 1679 tagte in H. jeder dritte polnische Sejm, so u. a. 1793 der letzte Sejm der Rzeczpospolita (Stummer Sejm). Am 25.11.1795 dankte König Stanisław August Poniatowski in H. ab. Seit 1795 befand sich H. im russischen Teilungsgebiet und war seit 1801 Hauptstadt des Gouvernements H. 1862 wurde die erste russische Eisenbahnlinie durch H. verlegt (Strecke Sankt PetersburgWarschau). Dies hatte ein Anwachsen der Bevölkerung und der Wirtschaftskapazität zur Folge. Die Einwohnerzahl stieg von 26.000 (1887) auf 65.500 (1910) an.

Im Ersten Weltkrieg besetzten deutsche Truppen 1915 die Stadt. Am 27.12.1918 wurde der Sitz der Regierung der „Unabhängigen Weißrussischen Volksrepublik“ (Belaruskaja Narodnaja Rėspublika, BNR) unter Anton I. Luckevič nach H. verlegt und blieb dort bis zum Abzug der Deutschen im April 1919. Danach kam H. unter polnische Verwaltung.

Während des Polnisch-Sowjetischen Krieges (1920/21) wurde H. am 19.07.1920 von der Roten Armee besetzt. Nach der Unterzeichnung des Friedensabkommens in Riga am 18.03.1921

war H. als Kreisstadt Bestandteil der zweiten Polnischen Republik. Der jüdische Bevölkerungsanteil betrug in dieser Zeit etwa 40 %. Im September 1939 wurde H. von der Roten Armee besetzt und als Teil der Belaruskaja Saveckaja Sacyjalistyčnaja Rėspublika (weißruss., Abk. weißruss. und russ. BSSR) der UdSSR einverleibt. Seit dem 15.01.1940 war H. das Zentrum des Kreises H. im Gebiet Białystok. In dieser Zeit wurden v. a. in H. ansässige Polen (in erster Linie Vertreter der Intelligenz und Staatsbedienstete) ins Landesinnere der Sowjetunion deportiert.

Nach dem Überfall auf die Sowjetunion wurde die Stadt vom 24.07.1941 bis zum 16.07.1944 von der deutschen Wehrmacht besetzt und unter dem Namen Garten ins Deutsche Reich eingegliedert. Während der Besatzungszeit gab es in H. zwei jüdische Gettos. H. war ein Zentrum des Widerstandskampfes der polnischen Armia Krajowa und sowjetischer Partisaneneinheiten. 1944–91 war H. als Zentrum des Gebietes H. Bestandteil der BSSR innerhalb der UdSSR. Seit dem Zerfall der Sowjetunion 1991 ist H. Hauptstadt des gleichnamigen Gebietes der Republik Weißrussland.

(Kai Witzlack-Makarevich)

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